The First Avenger: Civil War

ENTFESSELTE HELDEN

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Superhelden in politisch-gesellschaftlichem Kontext haben in letzter Zeit Hochkonjunktur. Sie sind allesamt nicht mehr nur plakative Abziehbilder aus Selbstjustiz und einem Auge-um-Auge-Gerechtigkeitssinn, überbordender Stärke und Perfektionismus. Sie haben zwar in ihrem phantastischen Paralleluniversum, das im Grunde sehr ähnlich dem unseren ist, gehörig eine Portion mitzureden, werden aber so, in ihrer Allmacht, nicht mehr akzeptiert. Diesen Stoß vom Sockel haben wir bereits bei Zack Snyders Batman vs. Superman gesehen, allerdings ins Griechisch-Tragische überhöht und voller Pathos. Das Marvel-Universum schickt einige Monate später ebenfalls ein Ritterturnier ins Rennen, das zwar offiziell ein Captain America-Abenteuer sein soll, in Wahrheit aber einen weiteren Avengers-Film darstellt, nur ohne Thor und Hulk. Und Marvel, die deutlich augenzwinkerndere, kreativere und unterhaltsamere Comicreihe, schlägt das düstere, an den Film Noir angelehnte DC-Universum – derweil noch – um Längen (warten wir auf Suicide Squad…). Allen Unkenrufen und Superhelden-Boykotten all jener zum Trotz, die das Genre als ausgelutscht und allzu trivial wahrnehmen, mausert sich vor allem das Avengers-Universum zu einem zusammenhängenden, alle Kinoepisoden verbindenden Epos, dessen Geschichte mittlerweile mehrere Anfänge aufweist –  darunter die Genese des Captain America, die Verbannung Thors aus Asgard und die Verwandlung des Hulk – und sich langsam, wie die Fasern eines Seiles, miteinander verbinden. Vergleichbar ist das Marvel Cinematic Universe – wie es sich nennt – mit dem ausufernden und mittlerweile unüberschaubar gewordenen Universum von Star Wars. Und auch bei Marvel sind die Schauplätze längst nicht mehr nur die Erde, denn Oberbösewicht Thanos, um den es hier schlussendlich geht und die Guardians of the Galaxy, die auch noch mitmischen werden, agieren Lichtjahre von unserem Heimatplaneten entfernt vor komplett anderer Kulisse. Zuletzt sollte man nicht die sechs Infinity-Steine vergessen, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte ziehen und deren Besitz zu unbegrenzter Macht verhilft. Alles schön durchdacht, doch das faszinierendste und gelungenste vor allem auch in diesem mehr als zweistündigen Abenteuer ist das Zusammenspiel der unterschiedlichen Charaktere mit mit all ihren spezifischen Fähigkeiten. Jeder ein Nerd für sich, mit psychischem Manko, menschlichen Fehlern und komplexer, zumeist schwieriger Persönlichkeit. Klar, nicht jede Charakterzeichnung ist bis ins Detail durchdacht, manche aus dem Avengerteam bleiben mehr oder weniger farblos, doch dabei handelt es sich um Randfiguren, die das Kernteam begrüßenswert ergänzen. Die filmische Darstellung der kriegerischen wie verbalen Auseinandersetzung der Helden unter sich ist die bislang wohl personenreichste Episode überhaupt. Alle Figuren gleichzeitig zu koordinieren und zu dirigieren, jedem genug Raum zur glaubwürdigen Entfaltung seiner Person zur Verfügung zu stellen – das zeugt von außerordentlichen inszenatorischen Fähigkeiten und war bislang das Steckenpferd eines Joss Whedon, der schon mit den Serien Buffy, Angel und Firefly auf gelungenes Teamwork gesetzt hat. Figuren wie der Winter Soldier, die noch keinen eigenen Kick-Off-Erstling erhalten haben, dürfen mit ihrem Bonus an Leinwandzeit ihre persönliche Geschichte noch greifbarer werden lassen. So ein Teamwork wie bei den Avengers bietet Stoff für Konflikte, neuen Verbindungen und internen Spaltungen. Diese Reibung sorgt für Spannung, Humor und Kurzweiligkeit. Auch befinden sich die Actionsequenzen des Filmes, der sich nicht wie Zack Snyder zu einem Effekte-Overkill hinreißen lässt, auf höchstem Niveau. Sie gipfeln in einem ultimativen, perfekt choreographierten Superheldenclash aller Protagonisten, der mit seiner humorvollen, selbstironischen Leichtigkeit nie langweilig wird oder das Publikum mit seinen Schauwerten erschlägt. Gleichzeit ist Civil War dramatisch genug, um einer Fortsetzung entgegenfiebern zu können. Superhelden hin oder her, man kann sagen was man will, Marvels Abenteuer, vor allem jene rund um Captain America, gehören zum Besten, was Comic im Kino zu bieten hat. Und – Pech für alle Kino-Puristen – noch ist längst nicht alles auserzählt.

 

 

The First Avenger: Civil War

9 Gedanken zu “The First Avenger: Civil War

  1. Elli schreibt:

    Danke für die Zusammenfassung – das Marvel Universum ist mittlerweile so komplex, dass ich teilweise das große Ganze aus den Augen verliere, siehe Thanos und die Infinity Steine.

    Ich selber bin mit Bauchweh ins Kino gegangen, weil ich Cap 2 zwar sehr mochte, aber bei den Avengers-Filmen eher das große Gähnen bekomme. Keine Ahnung was hier in Whedon gefahren ist, aber es hat sich angefühlt als würde jede Art von Handlung und Charakterentwicklung immer größeren Explosionen und Kampfszenen weichen müssen. Deswegen war ich vom „Massenaufgebot“ der Superhelden hier zuerst verunsichert, aber dann positiv überrascht. Sogar das Gekämpfe war zum Großteil unterhaltsam – der Focus mehr auf gut choreographiertem Zweikampf als Riesenschlachten mit ganzen einstürzenden Stadtteilen.

    Klar geht’s actionmäßig zur Sache, aber ich mochte, dass jeder Superheld seine eigene Agenda und seine eigenen nachvollziehbaren Gründe hatte. Ein Superheldenfilm ohne Mega-Bösewicht, sondern mit Menschen, die aufgrund ihrer Vorgeschichte auf unterschiedlichen Seiten landen.

    Ein Zitat von Chris Evans triffts für mich sehr gut: „Certain superhero movies feel like ‘superhero movies.’ Russo movies almost feel like human stories with a little bit of superhero sprinkled in.“

    PS: Außerdem musste ich ein paar Mal wirklich herzhaft lachen, also alles in allem wirklich gute Unterhaltung.

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    1. Vielen Dank Elli für deine ergänzenden Worte. Der Mega-Bösewicht wird zwar noch auf uns zukommen, bis dahin aber könnten uns die greifbar gewordenen Helden soweit ans Herz gewachsen sein, dass wir das finale Ramba-Zamba souverän überstehen werden. 🙂

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