Valerian – Die Stadt der tausend Planeten

SHAKEHANDS IM WELTRAUM

7/10

 

valerian

REGIE: LUC BESSON
MIT CARA DELEVIGNE, DAN DEHAAN, CLIVE OWEN, ETHAN HAWKE, RIHANNA

 

Am Anfang war nur ein Händeschütteln, ein simpler Willkommensgruß. Höflich, respektvoll. Hunderte Jahre später ist es ein Schmelztiegel aus mindestens zweitausend nebeneinander und miteinander lebender Lebensformen, die das Städtekonglomerat Alpha bewohnen. Und es wird größer, immer größer. Ein Ballungsraum, dem aber glücklicherweise nie der Platz ausgehen wird, so sehr das Gebilde noch expandieren mag. Alpha – das ist der Traum eines funktionierenden, intakten Babels. Eine Welt tausender Sprachen und Dialekte. Ein amorphes Konstrukt des Friedens, ein künstlicher Planet. Keine Ringwelt wie bei Larry Niven´s Romanidee, dafür aber ein stählernes Geoid. Ein Himmelskörper mit unzähligen Hohl- und Zwischenräumen. Die Stadt der tausend Planeten ist zu schön, um wahr zu sein. Aber was schön und fern des Realen zu sein scheint, dem geben sich Science-Fiction-Fans mit Hang zum phantastischen Fabulieren nur allzu gerne hin. (Fans von Star Wars zum Beispiel. Oder den Guardians of the Galaxy.) Und endlich hat das Kino wieder neues, erfrischendes Augenfutter für Freunde des Phantastischen im Programm.

Nach dem Weltraumklassiker Das fünfte Element hat sich der schreibwütige Kultregisseur Luc Besson den Comics von Valerian & Laureline (auf Deutsch: Valerian & Veronique) angenommen. Lange zögernd, ob diese Geschichten überhaupt verfilmbar wären, hat frühestens James Cameron´s Avatar den Startschuss für eine konkrete Realisierung gegeben. Wenn es gelingt, wie in dem Motion-Capture-Planetenepos komplette Welten entstehen zu lassen, dann dürfte Valerian eigentlich auch kein Problem mehr sein. Gesagt getan – rund 8 Jahre später beeindruckt der französische Weltraumzirkus mit überbordendem Einfallsreichtum, üppigen Welten und jeder Menge Kreaturen jenseits des zu Erwartenden. Wenn ein Film mit der Artenvielfalt eines Star Wars-Universums mithalten kann, dann Valerian. Hier treiben sich nicht weniger Wesen herum wie in den Cantinas zwischen Tatooine und Coruscant. Oder in der geheimen Basis der Men in Black. Wer die Qualität eines Filmes am Einfallsreichtum misst, der sich in den Figuren, Details und Settings widerspiegelt, kann sich auf ein verblüffendes, schwelgerisches Meisterwerk gefasst machen, dass von Lebensräumen und Lebensweisen erzählt, die jede für sich ein eigener Film wert wären. Da gibt es riesige, gepanzerte Seekühe, die in Symbiose mit telepathischen Quallen leben. Da gibt es Gürteltier-ähnliche Wesen, die alles, was sie zu fressen bekommen, multiplizieren können. Oder Tick, Trick und Track des Universums, die als gut bezahlte Informanten durch Alpha spazieren. Besson setzt in seinem neuen Film – womöglich der Anfang einer Filmreihe, je nach Kassenerfolg – die Latte noch höher als beim fünften Element.

Das Schicksal des Volkes der wachshäutigen, hochgewachsenen Pearls ist das Herzstück von Valerian. Mit viel Liebe zum Detail skizzieren Besson und sein Team eine intelligente Ethnie zwischen Massai und Na´vi, die ähnlich um ihre Existenz kämpfen muss wie die blauhäutigen Riesen auf der Dschungelwelt Pandora. Um diese humanoide Katastrophe herum entspinnt sich ein rasantes Agentenabenteuer, das zwar charmanter, barocker und verspielter, aber weniger chaotisch und zynisch daherkommt wie die Guardians of the Galaxy. Und da liegt vielleicht auch das einzige Handicap des seit dem ersten Kinotrailer gespannt erwarteten Filmes. Ein Handicap, dass Marvel´s unendliche Kinoweiten nicht hat. Valerian fasziniert aufgrund seiner fremdartigen Völker – aber weniger aufgrund seiner Hauptdarsteller. Cara Delevigne, extravagantes Model und IT-Girl, passt sowohl Raumanzug als auch sommerliche Touristenkluft. Sicher eine interessante Besetzung, und überzeugender als ihre Hexen-Performance in Suicide Squad. Aber bei weitem nicht so exaltiert und spielfreudig wie die blutjunge Milla Jovovich an der Seite von Blondschopf Bruce Willis. Womit wir schon bei seinem Erben wären – Dane DeHaan. Mag der Junge noch bei Chronicle denkwürdige Superkräfte entwickelt haben – in Valerian bleibt er als Vertreter seiner Gattung Homo sapiens ziemlich farblos. Delevigne und DeHaan zusammen erinnern an Jennifer Lawrence und Chris Pratt aus Passengers. Auch bei diesen beiden hätte es zwar laut Drehbuch knistern sollen. Im fertigen Film blieb davon aber wenig über. In Valerian gebärden sich die beiden Superagenten nicht anders als zwei Collegefreunde, die für ein Schulprojekt recherchieren müssen. Sich gegenseitig triezend, küssend und schmollend wirbeln sie durch die Straßenschluchten der schwebenden Stadt und bemühen sich, mit Starlord und Co Schritt zu halten. Sie bleiben doch einige Lichtminuten hinter den Erwartungen zurück, was Luc Besson mit seiner bestechenden Optik zu kompensieren versucht.

Auf der Habenseite bleibt Valerian also ein süchtig machender, wenn auch manchmal etwas zu synthetischer kreativer Genuss, von dem man immer mehr haben will. Auf der anderen Seite ist die Weltraum-Freakshow an fremden Physiognomien und Moden ein Abenteuer, dessen Figuren aus dem Rechner mehr Persönlichkeit haben als die realen Stars, was nicht unbedingt zum Vorteil gereicht. Mit Ausnahme des genialen Cameos von Ethan Hawke. 

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