The Accountant

DIE RECHNUNG OHNE DEN WIRT

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Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, einen Steuerberater zu haben. Mit Schrecken entsinne ich mich der Jahre, in denen ich im Alleingang, völlig verloren und der Verzweiflung nahe geradezu panisch alle meine Rechnungen zusammengesammelt und in ein banales Excel-File geklopft habe, in der opferdarbringenden Hoffnung, irgendetwas zurückzubekommen von der „bösen“ Finanz, die scheinbar willkürlich für oder gegen die eigene leistbare Existenz ein wie auch immer geartetes Schicksal verhängen darf. Dabei ist das buchhalterische Schlachtfeld eines EPU-Einzelunternehmers im Gegensatz zu wirklich weitreichenden, globalen, übergroßen Konzernen ein banaler, vernachlässigbarer Mikrokosmos. Also Schluss mit den künstlichen Aufregungen. Die Experten der Prokura sind ja da und sorgen für einen wohligen Nachtschlaf.

So ein Experte ist auch die neue Rolle von Neo-Batman Ben Affleck, talentierter Drehbuchschreiber (Good Will Hunting) und achtbarer Regisseur komplexer Krimidramen wie Gone Baby Gone oder The Town. In The Accountant darf er diesmal, und erstmalig, einen hochintelligenten Zahlenmagier mit Asperger-Syndrom verkörpern, was seinem begrenzten Schauspieltalent gewinnbringend entgegenkommt. Denn bei solch einem sozial und emotional gehandicapten Geist sind Gefühlsregungen und damit einhergehend die entsprechende wandelnde Mimik auf ein Minimum heruntergefahren. Ben Affleck kann das gut, dafür muss er sich gar nicht mal sonderlich bemühen. Affleck hat viele Talente – das Schauspielen macht er zwar, ist aber nicht seine Stärke. Als Buchhalter mit besonderen Fähigkeiten aber weiß er zu überzeugen. Und verhilft Gavin O´Connors Suspense-Thriller zu sehenswertem Status. Diesen hätte sich der Film womöglich auch mit alternativer Besetzung eingehandelt, denn sehenswert sind hier weniger die Schauspieler als der eigenwillige Plot eines Selbstjustizdramas mit einem glücklichen Händchen für Überraschungen.

Womit aber Regisseur O´Connor nicht so ganz zu überzeugen weiß, das ist die in Rückblenden erzählte, fiktive Biografie unserer Hauptfigur. Der Grund für dessen obskures Verhalten – und damit meine ich nicht die neurologische Störung – sucht und findet die Story im militärischen Erziehungsstil des Vaters, in der angelernten Radikalität, Probleme zu lösen sowie auch in der Trennung der Eltern. Ob das alleine genügt, um aus einem autistischen Mathematik-Genie einen Assassinen zu machen, wage ich zu bezweifeln. So sind die Beweggründe dieser gestörten Persönlichkeit nicht ganz plausibel – die kuriose Auflösung der teils rätselhaften Geschichte allerdings schon. Schade nur, dass die besten Momente des ganzen Filmes so lange aufgespart werden – und somit auch ein bereichernder Perspektivwechsel, der zu kurz kommt. Näheres verrate ich hier aber nicht. J.K Simmons als Steuerfahnder lässt seinen gewohnt stechenden, leicht dominanten Blick souverän über die Szene wandern, Anna Kendrick als investigative Buchhalterin hingegen setzt sich als Pitch Perfect-Aushängeschild nur unwillig mit dem bedrohlichen Ernst des Lebens auseinander. Doch an der Seite von Ben Affleck fällt das nicht weiter auf.

Das wirkliche Highlight von The Accountant ist, wenn überhaupt, der zwar manchmal etwas hingebogen konstruierte, aber dichte Krimiplot, der an John Grisham erinnert, in wenigen Szenen sogar an Marton Scorsese´s Taxi Driver. Die Verstrickung der Figuren untereinander und die daraus resultierenden Problematiken erzählt das komplexe Drehbuch durchaus geschickt und beschert einen Spannungsabend mit intellektuellem Touch und einigen geschlagenen Haken, die das einschlafende Interesse an dem Werk immer wieder neu beleben. So oder ähnlich kann Bilanzbuchhaltung tatsächlich zu einem Abenteuer werden.

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