Megalopolis (2024)

WIE IM ALTEN ROM

5/10


megalopolis© 2024 Constantin Film


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE / DREHBUCH: FRANCIS FORD COPPOLA

CAST: ADAM DRIVER, NATHALIE EMMANUEL, GIANCARLO ESPOSITO, AUBREY PLAZA, SHIA LABEOUF, JON VOIGHT, LAURENCE FISHBURNE, KATHRYN HUNTER, DUSTIN HOFFMAN, TALIA SHIRE, JASON SCHWARTZMAN, GRACE VANDERWAAL, JAMES REMAR, BALTHAZAR GETTY U. A.

LÄNGE: 2 STD 18 MIN


Imperien widerfährt doch letztlich immer das gleiche: Sie erstarken, sie expandieren, sie brechen zusammen, und zwar meist von innen heraus. Wie Imperien funktionieren, was sie zersetzt und welches Verfallsdatum sie haben, vorausgesetzt, sie haben überhaupt ein solches – dafür scheint sich Regie-Veteran Francis Ford Coppola nicht zu interessieren. Sein Imperium beschränkt sich auf eine Millionenstadt, die sich nicht mehr New York, sondern New Rome nennt. Was darüber hinaus passiert, welche bilateralen Beziehungen vorherrschen und ob es überhaupt Kriege gibt – darüber werden wir in Megalopolis nie etwas erfahren. Denn Coppolas selbst finanziertes Alterswerk und spätes Opus Magnum ist der ambitionierte und zugleich auch sorgenvolle Blick auf eine urbane Besonderheit, auf den Big Apple nämlich, der steht und fällt mit den Ambitionen weniger. Eine administrative Oligarchie herrscht hier vor, in dieser unbestimmten Zukunft. New York wird zum isolierten Raumschiff, welches sich durch die Jahrhunderte bewegt. New York als Elysium und Traumgestalt, voll und ganz aufgegangen in den Hoffnungen und Ängsten eines Mannes, dem Filme wie Apocalypse Now passiert sind und der Dank des komplexen Stoffes von Mario Puzo seine Paten-Triumphe feiern konnte. Doch so wenig sich auch die künstlerische Qualität dieser Filme steuern ließ, so wenig lässt sich ein großer Wurf erzwingen. Megalopolis ist oder war eine Vision, die unbedingt in irgendeiner Form realisiert werden musste. Mit so einem Wulst an Ideen und Bildern im Kopf lässt sich keine Ruhe finden. Da Coppola aber eben kein Schriftsteller oder Bildhauer, sondern ein Filmemacher ist, musste das ganze Konglomerat an Figuren auf Zelluloid gebannt werden. Wie gut oder wie schlecht das Ganze dabei werden könnte, muss für Coppola zweitrangig gewesen sein. Wie das so ist bei Herzensprojekten wie diesem: allein die Tatsache, dass Megalopolis als künstlerisches Themenprojekt keine merkantilen Ambitionen verfolgt, sondern allein dadurch, dass es dem Koloss von Rhodos gleich auf die Beine gestellt werden konnte, ist genau jener Erfolg, den zu erreichen sich Coppola gewünscht hat.

Und hier ist das Werk. Ein Film, der manchmal so wirkt, als wäre er auch nur passiert, jedoch unter weniger prekären Umständen wie Coppolas Kriegsfilm aus den Siebzigern. Megalopolis mutet an wie eine Oper: Satte Ausstattung, überzeichnetes Licht, üppige Kostüme und die schwülstige Interessenspolitik wie seinerzeit am Forum Romanum, gesättigt mit Dekadenz, Intrigen und Liebeleien. Wie bei einer Oper zieht das Libretto den Kürzeren. Und obwohl es den Anschein hat, als hätte Coppola etwas geheimnisvoll Komplexes entworfen, hängt sein Epos letztlich an einem dünnen Inhaltsfaden, der immer wieder ordentlich durchhängt. An ihm hangelt sich einer wie Adam Driver entlang, der den Architekten Cäsar Catilina gibt – ein elitärer Visionär, der das versiffte und verkommene New Rome städtebaulich gerne etwas aufbrezeln würde. Bürgermeister Cicero will davon aber nichts wissen. Für ihn soll die Stadt so bleiben wie sie war. Tradition ist besser als Moderne. Veränderung brächte vielleicht den prognostizierten Fall aus schwindenden Höhen, wie das bei Imperien meist so passiert. Oder ist es gar umgekehrt? In dieses recht eindimensionale Duell mischen sich Ciceros Tochter Julia (Nathalie Emmanuelle) und Catilinas Cousin Clodio (wieder mal exaltiert: Shia LaBeouf). Catilinas Onkel Hamilton Crassus (Jon Voight) verbandelt sich dabei mit Catilinas Ex, der Journalistin Wow Platinum (Aubrey Plaza), die plötzlich Zugang zum Bankenimperium ihres deutlich älteren Ehemanns bekommt. Das Begehren und die Interessen aller lodern vor sich hin, ohne ein großes Feuer zu entfachen. Es ist, als würde man die Boulevardpresse der Zukunft lesen, vielleicht mit einigen infrastrukturellen Kleinschlagzeilen, die vom störrischen Idealbild einer besseren Welt berichten. Das Ensemble weiß dabei oft selbst nicht, was genau von ihm verlangt wird.

Auch wenn Coppola allen seinen kaum greifbaren Figuren römische Namen gibt, sie entsprechend antik kleidet, ins Kolosseum einlädt und die Inserts seiner Kapitel in Marmor meißelt wie seinerzeit bei den alten Cinecittà-Schinken. Auch wenn Coppola immer mal wieder Fellini zitiert und auch seine eigene Handschrift erkennen lässt, die sich schon in seiner Dracula-Interpretation findet – Megalopolis ist das oft bewegungslose Statement eines versessenen Künstlers, das lediglich als kitschiges, aber immerhin humanistisches Manifest funktioniert, wenn es um die Agenda geht, Imperien nicht sterben zu lassen. So sollen auch die Vereinigten Staaten als ein solches nicht zwingend ihrer politischen Entropie unterworfen sein. Diese Conclusio lässt sich zwar transportieren, doch was Coppola vermeidet, ist die Konfrontation. Seine Konflikte werden nie ausgetragen, das große Kino lässt auf sich warten.

Megalopolis (2024)