Dune: Part Two (2024)

IM SAND DER ZEITENWENDE

9,5/10


dune2© 2024 Warner Bros.


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: DENIS VILLENEUVE

DREHBUCH: DENIS VILLENEUVE, JON SPAIHTS & CRAIG MAZIN, NACH DEM ROMAN VON FRANK HERBERT

CAST: TIMOTHÉE CHALAMET, ZENDAY, REBECCA FERGUSON, JAVIER BARDEM, STELLAN SKARSGÅRD, AUSTIN BUTLER, DAVE BAUTISTA, JOSH BROLIN, CHRISTOPHER WALKEN, FLORENCE PUGH, CHARLOTTE RAMPLING, LÉA SEYDOUX, SOUHEILA YACOUB, ANYA TAYLOR-JOY U. A.

LÄNGE: 2 STD 46 MIN


Der Wortwitz mit dem Wurm drin ist sicherlich nicht neu, und ja, in diesem Fall vielleicht sogar schon abgedroschen. Ich bemühe ihn aber trotzdem: Obwohl in Dune selbige Tiergattung in überdimensionaler, evolutionsbedingter Monstrosität wohl drinnen steckt, ist Denis Villeneuves Maßstäbe setzendes Meisterwerk gleichzeitig komplett frei davon. Jene Kritiker, die schon als allererste bei der Weltpremiere in London das Werk vorab sichten konnten, und die mich manchmal einem gewissen Erwartungsdruck aussetzen, wenn sie Filme über den grünen Klee hinaus loben, sollen letztlich recht behalten. Mit Dune: Part Two gelingt Villeneuve etwas Bahnbrechendes. Science-Fiction, wie es sie schon lange nicht mehr gegeben hat.

Dabei ignoriere ich den rund drei Jahre zurückliegenden ersten Teil. Der hat mich stilistisch zwar abgeholt, emotional jedoch nicht. Misslungen war Dune: Part One keinesfalls, schon allein deswegen nicht, weil Villeneuve als vorausschauender Perfektionist nichts dem Zufall überlässt und dramaturgisches Timing beherrscht wie vielleicht noch Martin Scorsese oder Christopher Nolan. An Dune: Part One gibt es nichts zu kritisieren – die Schwierigkeit darin bestand jedoch, mit den vielen Charakteren in diesem „Game of Thrones“ der Galaxis vertraut zu werden. Viele bekannte Gesichter reichen da nicht, und so sehr die exzentrisch-ästhetische Bildsprache auch den Atem raubt – den Zugang in diese Welt macht es schwerer als den Zugang in eine Welt, die mit der narrativen Mechanik eines europäischen Mittelalters arbeitet. Diese Welt in Dune liegt, anders als die Welt von Star Wars, weit, weit in der Zukunft. Die Erde ist womöglich nur noch diffuse Legende, ganz anders aber politische Machtstrukturen, die sich über die Jahrtausende erhalten haben und, nicht viel anders als in der Frühzeit des Menschen, immer noch die Machtgier des Alleinherrschers hervorbringen, ohne sich gesellschaftspolitisch weiterentwickelt zu haben. Insofern ist das Machtgefüge in der dystopischen Realität von Frank Herbert eine archaische, vorgestrige. In dieser stecken archaische, vorgestrige Figuren, die jede einem gewissen Zeremoniell folgt. Dieses unnahbare Ensemble kennenzulernen, dafür war Dune: Part One genau richtig. Ein Vorspiel sozusagen, eine Einführung, die Ambivalenz gerade zulassen, die polarisieren muss. Und nicht nur darauf aus war, zu gefallen.

Im ersten Teil ist dann auch nicht viel passiert, der Plot bleibt überschaubar, wenn auch grandios bebildert. Mit Antiheld Paul Atreides auf dem Weg in die Wüste endet dieser auch, um alle Erwartungen zu sammeln für den großen, gigantischen Clash, für den Ur-Krieg der Sterne, den schon Alejandro Jodorowsky mit irrer Besetzung, angefangen von Orson Welles über Mick Jagger bis Salvador Dali (!) als wohl größten Film, der je existiert haben wird, verfilmen wollte. In der Dokumentation Jodorowsky’s Dune erfährt man, dass das oberarmdicke Storyboardbuch nur darauf gewartet hätte, verfilmt zu werden. Doch „ohne Geld ka Musi“ – und so ist dieser Zug mit Villeneuves eigenem Jahrhundertprojekt abgefahren. Ein Remake wird es für Dune nicht mehr geben. Denn besser lässt sich Herbert kaum verfilmen.

Nicht nur, dass dieses heilige erste Buch, dass viele Fortsetzungen und Ableger fand und noch genug Stoff bieten würde für ein ganzes Franchise, endlich doch noch jene Verfilmung bekommen hat, die es, wie schon Der Herr der Ringe auch, verdient hat – die Maßstäbe für das Kino der Science-Fiction und überhaupt des Phantastischen werden neu gesetzt. Dune: Part Two ist ein Opus Magnum, indem alle hier Verwendung findenden Kunstrichtungen ineinandergreifen und sich gegenseitig antreiben. Da gibt es diese einzigartige Bildsprache, diese Vorliebe für Wüstenstürme, Staubnebel und den Rauch brennender Trümmer, die wie ikonische Kolosse tonnenschwer auf die Erde stürzen. Da gibt es die Grazie der Gravitation entronnener, technologischer Körper, bizarre Raumschiffe und Zweckmaschinen wie albtraumhafte Panzer, die an den Stil von H. R. Giger erinnern und eine Reminiszenz an Jodorowskys gescheiterte Träume sein könnten. Da gibt es Gestalten in formverändernden Kostümen, die in geometrischen Inneren eines architektonischen Brutalismus Welten verändern. Stellan Skarsgård zum Beispiel als levitierender Baron Harkonnen wird zum Zerrbild eines gewissen russischen Diktators, auf den die schwarze Sonne seines Heimatplaneten herabscheint, während ein psychopathischer Thronfolger mit schwarzen Zähnen Freude am Ausweiden seiner Opfer hat. Längst wird klar: Was J.R.R.Martin für die High Fantasy schwerterschwingender Nibelungen-Interpreten, ist Herbert wie demzufolge auch Villeneuve für die Science-Fiction. Das Portal zum Shakespeare’schen Königs- und Revolutionsdrama tut sich auf, zum geopolitischen Lawrence von Arabien Lichtjahre weit von seinem Ursprung entfernt. Aus Peter O’Toole wird Timothée Chalamet, dessen Augen immer blauer werden und der bald Geheimnisse kennen wird, von denen er lieber nichts gewusst hätte. Seine Figur bleibt strebsam, doch bereits ansatzweise ambivalent. Wie die doppelbödige Mutterfigur Sarah Ferguson. Mit ihr erhält Dune: Part Two die kritische Komponente einer Betrachtung von religiösem Fundamentalismus. Unschwer ist Kritik am Islamismus zu erkennen, andererseits aber auch das Hinterfragen der Selbstverständlichkeit, die Rolle eines Messias einzunehmen. Dune: Part Two ist somit ein nicht zu unterschätzendes Politikum mit ganz viel zwischenmenschlichem Drama, und selbst Zendaya tritt aus ihrer Celebrity-Blase heraus und gibt sich ihrer zornigen Figur hin, die als Katalysator dafür dient, letztendlich so sehr in den Sog des Geschehens gerissen zu werden, dass dieses Mittendrin zur Bewusstseinserfahrung wird – zum opernhaften Event aus schweren, unirdisch klingenden Geräuschen, einem wummernden Score, der die Wüste und ihre Beschaffenheit zu einem epischen Schlachtfeld werden lässt, wie in Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs die Ebene vor Minas Tirith, auf der die letzte Schlacht gegen Sauron geschlagen wird.

War Part One noch die Ruhe vor dem Wüstensturm, lässt Part Two der ganzen aufgestauten Energie freien Lauf. Wie das Herannahen eines Gewitters, das die ersten Sturmböen bringt, während hier nun das Unwetter mit all seiner Wut losbricht. Man braucht nicht glauben, dass die ganze Kraft einem freien Spiel unterliegt. Villeneuve kanalisiert sie, strukturiert sie, gibt ihr Raum. Will man sich als Kritiker einer fast schon arroganten Nörgelei auf hohem Niveau hingeben, ließe sich maximal der sprunghafte Wechsel zwischen den undefinierten Kapiteln anmerken – vom fließenden Übergang hält Villeneuve nicht viel. Wohl auch, um zeitlich nicht auszuufern. Diese Zügel sitzen fest, und geben dem Werk auch das entsprechende Fundament, um der Wucht an audiovisuellen Eindrücken standzuhalten.

Villeneuve weiß genau, dass er auf dieses Fundament seine Dramatis Personae stellt, dass er das Menschliche immer als allererstes hochhalten muss, um seine Figuren in all diese schwebenden Objekte einsteigen; um sie herunterblicken zu lassen von der Balustrade eines für die Ewigkeit errichteten Gebäudes. Geometrie, Symmetrie – und die Wildheit eines Planeten: Das, was sich ausschließt, entwickelt unter der durchgetakteten Arbeit des Filmemachers und seiner Crew ungeahnte Synergien, die es tatsächlich schaffen, diese fremde, bizarre Welt immersiv erleben zu lassen und als Ganzes zu begreifen. Und das nur in Folge von zwei Filmen, die letztlich den Großvater des Sandwurms reiten – felsenfest stehend, den Blick nach vorne, die Zügel fest im Griff. Dune: Part Two ist wie ein Ritt auf einem solchen Monster. Eine formvollendete, seinem System perfekt angepasste Monstrosität von Kino, die man reiten sollte, bevor das Leben vorbei ist.

Dune: Part Two (2024)

The Creator (2023)

DIE TRÄNEN DER ANDROIDEN

6/10


THE CREATOR© 2023 20th Century Studios. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: GARETH EDWARDS

DREHBUCH: GARETH EDWARDS, CHRIS WEITZ

CAST: JOHN DAVID WASHINGTON, MADELEINE YUNA VOYLES, GEMMA CHAN, KEN WATANABE, STURGILL SIMPSON, ALLISON JANNEY, RALPH INESON, AMAR CHADHA-PATEL, MARC MENCHACA U. A.

LÄNGE: 2 STD 13 MIN


Künstliche Intelligenz ist in aller Munde, in allen Zeitungen und, weil es so einfach geht, auf sehr vielen elektronischen Geräten. Als App, die sich ungeniert der lizenzfreien Datenaneignung hingibt, um mehr zu wissen als der User mit seinen unzureichend ausformulierten Prompts. Künstliche Intelligenz treibt uns alle um, macht Angst und schafft gleichermaßen Freizeit, wenn die Dinge an die Technik delegiert werden können. Dafür sind KIs schließlich da, und nicht dafür, sich als neue Spezies zu etablieren, auf einem Planeten, der ohnehin schon kaum mehr Ressourcen hat. Gareth Edwards, Held der Star Wars-Franchise und Virtuose im Schaffen von Bildern, die das Phantastische in natürliche Settings integrieren, hätte sein Roboterdrama nicht punktgenauer ins Kino bringen können. The Creator gibt sich schließlich der großen Frage hin, was wohl aus unserer Welt werden könnte, wenn künstliche Intelligenz mit eigenem Bewusstsein auf ein Daseinsrecht pocht und zum Teil einer rätselhaften Evolution wird, die Homo sapiens immer mehr den Rang abläuft.

Das sind prinzipiell mal, ohne viel nachzudenken, interessante Überlegungen. In einem schönen Film, der an die postmodernen (ich will nicht sagen: postapokalyptischen) Welten eines Simon Stålenhag (The Electric Dreams) erinnert. Bizarrer architektonischer High-Tech-Gigantismus zwischen naturbelassenen Landschaften überwiegend der asiatischen Hemisphäre – alles getaucht in mal zu-, mal abnehmendes Tageslicht; mal grobkörnig, mal leicht verwaschen. Es ist, als wären diese Gebilde wirklich da. Es ist, als wären diese Androiden, Simulants genannt, mit dem täuschend echten Antlitz diverser Gesichts-Sponsoren niemals weggewesen. Betrachtet man sie im Profil, erkennt man sie leicht an diesem Hohlraum zwischen Kiefer und Wirbelsäule, die eigentlich gar nicht mehr vorhanden ist. Diese Androiden könnten die Vorstufe zu den Replikanten sein, mit welchen sich der Blade Runner zeitlich eigentlich früher, aber angepasst an The Creator viele Jahrzehnte später herumschlagen wird. Bei Gareth Edwards ist es das Jahr 2065. KI in jedweder Form hat bei den Westmächten längst seine Chance verspielt, nochmal groß rauszukommen. Aufgrund eines nicht näher definierten atomaren Zwischenfalls, welcher die Zerstörung von Los Angeles zur Folge hatte, ist in den USA der Geist aus dem Computer persona non grata – anders als im Osten, denn dort ist die Koexistenz zwischen Mensch und Maschine zum wahrgewordenen Wunschtraum eines John Connor geworden, der sich in der Welt des Terminators mit einer ganz anders gearteten, menschenfeindlichen KI namens Skynet herumschlagen musste. Im Osten schließlich wäre alles eitel Wonne und selbst Androiden würden den Weltreligionen wie dem Buddhismus folgen, würden sich die Westmächte nicht, was plausibel scheint, als Weltpolizei aufspielen und dem Fortschritt dank einer monströsen, im Orbit stationierten Waffe namens Nomad, den Krieg erklären. In diesem Tauziehen zwischen Ost und West sucht ein amerikanischer Ex-Agent namens Joshua Taylor (John David Washington) seine bei einem Anschlag vermeintlich draufgegangene Geliebte, die Teil eines Rebellenrings rund um den KI-Entwickler Nirmata gewesen ist und von Joshuas Doppelleben nichts wusste. Im Zuge seiner Bestrebungen fällt ihm auch noch die Roboter-Superwaffe Alpha O in die Hände – ein junges Androidenmädchen, das womöglich weiß, wo Joshuas Geliebte steckt, und wo auch Nirmata zu finden ist, dem alle habhaft werden wollen.

Die abenteuerliche Odyssee quer durch eine atemberaubend arrangierte Zukunft mit Robotern und Vehikeln, die frappant an Star Wars und eben Rogue One – A Star Wars Story erinnern, ist eine Sache. Die andere ist Gareth Edwards‘ und Chris Weitz‘ erschreckend naiver Zugang zur Materie. The Creator ist ein Film, der vor allem den Filmemachern gefällt, der sich selbst gefällt und, um diese Harmonie aus Natur und High-Tech nicht zu stören, allerlei Kompromisse für seinen Plot einzugehen bereit ist. Alles soll gut ins Konzept passen, passt aber nicht zu dieser übergeordneten Vision einer – ich sag‘s mal so – völlig unmöglichen Zukunft, die an so vielen Ecken und Enden so viele Fragen aufwirft, das man gar nicht mal anfangen will, diese – zumindest mal für sich selbst– zu beantworten.

Das fängt allein schon damit an, dass The Creator völlig ignoriert, dass die Welt, in der wir womöglich leben werden, sowohl an Überbevölkerung als auch unter Ressourcenknappheit leidet. Ist sowieso schon alles dicht gedrängt und die Existenz am Kippen, braucht es zu allem Überfluss Maschinenmenschen, die uns ersetzen. Diese zu bauen, kostet Geld. Wer finanziert das? Wieviel kostet ein Android? Können sich diese bereits selbst herstellen? Was sollen diese Streifzüge durch heruntergekommene Fabrikhallen, an denen „echte“ Menschen werkeln, während das, was vom Fließband steigt, das Nonplusultra eines High-Tech-Endprodukts darstellt?

Nichts ist in einer Welt wie dieser umsonst. Womit zahlen Androiden ihren Strom, den sie abzapfen? Menschliche Profitgier ist plötzlich kein Thema mehr, Landfraß nicht der Rede wert. Wo Gareth Edwards hinblickt, führen Androiden-Bauern ihre Wasserbüffel übers Feld. Hinken Androiden, nur weil sie die Gesichter alter Menschen haben, den lehmigen Dorfweg entlang. Menschenleere Strände, Inseln in der Andamenensee, idyllische Ja natürlich!-Wirtschaft inmitten eines Techno-Krieges? Das ist Kitsch, der ohne Kontext vielleicht funtkionieren würde. Die Welt dieser Zukunft seufzt in entrückter Melancholie vor lauter Science-Fiction-Romantik, als wäre Caspar David Friedrich im Roboterzeitalter wiedergeboren. Nur passt diese pittoreske Fiktion nirgendwohin, sie ist die gefällige Momentvorstellung eines Visionärs, der schöne Bilder liebt, schluchzende KI-Kinder und letzte Küsse vor dem Supergau, wie Felicity Jones und Diego Luna, kurz bevor der Todesstern den Palmenplaneten Scarif in Schutt und Asche verwandeln wird.

The Creator ist ein Bilderbuch aus einer irrealen Zukunft. Eines, das man gerne durchblättert, wovon man aber die rundum verfasste Geschichte nicht unbedingt mitlesen muss, denn dann könnte man Gefahr laufen, festzustellen, dass Edwards Film in ereiferndem Glauben an das Erstarken künstlicher Lebensformen dem Fortschritt der KI Tür und Tor öffnen will. Eine Conclusio, die mir nicht ganz schmeckt.

The Creator (2023)

Dune

DIE GRAZIE SCHWEBENDER OBJEKTE

7/10


dune© 2020 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

LAND / JAHR: USA 2020

REGIE: DENIS VILLENEUVE

CAST: TIMOTHÉE CHALAMET, REBECCA FERGUSON, OSCAR ISAAC, JOSH BROLIN, JASON MOMOA, ZENDAYA, CHARLOTTE RAMPLING, STELLAN SKARSGÅRD, DAVE BAUTISTA, JAVIER BARDEM, SHARON DUNCAN-BREWSTER U. A. 

LÄNGE: 2 STD 36 MIN


Gut Ding braucht Weile. Denn je länger eine Sache auf sich warten lässt, umso besonders muss sie sein. Etwas, das pünktlich erscheint, hat nichts zu verbergen. Größe entsteht durchs Hinhalten anderer, wissen wir von so manchem Monarchen oder Medienstar. Selbst die akademische Viertelstunde zeigt, dass der, der den Begriff der Pünktlichkeit ad absurdum führt, nicht minder weise sein muss. Dieser Umstand kommt auch Denis Villeneuves neuem und eben lange erwarteten Film zugute, natürlich ohne Absicht, denn die Umstände sind schließlich allesamt bekannt. Hinzu kommt, dass der kanadische Visionär schon seit jeher als Liebling der Kritiker gilt, und hinzu kommt, dass Frank Herberts Dune – Der Wüstenplanet nebst einer großen, eingelesenen Fangemeinde auch zu den besten Science-Fiction-Romanen unserer Zeit zählt. Verfilmt von einem der besten Regisseure? Die entsprechenden Vorschusslorbeeren hatten massig Zeit, sich zu entfalten. 

Nun flimmert er also über die Leinwand, der monumentale Schinken mit der Philosophie aus den Sechzigerjahren. Und bald wird klar, dass Dune viel stärker spätere Genrefilme beeinflusst hat als ich dachte. Wenn man so will, lässt sich Herberts Epos als die Ursuppe bezeichnen, durch die George Lucas‘ Star Wars erstmal schwimmen musste. Viele Elemente lassen sich aus der einen Sternensaga in der anderen finden, angefangen von raupenähnlichen Fahrzeugen, die durch die Wüste ächzen, über von magischen Fähigkeiten beseelten Auserwählten und deren Religion bis hin zu vermummten Gestalten in kuriosen Kostümen, umgeben von in Mitleidenschaft gezogener, fremdartiger Mechanik, die ihre volle Entfaltung in der Ausstattung zuletzt in The Mandalorian gefunden hat. Der Wüstenplanet und Star Wars, das ist der Ernst des Lebens und verspielter les affaires. Villeneuve, der nimmt seine Challenge so ernst, da lächelt bis auf ein paar Ausnahmen niemand, denn diese Welt unter dem Joch eines Imperators, der die einzelnen Herzogtümer untereinander ausspielt, ist nicht die eines blitzewerfenden Palpatine, sondern eines gesichtslosen, faschistoiden Diktators. Dabei wird der Wüstenplanet Arrakis zur Spielwiese freier Mächte – nämlich dem Geschlecht der Atreides, dem Geschlecht der Harkonnen und den indigenen Fremen. Auserwählt scheint da nicht Luke Skywalker, sondern Paul Atreides zu sein, der stets von Visionen heimgesucht wird und von seiner Mutter, einer Schülerin der Bene-Gesserit, in scheinbar magischen Künsten unterwiesen wird. Die Atreides, nunmehr die administrative Gewalt über den Spice-Planeten, werden von den vertriebenen Harkonnen überfallen, und so entspinnt sich ein Krieg der drei Parteien, während Wunderkind Paul bei den blauäugigen Fremen mitten im Land der Wüstenwürmer Zuflucht sucht.

Das Buch ist natürlich eine Schwarte, da hat Villeneuve gut daran getan, den Stoff zu splitten. Er weiß, dass es darauf ankommt, nun genug Geld einzuspielen, um sein Werk überhaupt vollenden zu können. Da er keine Kosten gescheut hat, blieb auch kein Budget, um das Projekt – so wie Peter Jackson es für Herr der Ringe getan hat – gleich in einem durch abzudrehen. So allerdings bleibt das Gespenst des unvollendeten Kunstwerks stets präsent. Doch die Meter an Film, die der Visionär bereits im Kasten hat, können sich vor allem sehen – und hören lassen. Was er bereits in Arrival so geschmackvoll formuliert hat, findet in Dune sein Crescendo: es ist die Grazie des schwebenden oder fliegenden Objekts, des vorzugsweise geometrischen Körpers. Es ist die Liebe zu in Form gebrachten Rohstoffen wie Stein und Metall. Dune ist kubistische Science-Fiction, ein tonnenschwerer Expressionismus, der Physik des Weltalls oder fremder Planeten ausgesetzt, zerkratzt, abgenutzt. Der Behäbigkeit der Dinge ist nur durch das Aufheben der Gravitation zu entkommen. selbst Stellan Skarsgård als Baron der Harkonnen mutiert zur levitierenden Skulptur. Diesem Ringen der Elemente miteinander, in Linien, Formen und Kuben, schenkt Villeneuve sehr viel Zeit, die er auch dazu nutzt, seinen Formenreigen mit entsprechenden sphärischen Klangwelten zu vertonen. Das ist natürlich ein Erlebnis, wofür es Preise regnen sollte. Science-Fiction hat sich selten so sehr in seiner Bild- und Tonsprache selbst genügt. Da wirken all die vielen bekannten Gesichter in relativ verschwindend kleinen Rollen wie Teile von Villeneuves Installation, ohne ihren Charakter preiszugeben. Am meisten kämpft damit Timothée Chalamet, der wie eine griechische Gottheit mit seiner Bestimmung hadert, jedoch wenig dafür empfindet. Zum Glück steht ihm Rebecca Ferguson bei, die aus dem ganzen Ensemble wie eine Lichtgestalt hervorsticht – ihre Performance ist einzigartig und nuanciert, sie ist es auch, die Chalamet immer wieder ins Spiel holt.

Obwohl Herberts interstellares Game of Thrones als Vorreiter gilt, wirkt der prinzipiell simple, aber durch die messianische Heilskomponente recht diffuse Plot fast schon nachahmend – die Ironie auf Kosten desjenigen, der‘s erfunden hat. Da sich Villeneuve sehr viel Zeit nimmt, das ganze Epos mit all seinen Darstellern überhaupt erst anzustarten, sich dabei aber in seine erschaffenen und genialen Welt verliert, zeigt sich die Dramaturgie etwas spröde und ungelenk. Wäre Dune als Serie konzipiert, wäre die Stärke der Charakterzeichnung eine so wichtige wie das visuelle Arrangement, denn Zeit dafür wäre dann genug vorhanden. Selbst nach 2 Std. 36, die sich mitunter etwas ziehen, ist die Geschichte nicht sehr viel weiter. Wie der ganze Rest in den zweiten Teil soll, kann ich mir nicht vorstellen. Klar, Dune ist keine leichte Materie, an dem nicht nur Alejandro Jodorowsky mit seiner verrückten LSD-Version bereits scheiterte. Villeneuve hingegen hat’s geschafft. Und es gelingt ihm aufgrund seines Könnens vieles – aber nicht alles.

Dune