TRÖPFCHEN VON HEISSEM TEE
5/10
© 2025 Filmladen Filmverleih
LAND / JAHR: FRANKREICH, MAURETANIEN, LUXEMBURG, TAIWAN, ELFENBEINKÜSTE 2024
REGIE: ABDERRAHMANE SISSAKO
DREHBUCH: ABDERRAHMANE SISSAKO, KESSEN FATOUMATA TALL
KAMERA: AYMERICK PILARSKI
CAST: NINA MÉLO, CHANG HAN, WU KE-XI, MICHAEL CHANG, PEI-JEN YU, WEI HUANG, EMERY GAHURANYI, ISABELLE KABANO, MARIE ODO, FRANCK PYCARDHY U. A.
LÄNGE: 1 STD 51 MIN
Die Wurzeln der Heimat sind lang – und überbrücken dabei die Meere, um an anderen Kontinenten wieder neu auszutreiben. In der Fremde kann sich so manche Migrantin oder so mancher Migrant doch noch wie zuhause fühlen, wenn sie oder er auf Menschen selber Herkunft trifft. Es bilden sich Interessengruppen, Verbindungen, Vereine – alles mögliche. Man läuft sich über den Weg oder trifft sich gezielt an Orten, die ganz und gar der Community gehören. Auf diese Art und Weise versucht Aya (Nina Mélo), eine junge Afrikanerin von der Elfenbeinküste, die ihre eigene Hochzeit gecrasht hat, das neue Leben in der chinesischen Diaspora so tröstend wie möglich zu gestalten. Dazu gehört auch, eine Leidenschaft für die Kultur des Teetrinkens zu entwickeln – zwangsläufig, wie es scheint, denn ihre Arbeit in einem kleinen Spezialgeschäft für Teesorten erfordert auch die notwendige Liebe zu getrockneten Blättern und Blüten. Dabei fühlt sie sich zum Eigentümer dieses Geschäfts, einem Chinesen namens Cai, irgendwie hingezogen. Eine Beziehung, eine Leidenschaft, eine Liebe – das lässt sich alles nicht wirklich so benennen. Abderrahmane Sissako, der mit dem düster-tragischen Wüstendrama Timbuktu 2014 für Aufsehen in der Filmwelt gesorgt hat, lässt nicht nur seinen zentralen Charakter, eben Aya, in einer mehrdeutigen Gefühlswelt vor sich her sieden wie Teewasser kurz vor dem Aufkochen. Auch all die anderen Gestalten in dieser Einkaufsstraße in Guangzhou sind von einer Unschlüssigkeit eingenommen, die sie auf der Stelle treten lassen. Sissako hat dabei auch nicht vor, eine konkrete Handlung zu verfolgen, welche die vielen angerissenen Einzelschicksale und charakterlichen Skizzen miteinander irgendwann verknüpft. Viel tut sich nicht in Black Tea, und wenn, dann immer nur ein bisschen. So, als käme später noch mehr.
Schon ziemlich lange zieht der Tee
Der Stillstand erfolgt durch eine innere Zerrissenheit, die sich aus Fehlern in der Vergangenheit und einer Zukunft zusammensetzt, der sich manche aufgrund dieses unerledigten früheren Lebens nicht ganz hingeben wollen. Dieses neue Leben irgendwo anders oder mit irgend jemand anderem, es scheint wie eine Reinkarnation nach einem Tod, dessen vorangegangene Existenz niemals zum Abschluss kam. Black Tea ist eine stille, enorm entschleunigte Metapher auf Klärung, Loslassen und Neuanfang, nicht nur für Migranten, doch vor allem für jene, die ihr Schicksal auf mehrere Länder aufgeteilt wissen. Der Spagat zwischen diesen mag für manche schmerzlich sein.
In Filmform gerät der Exkurs zu einer kontemplativen (Über-)Belastungsprobe zum Thema Langsamkeit. Visuell weiß Sissako vor allem Nina Mélo formschön und geschmackvoll einzukleiden – manche Szenen erinnern dabei an Wong Kar Wais In the Mood for Love. Auch, wenn Chang Han als Tee-Experte Cai durch die Gasse irrt und mit der Vergangenem hadert. Interessant dabei das Spiel mit der Tiefenschärfe und kunstvoll vorgelagerten Unschärfen, vieles wirkt wie im Traum, und dann wieder auffallend nüchtern wie Alltagsszenen nun mal sind. Warum Sissako dabei seine Zeit mit zahlreichen Nebensträngen vergeudet, die für den Fortgang der Geschichte keinen Sinn ergeben, sondern nur eine Collage erschaffen, mag ein Rätsel bleiben. Auch jede Menge Andeutungen zu Rassismus, Vorurteilen und Einsamkeit ergeben zusammengenommen vieles, aber nichts Eindeutiges. Als Sammelsurium sämtlicher Eindrücke und beliebiger Beobachtungen, exquisit und geschmackvoll in Szene gesetzt wie so manche Teezeremonie, von der man glauben möchte, diese Schüttspielchen mit Wasser können nicht ganz ernstgemeint sein, hat Black Tea aber niemals den Mut, eines seiner Themen zu konkretisieren. Aya scheint da nur mittendrin zu sein in dieser Zerrissenheit, in dieser kleinteiligen Langeweile, die vieles und gleichzeitig nichts erzählt. Und von Liebe eigentlich gar nichts weiß.
