Operation Schwarze Krabbe

VERHANDLUNGEN AUF DÜNNEM EIS

5/10


schwarzekrabbe_2© 2022 Netflix


LAND / JAHR: SCHWEDEN 2022

BUCH / REGIE: ADAM BERG, NACH EINEM ROMAN VON JERKER VIRDBORG

CAST: NOOMI RAPACE, JAKOB OFTEBRO, DAR SALIM, ARDALAN ESMAILI, ERIK ENGE, ALIETTE OPHEIM, DAVID DENCIK, SUSAN TASLIMI U. A.

LÄNGE: 1 STD 50 MIN


Es herrscht Krieg in Europa. Das ist tatsächlich so. Netflix wird in seiner Programmplanung aber sicher nichts davon gewusst haben, also ist es reiner Zufall, dass der Streamingdienst mit seinem fiktiven Weltkriegs-Actioner Operation Schwarze Krabbe in Sachen Timing genau ins Schwarze trifft. So wirken die ersten Szenen des Films unangenehm aktuell, wenn massenhaft Zivilisten in ihren PKWs bewaffneten Aggressoren entkommen wollen. Die Gewalt holt sie allesamt ein, mitunter auch Schauspielerin Noomi Rapace und ihre Filmtochter. Zersplitterndes Glas, Schreie, dann Blackout. So geht’s womöglich nicht weit von hier im Osten zu. Und das sind nicht die einzigen Bilder und Eindrücke, die frappant an die Gegenwart erinnern und an das, was man in den Nachrichten von den letzten in der Ukraine ausharrenden Journalisten zu Gesicht bekommt. Schwarzenegger hatte damals seinen Terror-Thriller Collateral Damage auf Eis gelegt, als 9/11 eintrat. Netflix tut das nicht. Hätte das Sinn gemacht?

Operation Schwarze Krabbe gibt sich anfangs so düster und dreckig wie Alfonso Cuaróns Children of Men. Es herrscht eine nicht näher definierte, militärische Auseinandersetzung, der Einsatz von Atomwaffen hat noch nicht stattgefunden. Es ist auch nicht klar, ob die ganze Welt oder nur Skandinavien von diesem Krieg betroffen ist. Jedenfalls steckt Rapace bis über beide Ohren im Würgeriff eines ebenfalls nicht näher definierten Militärs, dass seine Zivilisten mit Druck dazu zwingt, zu kämpfen. Caroline Edh, so Rapaces Filmfigur, ist daher bangende Mutter einer entführten Tochter, mit der sie womöglich wieder vereint sein könnte, würde sie sich einem Himmelfahrtskommando anschließen, dass wertvolle Fracht von A nach B bringen soll. Klingt wie eine simple Botenfahrt, allerdings hinter feindlichen Linien. In Sam Mendes 1917 war da eine ähnliche Geschichte. Nur dort musste niemand über die zugefrorene See schlittern. Wieso macht das nicht Liam Neeson? Der ist gerade im Norden Kanadas mit dem Truck auf der Ice Road unterwegs. Edh und 5 weitere schnallen sich also die Kufen um und los geht’s, zumeist in der Dunkelheit. Ziel ist eine Forschungsstation. Was es mit der Fracht auf sich hat? Absolute Geheimhaltung.

Neeson hat zumindest gewusst, was er transportiert. Aber zukünftig könnte man sich merken: hat Naomi Rapace mal alle Hände voll zu tun, kann der Action-Opa gerne einspringen. Beruht natürlich auf Gegenseitigkeit. Denn die schwedische Akteurin, groß geworden mit Stieg Larsson, macht ihre Sache ganz gut, wenn auch etwas zu outriert und in manchen emotionalen Szenen heillos dick aufgetragen. Andererseits passt das wiederum zum Film, der auf dem Roman Eis von Jerker Virdborg beruht. Wenn die Stuntdoubles des Ensembles in der Dämmerung übers Eis gleiten, ist das als finstere Antithese zu Holiday on Ice durchaus originell. Die latente Gefahr des Einbrechens erreicht zwar nicht jene Höhen an Spannung, die sich Bahn gebrochen hat, als Yves Montand mit Nitroglyzerin durch den Dschungel eierte, sorgt aber ab und an für zusammengekniffene Augen – weil man ja gar nicht hinsehen kann, wenn’s passiert. Um dieses erlesene Kernstück eines dystopisch-naturalistischen Abenteuers ist das Narrativ einer globalen Notlösung zur Beendigung des Krieges ein äußerst triviales, welches zusätzlich noch von stereotypen militärischen Abziehbildern kolportiert wird. Der Plot folgt bequemer Dutzendware und Noomi Rapace dem Ruf, als weiblicher Haudrauf mit moralischer Intelligenz einem wie Liam Neeson das Wasser zu reichen.

Operation Schwarze Krabbe

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