Der göttliche Andere (2020)

DER ALLMÄCHTIGE ALS NEBENBUHLER

6/10


diegoettlicheandere© 2020 X Filme Creative Pool GmbH


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND, ITALIEN 2020

DREHBUCH & REGIE: JAN SCHOMBURG

CAST: MATILDA DE ANGELIS, CALLUM TURNER, PINO AMMENDOLA, ANNA BONAIUTO, MARK DAVISON, BARBARA RICCI, GIANNI MEURER, EDDIE OSEI U. A.

LÄNGE: 1 STD 31 MIN


Damit hat schon der gute alte Moses klarkommen müssen: Von Gott auserwählt worden zu sein. Das ist nicht immer spaßig, obgleich man auf Skills zurückgreifen kann, die anderen die Sprache verschlägt oder 2000 Jahre später im Rahmen agnostischer Bibelexegesen in Zweifel gezogen werden. Von Gott als dessen rechte Hand auserkoren zu sein, ist mitunter auch recht nervtötend. Immer wieder manifestiert sich das Ewige als brennender Dornbusch oder – wenn man die Verfilmung Ridley Scotts hernimmt – als Unterstufen-Gymnasiast, der einem die Leviten liest. Anderen wiederum könnte Gott begegnen, nachdem sie versucht haben, eine Ordensschwester in spe von ihrem Kurs abzubringen, den fleischlichen Gelüsten zu entsagen. Geht gar nicht, wird sich der weißbärtige Mann, kauernd in seinem Wolkenthron, wohl gedacht haben. Und rollt dem unglücklich verliebten Romeo alle möglichen Steine in den Weg, die unmöglich alle umgangen werden können. Strafverschärfend kommt hinzu, dass dieser Romeo – also eigentlich Gregory, ein US-amerikanischer Journalist – dem Atheismus frönt. Und wie es die Ironie des Schicksals eben so will, nach Rom abberufen wird, um für seinen Fernsehsender die nächste Papstwahl zu kommentieren. Seine Beiträge geraten eher zynisch als informativ. Tag für Tag steigt schwarzer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle, das Enklave kommt zu keinem Ergebnis. Doch all die Wartezeit hat auch etwas Gutes: Gregory trifft auf die bildhübsche Maria. Einer Affäre steht nichts im Wege, da es auf beiden Seiten zu funken scheint. Und doch ist da der gewisse Haken: die junge Dame will Nonne werden. Und steht kurz davor, in ihren Orden einzutreten. Gregory versucht, sie davon abzubringen. Maria hingegen versucht, sich nochmal aus der Affäre zu ziehen. Womit sie nicht gerechnet haben: Gott höchstselbst – natürlich gestaltlos und als ungreifbare Entität, ganz so wie der Tod in Final Destination – will seine Kandidatin nicht verlieren. Und mischt kräftig mit, indem er den Zufall strapaziert und Gregory so richtig leiden lässt, als wäre er Hiob, der zwar nicht seinem Glauben treu bleiben, sondern vielleicht gar zu ihm finden muss.

Wären wir in den frühen Achtzigerjahren, müsste die metaphysische Romanze Der göttliche Andere zweifelsohne mit Adriano Celentano und Ornella Muti besetzt werden. Gut, vielleicht nicht Celentano, denn der ist ja Italiener. Vielleicht aber mit Michael J. Fox oder Steve Guttenberg – mit irgendeinem dieser sympathischen Publikumslieblinge. Mehrere Jahrzehnte später haben die Macher des Films mit Matilda de Angelis einen fulminanten Ersatz für die ewig Schöne an der Seite des gezähmten Widerspenstigen gefunden. Ihr Charisma ähnelt jenem von Muti, ihre Auftritte sind bezaubernd. De Angelis – diesen Namen sollte man sich merken. Mit Callum Turner, der vor allem als Newt Scamanders Bruder aus dem Phantastische Tierwesen-Franchise bekannt ist, hat der gequälte Atheist ebenfalls seinen treffenden Live Act gefunden. Verschmitzte Blicke, eleganter Sarkasmus, ein bisschen Macho-Gehabe und den Charme eines ewigen Studenten.

Doch anders als erwartet schlägt die fantasievolle Komödie von Jan Schomburg, der mit Maria Schrader die Drehbücher zu Vor der Morgenröte und Ich bin dein Mensch verfasst hat, keine wirklich leisen, vielleicht gar tiefergehende Töne an wie in Schraders zuletzt genannten Film über künstliche Intelligenzen, die zum Partner taugen. Die Auseinandersetzung mit dem Glauben und anderen Lebenskonzepten sucht man vergeblich, dem Spiel mit der Allmacht eines einzigen Gottes, der, wenn ihm danach ist, den freien Willen seiner Untertanen nicht entziehen, aber einschränken kann, gibt man sich hin. Doch auch da ist die Leidenschaft eher eine verhaltene. Das kuriose Pech des Verliebten, der gefälligst die Finger vor den Gläubigen lassen soll, lässt den in seiner durchaus tragikomischen, fast ernsten Prämisse startenden Film immer mehr in Richtung Absurdität abgleiten. Was Gregory widerfährt, sind kleine Katastrophen, denen mit unverhältnismäßiger Beiläufigkeit begegnet wird. Das vermindert den Biss einer Idee, die gerne scharfzüngig sein will oder gar satirisch. Beides entgleitet, Gott wird zum Arsch, der nur seine Interessen verfolgt, doch die romantischen Momente auf einer Parkbank in Rom haben zumindest noch die spritzige Qualität einer Nora Ephron-Komödie, die Der göttliche Andere dank seiner Akteure doch noch sehenswert macht.

Der göttliche Andere (2020)

Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse

WELTFRIEDEN MIT DEM HÜTCHENTRICK

7,5/10


dumbledoresgeheimnisse© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved


LAND / JAHR: USA, GROSSBRITANNIEN 2022

REGIE: DAVID YATES

SCRIPT: JOANNE K. ROWLING, STEVE KLOVES

CAST: EDDIE REDMAYNE, JUDE LAW, DAN FOGLER, MADS MIKKELSEN, EZRA MILLER, CALLUM TURNER, ALISON SUDOL, JESSICA WILLIAMS, OLIVER MASUCCI, RICHARD COYLE, VALERIE PACHNER, PETER SIMONISCHEK, KATHERINE WATERSTON U. A. 

LÄNGE: 2 STD 23 MIN


Was genau ist eigentlich mit dem guten Gellert Grindelwald passiert? Wo ist die wasserstoffblonde Billy Idol-Gedächtnisfrisur? Wo die kecke, ebenfalls wasserstoffblonde Rotzbremse und die unterschiedliche Augenpartie? Ist das womöglich wieder einer dieser ekelerregenden Vielsafttränke, die aus Johnny Depp damals Colin Farrell gemacht hatten? Vielleicht liegt der Grund in einem dieser Paralleluniversen, die sich bald mit dem MCU kreuzen werden. Hier, in dieser Welt, versucht ein fast schon distinguierter, auffallend aufgeräumter Mads Mikkelsen, der sich mit Bösewichten auskennt (Casino Royal, Hannibal), die Herrschaft über alle Zauberer und Hexen an sich zu reißen. Zwei Grindelwalds also – welcher ist besser? Auf diese visuelle Diskrepanz geht die Wizarding World überhaupt nicht ein – über die Sache mit Johnny Depp und seiner Amber Heard, die ihm seinen ganzen Erfolg gekostet hat, will niemand mehr reden, und auch die Erklärungsnot ob der Neuerfindung eines Antagonisten ist fast schon eine Tugend.

Da Mads Mikkelsen (hat man Men & Chicken gesehen, weiß man, welche Bandbreite an Figuren er bedienen kann) aktuell als einer der verlässlichsten Profis in der Welt des Kinos erscheint, fügt er sich trotz Quereinsteiger-Handicap nahtlos in ein Geschehen ein, dass in der letzten Episode – Grindelwalds Verbrechen – für heillose Verwirrung gesorgt hat. Selbst nach wiederholter Sichtung gerät der Streifen aus dem Jahr 2018 zu einem überlangen, konfusen Budenzauber, dem bis auf einigen Fan Service (u. a. Nicholas Flamell und der Stein der Weisen) überhaupt nichts abzugewinnen war. Das zeigte sich auch an den Kinokassen. Hat das Potterverse die Kontrolle über seinen Besen verloren? Zumindest bis jetzt. Mit Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse, dem dritten und je nach kommendem Einspiel vielleicht letzten Teil der Reihe, erhält die Welt der Magier und Muggel wieder enormen Auftrieb, ähnlich wie in einem Windkanal, wo all die Versatzstücke eines durchaus reizvollen Universums wieder in höhere Höhen zurückgeschleudert werden. Dumbledores Geheimnisse bekommt tatsächlich die Kurve, und macht gut, was schiefgegangen war. Womöglich, und ich lehne mich da gerne aus dem Fenster, ist diese Episode die beste der ganzen Trilogie.

Das liegt zuallererst an einer entfransten, auf geradlinig gebürsteten und weniger reminiszierenden Story, die sich problemlos nachvollziehen lässt und der man auch gerne folgen möchte. Wir erinnern uns: Grindelwald hat sich mit so einigen magischen Seitenwechslern, darunter Kowalskis großer Liebe Queenie Goldstein, nach einem CGI-Overkill auf seine Burg verabschiedet, wo er neue Pläne schmiedet, um die Muggelwelt zu vernichten. Wir wissen: Dumbledore und Grindelwald können sich nicht in die Haare kriegen, da ein Blutschwur dies verhindert. Neu hinzu kommt: Der oberste Führer der magischen Nation wird neu gewählt, entscheiden soll das ein besonderes Wesen, das in der chinesischen Mythologie tatsächlich inhärente Qilin, auch bekannt als chinesisches Einhorn. Es beherrscht den Seelenblick und verneigt sich vor dem, der reinen Herzens ist. Grindelwald schickt seine Häscher aus, um ein solches Kitz zu fangen und für seine Zwecke zu manipulieren. Das Vorhaben gelingt, nur weiß er nicht, dass das Qilin einen Zwilling hat. Derweil versucht Dumbledore mit seinem handverlesenen Team, darunter Newt Scamander und Jacob Kowalski, den in die Zukunft sehenden Grindelwald zu verwirren, und das zweite Qilin zu beschützen.

Das also sind Dumbledores Geheimnisse, die nicht mal seine eigenen Leute kennen. Und das ist gut so, denn sonst würde die Rechnung vielleicht gar nicht aufgehen. Das Publikum kann dem Hakenschlagen der Magier aber ganz gut folgen, und auch wenn diesmal weniger phantastische Tierwesen das Licht der Leinwand erblicken, ruht in den wenigen, die wir sehen, ein ganz besonderer Zauber. David Yates verbindet den Schrecken eines erstarkenden Faschismus mit der herzerwärmenden Ritterlichkeit aufrichtiger Idealisten, die nur im Team funktionieren und sich gegenseitig wunderbar ergänzen. Jude Law als Albus Dumbledore erreicht die Weitsicht eines alternden Obi Wan Kenobi, Eddie Redmayne ist nach wie vor wunderbar skurril und Dan Fogler als einer, der einfach nur er selbst ist, dafür aber unglaublich mutig, schießt sowieso den Phoenix ab, der wiederum stets elegant durchs Bild schwebt und irgendwie die Verbindung zum Potterverse errichtet.

Dumbledores Geheimnisse ist kreativ und kurzweilig, in manchen emotionalen Momenten schafft es der Film, tief in das Universum einzudringen und die Essenz des Erfolgs von Harry Potter neu zu fassen. Das hat viel mit dem alten Magier zu tun, dem wir in Harry Potter und der Halbblutprinz nachweinen werden. Das hat viel mit dem Endkampf in der späteren Gegenwart zu tun und einem nachhaltigen Bewusstsein, dass stets geschult werden muss, will man so etwas Zerbrechliches wie ein Qilin, das stellvertretend für den humanistischen Geist der Wizarding World steht, bewahren.

Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse