Leberkäsjunkie

DU BIST WAS DU ISST

5,5/10

 

LEBERK€SJUNKIE / Trailer online© 2019 obs/Constantin Film/Bernd Schuller

 

LAND: DEUTSCHLAND 2019

REGIE: ED HERZOG

CAST: SEBASTIAN BEZZEL, SIMON SCHWARZ, LISA MARIA POTTHOFF, ENZI FUCHS, EISI GULP, ANICA DOBRA, MANUEL RUBEY, ROBERT STADLOBER U. A.

 

Fleisch ist sein Gemüse. Da haben Brokkoli, Karotten oder irgendein Spinat einfach nichts verloren. Was geht, das sind Leberkäsesemmel und Fleischpflanzerl, wie´s auf gut bayrisch heißt. Für Vegetarier oder Veganer ist die jüngste Verfilmung der Rita Falk-Krimigrotesken keine Fahrt ins Grüne: wenn sich Kommissar Eberhofer des Nächtens an einem reschen Semmerl mit einer gefühlt büroordnerdicken Schnitte an kaltem Leberkäse versündigt, könnte man sich alleine schon beim Hinschauen einfach besser fühlen, wenn die Kautabletten gegen Sodbrennen in Griffweite liegen. In einer anderen Szene bestellt der allerlei Ungesundes konsumierende Lethargiker in einem Gasthof die Speisekarte so dermaßen rauf und runter, dass Obelix fast schon vor Neid erblassen könnte. Aber zumindest gibt’s keinen Elefanten, gefüllt mit Oliven. Stattdessen aber miserable gesundheitliche Werte, die dem Eigenbrötler und Vater eines Dreikäsehochs auch nicht weiter scheren. Denn: Rita Falks Figur ist und bleibt das ironische Zerrbild eines scheinbar pragmatisierten Müßiggängers, der sich selbst stets der Nächste ist, allerdings nichts über die Oma kommen lässt und Kriminalfälle so nebenbei gelöst bekommt, als wären sie Sudoku-Rätsel aus der U-Bahn-Zeitung. Krimis sind diese Filme alle keine, oder ungefähr so viel Krimi wie Helmut Zenkers bizarre Folgen des österreichischen Fernsehkults Kottan ermittelt. Diese Erkenntnis hatte ich längst schon in meinen anderen Rezensionen zu ganz anderen Rita Falk-Verfilmungen erlangt, wie zum Beispiel in jener zu Sauerkrautkoma. Lässt sich in Bezug auf diese Filmreihe dann überhaupt noch etwas Neues erzählen, oder könnte man sagen: kennt man einen Eberhofer, kennt man alle?

Im Großen und Ganzen: ja. Obwohl die Bücher weitaus besser sind als die Filme, könnte beim Versuch, die gelesenen Schmöker inhaltlich zu rekapitulieren, ein chaotisches Durcheinander entstehen. Unterhaltsam sind sie ja – während des Lesens. Später aber gehen die einzelnen Episoden in einem ganzen Eberhofer-Niederkaltenkirchen-Anekdotenwulst unter, und nichts lässt sich mehr auseinanderklamüsern. Die dicke fette Leberkäsesemmel, die wird mir aber auch nach längerer Zeit noch in Erinnerung bleiben, und ich werde wissen, dass dies das Buch oder der Film mit dem Titel Leberkäsjunkie war, denn in keiner anderen Episode wurde bislang so viel und auch so unappetitlich gevöllert wie hier. Das Bier, das stürzen Eberhofers Kumpanen auch eher en gros ihre Kehlen hinab. Stil ist in dieser Posse tatsächlich das andere Ende des Besens. Dabei auffallend, weil außerordentlich deplaziert und wie aus einem anderen Film: der Auftritt Robert Stadlobers und Manuel Rubeys als bemüht schwules Pärchen samt einiger Klischees. Den Vogel aber, den schießt immer noch Simon Schwarz als Detektiv Birkenberger ab, der eigentlich immer die Drecksarbeit erledigt, während Sebastian Bezzel in völlig unvorteilhafter, aber durchaus souverän imitierter Übernachtigkeit ein ewig Unbelehrbarer bleibt.

Leberkäsjunkie

Griessnockerlaffäre

JAGDSZENEN AUS NIEDERBAYERN

5,5/10

 

griessnockerl© 2017 Constantin Film

 

LAND: DEUTSCHLAND 2017

REGIE: ED HERZOG

MIT SEBASTIAN BEZZEL, SIMON SCHWARZ, ENZI FUCHS, BRANKO SAMAROVSKI U. A.

 

Jetzt ist schon wieder was passiert. Ja, ich weiß, das ist von Wolf Haas, trifft aber auf Rita Falk genauso zu. Genauer gesagt auf das Bundesland Bayern und insbesondere auf Niederkaltenkirchen. In Niederkaltenkirchen, da sorgt ein gewisser Franz Eberhofer für Recht und Ordnung. Und für den nötigen Auslauf seines Hundes. Nichts kann den lethargischen Polizisten aus der Ruhe bringen, es sei denn, die Fleischerei vom Simmerl hat geschlossen. Gibt es keine Leberkäsesemmeln, mindestens vier an der Zahl, hilft nur noch ein Maß Bier. Gibt’s das auch nicht, kann es schon sein, dass Eberhofer seine Knarre zieht. Blöd kommen darf man ihm auch nicht. Da kann es sein, dass der dauerfertige Genussmensch plötzlich unter Mordverdacht steht. So gesehen in der neuesten Verfilmung der Landkrimis von eingangs erwähnter Rita Falk. Zugegeben, diese Bücher sind dafür gemacht, sie zu verschlingen. Ähnlich wie eine Leberkäsesemmel, die man auch stets mit ein paar Bissen hinunterwürgt, weil sie doch so gut schmeckt. Die schrulligen Krimis sind nicht anders. Deftig, würzig und vor allem witzig. Das liegt auch an der Ich-Erzählform, an der Figur der schwerhörigen, stets schreienden Oma und all den anderen skurrilen Typen wie den kurzsichtigen Klempner und des Eberhofers Ex-Kollege Birkenberger.

Die Verfilmungen selber haben so ihre Probleme. Der Punkt ist der, dass die Eberhofer-Krimis als Spannungsgeschichte selbst relativ wenig hergeben. Da ist schon jede Folge von Soko Kitzbühel spannender, mitunter auch Der Bergdoktor. Worum es bei den Eberhofer-Krimis in erster Linie geht, das sind die Anekdoten des Alltags. Die haben in all den Büchern einen angenehmen Wiedererkennungswert. Es ist fast wie heimkommen, alles ist so vertraut. Und die Spannung resultiert aus der lausbübischen Neugierde, was dem Eberhofer denn jetzt wieder ungelegen kommen mag. Ungelegen ist so ziemlich alles, der Mann will seine Ruhe und ein gutes Essen von seiner Oma. Doch das alles liest sich viel besser als dass man es jemals auf die Leinwand bringen könnte. Ist das Publikum mit den vielen denkwürdigen Nebenrollen und den täglichen Ritualen von Eberhofer und Co nicht vertraut, ist es leicht, aufgrund der vielen kleinen Randnotizen ein bisschen den Überblick zu verlieren. Im Buch ist alles im Fluss, das eine bedingt das andere. Im Film reihen sich all die skurrilen Momente relativ unmotiviert aneinander, so, als müsste die Regie in hundert Minuten alles verstauen, was das Buch selbst hergegeben hat. Weggelassen wird tatsächlich nichts, was aber nicht heißt, dass die nebenher erzählte Geschichte von der lieben Oma und ihrer mysteriösen Griessnockerlaffäre wirklich die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient hätte. Eberhofer scheint zumindest im Film alles egal zu sein. Es stimmt schon, die Rollen sind alle gut besetzt – vor allem punktet diesmal neben dem stets resoluten Simon Schwarz Schauspielerin Nora Waldstätten als Polizeikommissarin Thin Lizzy. Doch irgendwie passt alles nicht wirklich zusammen. Was denn jetzt, frage ich mich. Krimi oder regionale Posse? Das Gleichgewicht bekommt das Buch bestens hin – der Film eher weniger. Anzudenken wäre eine Eberhofer-Serie, denn Krimis sind immer besser erzählt, wenn sie genug Spielraum haben.

Griessnockerlaffäre hat das zwar nicht, und amüsiert auch nur oberflächlich, könnte aber Nichtkenner der Materie dazu bewegen, mal zum Buch zu greifen. Ich schreibe aus Erfahrung, denn einen ähnlichen Effekt erzielte für mich Dampfnudelblues. Vom bizarren Stelldichein irgendwo im Nirgendwo Bayerns überrumpelt, war der Gang in die Bücherei auf der Suche nach Rita Falk nur mehr eine Frage der Zeit. Und wenn schon nicht der Film selbst, hat sich zumindest das Kennenlernen von Eberhofers Welt auf Film so ziemlich ausgezahlt.

Griessnockerlaffäre