King Richard

SELBSTWERT PUSHEN AM TENNISPLATZ

6/10


kingrichard© 2022 Telepool


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: REINALDO MARCUS GREEN

CAST: WILL SMITH, SANIYYA SIDNEY, DEMI SINGLETON, AUNJANUE ELLIS, TONY HOLDWYN, JON BERNTHAL, DYLAN MCDERMOTT, NOAH BEAN U. A. 

LÄNGE: 2 STD 25 MIN


Ich sag’s ganz offen: Es gibt wohl kaum eine Fernsehsportart, die mich weniger begeistert als Tennis. Naja, vielleicht Baseball – ein Spiel, dessen Regeln ich wohl nie werde nachvollziehen können. Oder Golf. Da wird der Ball erst dann sichtbar, wenn das Fernsehgerät mehr als 50 Zoll hat. Darüber hinaus macht Mediensport aus ehrgeizigen Athleten Werbeträger ihrer Sponsormarken. Wie Influencer, nur am Sportplatz. Will man sowas werden, braucht es nicht nur Vitamin B, sondern bereits ein in die Wiege gelegtes Talent und die Begeisterung für die Sache. Ein Umstand, den Richard Williams seinen beiden Töchtern regelmäßig vorbetet: Habt Spaß! Und nicht: Siegt gefälligst! Ein Druck, dem Serena und Venus Williams allerdings nicht ausgesetzt sind. Auch Niederlagen sind da kein Thema, die gibt es. Mit Beharrlichkeit lassen sich diese locker wegstecken. Und schließlich gibt’s neben Sport noch Bildung und Schule. Diesen schmalen Grat zwischen Trainingspflicht und gelebter Kindheit zu gewährleisten, kostet Planung. In dieser Hinsicht, so vermittelt dieser gönnerhafte Sportfilm, hat King Richard alles richtig gemacht – im Sinne aller Beteiligten, die hier in würdiger Performance vertreten werden. Kein Wunder – Serena und Venus haben King Richard mitproduziert. Und beide scheinen mit dem sanften Tyrannen als Vaterfigur absolut im Reinen zu sein. Zu verdanken haben sie ihm schließlich alles. Den ganzen Ruhm, die ganzen Millionen, den Platz auf den Bestenlisten. Da stellt sich nicht mehr die Frage, ob Richard Williams jemand war, der im Grunde nur sein eigenes Ding durchgezogen hat. Das hat er. Und zwar aus gutem Grund: Um der Welt zu beweisen, dass man als Teil der schwarzen Minderheit auch im Sport Erfolg haben kann. Klar sieht sowas die Oscar-Academy gerne, muss diese doch die Quoten erfüllen. Dafür ist King Richard wie gemacht dafür. Ein Loblied auf gesellschaftliche Gleichheit.

Der Werdegang der Williams-Schwestern unter der Regie von Reinaldo Marcus Green (u. a. Joe Bell) ist wohl ein Film, den Coaches vielleicht gerne mal am Ende eines Persönlichkeits- oder Erfolgsseminars zeigen könnten. So fühlt sich King Richard manchmal an wie ein psychosozialer Werbefilm, der Geheimnisse zum großen Durchbruch preisgibt, die letzten Endes fast schon zu banal sind, um wahr zu sein. Sind sie aber. Müssen sie sein. Also sehen wir die beiden beherzt aufspielenden und aufschlagenden jungen Mädchen, wie sie, mit viel Verständnis und Folgsamkeit ihrem Daddy gegenüber, die Karriereleiter rauftänzeln, im weißen Faltenmini und mit Perlen in den Haaren. Der Daddy selbst, Will Smith, ist omnipräsent wie der Heilige Christophorus am Amaturenbrett eines Autos. Nervt unbändig, hat aber Charisma. Eine ambivalente Persönlichkeit, die mit Sturheit aneckt und mit Überheblichkeit vergrault. Die ihre Wahrheit als die einzig richtige empfindet, wie ein Missionar auf dem Dschungeltrip. Dabei gelingt Smith für einen wie ihn, dessen Gesicht man nur allzu gut kennt, das schier Unmögliche: nämlich, sich voll und ganz in der Rolle des patriarchalischen Sonderlings aufzulösen. Will Smith verschwindet, es bleibt dieser Adabei in kurzen Hosen. Ein Faktotum, über das man nachdenkt.

Das Problem bei King Richard ist aber nicht vorrangig diese weichgezeichnete Vater-Tochter-Erfolgsachse, sondern, für Tennisuninteressierte wie mich, der Entschluss, dem Centre-Court breite Bühne zu bieten. Da ist viel Aufschlag, Schwung und Abschlag dabei. Der Filzball fliegt übers Netz, einmal noch und noch einmal. Ein Sportfilm, ganz klar. Der den Fokus nicht im gesellschaftlichen Konflikt verortet wie im Geschlechterdrama The Battle of the Sexes mit Emma Stone und Steve Carrell und diesen auch nicht austrägt, sondern eine famos rekapitulierende Sportshow bietet, mit anfeuerndem Familyclub auf den Tribünen, die Kenner und Selberspieler womöglich packt, mich aber zwar nicht unaufgeschlossen, aber doch nach 145 viel zu langen Minuten mit den Gedanken bereits woanders aus dem Kino entlässt.

King Richard

Kings of Hollywood

VERSICHERN BERUHIGT

5,5/10


kingsofhollywood© 2021 Telepool


LAND / JAHR: USA 2020

REGIE: GEORGE GALLO

CAST: ROBERT DE NIRO, TOMMY LEE JONES, ZACH BRAFF, MORGAN FREEMAN, EMILE HIRSCH, SHERYL LEE RALPH U. A. 

LÄNGE: 1 STD 44 MIN


Es bleibt ein mit wissendem Lächeln begleitetes Kavaliersdelikt, wenn die Abzocke gelingt. Aber wehe, jemand anderer riecht den Braten. Vielleicht gar jene, die den Betrug finanzieren müssen. Schlimmer noch: es könnte sogar jener sein, dessen Schaden das große Geld erst locker macht. Udo Proksch könnte in Sachen Lucona, würde er noch leben, immer noch sein Liedchen dazu trällern. In vorliegendem Fall aber will ein windiger Produzent, der mit seinen Grindhouse-Trashfilmen a la Machete maximal für Skandale, aber nicht für den großen Profit sorgt, einen lukrativen Plan B in die Tat umsetzen. Wenn schon das Abgedrehte unter aller Sau ist, könnte vielleicht das Scheitern eines solchen während der Dreharbeiten den schnöden Mammon barmherzig stimmen. Es müsste schließlich nur der hochversicherte Hauptdarsteller bei einem selbst ausgeführten Stunt ins Gras beißen – schon fließen die Millionen. Wie lässt sich das am besten bewerkstelligen? Ein x-beliebiges Drehbuch muss her – ein in der Rundablage oben aufliegender B-Western scheint geeignet. Dazu einen abgehalfterten Star aus dem vorigen Jahrhundert. Wie wär‘s mit dem John Wayne-Verschnitt Duke Montana? Ein Name, der so nach Halstuch und Stetson klingt, nach schwingendem Lasso und wettergegerbtem Gewicht. Das ideale Mittel zum Zweck. Das Dumme an der Sache: Neffe Walter, Co-CEO der schwindeligen Firma, ahnt von dem ganzen Übel nichts. Wer sich stattdessen aber vom Tod des Altstars einiges verspricht, ist Gangsterboss Morgen Freeman. Der will sein investiertes Geld refundiert wissen – und setzt aufs hoffentlich richtige Pferd.

Die Idee für eine Komödie dieser Art birgt jede Mange Slapstick, schwarzen Humor und zum Ablachen treffsichere Situationskomik. Dabei ist der Plot nicht neu. Die Kings of Hollywood (Im Original viel treffender: The Comeback Trail) gabs schon 1982, nur verschwand der Film sang- und klanglos in der Rumpelkammer. Dabei hatte in der Inszenierung von Hay Hurwitz sogar Hugh Hefner himself einen Auftritt. George Gallo dürfte für seine Neuauflage wohl durch Zufall auf dieses filmische Mauerblümchen gestoßen sein, das Potenzial aber richtig erkannt haben. Stars wie Robert de Niro, Tommy Lee Jones und Zach Braff ließen sich womöglich nicht lange bitten. Insbesondere ersterer, der hier, mit wallender Mähne und kessem grauem Schnauzer, endlich wieder mal, nach einigen missglückten Ausrutschern im Genre, seinen inneren Komiker hochleben lassen darf. Natürlich vertraut mit dem Filmbiz, sind dem Kenner die entsprechenden Manierismen der Branche nicht fremd. Erfahrungen hat er viele gesammelt, und daher schöpft der Oscarpreisträger auch aus dem Vollen, wobei er dabei gut und gerne nach Europa schielt. Mitunter auf die Geschichte der französischen Filmkomödie. Um noch präziser zu werden: auf niemand Geringeren als „Querkopf“ Louis de Funès. Für die Rolle des Schlitzohrs Max Barber hat De Niro einiges von der ewig cholerischen und stets auf Zucker wirkenden Ikone des Klamauks übernommen. So fahrig, gleichsam zerknirscht und aufbrausend ließ sich der Taxi Driver bislang noch kaum erleben. Das gefällt auch Tommy Lee Jones, der in einer Art Selbstparodie und der Parodie eines ganzen Lebensgefühls wie seinerzeit Jack Palance in City Slickers genauso eine Spielfreude an den Tag legt. Nichts kann diesen Haudegen überrumpeln.

Doch so sehr Kings of Hollywood gleich zu Beginn ohne Verzögerung Fahrt aufnimmt und wirklich zum Schenkelklopfen motivierende Humorspitzen erreicht: Das Level lässt sich nicht halten. Dann, wenn alle Handlungsfäden zusammenkommen und der große Coup ans Licht kommt, setzt Gallo die rosarote Brille auf. Die Pointen verpuffen, die Revolvertrommel ist leer. Als hätten alle ausgelacht. Mag sein, dass das Ende über die Maßen versöhnlich stimmen soll – mit dem Filmbiz, mit der Branche, mit hinterfotzigem, profitgierigem Studiogebahren. Das anbiedernde Ringelreihen allerdings könnte dazu führen, dass in zwanzig Jahren abermals jemand auf einen Film stößt, dessen Plot genial, dessen Umsetzung aber in Vergessenheit geriet.

Ach ja, bevor ich’s vergesse: die Post Credit Scene sollte man auf keinen Fall verpassen. Robert Rodriguez hätte seine Freude daran.

Kings of Hollywood