High Life

STERNENKIND IM ERSTVERSUCH

7,5/10

 

highlife© 2019 Pandora Film GmbH & Verleih KG

 

LAND: FRANKREICH, DEUTSCHLAND, GROSSBRITANNIEN, POLEN 2018

REGIE: CLAIRE DENIS

CAST: ROBERT PATTINSON, JULIETTE BINOCHE, MIA GOTH, LARS EIDINGER, ANDRÉ BENJAMIN U. A. 

 

In meinem absoluten Lieblingsfilm, nämlich 2001 – Odyssee im Weltraum von Stanley Kubrick, da schwebt das Sternenkind fast schon so wie Major Tom über allen Dingen, scheint ganz plötzlich das Geheimnis hinter seiner Existenz erkannt zu haben, bildet eine Einheit mit dem Universum. Blickt dorthin zurück auf den Moment, in dem die Naturgesetze entstanden sind, und mit den Naturgesetzen auch die Möglichkeit, ein Wesen wie den Menschen zu ermöglichen. Beruhigend, dieses Einheitsdenken. Dass wir nicht verloren sind, sondern Teil des Ganzen. In High Life, einem Science Fiction-Film der vollkommen anderen Art, ist das Bewusstsein, Teil des Universums zu sein, ein verlorenes. Ganz so wie die Charaktere, die sich auf einer einsamen Mission ohne Rückfahrticket befinden, raus aus unserem Sonnensystem in Richtung eines kleinen schwarzen Lochs, dessen Erkundung aber nur die Bonusaufgabe sein soll. Die eigentliche Aufgabe ist die, jenseits von Terra neues Leben auf die Welt zu bringen.

Dabei hat sich zu dieser Aufgabe einzig und allein Wissenschaftlerin Juliette Binoche verpflichtet, genauso eine Straftäterin wie alle anderen auf diesem Schiff, aber zumindest mit genetischem Know-How ausgestattet. Was man von den anderen nicht sagen kann. Also werden die anderen dazu herangezogen, als Versuchskaninchen zu fungieren: als Samenspender und Gebärmutter. Für jene, die es nötig haben, hat dieses Raumschiff so was wie ein Sexzimmer, die so genannte Fuck Box. Dort kann Mann und Frau ihren Gelüsten frönen, ohne unbedingt einen Koitus mit einem Mitinsassen vollziehen zu müssen. Die Besatzung ist schließlich lange unterwegs, so lange wie einst Bruce Dern in Douglas Trumbulls Lautlos im Weltraum, um das bisschen Leben zu retten, was vom Planeten Erde übrig geblieben war. In High Life ist es die Reproduktion des Menschen um jeden Preis. Da ist es egal, wer wen begehrt, welche Sehnsüchte jemand hegt oder welche pathologischen Erscheinungen sonst noch existieren. Claire Denis eigenwilliger Beitrag zur humanphilosophischen Science Fiction reiht sich an die Mindfuck-Meditationen russischer Utopien, hat von Vorbildern wie Solaris oder Arthur C. Clarks Epen gelernt – und doch etwas völlig Eigenständiges entwickelt, einen völlig autarken Beitrag dazu geleistet, wenn es darum geht, die Relevanz des Menschseins im Universum zu betrachten. Dabei ist das Universum im Grunde eine Zigarettenschachtel, ein quaderförmiger Klotz, der im Nichts treibt, und darin spielt sich alles ab, vor allem die Zukunft der menschlichen Rasse und all die Ohnmacht dem eigenen kleinen Schicksal, der eigenen kleinen Reue gegenüber, die man angesichts einer Mission empfindet, die den Horizont erweitern könnte.

High Life ist moderne Kunst, ein photographisches Vexierspiel wie die Filme eines Tom Ford oder Michelangelo Antonioni. Die Odyssee zwischen artifizieller Installation, Avantgardismus und akkuratem Model-Shooting hat etwas Betörendes, vor allem dadurch, weil Denis Dissonanzen ins filmische Tempo bringt. Einmal elegisch, dann durchbrochen von Eruptionen heftiger Gewalt. Dazwischen das Physische, der menschliche Körper als poröses Gefäß, das Spuren hinterlässt, vom Samen bis zur Muttermilch. High Life ist daher auch überhaupt kein gefälliger Film, mitunter durchaus prätentiös und keinesfalls zögerlich in seiner Herausforderung an ein kunstbeflissenes Publikum. In Summe aber hat die Reise ohne Wiederkehr in all seinen Irritationen auch etwas sehr Schönes als Ziel, nach welchem zumindest Robert Pattinsons Charakter zu streben versucht. Er als einziger, der allem entsagt, ein Mönch unter Berserkern. Seine nüchterne, schlichte Figur interpretiert er mit Wohlwollen. Neben ihm machen sowohl Model Mia Goth als eine Art Auserwählte als auch Lars Eidinger (überraschend, ihn hier zu sehen) eine gute Leidensfigur.

Der Mensch ist kein Sternenkind, zumindest nicht jener, der von der Erde kommt, so die Conclusio. Mit Terra haben wir genug zu tun. Trotzdem aber lässt Claire Denis die Möglichkeit, dabei einem Irrtum zu erliegen, zumindest offen.

High Life

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