Eternals

MARVELS JAGD AUF MENSCHHEITSMYTHEN

6,5/10


eternals© 2021 Marvel Studios / The Walt Disney Company


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: CHLOÉ ZHAO

CAST: GEMMA CHAN, RICHARD MADDEN, LIA MCHUGH, SALMA HAYEK, ANGELINA JOLIE, KUMAIL NANJIANI, BARRY KEOGHAN, BRIAN TYREE HENRY, LAUREN RIDLOFF, MA DONG-SEOK, KIT HARINGTON U. A.

LÄNGE: 2 STD 37 MIN


Kevin Feige hat mit seiner Marvel-Schmiede deshalb so viel Erfolg, weil er offen dafür ist, Neues auszuprobieren. Damit sind nicht die uns wohlbekannten Geschichten rund um mittlerweile unzählige Superhelden, Gefahren aus dem Weltall und dergleichen gemeint, sondern das Neue hinter der Kamera. Immer wieder lässt Feige Regisseure ran, die man nicht gerade mit fantastischem Mainstreamkino verbindet. Manchmal sind es Neulinge, frischer Wind. Und dann sind es Autorenfilmerinnen und -filmer, die ihr Können längst bewiesen, vielleicht auch noch einen Oscar gewonnen haben – und sich selbst nach Neuem umsehen wollen. Wie zum Beispiel Chloé Zhao. Wir erinnern uns: der Oscar an den besten Film und an die beste Regie ging heuer an den semidokumentarischen Neowestern Nomadland. Zuvor wurde Zhao bekannt für ihren ebenfalls sehr authentischen Streifen The Rider. Beides zeitgenössische Heimatfilme, die das uramerikanische Bewusstsein sorgfältig sezieren. Marvel hat die gebürtige Chinesin mit Sinn für elegische Landschaftsszenarien nun rekrutiert. Entstanden ist der nächste Schritt tief hinein ins neue MCU (Marvel Cinematic Universe). Entstanden ist auch ein neuer Stil, ein neuer Rhythmus. Ganz neue Figuren, ohne Bezug zum bisherigen Kanon. Man fragt sich, ob Zhao die richtige Wahl dafür war. Man fragt sich auch, wie denn Eternals nun in das bisherige Ganze mit all seinen lose herumwirbelnden roten Fäden, die alle noch weiter und zu Ende geführt werden wollen, hineinpassen will. Kein einziger dieser Erzählstränge wird aufgegriffen, stattdessen werden gleich noch eine Handvoll neue geschaffen.

Und doch ist es so, dass Chloé Zhaos womöglich einziger Ausflug in das Superheldenkino mit einer Humanistin wie ihr grundsätzlich gut beraten war. Eternals widmet sich antiker Mythologie und will anhand eines sehr klassisch-abenteuerlichen Ensemblestücks am besten gleich für alle uns umgebenden Legenden aus der Bronzezeit bis ins Mittelalter deren wahren Kerne postulieren. Die Götter der Griechen sind wieder im Spiel, auch Helden aus einer Zeit, in der Babylons blaues Ishtar-Tor der Hingucker schlechthin war. Bei all diesen Mythen standen die Eternals dahinter, über Jahrtausende hinweg. Ikarus, Athena, Gilgamesch… nun gibt’s ein Come Together, nach 7000 Jahren des Zusehens und Raushaltens (es sei denn, man hat es mit den Deviants zu tun gehabt), um ein verheerendes Schicksal Marke Roland Emmerich von unserer lieben runden Erde abzuwenden, für das die ebenfalls aus den Mythen entstiegenen Giganten – die Celestials – verantwortlich wären, würde es soweit kommen. Nicht mit uns, meinen die glorreichen Zehn, da sie die Erde selbst und ihre Bewohner über alles lieben. Das sind zutiefst altruistische Gedanken, und ziemlich selbstlos, wenn so Kolosse wie der Celestial Arishem ob dieses Ungehorsams durchaus genervt sein könnten.

Creature Designer hatten grünes Licht, sich wieder mal vollends auszutoben, denn die bösen, anfangs noch mit tierischen Instinkten ausgestatteten Deviants sind eine Augenweide für Monsterfans mit Sinn für Ästhetik. Auch Chloé Zhao durfte so manche Freiheit genießen – man erkennt klar ihren Stil: Landschaften und Menschen in natürlichem Licht ohne viel üppigem Firlefanz. Wohldosiert fährt Eternals seine Effekte hoch – feine, goldene Linien, die sich an menschlichen Körpern entlangräkeln wie Efeu, hat was von Jugendstil und ist das High Tech in dieser – man möchte fast meinen – alternativen Zeitlinie zum übrigen Marvel-Universum. Aber das ist es nicht, der Infinity War hat stattgefunden. Woran man allerdings erkennt, dass Zhao so, wie sie es hier getan hat, lieber nicht weitermachen sollte, ist der Fokus auf ein Charakterdrama aus pathetischen Dialogen und Liebesbekundungen, die sich andauernd wiederholen und dem ohnehin schon gedehnten Abenteuer immer wieder seinen Schwung nehmen. Verlorene Blicke im Gegenlicht, die hatte schon Francis McDormand ausgiebigst innegehabt. Hier ist dasselbe mal zehn. Obendrein will jeder noch seine Biographie. Da wird das Publikum dann doch, so nach der Halbzeit, immer öfters ungeduldig. Seltsam auch, dass vollkommene Wesen wie die Eternals körperliche Defizite wie Mutismus aufweisen oder einer davon immer ein Kind bleiben muss. Hinterfragen darf man nicht zu viel, und ausgeschlafen sollte man ebenfalls sein, sonst wird der viel zu lange, aber anspruchsvolle und anmutig designte Mythologieparcour zu einer verschwurbelten Meditation des Wegnickens.

Übrigens: Die Post Credit Scenes (derlei zwei) sind womöglich nur für sehr eingefleischte Comicfans zu verstehen, die die ganze Bandbreite der Marvel-Bibliothek kennen. Für Kevin Feige zum Beispiel – für mich leider nicht.

Eternals

Metaluna IV antwortet nicht

UNENDLICHE WEITEN AUS ALTEN ZEITEN

7,5/10

 

metaluna4antwortetnicht© 1955 Universal Pictures

 

LAND: USA 1955

REGIE: JOSEPH M. NEWMAN, JACK ARNOLD

CAST: JEFF MORROW, REX REASON, FAITH DOMERGUE, LANCE FULLER U. A.

LÄNGE: 1 STD 27 MIN

 

Auf dem Sender Syfy hat man immer wieder mal die Chance, für Stunden in die fernsehnostalgischen Gefilde der alten Enterprise-Crew abzutauchen. Wenn William Shatner und Co zwischen Pappmaschee-Felsen herumstrolchen und Gummimonster aus dem Hinterhalt angreifen, hat das einen Guilty-Pleasure-Wert, der fast schon mit Solid Gold aufzuwiegen ist. Raumschiff Enterprise startete 1966, das ist ewig her. Doch Moment – das ist immerhin schon 11 Jahre nach einem gewissen Science-Fiction-Klassiker, der damals schon, 1955 also, tief in die Trickkiste gegriffen hat, um zu veranschaulichen, wie es denn aussehen könnte, zu fremden Planeten zu reisen. Und wie es, lange vor Men in Black, aussehen könnte, wenn This Island Earth (so der Originaltitel dieses Films) bereits längst von Außerirdischen unterwandert worden wäre.

65 Jahre auf dem Buckel, und das womöglich an unsichtbaren Nylonseilen hängende, recht holprig ins Bild schwebende UFO hat bereits schon einiges an Patina angesetzt. Metaluna IV antwortet nicht nimmt Motive aus Perry Rhodan und Star Trek vorweg: Der Pilot und Wissenschaftler Dr. Meacham bekommt eines Tages eine seltsame Lieferung in sein Labor gesandt: es ist dies ein sogenannter Interozitor (was für ein Ding!), mit dem der toughe Kerl Kontakt mit einem sehr obskuren Zeitgenossen namens Exeter aufnehmen kann. Der wiederum wirbt den Atomphysiker für ein ebenso obskures Projekt an. Und weil Dr. Meacham von Natur aus neugierig ist, wagt er sich ins Ungewisse – um später festzustellen, dass die Erde nicht der einzige Planet im Universum ist, der intelligentes Leben beherbergt. Er selbst und eine Fachkollegin, die genötigt werden, nach Metaluna IV zu reisen, werden Zeugen eines Sternenkrieges zweier Völker.

Klingt umsetzungstechnisch sehr anspruchsvoll? Ist es auch: Joseph Newman, unter der Mithilfe von Monster-Movie-As Jack Arnold, lässt radikalen Retro-Charme spielen, dem sich garantiert kein eingefleischter Science-Fiction-Fan, der bereits von Anfang an mit dabei sein will, entziehen kann. So simpel auch all die Szenen im Weltraum, all die Pyrotechnik und das legendäre Monster auch getrickst sein mögen – gerade diese analoge Einfachheit, dieser offensichtliche Versuch einer Illusion des Phantastischen, erklärt dieses Werk zu einer unfreiwillig komischen, aber schätzenswert komischen Antithese zum Bildperfektionismus der Gegenwart. Was für eine wohlige Entreizung. Dabei hat der Plot dazu immer noch oberste Priorität. Und das Setting? Futurismus pur. Zwischen kruden Atomium-Modellen als Schaltzentrale der Aliens, kuriosen Druckausgleichsapparaturen und wunderbar gemalten Matte Paintings, die all die Perry Rhodan-Coverzeichner nicht besser hinbekommen hätten, tummeln sich weißhaarige Ur-Klingonen mit hoher Stirn. Das Beste aber kommt noch: Mit dem insektoiden Bodysuit-Mutanten samt Hydrozephalus-Hirn haben die Macher eine Kultfigur geschaffen, die Tim Burton sehr viel später für seine Marsmonster aus Mars Attacks inspirieren wird.

Metaluna IV antwortet nicht

High Life

STERNENKIND IM ERSTVERSUCH

7,5/10

 

highlife© 2019 Pandora Film GmbH & Verleih KG

 

LAND: FRANKREICH, DEUTSCHLAND, GROSSBRITANNIEN, POLEN 2018

REGIE: CLAIRE DENIS

CAST: ROBERT PATTINSON, JULIETTE BINOCHE, MIA GOTH, LARS EIDINGER, ANDRÉ BENJAMIN U. A. 

 

In meinem absoluten Lieblingsfilm, nämlich 2001 – Odyssee im Weltraum von Stanley Kubrick, da schwebt das Sternenkind fast schon so wie Major Tom über allen Dingen, scheint ganz plötzlich das Geheimnis hinter seiner Existenz erkannt zu haben, bildet eine Einheit mit dem Universum. Blickt dorthin zurück auf den Moment, in dem die Naturgesetze entstanden sind, und mit den Naturgesetzen auch die Möglichkeit, ein Wesen wie den Menschen zu ermöglichen. Beruhigend, dieses Einheitsdenken. Dass wir nicht verloren sind, sondern Teil des Ganzen. In High Life, einem Science Fiction-Film der vollkommen anderen Art, ist das Bewusstsein, Teil des Universums zu sein, ein verlorenes. Ganz so wie die Charaktere, die sich auf einer einsamen Mission ohne Rückfahrticket befinden, raus aus unserem Sonnensystem in Richtung eines kleinen schwarzen Lochs, dessen Erkundung aber nur die Bonusaufgabe sein soll. Die eigentliche Aufgabe ist die, jenseits von Terra neues Leben auf die Welt zu bringen.

Dabei hat sich zu dieser Aufgabe einzig und allein Wissenschaftlerin Juliette Binoche verpflichtet, genauso eine Straftäterin wie alle anderen auf diesem Schiff, aber zumindest mit genetischem Know-How ausgestattet. Was man von den anderen nicht sagen kann. Also werden die anderen dazu herangezogen, als Versuchskaninchen zu fungieren: als Samenspender und Gebärmutter. Für jene, die es nötig haben, hat dieses Raumschiff so was wie ein Sexzimmer, die so genannte Fuck Box. Dort kann Mann und Frau ihren Gelüsten frönen, ohne unbedingt einen Koitus mit einem Mitinsassen vollziehen zu müssen. Die Besatzung ist schließlich lange unterwegs, so lange wie einst Bruce Dern in Douglas Trumbulls Lautlos im Weltraum, um das bisschen Leben zu retten, was vom Planeten Erde übrig geblieben war. In High Life ist es die Reproduktion des Menschen um jeden Preis. Da ist es egal, wer wen begehrt, welche Sehnsüchte jemand hegt oder welche pathologischen Erscheinungen sonst noch existieren. Claire Denis eigenwilliger Beitrag zur humanphilosophischen Science Fiction reiht sich an die Mindfuck-Meditationen russischer Utopien, hat von Vorbildern wie Solaris oder Arthur C. Clarks Epen gelernt – und doch etwas völlig Eigenständiges entwickelt, einen völlig autarken Beitrag dazu geleistet, wenn es darum geht, die Relevanz des Menschseins im Universum zu betrachten. Dabei ist das Universum im Grunde eine Zigarettenschachtel, ein quaderförmiger Klotz, der im Nichts treibt, und darin spielt sich alles ab, vor allem die Zukunft der menschlichen Rasse und all die Ohnmacht dem eigenen kleinen Schicksal, der eigenen kleinen Reue gegenüber, die man angesichts einer Mission empfindet, die den Horizont erweitern könnte.

High Life ist moderne Kunst, ein photographisches Vexierspiel wie die Filme eines Tom Ford oder Michelangelo Antonioni. Die Odyssee zwischen artifizieller Installation, Avantgardismus und akkuratem Model-Shooting hat etwas Betörendes, vor allem dadurch, weil Denis Dissonanzen ins filmische Tempo bringt. Einmal elegisch, dann durchbrochen von Eruptionen heftiger Gewalt. Dazwischen das Physische, der menschliche Körper als poröses Gefäß, das Spuren hinterlässt, vom Samen bis zur Muttermilch. High Life ist daher auch überhaupt kein gefälliger Film, mitunter durchaus prätentiös und keinesfalls zögerlich in seiner Herausforderung an ein kunstbeflissenes Publikum. In Summe aber hat die Reise ohne Wiederkehr in all seinen Irritationen auch etwas sehr Schönes als Ziel, nach welchem zumindest Robert Pattinsons Charakter zu streben versucht. Er als einziger, der allem entsagt, ein Mönch unter Berserkern. Seine nüchterne, schlichte Figur interpretiert er mit Wohlwollen. Neben ihm machen sowohl Model Mia Goth als eine Art Auserwählte als auch Lars Eidinger (überraschend, ihn hier zu sehen) eine gute Leidensfigur.

Der Mensch ist kein Sternenkind, zumindest nicht jener, der von der Erde kommt, so die Conclusio. Mit Terra haben wir genug zu tun. Trotzdem aber lässt Claire Denis die Möglichkeit, dabei einem Irrtum zu erliegen, zumindest offen.

High Life

Das Zeiträtsel

RAUMZEIT-ANTI-AGING MIT GLAMOUR

5/10

 

A WRINKLE IN TIME© 2017 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

 

LAND: USA 2018

REGIE: AVA DUVERNAY

CAST: CHRIS PINE, OPRAH WINFREY, MINDY KALING, REESE WITHERSPOON, ZACH GALIFIANAKIS, STORM REID U. A.

 

Talkqueen Oprah Winfrey als galaktische Lichtgestalt? Dank der funkelnden Schminke im Konterfei des Promis und mit der Märchenfee Reese Witherspoon an dessen Seite können wir das Sternenzepter in guten Händen wissen. Die drei Grazien (die dritte im Bunde ist US-Komikerin Mindy Kaling) erscheinen nach und nach in der Nachbarschaft der unkonventionellen Familie Murry. Die Eltern – experimentierfreudige Wissenschafter mit dem Hang zur Esoterik, die Kinder sonderliche Einzelgänger, hochbegabt und exzentrisch. Da verschwindet der Papa von einem Moment auf den anderen – womöglich hat er ein Portal entdeckt, das unabhängig von Raum und Zeit Zugang in die fernsten Winkel des Universums gewährt. Astrophysiker Murry – dargestellt von „Captain Kirk“ Chris Pine – nennt diesen Zugang Tesseract. Marvel-Fans werden da plötzlich hellhörig, heißt einer der legendären Infinity-Steine doch genauso. Mit Marvel hat das Ganze aber nichts zu tun – eher mit einem höchst eigenwilligen Mix aus Zitaten diverser Märchenerzähler aus der Literaturgeschichte des 20ten Jahrhunderts.

Die literarische Vorlage von Das Zeiträtsel selbst stammt aus der Feder der amerikanischen Kinderbuchautorin Madeleine L´Engle, veröffentlicht in den 60er Jahren. Neben einer Fernsehversion der abenteuerlichen Geschichte durch Raum und Zeit ist die Verfilmung von Ava DuVernay (Selma) ein Spektakel, das womöglich den österreichischen Dramatiker Ferdinand Raimund schwach hätte werden lassen. Das Zeiträtsel ist ein sagenhaft hausbackenes Zauberspiel mit allerlei  märchenhaften Gestalten und surrealer Folklore, es handelt von Licht und Finsternis, von den guten und schlechten Eigenschaften des Menschen. Und nicht zuletzt von sehr viel Liebe, die auch ausgiebig und herzermüdend zitiert wird. Diese theatralischen Figuren, sie tragen Namen wie Frau Wer und Frau Wo und Soundso – das wiederum klingt nach Michael Ende. Auch da erinnert der Film das eine oder andere mal an das Schaffen des deutschen Visionärs, der mit seiner unendlichen Geschichte sowieso schon philosophisch-phantastische Literatur mit den Stilmitteln des Märchens wegweisend vermengt hat. Philosophisch will Das Zeiträtsel auch sein, verheddert sich aber in plakativem Kitsch, der steriler kaum sein kann. Diese Welten rein aus dem Computer sind zwar auf den ersten Blick famos, entpuppen sich aber sehr schnell als nur gerendert und haben nicht viel Seele, geschweige denn Tiefe. Sie wirken nicht echt, wie aufgemalt, und der Zuschauer erahnt geradezu in jeder Sekunde den Greenscreen dahinter. Ich erinnere mich an Peter Jackson´s Jenseitsdrama In meinem Himmel – viel zu viel phantastischer Zuckerguss, teilweise sogar etwas zu flächendeckend hingepfuscht, irgendwie völlig im Widerspruch zu der eigentlichen, tragischen Kriminalgeschichte. Ava DuVernay´s Ringelspiel durchs Weltall passiert Ähnliches, ist anfänglich so entrückt und versponnen, als hätte sich Terrence Malick an einem Kinderfilm versucht. Gegen Ende wird’s sogar noch ziemlich spooky wie in Spielberg´s 80er-Mystery, vor allem dann, wenn das Böse sich des kleinen Bruders bemächtigt. Da hat Das Zeiträtsel dann meine ungeteilte Aufmerksamkeit und macht es sogar noch etwas spannend, bevor die Gute Nacht-Variante einer kindlichen Dimensions-Hopserei a la Inception sein erlösendes Ende findet.

Hierzulande in Österreich fand Disney´s Weisheits-Diskurs für die kommende Generation keinen Kinoverleih. Natürlich orientiert sich die Filmwirtschaft am kommerziellen Erfolg im Ursprungsland – Das Zeiträtsel hatte bislang keinen solchen (was nichts über die Qualität des Films aussagt), also kein grünes Licht für Übersee. Das ist wenig verwunderlich, therapiert dieser wüste Effekte-Mix als familientaugliche Psycho-Fantasy allzu fordernd und lebensberatend am Ziel vorbei. Das kann zu viel des Guten sein, und ist auch für jüngeres Publikum teilweise verstörend unbequem. Hat aber dennoch irgendetwas an sich, das in irritierender Relevanz länger nachhallt als vermutet.

Das Zeiträtsel

Guardians of the Galaxy Vol. 2

FLIEGENDE ALIENS IN IHREN FLIEGENDEN KISTEN

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guardians2

Und wenn du glaubst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Waschbär her… nun, laut herausposaunen sollte ich die Abwandlung einer bekannten Weisheit lieber nicht, sonst bekomme ich von dem kleinen, felligen Guardian mit der Wumme eins übergebraten. Denn Waschbär will das freche Wesen nicht genannt werden. Doch was ist dieser Knilch überhaupt? Eine der vielen Fragen, die während der Kamikaze-Mission des zusammengewürfelten Haufens wilder Hündinnen und Hunde heiß diskutiert werden. Die chaotischen Outlaws schenken sich nichts, und doch stehen sie füreinander ein. Genau das ist das Geheimnis hinter dem Gelingen der furiosen, brüllend komischen Fortsetzung eines der wohl lustigsten und unterhaltsamsten Science-Fiction-Filme seit Mel Brook´s Spaceballs.

Zugegeben, Guardians of the Galaxy Vol. 2 ist keine Parodie, sondern kann auch komisch sein, ohne erfolgreiche Vorbilder zu veralbern. Einfach ganz aus sich selbst heraus. Und ganz aus sich selbst heraus gehen diesmal auch Star-Lord, Rocket und Co. Ganz im Ernst – wenn man schon im ersten Teil mit den schrägen Figuren sympathisiert hat, kann und muss man sie im zweiten Abenteuer geradezu lieb gewinnen. Und dazu gehört auch sowohl der blauhäutige Pirat Yondu mit seinem Pfeifgeschoß als auch die stets tobsüchtige Schwester Nebula. James Gunn gelingt, was sonst nur Joss Whedon in Buffy, Firefly oder dem ersten Teil der Avengers gelungen ist – nämlich ganz auf den Reiz seiner Charaktere und ihren sozialen Mikrokosmos zu setzen. Der gibt einiges her – ganz zum Gaudium des Publikums. Die Guardians lassen uns von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt an einem Wechselbad der Gefühle teilhaben, der zum Schmunzeln, Wundern und Kopfschütteln einlädt. Den schrägen Vogel abgeschossen hat neben dem grundehrlichen Hünen Drax mit seiner sehr eigenen Sicht der Dinge und dem ans Perry Rhodan-Universum erinnernden Mausbiber natürlich der Wurzelzwerg Groot als hüftschwingendes Holzbaby mit Kulleraugen, begrenztem Wortschatz und dem Hang dazu, Dinge misszuverstehen. Ihm gehört die ganze Liebe des intergalaktischen Auditoriums – alleine das Intro des Filmes setzt trotz seines furios gefilmten Monster-Clashs seinen Fokus auf die Performance des unterschätzten Pinocchios und sorgt damit schon mal für eine bereitwillig wohlgesinnte Grundstimmung für den Rest des auffallend langen Filmes, der den Nebel rund um die Herkunft des Peter Quill zwar lüftet, aber im Grunde eine abgekoppelte, eigenständige Geschichte erzählt, die kaum bis gar keinen Bezug zur alles überspannenden Infinity-Storyline aufweist. Also noch Tags davor die Hintergründe zu den 6 außergewöhnlichen Steinen so ziemlich umsonst nachgelesen. Im großen Finale der Marvel Cinematic Universe werden sie aber eine im wahrsten Sinne des Wortes weltbewegende Rolle spielen. Den roten Faden des großen Ganzen noch mal durch das Volume 2 der Guardians laufen zu lassen, wäre eine Chance gewesen, noch mehr Lust auf Marvel´s große Sause zu bekommen. Und dass selbst Thanos nicht mal in den Mid-Credit-Szenen einen Auftritt hatte, sorgt für leichte Irritation. Doch das sind hohe Ansprüche eines Nerds – Guardians of the Galaxy Vol. 2 mag zwar inhaltlich kaum relevant sein, das Auge hat während der niemals enden wollenden, furiosen Achterbahnfahrt zwischen Welten, Sternen und kuriosen Raumschiffen genug zu tun.

Tatsächlich gelingt es den Animationsstudios von Weta und Co, mit jedem weiteren Film, der in irrealen Welten spielt, noch um eine Stufe besser zu werden. Die virtuelle Kamera von Guardians of the Galaxy Vol. 2 zaubert eine sich immer wieder neu erfindende Welt in allen nur erdenklichen Perspektiven. Gestochen scharf, knallbunt und in atemberaubend räumlichem 3D. Darüber hinaus streut James Gunn jede Menge Easter Eggs und absurde Cameos wie Howard, die Ente oder David Hasselhoff als Quill´s imaginärer Vater-Ersatz. Hier werden Erinnerungen an die gute alte Science-Fiction-Welle aus den Achtzigern wach, die im Fahrwasser von Krieg der Sterne farbenfrohe Teamwork-Abenteuer wie Zardoz, Sador oder Flash Gordon ins Leben gerufen hat. Guardians of the Galaxy Vol. 2 macht die Peinlichkeiten von damals wieder gut – aber nur, um erneut zum feuchtfröhlichen Fremdschämen einzuladen. Doch Star-Lord und seine Freunde sind, was sie sind. Wer die Galaxis gerettet sehen will, der darf in der Wahl seiner Helden nicht so zimperlich sein und genug Sinn für Humor haben. Ein Teil von den Wächtern der Milchstraße zu sein wäre mit Sicherheit alles andere als langweilig. Und irgendwie auch so was wie Familie. Trotz Nebula, die man laut Drax eventuell zurücklassen könnte.

Guardians of the Galaxy Vol. 2