Raging Fire (2021)

COPS IM WECHSELSTROM

5,5/10


ragingfire© 2022 Plaion Pictures


LAND / JAHR: CHINA 2021

REGIE: BENNY CHAN

DREHBUCH: BENNY CHAN, RYAN LING, TIM TONG

CAST: DONNIE YEN, NICHOLAS TSE, QIN LAN, PATRICK TAM, BEN LAM, DEEP NG, YU KANG, HENRY PRINCE MAK U. A.

LÄNGE: 2 STD 6 MIN


Die Macht ist mit mir und ich bin mit der Macht. Bei dieser Phrase bekommen Star Wars-Fans feuchte Augen, und obendrein verbinden sie diese noch mit Donnie Yens prägender Performance als blinder Wächter der Whills in Rogue One – A Star Wars Story. Der Martial Arts-Star hat sich damit für immer seinen Platz im Kanon des Franchise gesichert. Charisma hat er schließlich, und dieses stellte er im letzten John Wick-Kapitel ebenfalls zur Schau. Als längst müde gewordener Profikiller, der sich eigentlich nur gemeinsam mit seiner Tochter für seinen Lebensabend zurückziehen und dann doch noch gegen den strähnigen Keanu Reeves antreten muss, gibt er einen Konterpart mit Understatement. Und wenn eine Rolle wie diese schon so angegossen sitzt, ist die Mission eines Polizisten, der sich mit seinen eigenen Fehlern von damals auseinandersetzen muss, natürlich nicht fern.

Als selbstredend hartgesottener, aber moralisch höchst integrer Cop Cheung Sung-bong muss sich Donnie Yen vor seiner eigenen Moral verantworten. Eine spannende Idee, da der Protagonist dieses explosiven Katz und Maus-Spiels tatsächlich zwischen zwei Mühlsteine gerät, die beide jeweils ihre Berechtigung haben, sich zu drehen. In einem Rechtssystem allerdings und als Vertreter des Gesetzes ist die Einhaltung dieser wohl oberste Priorität, die über allem stehen soll. Wirklich über allem? Sogar über Freundschaft, Teamgeist und Loyalität? Über Vertrauen, Solidarität und andere ähnliche zwischenmenschliche Wertigkeiten? Cheung muss seine Prioritäten neu sortieren. Sein Schützling Yai Kong-ngo nämlich hat bei einem Einsatz vor langer Zeit Recht mit Rache und Wut verwechselt und so den potenziellen Zeugen eines Verbrechens um die Ecke gebracht. Hätte nicht sein müssen – darf auch nicht sein. Solche Internal Affairs müssen aufgeklärt und Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden. Kong-ngo landet im Gefängnis – viele Jahre später, nach dessen Freilassung, hat dieser nun, längst kein Polizist mehr, sondern schwerer Krimineller, die Gelegenheit, die mit falschen Moralvorstellungen durchdrungenen Exekutive ihrem einzigen Richter zuzuführen – den der Vergeltung.

Und dieses Gefühl der Rache, der Genugtuung, am besten von langer Hand geplant, zieht sich durch das südostasiatische Actionkino wie keine andere Grundemotion davor oder danach. Rache dominiert unter anderem die Kult-Trilogie von Pak Chan-wook, während der Westen meist geräderte und trauernde Familienmütter und -väter in salonfähigen Psychosen auf den martialischen Feldzug schickt. In Benny Chans Hongkong-Action gerät das Motiv der Rache in den Sog fieser Copstories, die meist im internen Korruptions- und Verbrechenssumpf wühlen. Raging Fire stülpt aber den faulen Polizeistaat nach außen und lässt den Antagonisten bereits als gefallenen Engel aus der für alle klar ersichtlichen Verbrecherposition agieren. Beantwortet diese Konstellation dem Actioner seine moralischen Fragen?

Das Dilemma, mit welchem Donnie Yen jonglieren muss, bleibt aufrecht. Verrat, Gerechtigkeit und Gehorsam finden sich immer noch auf der psychosozialen Metaebene des Films, die aber, je mehr der Konflikt zwischen den Parteien eskaliert, seine Bedeutung verliert. Schnell wird klar, dass die anfangs ambivalente Figur des Hardboiled-Detective nur richtig gehandelt haben kann, denn der Finsterling verkommt zur unberechenbaren Mördergestalt, die selbst die eigene Crew drangsaliert. Vom Hinterfragen der Moral bleibt nichts mehr und scheint im Nachhinein doch nur als Behauptung auf.

Welchen Dingen Benny Chan aber, der kurz nach Fertigstellung seines Films an einer Krebserkrankung verstarb, dennoch sein ganzes Herzblut geschenkt hat, sind die im Hong Kong-Actionfilm obligaten Shootouts, in denen die Kontrahenten ordentlich zur Sache gehen. Das ist perfekt inszeniert und State of the Art – letzten Endes aber mit anderen Genrefilmen austauschbar. Wäre das menschliche Drama mehr im Fokus gewesen; wären die Biografien von Gut und Böse nicht nur mit dem Kompromiss zufrieden gewesen, in ihrer Rahmenhandlung und nicht darüber hinaus zu existieren, hätte Raging Fire das Zeug zu einem rabiaten Klassiker gehabt. So aber verschwindet das Gesehene recht rasch im vollgestellten Fundus ähnlich gelagerter Reißer.

Raging Fire (2021)