Wolfsnächte (2018)

SO FINSTER DIE WILDNIS

6,5/10


wolfsnaechte© 2018 A24 / Netflix


ORIGINALTITEL: HOLD THE DARK

LAND / JAHR: USA 2018

REGIE: JEREMY SAULNIER

DREHBUCH: MACON BLAIR, NACH DEM ROMAN VON WILLIAM GIRALDI

CAST: JEFFREY WRIGHT, RILEY KEOUGH, ALEXANDER SKARSGÅRD, JAMES BADGE DALE, MACON BLAIR, JONATHAN WHITESELL, JULIAN BLACK ANTELOPE, ERIC KEENLEYSIDE, SAVONNA SPRACLIN U. A.

LÄNGE: 2 STD 5 MIN


Dass in den Wäldern Nordamerikas längst finstere Mächte ihre Spiele spielen und den vulnerablen Geist der den Gesetzen der Natur unterworfenen Bewohnern ordentlich zusetzen, ist nicht erst seit dem Mystery-Serienjuwel Twin Peaks bekannt. Dass Homo sapiens in der Einschicht des Waldes und der Wildnis zu Entsetzlichem fähig ist, durfte Burt Reynolds am eigenen Leib erfahren, da er unter John Boormans Regie beim Sterben der erste war. Im Fahrwasser dieser finsteren Backwood-Ausgeburten ächzen mittlerweile jede Menge geistige wie körperliche Missgeburten seelenquälend durchs Gehölz, auch das Necronomicon findet sich in einer Hütte im Wald. Es zu lesen, entfesselt nichts Gutes. In dieser Finsternis aus allerlei Abgründen und bedrohlicher Waldesruh darf man als Wanderer durch den Tann natürlich nicht vergessen, dass auch die lokale Tierwelt gerne mal zu Eskapaden neigt. In diesem Fall sind es Wölfe, und ja, Isegrim ist auch in Österreich wieder auf dem Vormarsch, sehr zum Leidwesen diverser Viehhöfe, die gar nicht mehr damit nachkommen, ihre Schafe und Lämmer zu Grabe zu tragen. Der Wolf tut dabei nur das, was er tun muss. Ihn abzuschießen, ist längerfristig wohl keine gute Lösung – es wäre wegen dem Arterhalt. Wenn sich dann aber – wie in Jeremy Saulniers Horrorthriller Wolfsnächte – der Wolf an einem Menschen vergreift, ist es Schluss mit lustig. Ein kleiner Junge wird vermisst, der Spross der sonderbaren Medora Sloane, die den Wolf-Experten Russel Core (Jeffrey Wright) inständig darum bittet, der Sache nachzugehen und ihren Jungen wiederzufinden, wurde er doch zuletzt beim Spielen am Fluss gesehen, um kurz darauf vom Erdboden verschluckt zu werden. Für Core ein sonderbarer Umstand, doch er erklärt sich bereit, den „Maneater“ aufzuspüren und zur Strecke zu bringen. Was er dabei entfesselt, sind eingangs erwähnte archaische Mächte, das Öffnen eines Tores in eine metaphysische Welt, in der Mensch und Tier plötzlich gar nicht mehr so verschieden sind, in welcher der Instinkt und nicht der Verstand über Taten entscheidet. Die überdies erschreckend sind.

Im Gegensatz zu Wolfsnächte sind The Grey mit Liam Neeson oder Mörderischer Vorsprung mit dem legendären Sidney Poitier ja fast schon wie winterliche Pauschalabenteuer. Jeremy Saulniers Verfilmung des Thrillers von William Giraldi ist zwar längst nicht so verspielt albtraumartig wie das, was in David Lynchs Kleinstädtchen Twin Peaks passiert, dafür aber sind die Bandagen um einiges fester angelegt – und konkreter. Alexander Skarsgård will dabei ähnlichen Schrecken verbreiten wie sein Bruder Bill als Pennywise. Dieser Vernon Sloane ist zwar nicht das Böse höchstselbst, dafür aber besessen von archaischen Dämonen. Und nicht nur er: Riley Keough, Enkelin von Elvis und Priscilla Presley, begegnet der feuchtkalten Winterstimmung Alaskas mit unheilvollen Maskenmotiven aus uralten indianischen Mythologien. Vieles ist finster und bedrohlich in dieser vollmundigen, phantastisch angehauchten Mystery. Und dennoch lässt die manische Überlegenheit – wenn nicht gar Überheblichkeit – der mit den Schattenseiten der Natur im Bunde stehenden Figuren eine gewisse Unzufriedenheit hochkommen. Demgegenüber steht die bedauernswerte Ohnmacht einer desillusionierten, mit allen Mitteln eine gewisse Ordnung gewährleistenden Provinz-Gesellschaft, die dem verheerenden Zynismus krimineller Ausgeburten wenig entgegensetzen kann. Man selbst als Zuseher fände das eine oder andere Mal weitaus effizientere Lösungen mit weniger Kollateralschäden, und die Gewissheit, es letztlich besser gemacht haben zu können, und verbunden mit der Wut auf diese Arroganz der Bösen, die glauben, mehr zu wissen als der Rest der Welt, bleibt die Faszination für diesen durchaus nihilistischen Düsterthriller endenwollend. Man würde sich wünschen, die Finsternis eines besseren zu belehren. Eine Sehnsucht, die leider nicht gestillt wird.

Wolfsnächte (2018)

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