F1 – Der Film (2025)

TOP GUN AUF DEM ASPHALT

7/10


© 2025 Apple TV+


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: JOSEPH KOSINSKI

DREHBUCH: EHREN KRUGER

KAMERA: CLAUDIO MIRANDA

CAST: BRAD PITT, DAMSON IDRIS, KERRY CONDON, JAVIER BARDEM, TOBIAS MENZIES, KIM BODNIA, JOSEPH BALDERRAMA, WILL MERRICK, SARAH NILES, SAMSON KAYO, SHEA WHIGHAM U. A.

LÄNGE: 2 STD 36 MIN


Ein bisschen vermisse ich sie schon, die eingängigen Vibes von Harold Faltermeyer, die Top Gun so elegisch untermalt haben. Auch wenn Hans Zimmer diesmal nicht ganz so die Bässe bedient wie Faltermeyer, gleicht Vintage-Rock aus der Konserve den Mangel bestens aus. Mit dem immersiv-psychedelischen Hadern Whole Lotta Love von Led Zeppelin schmeißt sich schon zu Beginn die Reinkarnation von Steve McQueen ins enge Cockpit eines Boliden während des 24-Stunden-Rennens von Daytona – bei diesem aus der Zeit gefallenen Lenkrad-Boomer handelt es sich um Brad Pitt, der vorgibt, gerade mal 50 Lenze hinter sich gebracht zu haben. Als der fiktive Rennsportler Sonny Hayes schiebt er sich mit breitem Rücken, auf welchem sämtliche Konzerne bereits ihre Werbeplatzierungen sichern, vor die Kamera. Hayes hat nämlich schon alles gesehen, gefühlt den gesamten Rennsport einschließlich der Elite, nämlich der Formel 1. Diesem alten Hasen kann man nichts vormachen, er bekommt zwar sein eigenes Leben nicht in den Griff, dafür aber ist er der Weise unter den Weisen seines Fachs. Und das, obwohl er dreißig Jahre kein solches Rennen mehr fuhr, hat ihn doch sein letztes ordentlich zerlegt – wie Niki Lauda, nur ohne Feuer.

Dieser Hayes folgt der Bitte eines alten Kollegen, in diesem Fall Rennstallkönig Javier Bardem, der mit seiner ebenfalls fiktiven Marke APXGP kurz davor steht, so weit abzustinken, dass sein Unternehmen verkauft werden könnte. Hayes soll den Jungspund Joshua Pearce (Damson Idris) hosten und unterstützen, was der wiederum gar nicht gerne sieht. Natürlich nicht: Welcher millionenschwere Wagenlenker auf dem Weg zum Zenit des Erfolges will sich schon von einem teilinvaliden, fortschrittsignoranten Opa die Welt erklären lassen? Schon gar nicht, wenn dieser als Feschak wie aus dem Ei gepellt mit einer Arroganz hausieren geht, als gäbe es nichts zwischen ihm und Gott. Zugegeben: der andere, Pearce, macht das gleiche. Somit blähen zwei Gockel die Brüste, und zwar so lange, bis sie sich dann doch miteinander arrangieren, und ein Teamwork bilden, dass auf dem glühenden Asphalt zwischen wirbelnder Karosserie und qualmenden Gummi seinesgleichen sucht.

Sport im Film ist nicht Sport im Fernsehen

Natürlich mutet der Plot so an, als wäre er der Konsens zwischen all jenen, die F1 – Der Film auch nur irgendwie gesponsert, produziert und unterstützt haben. Ein aalglattes Unterfangen ohne Ecken und Kanten, auch wenn Brad Pitt als Sonny Hayes vorgibt, eine Biografie mit ebensolchen hinter sich herzuziehen. F1 – Der Film schmeckt jedem, der Motoren heulen hören will. Und jedem, der Geld hat, von Rolex über Dunlop bis Mercedes und darüber hinaus. Sie alle haben ihren Werbeplatz, und obendrauf der Superstar wie ein Wagenlenker aus einer Zeit, in der harte Kerle das Maskuline als Messlatte für überhaupt alles unreflektiert feierten. Zugegeben: Brad Pitt kann das gut, er ist das Klischee eines John Wayne, der gen Sonnenuntergang reitet, der seinen Schmerz zügelt und gleichermaßen auch den fahrbaren Untersatz. F1 – Der Film ist traditionelles, gefälliges, gelacktes Nobelkino, das es wiedermal schafft, trotz aller Stereotypen und trotz all dieser konstruierten, narrativen Elemente für das Subgenre des Sportfilms, nämlich den Rennsportfilm, erneut die Poleposition zu ergattern. Das Paradoxe dabei: Ich selbst habe keinerlei Interesse daran, auch nur irgendwann irgendeiner Live-Übertragung beizuwohnen, die über den Fernsehscreen flimmert. Im Kino aber wird Sport, und nicht nur dieser, zu etwas anderem. Das Medium schafft einen eigenen Zugang, holt auch den Mensch und sein Mindset hinter den Punkten, Sekunden und Ergebnissen hervor. Rush, Le Mans 66, ja sogar Gran Turismo können sich sehen lassen – F1 – Der Film schließt sich da an, liefert ab, vor allem auch visuell, denn wie Kameramann Claudio Miranda an den Rennwägen klebt und während mehreren hundert Stundenkilometern Raserei den Blickwinkel rotieren lässt, da bleibt einem dann doch die Spucke weg.

Obwohl nichts an F1 – Der Film überraschen wird, ist der Weg zu erfüllten Erwartung ein pathetisches Spektakel um Erfahrung, Teamgeist und dem frischen Wind eines Rookies, der die Hummeln im Hintern in Ehrgeiz für die Sache verwandelt. Ein prächtiger Sportfilm also, geschmeidig bis unter den Helm. Und auch wenn man selbst danach nur in seinen Škoda Octavia steigt, gibt Kosinskis Grand Prix-Elegie ein bisschen was mit von diesem Need for Speed, von diesem Traum vom Fahren, der bei der Zündung schon beginnt.

F1 – Der Film (2025)

Ferrari (2023)

DER WITWENMACHER MIT DER SONNENBRILLE

5,5/10


ferrari© 2023 STX Entertainment


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: MICHAEL MANN

DREHBUCH: TROY KENNEDY-MARTIN, MICHAEL MANN

CAST: ADAM DRIVER, PENÉLOPE CRUZ, SHAILENE WOODLEY, SARAH GADON, PATRICK DEMPSEY, JACK O’CONNELL, GABRIEL LEONE, WYATT CARNEL, BRETT SMRZ, TOMMASO BASILI, SAMUEL HUBINETTE, LINO MUSELLI U. A.

LÄNGE: 2 STD 10 MIN


Adam Driver hat schon vieles gespielt. Vorzugsweise auch mal diverse Italiener, zuletzt gar den Unternehmer Maurizio Gucci in Ridley Scotts House of Gucci, einem wirtschaftsbiographischen Panoptikum aus schrägen Charakteren (Al Pacino, Jared Leto) und mit einer donnernden Lady Gaga in viel zu engen Stöckelschuhen. Von Mailand ist es nicht weit bis nach Modena – das Ergrauen von Adam Drivers Haar dauert zwar länger, doch wofür gibt’s Make up-Artisten? Dank dieser Fertigkeiten erhebt sich zu Beginn des Films ein in die Jahre gekommener, stocksteifer Enzo Ferrari aus seinen Laken, daneben liegt die Freundin, nicht die Ehefrau. Die beiden haben ein Kind, es heisst Piero und wird später Geschichte schreiben. Doch von ihm handelt der Film nicht in erster Linie. Viel wichtiger ist die ikonische Figur des Enzo, der, hochgewachsen, im schicken Anzug und stets mit Sonnenbrille (auch wenn nicht die Sonne scheint) als dritter, erst spät entdeckter Bruder der Blues Brothers auftreten hätte können. Selten umspielt ein Lächeln seine Lippen, denn die Lage ist ernst.

1957 war die Automarke mit dem aufbäumenden Pferd noch eine, die mühsam mit Konkurrenten wie Maserati mithalten musste. Racings unter Ferraris Teilnahme zeichneten sich zu dieser Zeit stets dadurch aus, im Anschluss ein Begräbnis auszurichten. Nicht umsonst nannte man den geschniegelten Unternehmer Witwenmacher, und auch nicht von irgendwoher ist die Leichtigkeit von Enzos Leben auch deshalb abhanden gekommen, da dieser bereits einen Sohn zu Grabe tragen musste. Eine Tragödie, die das Eheleben mit Laura Ferrari (erinnert an Sophia Loren: Penélope Cruz) auf eine Probe stellt, die nicht zu meistern ist. Die superfrustrierte Mitunternehmerin der Automobilwerke schießt gerne mal mit der Knarre an ihrem Noch-Gatten vorbei und ahnt auch bald mal etwas von finanziellen Zuwendungen einer Dame gegenüber, die sich Lina Lardi nennt. Diese Dreieckskonstellation nimmt Michael Mann schließlich als Kernstück seines Rennfahrerfilms auf, der jedoch keinerlei Pioniergeist versprüht wie James Mangolds Le Mans 66 – gegen jede Chance. Inspiration, Motivation und Feuer nicht nur im Vergaser, sondern auch im Hintern, sucht man in Ferrari vergebens. Was hier ausbrennt, ist eine Liebe. Was hier mühsam am Glimmern erhalten wird, die Beziehung mit Shailene Woodley irgendwo abseits der Stadt in einer rustikalen Villa.

Ferrari ist wie eine Momentaufnahme, der Auszug eines angekündigten Epos. In Wahrheit ein kleiner Film mit großem Egomanen, einem gelinde gesagt recht unsympathischen und auch unnahbaren Rationalisten, der in seinen Rennfahrern Werkzeuge sieht, mehr nicht. Gerade diese Gestalt dominiert in ausladender Prominenz, manchmal auch im Close Up, Michael Manns kühlen, enorm distanzierten Film, ohne seinem Publikum in irgendeiner Weise gefällig zu sein. Was muss Enzo Ferrari für ein Mensch gewesen sein? So ein harter Hund wie Adam Driver ihn darstellt? Womöglich, denn ohne über Leichen zu gehen erreicht man wohl kaum die schillernde Spitze eines weltumspannenden Erfolges, schon gar nicht im Rennsport. Michael Mann gelingt es allerdings nur teilweise, den öffentlichen Charakter zu durchbrechen. Es gelingt ihm auch nur teilweise, seine Beziehungsgeschichte mit randnotierter Unternehmenschronik so aufzubereiten, dass sie relevant genug erscheint.

Nach dem Weglassen von Innovation und packendem Pioniergeist bleibt nur noch der Blick auf die nicht sehr tangierenden Mechanismen einer Betriebswirtschaft. Und schließlich hochfliegende Rennwägen, nachdem diese entweder die Kurve nicht bekommen oder gegen den Meilenstein donnern. Es scheint, als würde Ferrari nur darauf warten, den Asphalt endlich zum Glühen zu bringen. Um dann den Crash des Jahrhunderts zu inszenieren – und tatsächlich fegt Alfonso de Portagos Wagen durch die wenigen Zuschauer am Straßenrand in einer unzensierten Direktheit, die verstört. Was für Energien so ein Unfall freilässt, ist sagenhaft. Ich wünschte, diese Energie hätte sich auch auf den Rest des Films übertragen.

Ferrari (2023)

Gran Turismo (2023)

VOM KINDERZIMMER AUF DIE RENNBAHN

7/10


Archie Madekwe (Finalized)© 2023 CTMG. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: NEILL BLOMKAMP

DREHBUCH: JASON DEAN HALL, ZACH BAYLIN

CAST: ARCHIE MADEKWE, DAVID HARBOUR, ORLANDO BLOOM, DJIMON HOUNSOU, GERI HALLIWELL, DARREN BARNET, JOSHA STRADOWSKI, MAEVE COURTIER-LILLEY, MAXIMILIAN MUNDT, THOMAS KRETSCHMANN U. A.

LÄNGE: 2 STD 15 MIN


Es gibt diesen von mir als Jugendlicher sehr geschätzten und dutzende Male gesehenen Film aus den Achtzigern: Starfight. Kennt Ihr den? Das Science Fiction-Abenteuer, welches erstmals ganze computeranimierte Passagen für seine Weltraumschlachten verwendet hat, besitzt zumindest anfangs eine vergleichbare Prämisse wie in der eben erst angelaufenen True Story über einen Gamer, der dank seiner exorbitanten Leistungen vor dem Monitor tatsächlich in einen Boliden steigen darf. In Starfight war ein auf Erden aufgestelltes Arcade-Spiel ebenfalls dazu da, um geeignete Kampfpiloten zu finden, die letztlich einen für die Erde kaum relevanten Krieg zwischen zwei Alien-Rassen ausfechten mussten. Alex Rogan war einer von ihnen – und durfte ins All.

Was in der Fiktion vielleicht ein bisschen haarsträubend klingen mag, ist – umgemünzt auf den Rennsport – ähnlich passiert. Spontan würde man diese Methode des Marketings für fahrlässig erachten, denn wie sehr kann ein Stubenhocker, der zwar in der Theorie vieles über Autos weiß, denn wirklich und im echten Leben seine über 300 Sachen fahren, auch wenn er die Rennstrecken dieser Welt so gut wie auswendig kennt? Wer nichts wagt, der nicht gewinnt – doch für diesen PR-Gag akzeptiert der Aufsichtsrat von Nissan dann doch ein gewisses Risiko, dank der charismatischen Überzeugungskraft von Marketing Manager Danny Moore („Legolas“ Orlando Bloom). Natürlich ist die Auswahl des letztlich für den Autohersteller wettreitenden Testimonials kein 6 aus 45, sondern setzt sehr wohl gewaltiges Können voraus. Erstmal auf der Konsole, und dann auf dem Asphalt. Das Rennen macht ein dauerzockender Teenager aus Cardiff, Jann Mardenborough, um als einer von zehn Teilnehmern an der GT Academy unter der Obhut des grimmigen, aber herzensguten Ex-Rennfahrers Jack Salter (David Harbour) zum Bleifuß heranzureifen. In der Welt des Rennsports werden diese sogenannten Sim-Racer wenig willkommen geheißen. Und als während der ersten Rennen an den berüchtigtsten Strecken Europas die Nerven blank liegen, weil es um Leben und Tod geht, stößt sich – was unvermeidbar war –  Jann seine Hörner ab.

Lange schon war Gran Turismo als Verfilmung des gleichnamigen Simulators im Gespräch – für den nun endlich erschienenen Sport-Actioner holten die Geldgeber Science-Fiction-Visionär Neill Blomkamp aus der Versenkung, dessen besten Zeiten mit District 9, Chappie oder Elysium lange zurückliegen. Am Alien-Franchise hätte er herumprobieren sollen, doch daraus wurde nichts. Weg vom Phantastischen hin zu rauchendem Gummi klappt allerdings auch – gepaart mit dem richtigen Timing für das Zwischenmenschliche hinter dem Eifer des Sieges braucht sich Gran Turismo kaum hinter anderen Genrewerken zu verstecken, obwohl sich nicht alles, was wir hier zu sehen bekommen, wirklich so zugetragen hat. Dass David Harbours Figur aus rein dramaturgischen Gründen in die Story eingeflochten wurde und gar nicht wirklich existiert hat; dass Orlando Blooms Charakter auch ganz anders hieß und das 24 Stunden-Rennen statt in Les Mans in Dubai stattgefunden hat – alles Zugeständnisse für eine klassische Sportgeschichte, die von Ehrgeiz, dem Willen zum Sieg und dem Alles ist möglich-Motto erzählen. Es gibt die Freundin, die den Rücken stärkt, der reuevolle Vater, der die Skills des Sohnes nicht richtig zu schätzen wusste und der aufrechte Mentor, der zum Freund wird und Janns Glauben an sich selbst pusht: Alles Versatzstücke, die man gerne bedient – aber auch gerne bedient sieht. Denn Geschichten wie diese, die sind zwar simplifiziert und biedern sich den Wünschen der Geldgeber an, können aber auch ordentlich mitreißen. Wie Gran Turismo eben.

Wenn Mardenborough an den Start geht, wenn am Nürburgring ein spektakulärer Unfall den eingeschlagenen Weg des jungen Idealisten ins Wanken bringt – wenn fiese Wettstreiter wie das Capa-Team vielleicht gar die Oberhand gewinnen: All das ist packend inszeniert und tausendmal spannender als Live-Übertragungen diverser Rennen irgendwo am Planeten, auch wenn sie vielleicht von Heinz Prüller auf sympathische Weise kommentiert worden sind.

Explodieren die Boliden, ist das Publikum zufrieden – so singt es Rainhard Fendrich in seinem Klassiker Es lebe der Sport. Ja, so ist es, da lässt sich nichts schönreden und auch keine Entschuldigung finden. Ein Rennen ist wie das Ziehen in eine Schlacht – wenn dann ein Jungspund den Wagen lenkt, ist das wie Luke Skywalker in seinem X-Wing. Man fiebert mit. Und weiß, dass Rennsportfilme – sowie Sportfilme überhaupt – die bessere Wahl dafür sind, anderen beim Wettstreit um die beste Leistung zuzusehen. Das gilt zumindest für mich.

Gran Turismo (2023)