Die schwarze Spinne (2021)

DEN TEUFEL WERD‘ ICH TUN

4/10


schwarzespinne© 2021 Ascot Elite


LAND / JAHR: SCHWEIZ, UNGARN 2021

REGIE: MARKUS FISCHER

BUCH: BARBARA SOMMER, PLINIO BACHMANN, NACH EINER NOVELLE VON JEREMIAS GOTTHELF

CAST: LILITH STANGENBERG, NURIT HIRSCHFELD, RONALD ZEHRFELD, ANATOLE TAUBMAN, MARCUS SIGNER, FABIAN KRÜGER, JOSEF OSTENDORF, UELI JÄGGI U. A.

LÄNGE: 1 STD 59 MIN


Der größte Vorteil, den sich der Teufel nutzt, ist nicht der, den Menschen glauben zu machen, es gäbe ihn gar nicht. Sondern der, den Menschen glauben zu machen, sie könnten die Vorteile, die Luzifer ihnen anbietet, nutzen, ohne dafür etwas tun zu müssen. Falsch gedacht. Im Zeitalter der Romantik ist der Fürst der Finsternis das Synonym für den unberechenbaren Fortschritt vor allem in Industrie und Technik. Gegenwärtig stehen wir wieder vor so einem Umbruch. Der Teufel mag also wieder des Öfteren in Kunst und Kultur seinen Weg finden, um das Unabsehbare so zu verkörpern, dass man es vielleicht bannen kann.

Das hatte sich Jeremias Gotthelf in der ersten Halbzeit des 19. Jahrhunderts schon gedacht, als er seine mittelalterliche Novelle Die schwarze Spinne schrieb. Natürlich ist das Stoff, der für phantastische Filme adaptiert werden kann, die sowohl das Magische als auch den romantisierten Nostalgiebedarf für mittelalterliche Darstellungen aller Art bedienen könnte. Die Story ist auch denkbar einfach gestrickt, um sich gar nicht erst von ausufernden Landschafts- und Gefühlsbeschreibungen, wie diese nur zu gern zu dieser Zeit in Lettern festgehalten wurden, an den Rand drängen zu lassen.

Die moralische Mär um Teufel, Dämonen und Widerstand spielt im 13. Jahrhundert im Emmental, in einer Gegend, die der Deutschritter-Orden unter seiner Fuchtel hat, nachdem dieser von Kreuzzügen zurückgekehrt war und nun nicht viel mehr mit sich anzufangen weiß als das dort ansässige Volk zu unterjochen. Dass die Mächtigen sich aufspielen, ist gang und gäbe und verwundert wohl kaum, wenn man das menschliche Verhalten zumindest bereits ein bisschen mithilfe der Geschichte analysiert hat. An einem heißen Sommer zu dieser Zeit nötigt also der Recke Hans von Stoffeln seine Untertanen dazu, ihm innerhalb kürzester Zeit eine Allee aus schattenspendenden Bäumen auf dem Weg zu seiner Burg zu pflanzen. Ein unmögliches Vorhaben. Eines, bei welchem die ohnehin schon ausgezehrten und bettelarmen Bauersleute den Kürzeren ziehen. Wäre da nicht der jungen Hebamme Christine (Lilith Stangenberg) der Teufel als Karrenmacher erschienen, und hätte dieser ihr nicht Hilfe angeboten, um das Schicksal abzuwenden. Doch wie das beim Beelzebub eben so ist, wäscht eine Hand schließlich die andere. Der Finsterling macht nichts, ohne etwas ganz Bestimmtes einzufordern. Zum Beispiel den kommenden Nachwuchs. Verrückt müsste man sein, um den Deal nicht einzuhalten oder gar zu versuchen, den Teufel auszutricksen. Doch Christine versucht’s trotzdem – und entfacht die Spinnenpest.

Das alles klingt nach opulentem Horror zwischen Burgtor und Saustall. Ein wilder Ritt hätte das werden können, vielleicht gar so etwas philosophisch-makabres wie der australische Independent-Hexensabbat You Won’t Be Alone mit Noomi Rapace. Statt des Teufels ringt dort eine uralte Hexe um das Neugeborene einer Menschenfrau – mit ungewöhnlicher Wendung. In Gotthelfs Geschichte aber sind Wendungen maximal im Umblättern der Buchseiten zu finden. Der Plot bleibt sonst eher stringent – und erfährt auch unter der Regie des Schweizer Tatort-Regisseurs Markus Fischer kein erfrischendes Update. Die schwarze Spinne, ohne landschaftsbeschreibender Romantik, quält sich durch eine wenig attraktive Parabel um Opferbereitschaft und Widerstand, die unter sperriger Dialogregie leidet und mit Lilith Stangenberg eine unnahbare Heldin in Szene setzt, deren Motivation sich niemals richtig erschließt. Als würde die Produktion unter Geldnot leiden, offenbart sich der Spinnenterror mehr im Wunschdenken der Filmemacher als tatsächlich am Screen. Erschwerend hinzu kommt, sofern keine Untertitel vorhanden, das für Nicht-Schweizer mangelnde Verständnis für Schwyzerdütsch, den zumindest die Deutschritter nicht sprechen, was sich folglich als Wohltat herausstellt, wenn man gerade mal nicht am Inhalt des Gesagten heruminterpretieren muss.

Die schwarze Spinne lässt also keinen frischen Wind durchs Emmental wehen, auch wenn der faulige Geruch des Teufels in der Nase juckt. Die Lust an der Neuinterpretation muss angesichts einer gewissen Rückorientierung an die romantische Schwermut einer düsteren Arme Leute-Mystery weichen. Was zur Folge hat, dass das Auf- und Abtreten der Figuren der nahtlosen Dramaturgie eines Provinztheaters am Dorfplatz gleicht. Auch wenn man dabei noch so nah ans Ensemble rückt, wie eine Gruppe Kinder, die keinen Eintritt zahlen müssen und sich ans Podium drängen – auch dann lässt sich nichts von einem Spirit spüren, der das Publikum vielleicht irgendwann tangieren würde.

Die schwarze Spinne (2021)

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