Die UFO-Verschwörung (2018)

DAS EINMALEINS DER FLIEGENDEN UNTERTASSEN

6/10


ufo_verschwoerung© 2018 Sony Pictures


ORIGINAL: UFO

LAND / JAHR: USA 2018

REGIE / DREHBUCH: RYAN ESLINGER

CAST: ALEX SHARP, GILLIAN ANDERSON, ELLA PURNELL, DAVID STRATHAIRN, BENJAMIN BEATTY, KATIE EICHLER U. A.

LÄNGE: 1 STD 24 MIN


UFOs – Was soll man davon halten? Esoterischer Schwachsinn? Querdenkerei? Mittel zum Zweck zur Selbstdarstellung? Egal, wie sehr sich dieses Phänomen aus seinen Mythen schälen würde – trotz Beweisen würde niemand dran glauben. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Das Weltbild des Menschen, im Universum als intelligente Spezies einzigartig zu sein, darf maximal in Film und Fernsehen untergraben werden. Nicht aber in der Realität. Es passt einfach nicht. Und sichtet mal doch jemand oder gleich mehrere Menschen ein seltsames Flugobjekt am Himmel, bleibt es ein Phänomen unter vielen auf dieser Welt, denn nicht alles ist erklärbar. Zumindest noch nicht. In der Wissenschaft gibt‘s also noch Luft nach oben, und es gibt nichts Schöneres und Beruhigenderes, festzustellen, dass es so ist, denn sonst wäre die Tatsache, am Zenit des Wissens angekommen zu sein, erschreckend ernüchternd, um nicht zu sagen: richtig bitter.

Gerade in der Mathematik gibt es so manches unlösbares Problem. Dabei ist die Welt der Zahlen womöglich der Sprachschlüssel im Universum, der gemeinsame Nenner, um sich mit extraterrestrischen Besuchern oder fernen Nachbarn zu verständigen, sofern es die denn gäbe. Innerhalb dieser abstrakten Welt gibt es etwas, das nennt sich Feinstrukturkonstante. Mit diesem Begriff im Rahmen eines eingeblendeten Zitats noch vor dem Vorspann beginnt Ryan Eslingers alles andere als knallbunter und mit allerlei Lichteffekten eben nicht ausgestatteter Science-Fiction-Film, der eine noble Agenda erfüllen will: Nämlich die, allein mit mathematischen Koinzidenzen eine Begegnung der dritten Art zu beschreiben, ohne aber die dritte Art überhaupt in Erscheinung treten zu lassen. Hatten wir so etwas Ähnliches nicht schon in Robert Zemeckis Contact? Das stimmt, da hatte Jodie Foster alle Hände voll zu tun, die Botschaften der Fremdweltler zu entschlüsseln – um dann aber, im letzten Drittel des überlangen Films, durch ein Wurmloch zu reisen. Die Alien-Intelligenz sieht man auch dort nicht, zumindest aber fremde Planeten.

Die UFO-Verschwörung hat das alles nicht. Naja, fast nicht. Wenn es hochkommt, bleibt vielleicht eine knappe halbe Minute, in der das Unerklärliche am Firmament sichtbar wird. Mitunter tauchen  Lichter das erstaunte Gesicht des noch recht jungen Derek in bunte Farben, denn der hat im Kindesalter eine Begegnung der dritten Art selbst erlebt. Seitdem lässt ihn dieses Erlebnis nicht mehr los – klar verständlich. Als dann Vorkommnisse an amerikanischen Flughäfen sämtliche Augenzeugen auf den Plan rufen, die steif und fest behaupten, ein UFO gesehen zu haben, ist der Mathematikstudent nicht mehr zu bremsen. Er beginnt, die Indifferenzen, die gleichsam mit dem Erscheinen der Aliens aufgetreten sind, mathematisch zu berechnen. Und stößt auf allerlei Verblüffendes. Mathe-Professorin Dr. Hendricks (Akte X-Star Gillian Anderson – wie passend) glaubt erst nicht, dass die Wahrheit irgendwo da draußen liegt. Doch wie es in einem Film wie diesen über einen hochintelligenten Sheldon Cooper-Ableger kaum anders sein kann, wird diese dann doch noch von der Begeisterung ihres Schülers mitgerissen. Und nicht nur sie: Das FBI kann es nicht fassen, wie dreist ein Otto Normalbürger überhaupt sein kann, einfach hier anzurufen, um die Lösung eines großen mathematischen Rätsels zu liefern.

Man könnte sagen: Good Will Hunting trifft auf Big Bang Theory trifft auf Akte X. Theoretisch betrachtet eine gute Mischung. In seiner Umsetzung mag Die UFO-Verschwörung (oder im Original nur schlicht und ergreifend: UFO) relativ wenig an Schauwerten, schauspielerischen Sternstunden oder spannenden Plot-Twists zu bieten haben. Science-Fiction-Nerds werden wohl nach jedem Krümel an Phantastischem suchen und diese, hat man sie gefunden, gierig verschlingen. Der Rest ist Mathe in einer Dimension, die niemand versteht, der das Fach nicht auch nur annähernd studiert hat. Eslinger gelingt es dennoch, das ganze Fachchinesisch auf simple Erwähnungen herunterzubrechen. Gut – was man begreift, muss man hinnehmen. Warum das alles so ist – die Frage zu stellen wäre überflüssig. Am Konterfei von Alex Sharp (How to Talk to Girls on Parties, Living) lassen sich zumindest jene Emotionen ablesen, die uns wissen lassen, wann sich die Suche nach Erkenntnis seinem Ziel nähert. Das FBI zeigt schließlich, wie ernstzunehmend die ganze Sache ist. Und auch wenn das ganze womöglich aus Budgetgründen nicht der große Wurf geworden ist, den man sich vielleicht angesichts der interessanten Prämisse vorgestellt hätte: Auf pragmatische Weise findet man es doch verblüffend, wie das Mysterium der Zahlen mit jenem der Aliens synergieren kann.

Die UFO-Verschwörung (2018)

Die Poesie des Unendlichen

WER ES FASSEN KANN, DER FASSE ES

7/10

 

poesieunendlich

Regie: Matt Brown
Mit: Dev Patel, Jeremy Irons, Toby Jones

 

Manche Menschen sind einfach von Geburt an mit Begabungen gesegnet, die wir Normalos nicht mal ansatzweise nachvollziehen können und wo wir schon nach den ersten Metern erschöpftes W.O. geben würden beim Versuch, die Welt in ihren Grundstrukturen zu erfassen. Die Dimensionen der Mathematik sind da das wohl deutlichste Beispiel dafür, welchem Spektrum sich der menschliche Verstand bedienen und wie weit der Mensch in die „Matrix“ unserer Welt vordringen kann. Doch hinter den Vorhang des Sichtbaren zu blicken und dabei nicht den Verstand zu verlieren, ist eine Gratwanderung. Vor allem bei so einer Begabung, die gleich einer geistigen Mutation einfach da ist, gleichermaßen quält und zur Erkenntnis führt. Ruhelose Geister sind das. Der Mathematiker John Nash zum Beispiel war schizophren und litt Zeit seines Lebens an Wahnvorstellungen. Russel Crowe hat ihn im Film A Beautiful Mind ein Denkmal gesetzt. Überhaupt legen Menschen mit autistischen Zügen sagenhafte kognitive Fähigkeiten an den Tag. Wunderkinder, Hochbegabte. Wie zum Beispiel Sitcom-Nerd Sheldon Cooper.

Natürlich tauchen solche Superhirne auch in entlegenen Ecken der Welt auf. Und wenn sie die Chance dazu haben, und den Mut aufbringen, dieses Potenzial des Welterklärens nutzen zu wollen, kann man von diesen Leuten später sogar in den Geschichtsbüchern lesen. Wie zum Beispiel bei Srinavasa Ramanujan. Der indische Büroangestellte wollte in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg, also noch in der tiefsten Kolonialzeit Großbritanniens, sein Recht durchsetzen, sein mathematisches Verständnis universitätstechnisch absegnen zu lassen. Und zwar an keiner geringeren Institution als Cambridge. Diesen Weg dorthin als steinig zu bezeichnen, ist geradezu ein Euphemismus. Hätte er nicht den Mathematikprofessor G. H. Hardy an seiner Seite gewusst, wäre der Rest nicht Geschichte geworden. Ist es aber. Ramanujan hat das Weltbild zukünftiger Zahlenwissenschaftler grundlegend verändert. Doch das Faszinierendste auf diesem Weg dorthin war die Tatsache, dass der Wunder-Inder mathematische Rätsel lösen konnte – doch erklären konnte er sie nicht. Wie die Gabe eines Mutanten aus dem X-Men-Universum. Wie ein Wunderheiler oder ein parapsychologisches Medium war Ramanujan nicht imstande, für seine prophetischen, sagenhaft präzisen Botschaften eine mathematische Formel zu finden. Mit Ergebnissen allein lässt sich Mathematik nicht lehren. Oder gar verstehen.

Regisseur und Drehbuchautor Matt Brown hat auf historischer Basis eine unaufgeregte, zurückhaltende Biografie ersonnen, die sich dem Thema des menschlichen Genies von einer ganz anderen Seite nähert. Für Brown ist Ramanujan keine Attraktion, sondern ein akribischer Ehrgeizling mit einem Gehirn als rätselhaftes Werkzeug, das sich erst gar nicht und später nur sehr widerwillig und nach großer Anstrengung nutzen lässt. Hochbegabung kann sich nicht alleine überlassen werden. Dazu ist sie zu komplex, selbst für den, der sie besitzt. Die Poesie des Unendlichen lädt ein in eine fremde Welt des Begreifens und Verstehens. Aber auch in eine Epoche des unreflektierten Klassendenkens und Menschenverachtens. Dev Patel lässt seinen berühmten Landsmann mit sehr viel Sympathie zur historischen Person straucheln und wieder aufstehen, leiden und lieben. Dafür nimmt sich der Film sehr viel Zeit, und oft sind es nur nüchterne Dialoge, welche die Geschichte vorwärts bringen. Zeit, Geduld und Interesse sollte man mitbringen – dann wird der Filmabend zu einem berührenden Streifzug durch die Terra Incognita eines menschlichen Geistes.

Die Poesie des Unendlichen

Hidden Figures

DER STOFF, AUS DEM DIE HELDINNEN SIND

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hiddenfigures

Die Apartheid der Vereinigten Staaten – das dunkelste Kapitel in deren Geschichte. Und längst keine Fußnote, sondern eine fürchterlich und quälend lange Epoche aus Unterdrückung und Erniedrigung über Jahrhunderte hinweg. Begonnen mit dem Deportieren westafrikanischer Menschen nach Übersee, offiziell beendet mit den Civil Rights Acts Ende der 60er Jahre. Allerdings, wenn man genauer hinsieht. herrscht mancherorts immer noch blanker Rassismus, der meist im Missbrauch einer faschistoiden Exekutive eskaliert und weitreichende Unruhen nach sich zieht. Ein Problem ist es also immer noch. Und dass die Vereinigten Staaten hier lange Zeit auf Regierungsebene tagtäglich Menschenrechtsverletzungen begangen haben, das ist etwas, womit das Land erst langsam klarkommen muss.

So bewusst geworden ist es zumindest dem amerikanischen Film vor allem in den letzten Jahren. Kein Academy Award-Wettbewerb, der nicht Filme unter den Kandidaten hat, die sich mit der Geschichte der Schwarzen in Amerika auseinandergesetzt haben. Regisseure und Drehbuchautoren gehen völlig unterschiedlich an die Sache heran – Quentin Tarantino zum Beispiel lieferte mit Django Unchained eine lautstarke Black Power-Hommage an den Italowestern ab. Steve McQueen mit Twelve Years a Slave bohrte mit dem Finger in den offenen Wunden, welche die beschämende Ära der Sklaverei hinterlassen hat. Und Selma erinnerte auf bewegende Weise an einen Moment in der jüngeren Geschichte des Landes, der Vieles verändert hat. Das sind nur einige wenige Beispiele, die mir spontan in den Sinn gekommen sind und einen gewissen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben. Wir sehen, vor allem in der Kunst, und vor allem in jener der bewegten Bilder, engagiert man sich geradezu ruhelos, die Schmach der Vergangenheit aufzuarbeiten und den großen Teil der schwarzen Bevölkerung Amerikas zu rehabilitieren.

Auch das Jahr 2017 steht ganz im Zeichen dieses wichtigen Auftrages. Unter diesen Filmen findet sich auch ein klassisch erzähltes Tatsachendrama rund um den ersten Orbitalflug John Glenns im Jahre 1962. Nun, was hat die Geschichte der Raumfahrt mit der Rassentrennung zu tun? Ganz einfach: angestachelt vom Eifer der Russen, die Juri Gagarin bereits ein Jahr zuvor in den Himmel geschossen haben, ließ die NASA nichts unversucht, im Wettlauf um die Eroberung des Weltraums mitzuziehen. Dumm nur, dass damals die hellsten Köpfe am Weltraumcampus Afroamerikanerinnen waren. So wird aus einem geschichtlichen Thriller, der in seiner Erzählweise stark an Der Stoff aus dem die Helden sind erinnert und auch als eine ins Detail gehende Ergänzung gesehen werden kann, ein starkes Plädoyer für Gleichberechtigung, Vernunft und gemeinsamem Fortschritt. So konventionell auch die eine oder andere Szene des Filmes daherkommen mag – die Geschichte hat eine mitreißende, kraftvolle Wirkung, verschließt sich nicht vor seinem Publikum und lässt es teilhaben an all den Gefühlswelten der drei Protagonistinnen, die ihren Weg zwischen Ablehnung, Skepsis, Selbstbehauptung und überdurchschnittlicher Intelligenz bis zum erfüllenden, geradezu ruhmreichen Ziel ihrer Laufbahn als Mensch und Mitwirkende einer der größten Momente der Menschheit je gegangen waren. Hidden Figures führt jeden kleinkarierten, vorurteilsvollen Denkansatz ad absurdum, würdigt und beurteilt den Menschen für das, was er leistet. Und nicht, was er ist.

Regisseur Theodore Melfi (St. Vincent mit Bill Murray) hat einen wichtigen, aufschlussreichen und spannenden Film gemacht, der das Wissen und auch so manche Denkweise anhand dieses tatsächlichen großartigen Beispiels bereichern kann. Ein Wiedersehen mit dem souverän aufspielenden Kevin Costner ist übrigens ebenso garantiert wie die gern gesehene selbstironische Rolle von Jim „Sheldon Cooper“ Parsons, der das Zepter des allwissenden Superhirns – unfreiwillig aber doch – diesmal jemand anderem überlassen muss. 

 

Hidden Figures