Spaceman: Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt (2024)

DIE SPINNEN, DIE KOSMONAUTEN

2/10


SPACEMAN© 2024 Netflix Inc.


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: JOHAN RENCK

DREHBUCH: COLBY DAY

CAST: ADAM SANDLER, PAUL DANO, CAREY MULLIGAN, KUNAL NAYYAR, LENA OLIN, ISABELLA ROSSELLINI, SINEAD PHELPS, PETR PAPÁNEK U. A.

LÄNGE: 1 STD 47 MIN


Hinter den Jupiter und darüber hinaus durfte schon Kosmonaut Dave in Stanley Kubricks Ewigkeits-Klassiker 2001 – Odyssee im Weltraum reisen, um eine gewisse Wahrheit über unsere Existenz und das ganze Universum zu finden. Und um selbst nochmal wiedergeboren zu werden, als Sternenkind. Nichts geht verloren in den Weiten des Alls, alles ist ein Zyklus aus Vergehen und Werden – da kommt man ins Sinnieren, vor allem dann, wenn der Bordcomputer zum Killer mutiert und alle Besatzungsmitglieder bis auf einen ausradiert. Ins Grübeln kommt auch der tschechische Kosmonaut Jakub Procházka während seines Alleingangs an den Rand unseres Sonnensystems, um eine pinkfarbene Wolke zu begutachten, die womöglich Sternenstaub enthält, der vom Anfang der Zeit stammt. Anders als bei Lovecraft wird diese Farbe aus dem All wohl nicht für physische Mutationen verantwortlich sein, doch wer weiß – das herauszufinden, dafür ist der werdende Vater ein ganzes Jahr lang unterwegs. Warum solo, weiß niemand. Vielleicht, weil Tschechien den Berufsstand des Kosmonauten nicht weiter ausgebaut hat. Vielleicht, weil man nicht einsehen wollte, dass dieses wissenschaftlich gesehen höchst brisante Unterfangen durchaus die Kooperation mit anderen Ländern hätte eingehen sollen. Warum sich „Major Tom“ dieser Challenge annimmt, bleibt ein großes Fragezeichen, auch bis zum Ende des Films hin, der seine entrückte Episode wie im Halbschlaf erzählt, als wäre Kollege Procházka eben aus einem Kryoschlaf erwacht und muss sich erst zurechtfinden in diesem klischeebedingten Ostblock-Raumschiff-Interieur aus Funktelefon, Billigsilikon und buntem Tastenparadies.

Was Spaceman: Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt eigentlich soll, würde sich in der literarischen Vorlage von Jaroslav Kalfar womöglich besser erschließen als unter der Regie des schwedischen Chernobyl-Regisseurs Johan Renck. Der bei der heurigen Berlinale uraufgeführte Streifen ist weder das eine, also Beziehungsdrama, noch das andere, nämlich eine erkenntnisgewinnende Weltraum-Odyssee. Wenn, dann letzteres wohl deutlich mehr, und das schon allein dadurch, dass Procházka erkennen muss, dass extraterrestrisches, intelligentes Leben nicht zwingend auf zwei humanoiden Beinen daherstolzieren muss. In diesem Fall entert eine gigantische große Arachnide die engen Räumlichkeiten des Schiffes, ohne aber dem weit von Terra entfernten Homo sapiens ans Leder zu wollen. Diese Spinne, die so gespenstisch danach klingt, als wäre HAL 2000 wieder rebootet worden, weiß anscheinend alles über die Menschheit und den Planeten Erde, hat obendrein Tschechisch gelernt und lockt Procházka mit bedeutungsschwerer Melancholie aus der Reserve. Es fragt sich natürlich: Ist die Spinne nur die Manifestation von Procházkas Geist aufgrund der langen Isolation – oder ist dieses Wesen tatsächlich da? Es fragt sich auch: Wie ist es an Bord gekommen? Und warum schwurbeln die beiden als ungleiche Buddies in eine depressive Stimmung hinein, in der man sich angesichts der rosaroten Wolke besser nicht suhlen sollte?

Wir haben nun den mehr- und glupschäugigen Achtbeiner mit der Stimme von Paul Dano – und den rauschebärtigen Adam Sandler, der einmal mehr und nach seinem Klunker-Thriller Der schwarze Diamant auf Nummer Sicher gehen will, dass ihn keiner mehr für einen oberflächlichen Kalauer-Knaben hält. Die Art und Weise aber, wie er in seiner Rolle als einsamer Abenteurer hineinfindet, hält außer einer tranigen Trauermiene, die zum Ausdruck bringt, das Huhn (in dem Fall wars die Spinne) hätte ihm das Brot weggefressen, keine Variationen in petto. Auf der anderen Seite, auf der Erde nämlich, tut Carey Mulligan genau das gleiche. Sie gibt Procházkas schwangere Partnerin, die zum denkbar unpassendsten Zeitpunkt die Beziehung beendet. Ihre Figur ist ein Sammelsurium verdrießlicher Symptome, die eine Beziehungskrise mit sich bringt. Was Mulligan tut, ist, unergiebige Gespräche mit Lena Olin zu führen und gedankenverloren gen Himmel zu starren. Was Adam Sandler tut, ist gedankenverloren dröge Gespräche mit dem Alien am Laufen zu halten, die, so scheint es, niemanden erquicken. Spaceman ist trotz des vielen leuchtenden Staubs, der bald das Schiff durchdringt, erdrückend substanzlos. Wie ein halbherziges Seufzen ins interplanetare Nirgendwo hinein fühlt sich Rencks Film an, der so tut, als müsse er all die Emotionen, die scheinbar Sandler und Mulligan heimsuchen, mit pseudophilosophischer Bedeutungsschwere analysieren. Die Monotonie des Films killt aber letztlich alles. Weder erschließt sich das Wunder einer mehrfachen Entdeckung noch der Wille zur Zweisamkeit, die Millionen Kilometer überbrücken soll. Bei Spaceman ist es wie am äußeren Rand unseres Sonnensystems: nichts dahinter. Zumindest so lange, bis die mit Ach und Weh heruntergebogenen 108 Minuten vorüber sind.

Spaceman: Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt (2024)

Astronaut

OPA IM ALL

6,5/10


astronaut© 2020 Jets Filmverleih & Vertrieb


LAND / JAHR: KANADA 2019

BUCH / REGIE: SHELAG MCLEOD

CAST: RICHARD DREYFUS, KRISTA BRIDGES, LYRIQ BENT, COLM FEORE, GRAHAM GREENE, RICHIE LAWRENCE U. A. 

LÄNGE: 1 STD 38 MIN


Star Trek-Fans haben diesen Tag wohl schon lange Zeit vorher im Kalender rot angestrichen: Captain James T. Kirk fliegt wieder ins All, und zwar inkognito als William Shatner, noch dazu mit stattlichen 90 Jahren. Damit wird er wohl als bislang ältester Mensch in die Geschichte der Raumfahrt eingehen. Und gleich auch beweisen, dass Raumfahrt mittlerweile wirklich jeder machen kann, es sei denn er hat das nötige Kleingeld dazu. Wohlgemerkt beschränkt sich das Vergnügen aber lediglich auf einen zehnminütigen Ausflug in den Orbit, Schwerelosigkeit inbegriffen. Dass man sich dann aber selbst von der Kugelform unserer Erde überzeugen kann, dürfte all die Millionen wert sein. Shatner hingegen hat dafür nichts bezahlt. Den Captain will man schließlich ehren.

Leute wie Richard Dreyfus, mittlerweile über 70 und im Vergleich zu Shatner fast noch blutjung, könnten sich dieses Vergnügen ebenfalls geben. Doch Dreyfus will lieber bezahlt werden als dafür zahlen – also macht er einen Film, der sich zur Einstimmung für Shatners orbitales Ereignis wohl nicht besser eignen könnte. Unter dem schlichten Arbeitstitel Astronaut ist der Star aus Der weiße Hai und Oscarpreisträger 1977 für Der Untermieter ein kauziger, kleiner Witwer, mit Wehwehchen da und dort, weshalb er auch im Haus seiner Tochter wohnt. Erinnert ein bisschen an The Father mit Anthony Hopkins – nur Dreyfus hat keine Demenz und ist so klar im Kopf wie der Sternenhimmel, den er tagtäglich und gemeinsam mit seinem Enkel beobachtet. Ein fast schon paradiesischer Lebensabend – wenn da nicht die Familie den Opa aus Kapazitätsgründen ins Seniorenheim auslagert. Von wegen auslagern: Dreyfus macht‘s wie Dieter Hallervorden in Sein letztes Rennen und wird der Welt zeigen, dass die Reise ins All immer noch auf der Bucket List steht. Und wie es der Zufall will, wird Opa, der vorgaukelt, jünger zu sein als er ist, für den ersten touristischen Flug zu den Sternen auserwählt.

Wer noch weiß, wie sich der Science-Fiction-Film Cocoon aus den Achtzigern angefühlt hat, kann Astronaut von Shelag McLeod ungefähr in dieser Richtung verorten. Nur diesmal schwimmt kein außerirdischer Kokon im Pool des Seniorenheims, sondern der Jungbrunnen hier ist einzig und allein der Wille, Wunsch und Weg für etwas undenkbar Machbares. Regisseurin McLeod ist allerdings Optimistin, und will natürlich, dass die Figur ihres Angus Stewart einer auf idealstem Wege leicht komplizierten Welt begegnet, mit bewältigbaren Hindernissen und der Fairness, die ein gutes Leben verdient hat. Wie in Cocoon ist auch hier das Bild der pflegebedürftigen Generation zumindest eines, das nichts mit sozialpornographischen Missständen beim Altwerden zu tun haben will. Die betagte Entourage, die Dreyfus umgibt, hätte gerne noch Jessica Tandy (Oscar für Miss Daisy und ihr Chauffeur) in ihrer Mitte. Am liebsten, so scheint es, hätte vielleicht sie ins All fliegen sollen, doch der eigentliche Star des Films entzückt mit nachdenklichen Blicken, erfahrenem Charme und einer nimmermüden Leidenschaft für Neues. Die routinierte, teils sehr konventionelle Inszenierung wirkt da gar nicht mal so vorgestrig, vielleicht, weil eben die Erinnerung an Cocoon, so wie die an Captain Kirk, eine nostalgische ist. Zwischen Fiktion und tatsächlicher Himmelfahrt liegt also dieser kleine, warmherzige Film, der die Brücke schlägt zwischen Weltenraum und leistbarem Lebenstraum.

Astronaut

Ad Astra – Zu den Sternen

IM STERNBILD DES VATERS

6/10

 

adastra© 2019 Twentieth Century Fox

 

LAND: USA 2019

REGIE: JAMES GRAY

CAST: BRAD PITT, TOMMY LEE JONES, DONALD SUTHERLAND, RUTH NEGGA, LIV TYLER U. A.

 

Es gibt Filme wie Stanley Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum oder Damien Chapelles Aufbruch zum Mond. Und es gibt Filme wie Ad Astra – Zu den Sternen. Wo genau liegt da jetzt der Unterschied? Dass sich meiner Meinung nach irgendetwas mit Kubricks Meisterwerk aus dem Jahre 1969 vergleichen lässt, halte ich für ein Gerücht. Filme wie diese, die ihrer Zeit Lichtjahre voraus waren, werden gut und gerne als Messlatte herangezogen, als Ideal, dem andere Filmemacher nacheifern möchten, die es bereits ins zeitlose Pantheon der Filmgeschichte geschafft haben. Das soll natürlich gerne so sein, und es gelingt auch tatsächlich das eine oder andere Mal. James Gray hat ähnliches versucht, und er ließ sich nicht nur von Stanley Kubrick inspirieren, der es wie kein anderer zustande gebracht hat, Spiegelungen auf Hemvisieren sphärisch einzufangen. Gray ließ sich auch von den bedeutungsschweren, verbalisierten Gedanken aus dem Off inspirieren, die Terrence Malick gerne nutzt, um die inneren Gefühlswelten seiner Figuren nicht nur im paraverbalen Spiel, sonder auch im gesprochenen Wort herauszuarbeiten. Das hat, klug eingesetzt, natürlich seine Wirkung. Das hat Malick in Der schmale Grat perfekt hingekriegt. In The New World geriet ihm dieser Stil bereits zu inflationär. Aufpassen, heißt es da. Und James Gray musste das auch. Doch so hypnotisch sich diese Multiplikation aus Weltraum, innerer Psyche und philosophischen Fragen auch anfühlt, so leicht kippt das ganze ins Pathetische. Und genau das ist Ad Astra leider passiert.

Obwohl ich dazusagen möchte, dass Ad Astra kein misslungener Film ist. Aber einer, der sich unter großem Ehrgeiz ereifert, so gut zu sein wie die anderen. Da ist Motivation dahinter, da ist Konsequenz dahinter, das sieht man. Da sind Kameraleute am Werk, die ihre Hausaufgaben gemacht haben, und Set-Designer, die einen befremdlichen interplanetaren Alltag aus dem Mond- und Marsstaub gehoben haben. Womit wir bei der staunenswertesten Feinarbeit des Filmes gelandet sind: der Idee, wie die nahe Zukunft aussehen könnte, die uns für viel Geld und auf relativ einfachem Weg auf benachbarte Himmelskörper bringen kann. Außer Paul Verhoevens Total Recall hat sich kaum noch ein anderer Film an ein Szenario wie dieses gewagt. Gray entlässt uns in einen expandierten Ballungsraum Erde, der am Mond genau so seine Wirtschaft ankurbelt wie am Ursprungsort, der mit der Besiedlung des Mars einen Außenposten geschaffen hat, der ungefähr so wirkt wie die Grenzkontrolle zum Sudan. Dort ist meist alles unterirdisch – was der Mensch da errichtet hat, verkommt schon längst wieder zur leblosen Betonwüste Marke Tiefgarage. Dorthin reist also Brad Pitt als vaterloser „Major Tom“, der die Menschheit vor dem Schlimmsten bewahren muss, das ihr vom Neptun aus in Form von Antimateriewellen um die Ohren fliegt. Grund dafür ist womöglich der vor Jahrzehnten verschollene Papa, angeblich noch unter den Lebenden und zu keinem Funkgespräch bereit. Der eigene Filius soll das Problem lösen, er soll Verbindung aufnehmen. Vielleicht ist hier Blut doch noch dicker als die Sturheit eines psychopathischen Weltraumnerds im Nirgendwo. Dabei fürchtet Brad Pitt nicht die Leere zwischen den Planeten, sondern die Chance, seinen Vater zur Rechenschaft ziehen zu müssen. Und Antworten auf Fragen zu bekommen, die womöglich sein Weltbild erschüttern.

Ad Astra ist in erster Linie ein Psychodrama. Dann eine Vater-Sohn-Geschichte. Ad Astra will dann auch noch Weltraumabenteuer sein mit Mondpiraten und havarierten Geisterschiffen. Und, bevor ich es vergesse, will Ad Astra noch philosophische Fragen beantworten, vor allem Fragen nach dem Wert der Gemeinsamkeit, nach dem Wert von Familie und was Heimat eigentlich bedeutet. Da muss ich mich mal hinsetzen, weil das wirklich eine Menge Content ist. Gebündelt werden die losen Enden in der Wahrnehmung eines Filmstars, der so wie Leonardo Di Caprio auch endlich mal zeigen will, was er so draufhat. Pitt ist zwar immer noch ein Stoiker, einer, der ernst, bedächtig und sinnend in die Runde oder ins Narrenkästchen blickt, der dafür aber gute Gründe hat und der innerhalb seines Stoizismus aber auch ordentlich changiert, von innerer Leere bis zu einer in den Weltraum gegreinte Bitternis, wobei er da sichtbar an seine Grenzen stößt. Dennoch  – der Mann war gefühlt seit Fight Club nicht mehr so gut. Und sein Schwermut wirkt echt. Doch was Ad Astra letzten Endes will und auf welche Singularität er seine Reise durchs Sonnensystem bringen möchte, ist ein Nachgedanke über die zukünftigen Werte des Menschen, fokussiert auf den Wechsel der Generationen und dem Loslassen von Daheim. Die Menschheit, so Gray, nabelt sich ab, wenn sie immer weiter vordringt ins Nichts, vergisst dabei vielleicht, woher sie kommt. Sucht, vielleicht vergeblich, nach Etwas, was nichts anderes ist als das, was man zurückgelassen hat. Demnach ist das ästhetisch bebilderte Planeten-Hopping in all seiner Zerfahrenheit und Unschlüssigkeit, was es sein will, nichts anderes als die verkopfte Suche des Menschen nach einer globalen Identität, für die er aber längst noch nicht reif ist.

Ad Astra – Zu den Sternen

Prospect

ALLE IM GRÜNEN BEREICH

6,5/10

 

prospect2© 2019 capelight pictures

 

LAND: USA, KANADA 2019

BUCH UND REGIE: ZEEK EARL, CHRISTOPHER CALDWELL

CAST: SOPHIE THATCHER, PEDRO PASCAL, JAY DUPLASS, SHEILA VAND, ANDRE ROYO U. A.

 

Es ist eigentlich ganz einfach: Man gehe auf einen Flohmarkt, am besten aber auf einen, der so absonderliches technisches Zeug anzubieten hat wie Schläuche, Gerätschaften aller Art, alte Staubsauger und Waschmaschinen zum Beispiel. Oder ausrangierte Zweiradhelme, die den HSSE-Standards nicht mehr genügen. Als Location bräuchten wir einen Urwald, am besten einen in höheren Lagen, der mit Flechten und Moosbewuchs nicht spart. Vielleicht lässt sich ja für Drehzwecke wenig frequentiertes Gebiet betreten, wie zum Beispiel den Białowieża-Nationalpark in Polen oder das Refugium rund um den österreichischen Dürrnstein. So unberührt wie möglich, nicht dass Jogger und Biker durchs Bild flitzen. Natürlich, wir räumen nachher wieder alles auf. All das Graffel, das wir eingekauft haben, landet nachher vielleicht wieder am Flohmarkt – oder aber, wenn der Sponsor nicht absrpingt, könnte man die Requisiten auch für ein Sequel nutzen. Ist nun alles da, was wir brauchen, fehlt nur noch ein toughes Drehbuch, und vielleicht ein Hauptdarsteller, der sich als Zugpferd für die Produktion zumindest als Nebendarsteller in der wohl besten Serie aller Zeiten einen Namen gemacht hat. In diesem Fall war das Pedro Pascal. Game of Thrones-Fans – und das sind fast alle – wissen: Pedro Pascal war die Sandschlange Oberyn Martell aus dem sonnigen Süden, die dem reitenden Berg zum Opfer fiel, und das schon in Staffel 4. Der gebürtige Chilene aber hat die Rechnung mit dem Wirten damit gemacht – er wird zukünftig als kesser Mandalorian das Star Wars-Universum unsicher machen. Es sei ihm vergönnt, der Mann ist sympathisch, und es macht ihn noch sympathischer, wenn kleine, feine Filme wie Prospect ihn zu ihrem Cast zählen dürfen.

Ehrlich mal, George Lucas hat seinen Star Wars-Erstling zumindest teilweise auch nicht anders ausgestattet. Man nehme nur mal die längst legendäre Cantina-Szene aus Episode IV. Da zeigen sich ebenfalls zusammengewürfelte Outfits aus allen Ecken der Second-Hand-Galaxie und Rausverkäufen diverser Requisitenkammern. Was die Creature Designer damals gemacht haben, war verblüffend, und gleichzeitig von so schrulliger Vielfalt, das aus diesem Gebrauchtwaren-Retro-Look ein ganz eigenes Universum entstanden ist, das zuletzt in Solo so richtig kostümtechnisch herumfabulieren konnte. Prospect ist so, als gäbe es wie für den amerikanischen Western die stockfleckigere Italo-Version auch für das Star Wars-Universum. In welchem aber genau dieser Weltraum-Survivalthriller spielt, bleibt ungeklärt. Auch, woher Astronaut Damon und dessen Tochter eigentlich kommen, was sie eigentlich wollen und wohin das führt. Vieles bleibt anfangs im Unklaren, auch die Bedeutung dieses grünen Mondes (nein, nicht Endor!), der von einer Raumstation umkreist wird, an die wiederum Damons Raumkapsel angedockt hat. Später erfahren wir: der grüne Mond zieht allerlei Glücksritter an, die in den Nestern spinnenartiger Kreaturen wühlen, die wiederum in ihren hochgiftigen Kokons unter Anwendung der richtigen, neutralisierenden Chemie gigantische Edelsteine ausspucken, die am Schwarzmarkt unglaubliches Geld bringen. Der Mond selbst: eine menschenfeindliche Gegend, die Biomasse ist enorm, die herumflirrenden Sporen der Pflanzen toxisch bis dorthinaus, und so erscheint auch die ganze Aura des Mondes in einem seltsam gelbstichigen Licht, wie die Optik ausgebleichter alter Fotografien. Erinnerungen an das russische Science-Fiction-Kino des Andrej Tarkovskij werden wach, aber auch an den durch außerirdischen Einfluss veränderten Wald aus Jeff Vandermeers Southern Reach-Trilogie, dessen erster Teil – Auslöschung – bereits grandios verfilmt wurde.

Prospect reiht sich problemlos unter jene Art Science-Fiction, die etwas ganz anderes will als nur mit der gefühlt 100sten Alien-Reißbrett-Variation, gepaart mit psychopathischem Wahnsinn, die reißerische Billigschiene zu bemühen. Natürlich ist Prospect ein Low-Budget-Film, aber einer mit Potenzial, und einer, der seine eigenwillige Story rund um ein Mädchen und einen Schatzpiraten mit allerlei kunstvoll gepatchworkter Details garniert, die seltsam durchdacht wirken, alles andere als improvisiert, als wären sie Teil eines größeren Überbaus, von dessen Existenz keiner weiß. Sterile Hochglanz-Raumzeit war gestern, das Gestern ist also die neue Vision eines versemmelten Heute, fit für das freie Spiel der Kräfte. Bis der letzte zweckentfremdete Sanitärschlauch platzt und poröse Dichtungen mal wieder den Atem rauben.

Prospect

Den Sternen so nah

RETTET GARDNER ELLIOTT!

7/10

 

THE SPACE BETWEEN US© 2017 Tobis Film GmbH

 

ORIGINAL: THE SPACE BETWEEN US

LAND: USA 2017

REGIE: PETER CHELSOM

CAST: ASA BUTTERFIED, BRITT ROBERTSON, GARY OLDMAN, CARLA GUGINO U. A.

 

Ridley Scotts großangekündigter Marsbesuch ist auch schon wieder eine Weile her. Vier Jahre sind schon ins Land gezogen, da wäre ein bemanntes Raumschiff nach unserem Stand der Technik auch schon einmal hin und retour geflogen. Mark Watney haben wir also schon gerettet, der ist wieder sicher auf Erden gelandet, nachdem man ihn eigentlich mehr oder weniger nach guter alter Kevin-Manier allein zuhause gelassen hat, auf einem Planeten ohne atembarem Luftgemisch und auf dem es saukalt ist. Schön anzusehen ist er ja, der Mars. Und eine Kolonie dort mit Sicherheit zumindest die erste Zeit abenteuerlich genug, um es dort auszuhalten. Natürlich ist das nichts für Kinder. Oder doch? Das Tempelhüpfen würde etwas epischer ausfallen, ungefähr Marke Stabhochsprung, nur ohne Stab. Fußbälle würden weiter gekickt werden als sonst wo und die Sandkiste wäre so groß so weit das Auge in dieser rötlichbraunen Welt reicht. Allerdings – die Zahl an Spielgefährten wäre endenwollend. Das ist ernüchternder als die ewige Warterei unseres Astronauten-Kevin Mark Watney. Doch so ist es mit Gardner Elliott passiert. Der Junge: ein blinder Passagier, heimlich ausgetragen von einer Astronautin, die um alles in der Welt am roten Planeten Pionierarbeit leisten wollte. Schwanger ins Weltall geht natürlich gar nicht, bei all diesen riskanten Variablen, aber irgendwie hat es doch funktioniert. Und jetzt retten wir nicht mehr Mark Watney, sondern Gardner Elliott, der aber Probleme hat, auf der Erde im wahrsten Sinne des Wortes Fuß zu fassen, ist doch seine Physiognomie eher auf die Schwerkraft des Mars ausgerichtet als auf die des blauen Planeten. Was das für physische Komplikationen nach sich ziehen kann, und wie sehr ein Teenager unbedingt altersadäquates soziales Umfeld braucht, davon erzählt Peter Chelsoms leichtfüßiges Abenteuer rund um ein Planetenhopping im Solsystem und um die erste Liebe.

Liebe gab es bei Ridley Scotts astrotechnischem Thriller keine, aber Peter Chelsom ist immer schon ein Romantiker gewesen, Gefühle haben da auch jenseits des terrestrischen Orbits ihren Platz. Also verliebt sich Gardner Elliott erstmal in seine Chat-Freundin, der er natürlich verheimlicht hat, dass er nicht gleich um die Ecke wohnt. Das Science-Fiction-Abenteuer für die jüngere Generation, im Original viel trefflicher mit The Space between us tituliert, zeigt auf sympathisch formulierte Art, wie der erste extraterrestrische Erdling gleichzeitig zum ersten Homo marsianus wird. Darwin würde sich im Rahmen seiner Idee zur adaptiven Radiaton mehr als bestätigt fühlen, es würde ihm gefallen zu sehen, wie schnell Anpassungen an extrem unterschiedliche Lebensräume vonstatten gehen können. Doch Daheim ist Daheim, und der Mars trotz aller lebensfeindlichen Abzüge die Heimat von Asa Butterfield, der schon in Enders Game der Auserwählte war – und hier jetzt nochmals. An seiner Seite aber statt Harrison Ford Oscar-Preisträger Gary Oldman als vergrämter Wissenschafter mit langer Mähne. Gut gespielt, aber routiniert. Brit Roberston (u. a. A World Beyond) hingegen als Gardner Elliotts Schwarm weiß da schon etwas mehr die Sehnsucht eines einsamen Teenies zu vermitteln, und die Chemie zwischen den Jungdarstellern stimmt. Das hat schon weitaus mehr greifbare Romantik als all diese Twilight-Originale und -Ableger, weil hier angenehmerweise keine Antagonisten den Frieden stören, sondern nur  der Brückenschlag zwischen zwei Welten zur unüberwindbaren Challenge wird. Es ist, als träfen die Geschichten eines John Green auf den bereits schon zitierten Marsianer – Den Sternen so nah erzählt von Einzelgängern und der Einsamkeit von Pionieren, von junger Liebe und einer Zukunft, in der Mann und Frau sich irgendwann nicht nur entscheiden müssen, welchen Nachnamen sie tragen, sondern auch, zu welchem Planeten sie gehören wollen.

Den Sternen so nah

Hidden Figures

DER STOFF, AUS DEM DIE HELDINNEN SIND

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hiddenfigures

Die Apartheid der Vereinigten Staaten – das dunkelste Kapitel in deren Geschichte. Und längst keine Fußnote, sondern eine fürchterlich und quälend lange Epoche aus Unterdrückung und Erniedrigung über Jahrhunderte hinweg. Begonnen mit dem Deportieren westafrikanischer Menschen nach Übersee, offiziell beendet mit den Civil Rights Acts Ende der 60er Jahre. Allerdings, wenn man genauer hinsieht. herrscht mancherorts immer noch blanker Rassismus, der meist im Missbrauch einer faschistoiden Exekutive eskaliert und weitreichende Unruhen nach sich zieht. Ein Problem ist es also immer noch. Und dass die Vereinigten Staaten hier lange Zeit auf Regierungsebene tagtäglich Menschenrechtsverletzungen begangen haben, das ist etwas, womit das Land erst langsam klarkommen muss.

So bewusst geworden ist es zumindest dem amerikanischen Film vor allem in den letzten Jahren. Kein Academy Award-Wettbewerb, der nicht Filme unter den Kandidaten hat, die sich mit der Geschichte der Schwarzen in Amerika auseinandergesetzt haben. Regisseure und Drehbuchautoren gehen völlig unterschiedlich an die Sache heran – Quentin Tarantino zum Beispiel lieferte mit Django Unchained eine lautstarke Black Power-Hommage an den Italowestern ab. Steve McQueen mit Twelve Years a Slave bohrte mit dem Finger in den offenen Wunden, welche die beschämende Ära der Sklaverei hinterlassen hat. Und Selma erinnerte auf bewegende Weise an einen Moment in der jüngeren Geschichte des Landes, der Vieles verändert hat. Das sind nur einige wenige Beispiele, die mir spontan in den Sinn gekommen sind und einen gewissen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben. Wir sehen, vor allem in der Kunst, und vor allem in jener der bewegten Bilder, engagiert man sich geradezu ruhelos, die Schmach der Vergangenheit aufzuarbeiten und den großen Teil der schwarzen Bevölkerung Amerikas zu rehabilitieren.

Auch das Jahr 2017 steht ganz im Zeichen dieses wichtigen Auftrages. Unter diesen Filmen findet sich auch ein klassisch erzähltes Tatsachendrama rund um den ersten Orbitalflug John Glenns im Jahre 1962. Nun, was hat die Geschichte der Raumfahrt mit der Rassentrennung zu tun? Ganz einfach: angestachelt vom Eifer der Russen, die Juri Gagarin bereits ein Jahr zuvor in den Himmel geschossen haben, ließ die NASA nichts unversucht, im Wettlauf um die Eroberung des Weltraums mitzuziehen. Dumm nur, dass damals die hellsten Köpfe am Weltraumcampus Afroamerikanerinnen waren. So wird aus einem geschichtlichen Thriller, der in seiner Erzählweise stark an Der Stoff aus dem die Helden sind erinnert und auch als eine ins Detail gehende Ergänzung gesehen werden kann, ein starkes Plädoyer für Gleichberechtigung, Vernunft und gemeinsamem Fortschritt. So konventionell auch die eine oder andere Szene des Filmes daherkommen mag – die Geschichte hat eine mitreißende, kraftvolle Wirkung, verschließt sich nicht vor seinem Publikum und lässt es teilhaben an all den Gefühlswelten der drei Protagonistinnen, die ihren Weg zwischen Ablehnung, Skepsis, Selbstbehauptung und überdurchschnittlicher Intelligenz bis zum erfüllenden, geradezu ruhmreichen Ziel ihrer Laufbahn als Mensch und Mitwirkende einer der größten Momente der Menschheit je gegangen waren. Hidden Figures führt jeden kleinkarierten, vorurteilsvollen Denkansatz ad absurdum, würdigt und beurteilt den Menschen für das, was er leistet. Und nicht, was er ist.

Regisseur Theodore Melfi (St. Vincent mit Bill Murray) hat einen wichtigen, aufschlussreichen und spannenden Film gemacht, der das Wissen und auch so manche Denkweise anhand dieses tatsächlichen großartigen Beispiels bereichern kann. Ein Wiedersehen mit dem souverän aufspielenden Kevin Costner ist übrigens ebenso garantiert wie die gern gesehene selbstironische Rolle von Jim „Sheldon Cooper“ Parsons, der das Zepter des allwissenden Superhirns – unfreiwillig aber doch – diesmal jemand anderem überlassen muss. 

 

Hidden Figures