She Came to Me (2023)

MUSE PER ZUFALL

5/10


she-came-to-me© 2023 Universal Pictures


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE / DREHBUCH: REBECCA MILLER

CAST: PETER DINKLAGE, MARISA TOMEI, ANNE HATHAWAY, JOANNA KULIG, BRIAN D’ARCY JAMES, HARLOW JANE, EVAN ELLISON, DALE SOULES, AALOK MEHTA U. A.

LÄNGE: 1 STD 42 MIN


Auch der begnadete und grundsympathische Peter Dinklage bleibt davon nicht verschont: Die kreative Blockade. Als Komponist neumodischer Opern kann er in She Came to Me gerade gar nichts so richtig zu Papier bringen, und der Termin zur Abgabe eines seiner Werke rückt näher. Dieser Steven hat obendrein eine Familie aus Frau und Stiefkind, die ebenfalls gerade kaum wissen, wo sie in ihrem Leben stehen, was sie wollen und wohin das führen soll. Eine Midlife-Crisis möchte ich’s nennen, alles fühlt sich sehr danach an, und nicht nur der männliche, väterliche Part scheint davon betroffen. Der Sohn sieht in der Tochter der hauseigenen Putzfrau seine Bestimmung in Liebesdingen, Psychiaterin Patricia kokettiert mit einem Leben als Nonne und vom Künstler höchstselbst wissen wir – er benötigt dringend einen Musenkuss, sonst wird das nichts.

Also treibt ihn eines Tages der Zufall in die Hände der Schlepperkapitänin Katrina, die unter einem Romantikkomplex leidet und sich eigentlich gar nicht auf andere Männer einlassen darf, sonst wird sie rückfällig. Natürlich passiert das Unvermeidliche, und neben dieser unerwarteten Wendung in Stevens Leben, die ihn obendrein genug inspiriert, um weiterzuarbeiten, hängt plötzlich noch die Anklage über Verführung Minderjähriger im Raum, denn Sohnemanns Freundin Tereza ist erst sechzehn.

Es treibt alle um in Rebecca Millers Kreise ziehendem Familiendrama – wohl mehr Tragikomödie als die schwermütige Skizze eines dysfunktionalen Sozialgefüges. Mit leichtem Humor betrachtet die Schauspielerin und Regisseurin (Maggies Plan mit Greta Gerwig) all die in ihren Blasen schwebenden und an Bodenhaftung verlierenden Personen zwar von der richtigen Seite, allerdings schenkt sie ihren Figuren, statt wirklich den Fokus auf sie zu richten, lediglich Seitenblicke. Dabei fühlt sich alles so an, als wäre dieser Plot um Bedürfnisse, Rollenbilder und Liebesdinge ein ganz heißes Eisen, das wohl gerne Woody Allen anpacken hätte sollen. Alles ruft danach, den schmächtigen New Yorker ans Regie-Ruder zu lassen – all das hätte obendrein mehr Wortwitz, dichtere Dialoge und schräge, aber ernstzunehmende Charaktere zum Anfassen gehabt. Miller scheint sich an ihren umtriebigen und fast schon autonomen Sinn- und Inputsuchern die Finger zu verbrennen. Nur nicht tiefer in die Materie, dafür lieber noch eine Komponente an Selbstfürsorge, Ausbruchs- und Umbruchsgedanken mehr, die in ihrer beiläufigen Erwähnung und flüchtigen Betrachtung niemals auch nur ein Quäntchen näher an den Zuseher herankommen. Das Spiel, die Komödie – sie bleibt auf Distanz, sie mag zwar rein konzeptionell tatsächlich rund laufen, darüber hinaus aber bleiben Anne Hathaway, Peter Dinklage oder Marisa Tomei viel zu flach. Gerade so, um Woody Allen zumindest als grob umrissenes Charakter-Scribble zu dienen.

She Came to Me (2023)

Maggie´s Plan

DER DRESSIERTE MANN

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maggiesplan

Wozu braucht Frau einen Mann? Maximal zum Kinderkriegen, aber auch hier lässt sich die Beteiligung des männlichen Geschlechts auf das Wesentliche reduzieren. Doch lässt Frau sich auf eine Beziehung ein, muss das Feuer brennen. Wenn das Feuer nicht brennt, braucht Frau keinen Mann. Ungefähr so lässt sich Rebecca Millers Uni-Romanze in wenigen Sätzen zusammenfassen. Und anfangs möchte man sogar meinen, dass Maggie´s Plan aus der Feder von Noah Baumbach, dem exzentrischen Experten für liebenswürdige Loser aller Art, entstanden ist. Dem ist aber – mitunter bedauerlicherweise – nicht so.

Regisseurin Miller, Tochter des berühmten Gegenwartsdramatiker Arthur Miller, der so sagenhafte Stücke wie Hexenjagd und Tod eines Handlungsreisenden auf ewig für die Nachwelt hinterlassen hat, erzählt die ziemlich ungekünstelte, beschwingt inszenierte Beziehungskomödie eindeutig und mit Leidenschaft aus der Sicht der ewig als Kunststudentin festgelegten Greta Gerwig, stets auffallend unattraktiv gekleidet wie derzeit Kultneurolgin Amy Farrah Fowler aus der Big Bang Theory. Ihr ist die Dreiecksdramödie auf den Leib geschrieben, und der blonde Independent-Star und Liebling von Noah Baumbach (auch diese Tatsache sorgt für Verwechslungsgefahr im Regie-Cast) erobert den Film mit Freude am Spiel und einer breiten Palette an emotionalen Hochs und Tiefs. Verantwortlich dafür ist neben Gerwigs Torschlusspanik der ehrgeizige Universitätsdozent und Möchtegern-Schriftsteller Ethan Hawke. Irgendwie unglaublich, dieser Mann wird statt älter irgendwie jünger, vor allem in diesem Film. Er verkörpert auch hier sehr souverän seine Paraderolle des Amerikaners Jesse, der seit Mitte der Neunziger mit Französin Julie Delpy die Unterschiede zwischen Mann und Frau auf wortgewaltigste und bezauberndste Art und Weise noch längst nicht ausdiskutiert hat. Und soweit ich mich erinnern kann, war er auch in Before Sunrise, Before Sunset und wie sie alle heissen ein Handwerker der schreibenden Zunft. Insofern unterscheidet sich seine Rolle vom ehrgeizigen Intellektuellen, der das Leben von Maggie auf den Kopf stellt, um eigentlich gar nichts. Dennoch wird Hawke zum Spielball zwischen den Frauen, ist er doch zuerst mal mit einer resoluten Künstlerin verheiratet (famos verkörpert von Julianne Moore), um sich dann für Maggie von ihr zu trennen. Die will ihn aber nach Jahren des Zusammenlebens selbst nicht mehr haben und gibt ihn an Moore wieder zurück. Beide Damen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, schmieden einen Pakt, dem sich der ahnungslose und egozentrisch gewordene Hawke wie ein dressiertes Hündchen unterwirft. Kein Film also, um das Selbstbewusstsein des Mannes zu stärken. Aber auch kein Film, der die dauerhafte Zweisamkeit in Zeiten rapide wachsender, persönlicher Selbstverwirklichung schönredet. Dahin ist auch die Vorstellung der ewigen, leidenschaftlichen Liebe, dessen Realität manche immer noch für möglich halten. Letzten Endes variiert Rebecca Millers Film in ihrer Hommage an Esther Vilars Emanzipations-Weckrufen aus den 80ern auch wieder nur die ichbezogene Suche nach dem idealen Lifestyle, maßgeschneidert für den Bobo-Intellekt. Mit oder ohne Mann, oder mit einem ganz anderen Partner. Wie wär´s zum Beispiel mit Wikinger Travis Fimmel? Als Gurken verkaufender Samenspender auf dem Abstellgleis bietet er eine Ja Natürlich-Alternative, die ungenutzt zu bleiben scheint.

Maggie´s Plan ist eine gefällig erzählte Beziehungskiste auf rustikal-natürliche Art, die das männliche Geschlecht austauschbar sein lässt und auch ihre weiblichen Personen vor all den Möglichkeiten, die eine Ich-Gesellschaft bietet, ziellos bleiben lässt. Mal so, mal so. Wie man leben soll weiß man nach dem Abspann daher immer noch nicht.

 

 

 

Maggie´s Plan