Alien: Covenant

SKLAVE DES HIMMELS, HERR DER HÖLLE

6,5/10

 

aliencovenant

Regie: Ridley Scott
Mit: Michael Fassbender, Katherine Waterston, Billy Crudup

 

Auch wenn der Film zwar optisch alle Stücke spielt, dramaturgisch aber etwas hinkt, würde ich Fans der Alien-Reihe durchaus anraten, Ridleys Scotts Prequel-Erstling Prometheus nochmal zu Rate zu ziehen. Die Frischzellenkur für den 2012 veröffentlichten Auftakt einer den Alien-Mythos erklärenden Trilogie hat zumindest mir den Einstieg in Alien: Covenant leichter gemacht. Und auch der sehr wohl durchdachte Plot der Monstersaga erschließt sich nach nochmaliger Betrachtung fast naht- und fugenlos und macht darüber hinaus auch wirklich Sinn – sowohl für Prometheus als auch für Alien: Covenant. Was man vom Original und den danach folgenden drei Sequels nicht sagen kann. Sie zu kennen ist – wie auch cinema festgestellt hat – tatsächlich nicht vonnöten. Selbst Ridley Scott ignoriert sie. Mit Aliens – Die Rückkehr, Alien 3 und Alien –  Die Wiedergeburt will der Altmeister seinen Xenomorph-Kosmos nicht kontaminiert sehen und ignoriert sie daher auch völlig. Somit teilen sich die Storylines von Alien in mehrere Parallelen. Bei Cameron´s Fortsetzung haben die Monster – wie wir alle wissen – gleich einem Bienenstaat eine Königin, die all die Eier legt, aus denen die Facehugger schlüpfen. In Alien 3 hinterfragt David Fincher in keinster Weise irgendeine Storyline, sondern schafft im Rahmen eines dystopischen Thrillers die Variable einer biologischen Bedrohung. Und Jean-Pierre-Jeunet fabuliert überhaupt ein für sich alleine stehendes Kunstwerk, dass sich zur Zukunft der Genetik mit geradezu bösartigem Sarkasmus äußert. Allerdings hat Jeunet 1997 bereits Ridley Scotts inhaltliche Ambition vorweggenommen. In seiner sehr persönlichen und eigenen neuen Geschichte hat die Genetik einen mindestens ebenso hohen Stellenwert wie in Alien – Die Wiedergeburt. 

Also betrachten wir des Weiteren lediglich die ersten beiden neuen Kapitel Scotts unter der Lupe. In seiner düsteren, brillant bebilderten Planetenvision haben wir es mit einem viralen Pathogen zu tun, welches von den sogenannten Ingenieuren entwickelt wurde. Ob dieser Virus nun synthetisch oder natürlichen Ursprungs ist, bleibt auch nach Alien: Covenant ungeklärt. Wieso diese unglaublich anpassungsfähigen Mikrolebewesen in einem Raumschiff mit Kurs auf die Erde eingelagert wurden, verharrt ebenso als Akte X in den Annalen kosmisch-humaner Expansionsgeschichte. Was wir aber wissen, ist, dass es sich bei dem Pathogen um einen biologischen Allrounder handelt.

Dieses Virus, oder was immer es auch ist, kann alles. Alles zerstören und sich auf jede erdenkliche Art und Weise verändern, vermehren, anpassen und entstehen. Das egoistische Gen, das vor einiger Zeit der Darwinist Richard Dawkins als Ruler über uns Menschen theoretisiert hat, bleibt im Angesicht dieses höchst aggressiven Evolutionsbausteines so klein und arm wie eine Kirchenmaus. Beim Alien-Gen hat es die Menschheit mit einem Egoisten zu tun, der im Survival-Wettlauf of the Fittest die wohl effektivste Ellbogentaktik beherrscht., Dawkins, Charles Darwin oder Carl Sagan wären bei so einem Albtraum schweißgebadet in ihren Betten aufgewacht. So eine radikale Weiterführung ihrer entwicklungsbiologischen (Hypo)thesen hätten sie dann doch nicht haben wollen. Ridley Scott aber zeigt ihnen die kalte Schulter. Seine Biologie gewinnt Gold. Und macht aus Spezialisten, die wissen, wo in ihren evolutionären Nischen ihr Platz ist, Experten für globales Tabula Rasa. Das Alien in all seinen Auswüchsen – ob als Wurm, Pilzmyzel, Weichtier, Achtfüßer oder humanoider Drache – macht keine Gefangenen. Warum auch. Es ist ein egoistisches Gen, das bereit ist, alles zu vernichten. DAS ist natürliche Auslese. Alles andere ist Mumpitz. 

Ehrlich gesagt – anders wollen wir den Neomorph oder Xenomorph gar nicht sehen als etwas, das alles andere kaputt macht, bevor es selbst kaputt gemacht wird. Diesen Willen des Überlebens und Ausbreitens finden wir in so aggressiven Viren wie Ebola oder Malaria. Jetzt muss man sich folgendes vorstellen: Hätten irdische Viren das Zeug, sich zu Zellen zusammenzuschließen und sich körperlich zu manifestieren – dann, ja dann hätten wir ein Alien. Oder eines dieser Ausgeburten, je nachdem, womit wir diese Gene kreuzen. 

Die Vielfalt des Aliens könnte bereits ein kleines Lexikon füllen. Auch in Alien: Covenant haben wir es mit neuen Arten zu tun. Schön für die Wissenschaft. Schlecht für die unsäglich naiven Kolonisten, die aus Spaß an der Freude und eigentlich aus Bequemlichkeit heraus einen völlig unbekannten Planeten ansteuern und einem kryptischen Funkspruch nachstellen, der sie ins Verderben stürzt. Wie sehr man seinen Vertrag – seinen Covenant – missachten kann, dass zeigen Katherine Waterston (leider keine Sigourney Weaver), Billy Crudup und andere. Ihr Untergang ist hausgemacht, also hält sich mein Mitleid ziemlich in Grenzen. Leider hält sich auch die Monstershow in Grenzen. Wenn es hochkommt, dann zeigt sich das Vieh summa summarum aufregende 15 bis 20 Minuten. Eine Enttäuschung. Gut, diese Minuten sind das Kinoticket schon wert. Vor allem in den Bodyhorror-Szenen, in denen unter kaltem Neonlicht hysterische, bananenköpfige Babys mitsamt glitschiger Nachgeburt auf den Fliesenboden klatschen. So grausig es ist – da jubelt das Herz des Alien-Fans. Es jubelt auch, wenn Scott sein Original auf ehrerbietende Weise und mit Alien-Closeup genüsslich zitiert. Doch um das Alien geht es ernüchtenderweise nur sekundär. Alien: Covenant erzählt wider Erwarten eine andere Geschichte als bisher in diesem Kosmos. Das ist erfrischend, interessant und kurzweilig. Scott schafft es fast dreiviertel seines Filmes, sich nicht selbst zu kopieren. Alle Achtung. Was er sich ausgedacht hat, ist neu – und rückt den Focus auf die Schlüsselfigur des Androiden David aus dem Vorgänger Prometheus. Weniger auf die Kreatur selbst, die Mittel zum Zweck oder zufälliges Ergebnis wilder Experimente bleibt. Viel mehr konzentriert sich die Science-Fiction-Oper auf die Ambitionen eines Androiden, sich über seinen Schöpfer zu stellen – womit Scotts Themenradius um künstlich geschaffene Intelligenzen auch Richtung Blade Runner schielt. Der Weyland-Humanoiden träumt demnach zwar nicht unbedingt von elektronischen Schafen, aber immerhin von der Macht, Leben zu erschaffen. Sehr anthroposophisch, das Ganze. Aber gut durchdacht. 

Dennoch bleibt der Nachgeschmack nach Alien: Covenant zwar metallisch-blutig, aber durchwachsen. Ich will nicht sagen, dass die letzte halbe Stunde misslungen ist – doch dahingeschludert ist sie auf jeden Fall. Zum Showdown fällt den Drehbuchautoren nichts Neues mehr ein. Alles endet dort, wo das Original-Alien seine spannendsten Minuten hat. Und da wissen wir bereits, wie es endet. Schnell noch den Xenomorph erledigen, dann ab in die Kojen. Genauso fühlt es sich an – lieb- und ideenlos. Dabei hätte das nun perfekt getrickste Untier mehr Potenzial gehabt, um auch in anderem Kontext in Erscheinung zu treten. Vielleicht hebt sich Scott dies für Teil 3 auf – obwohl dieser zwischen Prometheus und Covenant angesiedelt sein soll. Wie auch immer – Alien-DNA hat der Film jede Menge, die Story ist stringent, die Crew nach wie vor undiszipliniert. Doch Angst vor seiner eigenen und Giger´s Kreatur sollte der Film keine haben.

Scheint aber leider so.

 

 

 

Alien: Covenant

Die versunkene Stadt Z

DEN DSCHUNGEL IM KOPF

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2010 veröffentlichte der amerikanische Journalist David Grann ein Buch, das sich kurzerhand in meiner Hausbibliothek wiederfinden durfte, da meine Vorliebe für Entdeckergeschichten aller Art eine ist, die man nur schwer oder gar nicht unterdrücken kann.

In seinem fein säuberlich recherchierten und spannend geschriebenen Tatsachenbericht Die versunkene Stadt Z hat sich Grann einem der letzten Mysterien der Neuzeit angenommen: dem Mythos rund um Colonel Percy Fawcett, Vater von drei Kindern, Kartograph, Abenteurer und Militarist. Der leidenschaftliche Perfektionist hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts, während einer Flussvermessung im Grenzgebiet zwischen Bolivien und Brasilien, in den Kopf gesetzt, auf Basis spärlicher archäologischer Spuren dem Geheimnis einer goldenen Stadt nachzugehen, die im unbekannten Dickicht Amazoniens immer noch auf ihre Entdeckung zu warten schien. Eine gescheiterte Expedition und ein ganzer Weltkrieg später macht sich Fawcett erneut auf den Weg. Gemeinsam mit seinem nun fast schon erwachsenen Sohn, um endlich Gewissheit zu erlangen. Diese letzte Reise wird eine Irrfahrt ohne Wiederkehr.

Wer sich für Geografie, Entdeckungsgeschichte und Archäologie interessiert, wird die dramatischen Ereignisse ziemlich sicher kennen. Grann´s Buch zu lesen ist fast so, als würde man selbst auf die Suche gehen nach jemandem, der wie vom Erdboden verschluckt wurde. Das Spannende: noch Jahrzehnte später haben sich, finanziert mithilfe des Vermögens von Fawcetts Ehefrau, Abenteurer auf den Weg gemacht, die Verschwundenen zu finden, was fast noch aufregender ist als die verhängnisvolle Odyssee an sich. Damals schon, 2010, war auf dem Klappentext des Buches davon die Rede, dass Brad Pitt demnächst in der Verfilmung von Fawcett´s Leben die Hauptrolle übernehmen wird. Klar, dass ich der Sache nachgegangen bin, doch nichts dergleichen ließ sich im Internet finden. Fast 7 Jahre später kam sie dann – die Verfilmung. Ohne Brad Pitt, oder zumindest nur als Produzent, während Regisseur James Gray (Two Lovers, Helden der Nacht) den charismatischen Newcomer und Sons of Anarchy-Star Charlie Hunnam in Szene setzen durfte. Und seit den letzten Filmen mit Brad Pitt bin ich froh, dass jemand anders als der medienmüde Ex-Ehemann von Angelina Jolie diese prägnante Charakterrolle übernommen hat. Hunnam ist der ideale Kandidat. Und das nicht, weil er dem jüngeren Brad Pitt zum Verwechseln ähnlich sieht. In seiner Rolle als Col. Fawcett gibt sich der charismatische Blondschopf ausdrucksstark, draufgängerisch, konzentriert und vor allem eines: diszipliniert. Genau diese Charaktereigenschaften schreibt David Grann, beruhend auf Fakten, auch der realen Person des Percy Fawcett zu. Wenn der fürs Kino adaptierte Fawcett mit konzentrierter, überlegt betonter und leiser Stimme seine Überzeugungen kundtut, gibt es selbst für uns Zuseher keinen Zweifel mehr, dass an der Sache mit El Dorado nicht doch etwas dran sein muss. Dank Hunnam wird die biografische Vorlage des Buches lebendig. Dabei beeindrucken nun weniger die stimmungsvollen Aufnahmen aus dem Dschungel, die man zwar gerne, aber oft schon gesehen hat, als vielmehr die Schauspieler, die den vergangenen Ereignissen greifbares Leben einhauchen. Die wandelbare Sienna Miller trägt da ebenso ihren Teil dazu bei wie Ex-Edward Cullen Robert Pattinson, der immer noch vehement gegen die Twilight-Strömung schwimmt und sich mit Rauschebart bis zur Unkenntlichkeit gegen den Strich besetzt.

James Gray schafft es, mit Die versunkene Stadt Z das Sachbuch von David Grann geschickt zu dramatisieren. Spekulatives Beiwerk lässt er außen vor und konzentriert sich auf das Wesentliche – auf die Lust und die Gier, Geheimnisse zu entmystifizieren. Auf den egomanischen Dschungeltrip durch die Psyche eines unruhigen, ruhelosen Geistes.

 

 

Die versunkene Stadt Z