Vesper Chronicles

ERNTEN WAS MAN SÄT

5,5/10


vesper© 2022 Plaion Pictures


LAND / JAHR: LITAUEN, FRANKREICH, BELGIEN 2022

BUCH / REGIE: KRISTINA BUOZYTĖ & BRUNO SAMPER

CAST: RAFFIELLA CHAPMAN, EDDIE MARSAN, ROSY MCEWEN, RICHARD BRAKE, EDMUND DEHN, MÉLANIE GAYDOS U. A. 

LÄNGE: 1 STD 54 MIN


Die Welt hat sich wieder mal selbst ins Aus gekickt. Übrig bleiben triste Wälder, brach liegende Äcker, sumpfige Landschaften. Ungefähr so, wie es derzeit im Baltikum aussieht, nur unfruchtbar, jenseits allen bislang erreichten Fortschritts. Verwahrlost, verarmt – und Wegelagerern begegnet man auf jeder Lichtung. Die Reichen und auf der Butterseite des Lebens Dahergeschlitterten haben sich im wahrsten Sinne des Wortes in ihre teuer erkauften Blasen zurückgezogen, genannt die Zitadellen. Doch viele haben gar nichts, und können sich ein Leben in der Zitadelle ungefähr so vorstellen wie wir uns den Lottosechser. So eine vom Leben enttäuschte junge Dame ist Vesper – ein Teenager, der seine geistige Entwicklung auch nicht gerade verschlafen hat, mit seinem autodidaktisch angeeigneten Knowhow an Biomechanik herumexperimentiert und die halbe Hütte als Labor benutzt. Unweit davon entfernt züchtet Vesper selbst kreierte Pflanzen, mit dem Ziel, etwas Fruchtbares zu schaffen, von dem alle leben könnten. Pflanzen jedoch haben den Planeten fest im Griff. Geht man in den Wald, scheint es so, als gerät man in die verbotene Area X aus Jeff VanderMeers Southern Reach-Trilogie (Auslöschung). Dort hat die Botanik alles tierische Leben ersetzt und Nischen gefüllt, ganz so, wie man es erwarten würde, hätte die Evolution eben Platz geschaffen  für Virtuosen aus leuchtenden Stielen, todbringenden Stacheln und sonstigen Extremitäten, die sich gerne irgendwo festsaugen. Vesper scheint durch die Landschaft eines fremden Planeten zu stiefeln, an ihrer Seite ein schwebender Kubus – ein biomechanisches Sprachrohr, das Vespers Vater ersetzen soll, der, ans Bett gefesselt und womöglich an einem Locked In-Syndrom leidend, zumindest auf diese Weise aktiv am Leben seiner Tochter teilhaben kann.

Da passiert es und Vesper findet Camellia, eine Bewohnerin aus einer der Zitadellen, die mit ihrem Gleiter über den Wäldern Bruchlandung erlitt. Allerdings war da noch jemand im Flugzeug, und zwar deren Vater. Also macht sich der toughe Teenie auf die Suche nach ihm und kommt bald ihrem Onkel Jonas (Eddie Marsan) in die Quere, der die Elite verabscheut und nicht nur das – Jagd auf künstlich gezüchtete Humanoide macht.

Über allem allerdings schwebt die Aura einer gewissen Zuversicht, die man besitzt, wenn man das Genom alles Lebendigen entschlüsselt hat und damit herumfuhrwerken kann wie mit einer Kiste voller Lego. Auch wenn Gaia nicht mehr das ist, was sie mal war, könnte es einen neuen Anfang geben. Diese Hoffnung macht diese postapokalyptische Düsternis erträglich und erlebbar, und überhaupt beeindruckt die Fülle an fantastischer, fahlbunter botanischer Biomasse, die atmet und pulsiert. Vesper Chronicles ist aber nicht nur die Coming of Age-Geschichte mit einer ordentlichen Portion Albtraum für Botanophobiker, denen Würgefeigen und The Little Shop of Horrors längst schon keinen Kick mehr geben. Ein bisschen liebäugelt die litauische Autorenfilmerin Kristina Buozytė (Vanishing Waves) und der Franzose Bruno Samper mit Versatzstücken aus Ridley Scotts erdachter Welt der Replikanten und Blade Runner. Nur ist Vesper Chronicles im Vergleich dazu die Schrebergarten-Version. Hier dominieren von Pilzsporen befallene Holzverschläge und das Interieur sich selbst überholter Retro-Science-Fiction. Und ja, das sieht verdammt gut aus. All das Pflanzliche, Wuchernde, verbunden mit futuristischer Verschleißtechnik, die sich in einer zwischen zwei Atemzügen befindlichen Welt aus technologischen Wracks und bizarr gekleideten Schrottsammlern, die wie Brueghel-Figuren durch die herbstliche Endzeit trotten, zusammensetzt, könnte in den Büchern von Simon Stalenhåg zu finden sein. Oder in den Romanen russischer Zukunftsliteraten wie den Gebrüdern Strugatzki (Stalker). Das alles entfacht eine berührende Stimmung. Doch Stimmung allein trägt selten einen Film fast über zwei Stunden. Zwischen all den Wendepunkten auf der Suche nach einem Neuanfang lässt sich das Regieduo oftmals zu viel Zeit. Der Plot ist träge und langatmig, Spannung gibt es kaum. Was man für Vesper Chronicles braucht, ist also Geduld – die einem immer wieder abhandenkommt, wenn die leidlich interessante Beziehung zwischen Mutterfigur Camellia und der jungen Vesper vertieft wird. Da mag Raffiella Chapman noch mehr Hoffnung schöpfen für die Zukunft – unsereins schaut derweil auf die Uhr.

Vesper Chronicles

Percy

DAS GELD LIEGT AUF DEM FELD

5/10


percy© 2020 PVM Productions INC. 2019 / Mongrel Media


LAND / JAHR: USA, KANADA, INDIEN 2020

REGIE: CLARK JOHNSON

CAST: CHRISTOPHER WALKEN, CHRISTINA RICCI, ZACH BRAFF, LUKE KIRBY, ROBERTA MAXWELL, MARTIN DONOVAN U. A. 

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


Monsanto, Bad Guy der globalen Konzernwelt: Jetzt ist das Unternehmen seit 2018 Teil von Bayer AG, der Name ist also Geschichte, und zwar eine, in welcher sich der Saatgutriese selten Freunde gemacht hat. Gerade noch dem Damoklesschwert des Giganten entronnen war ein Farmer namens Percy Schmeiser, der durch Zufall Saatgut von Monsanto auf seinen Feldern hatte. Wie man das feststellen kann? Durch Herumschnüffelei und Gen-Sequenzierung. Dabei ist den konzerneigenen Kontrolleuren aufgefallen, dass die patentierte Gen-Sequenz – nämlich das namentlich durchaus berühmt-berüchtigte Round-up – einfach so in Schmeisers Rapspflanzen auftaucht. Das geht natürlich nicht, so ganz ohne Abgaben. Doch Percy weiß von nichts. Hat niemals auch nur ein Gramm Saatgut von Monsanto erstanden, was dem Konzern natürlich egal ist – denn dieser fordert Nachzahlung. Nicht mit Percy, der alle Welt klarmachen will, dass Wind, Wetter und Evolution nicht für wirtschaftliche Gier instrumentalisiert werden können.

Dieses Unterfangen wird fast dessen Existenz kosten – zur Seite stehen ihm zumindest die Medien sowie einige NGO-Vertreter, die den hartnäckigen Farmer zumindest auch juristisch unterstützen können. Denn der geht vor Gericht, wobei natürlich der Vergleich David gegen Goliath gerne bemüht werden kann. Für den auf sein Recht pochenden Kleinunternehmer konnte Altstar Christopher Walken gewonnen werden, womit dieser nun aus der Rubrik „Was wurde aus“ getrost gestrichen werden kann. Mit Hut und Bart macht der Star aus Die durch die Hölle gehen eine gestandene Figur – ihm zur Seite entdecken wir Christina Ricci, die sich ebenfalls längere Zeit versteckt gehalten hat (wer gut aufpasst, kann sie gar im neuen Matrix-Ableger zumindest für ein paar Minuten bewundern). Doch abgesehen von diesen beiden freudvollen Momenten des Wiedersehens gerät Percy, ein Film mit brisantem Potenzial und wirtschaftsrechtlicher Aussagekraft, zu einer bedauernswert uninspirierten Auftragsarbeit, die, so hat man das Gefühl, gemacht wurde, weil sie gemacht werden muss, vielleicht auch ermöglicht durch diverse finanzielle Zuwendungen entsprechender Interessensgruppen – ich weiß es nicht.

Percy Schmeiser mag zwar als Begründer eines längst überfälligen Präzedenzfalles eine bemerkenswerte Person gewesen sein – Clark Johnson kann diesen Umstand aber nicht so recht einfangen. Vielleicht lässt sich Christopher Walken auch vermehrt lieber herumschubsen als proaktiv seinen Filmcharakter zu variieren – die Performance bleibt so eintönig wie ein Maisfeld, die Regie schleppt sich dahin. Ein Film vom Kaliber wie Vergiftete Wahrheit ist dieser halbambitionierte Beitrag zur globalen Marktwirtschaft nicht geworden.

Percy

I Am Mother

DIE ZUKUNFT MEINT ES GUT

7/10

 

IAmMother© 2019 Concorde Filmverleih

 

LAND: AUSTRALIEN 2019

REGIE: GRANT SPUTORE

CAST: CLARA RUGAARD, HILARY SWANK, LUKE HAWKER, ROSE BYRNE (STIMME) U. A.

 

Was wurde eigentlich aus Neill Blomkamp? Seit Chappie habe ich nichts mehr von ihm gehört, ich weiß nur, dass er mit den Oats Studios so eine Art Talentschmiede betreibt, in der dystopisch-technologische Kurzfilme auf Langfilmtauglichkeit getestet werden. Jetzt gibt es da so einen Film, der bei uns im Gegensatz zu unseren deutschen Nachbarn von den Lichtspielhäusern verschmäht wurde und sich ungefähr so anfühlt, als hätte ihn eben Neill Blomkamp inszeniert oder zumindest produziert. Diese streng komponierte Science Fiction nennt sich I Am Mother, ist aber australischen Ursprungs. Der Android, der da eine wesentliche Rolle spielt, der erinnert schon sehr an diesen Chappie, hat aber eine komplett andere Funktion. Dieser Android hier, der übernimmt die Rolle einer Mutter. Und zwar in Zeiten, die für den Homo sapiens alles andere als rosig sind, in denen Homo sapiens eigentlich gar nicht mehr existiert, weil er sich im Rahmen eines nicht näher beleuchteten Krieges selbst von der Landkarte getilgt hat. Irgendwo in der postapokalyptischen Ödnis gibt es aber sowas ähnliches wie ein Safe House für unzählige menschlicher Embryonen, die quasi als Backup dienen sollen, wenn’s mal wirklich ans humane Reinemachen geht. Entstehen soll mit diesen in Kühlkästen aufbewahrten Menschlingen ein besserer Mensch. Und Mutter, der Roboter, sorgt dafür.

Werbefilmprofi Grant Sputore erwähnt in seinem Regiedebüt jenen Aspekt auf eine technologisierte Zukunft, die das Franchise rund um Skynet und den Terminator nie aufgegriffen hat. In James Camerons finsterer Zukunft sind die Maschinen darauf aus, den Menschen zu unterdrücken. In I Am Mother sind sie darauf aus, dem Menschen ein neues Reset zu verpassen, aber erst, wenn der denkende Organismus perfekt genug ist – aus Sicht der Maschinen. Das weiß aber die namenslose junge Tochter noch längst nicht. Bislang kennt sie nichts anderes, nur die Maschine als ihre Bezugsperson. Für das Graugansküken war Konrad Lorenz schließlich genauso selbstverständlich, und ungefähr so lässt sich das vergleichen. Was den atmosphärischen Thriller dann erst so richtig in Fahrt bringt, ist der Irrtum, dass jenseits dieser trauten Bunker-Wohnung keine Menschenseele mehr existiert. Dem ist natürlich nicht so. Hilary Swank bricht in die idyllische Zweisamkeit aus Lernen, Prüfen und das tägliche Bekenntnis an eine fehlerlose Erziehung mit aggressivem Einfluss auf die pubertierende Tochter, die die Rolle der Mutter und den Sinn des Ganzen dann doch zu hinterfragen beginnt.

Hilary Swank wäre eine souveräne Alternative für die Rolle der Sarah Connor gewesen, zweifelsohne. Sie spielt die nach Überleben ringende Recht- und Gesetzlose mit der fürs Actionkino willkommenen Mischung aus Aufmüpfigkeit und Angst. Mutter, der Roboter, gesprochen von Rose Byrne (!) und bewegt von einem Mann, weckt mit ihrem zyklopenhaften Kameraauge Assoziationen zu Kubricks HAL 2000, wohl auch, weil dem mörderischen Computer mit seiner sanften Diplomatenstimme das Wohl eines höheren Planes näher war als die Zukunft einer technisch-organischen Partnerschaft. Sputore gelingt aber im letzten Drittel ein humanphilosophischer Kniff: er verdreht die wirklichen Ambitionen eines rationalen Computerhirns, wendet vielleicht gar Asimovs Robotergesetze an, spielt sich mit dem Steckbrief generischer Mutterschaft und fragt sich, ob Androiden nicht nur von elektrischen Schafen, sondern auch von einer glücklichen Familie träumen. Die Eckpfeiler des menschlichen Daseins bekommen in I Am Mother Haarrisse im Fundament, letztendlich aber lässt sich ein Mensch durch nichts ersetzen. Oder doch?

I Am Mother

Jurassic World: Das gefallene Königreich

DINOS UNCHAINED

7/10

 

jurassicworld2© 2017 Universal Pictures International Germany GmbH

 

LAND: USA 2018

REGIE: J. A. BAYONA

MIT BRYCE DALLAS HOWARD, CHRIS PRATT, JAMES CROMWELL, JEFF GOLDBLUM, TED LEVINE, TOBY JONES, GERALDINE CHAPLIN U. A.

 

Ich wünschte, der Vulkan auf Isla Nublar wäre um einige Jahre früher ausgebrochen. Zumindest vor 2015. Denn da durfte nämlich Universal seinen brandneuen Beitrag rund um T.Rex und Konsorten vom Stapel gelassen. Wäre der Vulkan 2014 ausgebrochen, wäre mir die wirklich misslungene Kopie von Steven Spielberg´s Original erspart geblieben. Nichts gegen all jene Raptoren und Sauropoden, auch nichts gegen all die Karnivoren und sonstigen Vogelbecken- und Echsenbeckensaurier. Ich liebe sie alle heiß, und das soweit ich zurückdenken kann. Was mich nicht davon abgehalten hat, Jurassic World kopfschüttelnd Daumen runter zu diagnostizieren. Das lag vor allem an den unsympathisch affektierten Schauspielern, und am erschreckend einfallslosen Plot. Der künstliche Supersaurier Indominus rex hat dem ganzen dann noch die Krone der verzichtbaren Trümpfe aufgesetzt. Als würden sich die sowieso schon genetisch modifizierten Spezies von damals nicht längst anders verhalten. Und als wäre die Ehrfurcht vor der ganzen prähistorischen Artenvielfalt nicht ohnehin schon das höchste der Gefühle. Da ich aber wie schon erwähnt all die leicht- und schwergewichtigen, gefiederten und gepanzerten Kreucher und Fleucher wahnsinnig gerne nicht verpassen will, stand Jurassic World: Das gefallene Königreich aben auf meiner Watchlist. Auch weil der Trailer so richtig Schmackes hatte und mit seinem Einblick in animierte Naturgewalten zumindest so getan hat, als würde er mir das Graue vom aschebewölkten Himmel versprechen. Pyroklastische Ströme inbegriffen.

Also knotze ich auch diesmal mit kesser 3D-Brille bestenfalls Mitte Mitte im Kinosaal, habe relativ niedrige Erwartungen, freue mich aber auf die da kommenden hereinbrechenden Schauwerte. Wie eine Insel explodiert, das sieht man nicht alle Tage. Und bei Krakatau anno 1883 war ich auch nicht live dabei. Obwohl dessen Folgen über Jahrzehnte hinweg sichtbar gewesen wären. Davon ist bei Jurassic World 2 nichts zu sehen. Auch ist diee Größe der Isla Nublar einem unberechenbaren JoJo-Effekt unterworfen. Hat Michael Crichton diese Insel in seinem Buch noch relativ überschaubar angelegt, ist sie im Film mal von regenwaldgrünen Schluchten durchzogen, und mal wieder so groß wie ein Vulkankegel. Natürlich bleibt bei letztgenannten Parametern von der Insel nicht viel übrig, wenn mal der Magmaschlot nicht mehr kann. Andererseits aber gäbe es theoretisch genug Rückzugsmöglichkeiten für zumindest einige Exemplare unserer geliebten Retorten-Dinos. Da hätte auch Chaostheoretiker Ian Malcolm zugestimmt, ohne wieder einmal gottspielend eingreifen zu müssen. Das hat er ja schon anno 1993 kritisch beäugt. Und ist knapp mit dem Leben davongekommen. Jeff Goldblum´s Anhörungs-Cameo ist dann schon eine liebevolle Reminiszenz. Ich wünschte er hätte mehr Sendezeit bekommen. Doch wo hätte das hingeführt? Er hätte Bryce Dallas Howard und „Star Lord“ Chris Pratt ohnehin die Show gestohlen. So sehr sich die beiden auch im 5. Abenteuer zusammenreißen. Und ich muss ihnen zugute halten – sie bemühen sich diesmal wirklich, weder als kreischender Kathleen Turner-Verschnitt noch als tumber Möchtegern-Grzimek die Show zu vermasseln. Nein, diesmal engagieren sie sich auf der richtigen Seite. Und das liegt vermutlich am dramaturgisch geschickten Händchen von J. A. Bayona, der sich ja prinzipiell mit Naturkatastrophen bestens auskennt (The Impossible) und auch Dramatisches mit Irrealem gut verbinden kann (Sieben Minuten nach Mitternacht, Das Waisenhaus). Klar erkennbar, der Mann weiß, welche Richtung das Franchise wieder einschlagen muss. Auf seinem Spickzettel: Plotmäßig bitte nichts mehr von Bewährtem, dafür aber gerne mehr aus der alten Spielberg-Schule und wenn wir schon so weit sind, tackern wir die evolutionäre Möbius-Schleife an einer Stelle zusammen, an der es kein Zurück mehr gibt. Und denken wir doch einfach die Perversion eines kolossalen Rippenbruchs in Sachen Genetik zu Ende. Natürlich so, wie sich das der kleine Max vorzustellen hat. Nichts kognitiv wirklich Herausforderndes, Fortschrittskritik von seiner simpelsten Sorte. Aber wer braucht schon wissenschaftliche Genauigkeiten, das Ganze ist ohnehin schon so absurd. Ein bühnentaugliches Gedankenspiel mit erhobenem Zeigefinder, den wir zum Takt feuchtfröhlicher Kataklysmen tanzen lassen. Zuzusehen, wie das Königreich zerfällt, macht somit tatsächlich Spaß und gefällt unerwartet gut.

Bayona setzt vielmehr auf Suspense als sein Vorgänger und hat sich sichtlich an Steven Spielberg´s Methoden erinnert. In Jurassic World: Das gefallene Königreich gibt es keine einstürzenden Hochschaubahnen mehr, aus dem Ruder läuft aber so gut wie alles. Das taktisch kluge Drehbuch von Colin Trevorrow und Derek Connolly zieht dort die Zügel an, wo sich mehr Spannung aufbauen lässt und grenzt seine Spielwiesen räumlich ab. Bot die Isla Nublar noch so viele Fluchtmöglichkeiten wie eine brennheiße Herdplatte im Nirgendwo, verwüsten die Radaubrüder aus dem Jura in Folge ein herrschaftliches Gemäuer, das aus einem Haunted House-Grusler entsprungen sein könnte. Wenn der hochgezüchtete wie blitzgescheite Indoraptor einem Nosferatu gleich im Blitzlicht eines tosenden Gewitters bedrohliche Schatten auf die Wände des Kinderzimmers wirft, wenn ein aufgestachelter Pachycephalus im Alleingang ein Auditorium raffgieriger Dino-Verschacherer aufmischt, hat Jurassic World: Das gefallene Königreich seine besten Momente. Der grundtriviale Spaß nimmt sich niemals wirklich ernst und setzt charakterlich auf harte Kontraste, schlägt aber manchmal auch übermütig über die Stränge Richtung Klamauk. Die Attraktion fest im Griff hat der Film aber trotzdem und führt seine durchaus spannende und kurzweilige Saurier-Entfesselung konsequent zu einem vorläufigen Ende. Entfesselung trifft es übrigens ziemlich genau, dabei könnte ich mir fast vorstellen, wie es wäre, würde Tarantino mal die Natural Born Monsters aus der Sklaverei befreien. Viel fehlt nicht mehr, Blut spritzt ohnehin schon in diesem schadenfrohen Epos rund um gequirlte Erdgeschichte, Katastrophen und der Neuordnung sämtlicher Nahrungsketten.

Jurassic World: Das gefallene Königreich

Rampage

HALALI ZUM WILDLIFE-WRESTLING

5/10

 

rampage© 2000-2018 Warner Bros.

 

LAND: USA 2018

REGIE: BRAD PEYTON

MIT DWAYNE „THE ROCK“ JOHNSON, NAOMIE HARRIS, JEFFREY DEAN MORGAN, MALIN AKERMAN U. A.

 

Die Elternschaft aller Kinogeherinnen und Kinogeher wissen, wovon ich schreibe: Da will man einmal das Kinderzimmer betreten, und es geht nicht. Ein aussichtsloses Unterfangen. Der Spielteppich und die Wohnfläche darüber hinaus sind verwüstet. Im Zentrum des Wahnsinns ist gerade noch eine Stadt aus Bausteinen zu erahnen, die aber schon ziemlich mitgenommen aussieht. Dazwischen Figuren, denen die einen oder anderen Extremitäten fehlen. Und dann diese Dinos und Drachen eines bekannten deutschen Figurenherstellers, die alles breitgetreten haben. Zwischen all den Relikten einer sagenhaft aggressiven Zerstörungsorgie: Zufriedene, aber überreizte Kinder. Gut, der Tag war lang, ab ins Bett. Wer sich das so ungefähr vorstellen und gleich noch dazu die Antwort auf die Frage geben kann, wer das alles wieder aufräumen wird, darf erahnen, was beim neuen Film mit Dwayne „The Rock“ Johnson auf ihn zukommt. Und ja, es ist was großes. Aber so groß nun auch wieder nicht.

Rampage ist wie ein Kinderzimmer während und nach einer Spielzeugschlacht. Man muss auch wissen, das von einem Film, der sich Rampage nennt, nichts anderes zu erwarten ist als Rampage – nämlich Randale, Tobsucht, Amoklauf. Dabei versucht der Film sogar, dem Mutantentheater so etwas wie eine Einleitung voranzustellen. Was wäre da nicht einfacher, als die schon gefühlt unendlich oft vorgekaute Angstmacherei rund um unsere Gene einzuschreddern. Das Ausschlachten dieser Wissenschaft fernab jeglicher Realität ist deswegen so simpel, weil man das Ganze nicht zu verstehen braucht. Das Wort Gene an sich ist schon ein Schreckgespenst, da weiß ein jeder, dass sich da ein gestörtes Verhältnis zum eigenen Körper in progress befindet und gewiss Kollateralschäden verursacht. Wunderbar einfach, eigentlich schon fertig, das Drehbuch. Eine sinistre Organisation mit ebenso sinistrem Personal – und der Spielteppich ist vorbereitet. Dwayne Johnson kann kommen – und er kommt. Und er ist so, wie wir ihn erwartet haben. Er ist auch nie anders. Eigentlich, und obwohl mir das eigentlich schon viel früher so richtig bewusst hätte werden sollen, hat Dwayne johnson von Schauspielerei nicht den blassesten Schimmer. „The Rock“ ist „The Rock“. Muss er denn in kopflastigem Method Acting die Essenz seiner Rollen spüren? Nein, das sollen andere machen. Und außerdem ist der wandelnde Kleiderschrank so einnehmend sympathisch, dass es reicht, einfach ihn selbst sein zu lassen. Also, wohlgemerkt: wenn Dwayne Johnson draufsteht, ist Dwayne Johnson drin. Und zumindest ich sehe ihm beim Praktizieren dieser einfachen Formel durchaus gerne zu.

Das lässt sich bei mir auch auf Monster ummünzen. Wer meine Reviews kennt, dem wird meine Liebe zu Kreaturen aller Art nicht verborgen geblieben sein. Die Tiermutanten in Rampage sind animationstechnisch wieder mal State of the Art. Wenn sich der Warzenschwein-Alligator durch Chicagos Häusermeer wühlt, der große böse Wolf einen auf Stachelschwein macht oder der Albino-Primat in einer modernisierten Version des guten alten King Kong alles auf die Spitze treibt, können Genre-Liebhaber durchaus vergünglichen Momenten beiwohnen. Klarer Fall von Kaiju-Kino, wie es der südostasiatische Mainstream gerne sieht. Rundherum aber registriere ich weitgehend tote Hose, überraschungsfrei und unfreiwillig trivial. Nichts gegen Trash, noch dazu Edeltrash, das ist die King Kong-Hommage im Stile eines Roland Emmerich von vornherein, und das weiß das Publikum auch. Allerdings scheint es so, als wäre das unausgewogen getimte, dröhnende Krawallkino noch mehr in Richtung Unfug abgeglitten als von den Machern beabsichtigt. Zum Haareraufen, wenn zum Beispiel der Gorilla seine Ernährung umstellt. Vergnüglich wiederum, wenn „Watchman“ Jeffrey Dean Morgan als Süffisanz in Person das Klischee des FBI-Agenten karikiert. Na gut, zum Glück muss ich dann Chicago nicht wieder aufräumen, sondern nur den samtbezogenen Sitzplatz im Kino. Und vielleicht das Kinderzimmer.

Rampage

Okja

AUF DEN SCHWEINEHUND GEKOMMEN

5/10

 

An Seo Hyun as Mija in OKJA© 2017 Netflix

 

LAND: USA, SÜDKOREA 2017

REGIE: BONG JOON-HO

MIT TILDA SWINTON, AHN SEO-HYEON, JAKE GYLLENHAAL, PAUL DANO, GIANCARLO ESPOSITO, LILY COLLINS U. A.

 

Wie heisst es doch so schön: Überwinde deinen inneren Schweinehund! Was sich aber jeder von uns wahrscheinlich irgendwann mal gefragt hat: Wie sieht denn so ein Schweinehund eigentlich aus? Und wäre es nicht besser, ihn bei sich aufzunehmen als loszuwerden? Die Antworten darauf hat womöglich der südkoreanische Filmemacher Bong Joon-Ho hier parat, leidet doch in seiner neuen Kinovision die Menschheit der nahen Zukunft unter akutem Versorgungsnotstand. Mit anderen Worten: das Fleisch wird knapp. Kein Problem, denkt sich da ein multinationales Unternehmen namens Mirando mit Sitz in den USA. Freudig offenbart die bis zur Selbstpersiflage grotesk entstellte Tilda Swinton bei einer Pressekonferenz die Lösung aller Probleme – mit dem eben erst entdeckten Superschwein, angeblich aus dem Dschungel Südamerikas. In Wahrheit aber eine gentechnisch hochgezüchtete Kreuzung aus Nilpferd, Nashorn und Dackel – wie ein Schwein sieht das Ungetüm nicht aus. Und viel größer ist es auch. Eines dieser extrem wohlschmeckenden Tiere weilt zur Aufzucht im Hochland Südkoreas, unter der Obhut eines Mädchens namens Mija. Dem treu dreinblickenden Waldelefanten mit den Hängeohren, der auf den Namen Okja hört, verleidet die selige Ruhe zwischen Bächen, Moosen und Bäumen ein Fernsehteam mitsamt Mirando-Anhang, die der sprichwörtlichen eierlegenden Wollmilchsau das Zertifikat des Superschweins verleihen wollen.

Klar, dass das ganze Tohuwabohu rund um dieses Allzweck-Vieh ordentlich Schweinereien hinterlässt. Ein medialer Trubel, der sich quer über den Globus bis nach New York spannt. Als bizarre Gallionsfigur Jake Gyllenhaal, der bis zum Exzess überzeichnet als Karikatur eines Steve Irwin die Nerven und den Selbstwert schmeißt. Ganz im Gegensatz zur kleinen Mija – das Mädel zeigt, wie Tierliebe wirklich aussieht, und wie man sich für seinen Schweinehund gebührend einsetzt, wenn es droht, abhanden zu kommen. Zum Glück oder Unglück ist da noch die Parodie sämtlicher Greenpeace-Aktivisten, die dem Gen-Terror das Wilde runterräumen wollen und das Superschwein als Köder in den Keller des Konzerns schicken. Somit sind alle möglichen, latent hysterischen Parteien am Laufen und Trudeln. Das liebevoll animierte Schwein schlägt sich wacker quer durch Seouls Straßen. In einem Film, bei dem Bong Joon-Ho sicher enorm viel Spaß gehabt haben muss.

Denn kopflastig ist Okja nicht geworden. Im Grunde ist es eigentlich ein Tierfilm, ja sogar eine Art Familienfilm, wenn man von einigen Gewaltspitzen absieht. Vorsetzen würde ich ihn meinem Nachwuchs trotzdem nicht. Dafür sind Joon-Ho´s Filme stilistisch viel zu fordernd. Wer seinen viel gerühmten Korea-Kassenschlager The Host kennt, weiß, wie sehr sich Joon-Ho´s Filme aus dem Fenster lehnen und sich selten um einheitlich emotionale Färbung scheren. Aber ganz genau das ist das Bemerkenswerte an diesem Kino aus Fernost. Sowohl schrillen Slapstick als auch gefühlvolle Momente bilden einen ineinandergreifenden Schulterschluss, verbunden durch das märchengleich Parabelhafte, dass seinen Werken inhärent ist. War The Host allein aufgrund seiner Sprache bemerkenswert, hat mich die Railway-Dystopie Snowpiercer komplett vom Hocker gehauen. Besser lässt sich zivilisationskritische Social-Fiction kaum auf die Leinwand zaubern. Klar ist die Erwartungshaltung folglich sehr hoch – und ich will nicht sagen, dass Okja im Vergleich dazu ziemlich enttäuscht. Doch das utopische Öko-Abenteuer rund um ein Mastvieh, das gerne in Glück und Zufriedenheit wie ein argloses Meerschwein durch den Tann streifen will und nicht darf, ist Joon-Ho´s bislang simpelster Film geworden. Kaum kontrovers, nur bedingt berührend, um nicht zu sagen tatsächlich etwas flach. Vielleicht ist der Genremix etwas wüst geraten, und soviel Lob für die bisherige Werkschau tut selten gut. Meist wirkt Okja so, als würde es mehr wollen, sich selbst aber im Weg steht und das Potenzial der Geschichte nicht ausschöpft.

Was zurück bleibt ist der schale Geschmack eines Abenteuers Marke Lassie oder Flipper, die Erinnerung an den x-ten Aufguss einer stereotypen Free Willy-Dramödie. Beim genauen Hinsehen ist es das aber nicht, es würde viel mehr Satire dahinterstecken, ohne allerdings hervorzutreten. Okja als schaumgebremste Tragikomödie zu bezeichnen hätte der starbesetzte Film im Grunde nicht verdient. Doch genau diese Essenz bleibt letztlich über, nebst den treuen Augen des dicken Dings, das den Film natürlich lohnt, wenn man Dickhäuter und Hunde mag. Klar, dass Okja keiner weggeben will. Würde ich auch nicht. Angesichts des holprigen Drumherums von Film allerdings wäre die Übersiedlung in einen spannenderen filmischen Kontext aber durchaus denkbar.

Okja

Alien: Covenant

SKLAVE DES HIMMELS, HERR DER HÖLLE

6,5/10

 

aliencovenant

Regie: Ridley Scott
Mit: Michael Fassbender, Katherine Waterston, Billy Crudup

 

Auch wenn der Film zwar optisch alle Stücke spielt, dramaturgisch aber etwas hinkt, würde ich Fans der Alien-Reihe durchaus anraten, Ridleys Scotts Prequel-Erstling Prometheus nochmal zu Rate zu ziehen. Die Frischzellenkur für den 2012 veröffentlichten Auftakt einer den Alien-Mythos erklärenden Trilogie hat zumindest mir den Einstieg in Alien: Covenant leichter gemacht. Und auch der sehr wohl durchdachte Plot der Monstersaga erschließt sich nach nochmaliger Betrachtung fast naht- und fugenlos und macht darüber hinaus auch wirklich Sinn – sowohl für Prometheus als auch für Alien: Covenant. Was man vom Original und den danach folgenden drei Sequels nicht sagen kann. Sie zu kennen ist – wie auch cinema festgestellt hat – tatsächlich nicht vonnöten. Selbst Ridley Scott ignoriert sie. Mit Aliens – Die Rückkehr, Alien 3 und Alien –  Die Wiedergeburt will der Altmeister seinen Xenomorph-Kosmos nicht kontaminiert sehen und ignoriert sie daher auch völlig. Somit teilen sich die Storylines von Alien in mehrere Parallelen. Bei Cameron´s Fortsetzung haben die Monster – wie wir alle wissen – gleich einem Bienenstaat eine Königin, die all die Eier legt, aus denen die Facehugger schlüpfen. In Alien 3 hinterfragt David Fincher in keinster Weise irgendeine Storyline, sondern schafft im Rahmen eines dystopischen Thrillers die Variable einer biologischen Bedrohung. Und Jean-Pierre-Jeunet fabuliert überhaupt ein für sich alleine stehendes Kunstwerk, dass sich zur Zukunft der Genetik mit geradezu bösartigem Sarkasmus äußert. Allerdings hat Jeunet 1997 bereits Ridley Scotts inhaltliche Ambition vorweggenommen. In seiner sehr persönlichen und eigenen neuen Geschichte hat die Genetik einen mindestens ebenso hohen Stellenwert wie in Alien – Die Wiedergeburt. 

Also betrachten wir des Weiteren lediglich die ersten beiden neuen Kapitel Scotts unter der Lupe. In seiner düsteren, brillant bebilderten Planetenvision haben wir es mit einem viralen Pathogen zu tun, welches von den sogenannten Ingenieuren entwickelt wurde. Ob dieser Virus nun synthetisch oder natürlichen Ursprungs ist, bleibt auch nach Alien: Covenant ungeklärt. Wieso diese unglaublich anpassungsfähigen Mikrolebewesen in einem Raumschiff mit Kurs auf die Erde eingelagert wurden, verharrt ebenso als Akte X in den Annalen kosmisch-humaner Expansionsgeschichte. Was wir aber wissen, ist, dass es sich bei dem Pathogen um einen biologischen Allrounder handelt.

Dieses Virus, oder was immer es auch ist, kann alles. Alles zerstören und sich auf jede erdenkliche Art und Weise verändern, vermehren, anpassen und entstehen. Das egoistische Gen, das vor einiger Zeit der Darwinist Richard Dawkins als Ruler über uns Menschen theoretisiert hat, bleibt im Angesicht dieses höchst aggressiven Evolutionsbausteines so klein und arm wie eine Kirchenmaus. Beim Alien-Gen hat es die Menschheit mit einem Egoisten zu tun, der im Survival-Wettlauf of the Fittest die wohl effektivste Ellbogentaktik beherrscht., Dawkins, Charles Darwin oder Carl Sagan wären bei so einem Albtraum schweißgebadet in ihren Betten aufgewacht. So eine radikale Weiterführung ihrer entwicklungsbiologischen (Hypo)thesen hätten sie dann doch nicht haben wollen. Ridley Scott aber zeigt ihnen die kalte Schulter. Seine Biologie gewinnt Gold. Und macht aus Spezialisten, die wissen, wo in ihren evolutionären Nischen ihr Platz ist, Experten für globales Tabula Rasa. Das Alien in all seinen Auswüchsen – ob als Wurm, Pilzmyzel, Weichtier, Achtfüßer oder humanoider Drache – macht keine Gefangenen. Warum auch. Es ist ein egoistisches Gen, das bereit ist, alles zu vernichten. DAS ist natürliche Auslese. Alles andere ist Mumpitz. 

Ehrlich gesagt – anders wollen wir den Neomorph oder Xenomorph gar nicht sehen als etwas, das alles andere kaputt macht, bevor es selbst kaputt gemacht wird. Diesen Willen des Überlebens und Ausbreitens finden wir in so aggressiven Viren wie Ebola oder Malaria. Jetzt muss man sich folgendes vorstellen: Hätten irdische Viren das Zeug, sich zu Zellen zusammenzuschließen und sich körperlich zu manifestieren – dann, ja dann hätten wir ein Alien. Oder eines dieser Ausgeburten, je nachdem, womit wir diese Gene kreuzen. 

Die Vielfalt des Aliens könnte bereits ein kleines Lexikon füllen. Auch in Alien: Covenant haben wir es mit neuen Arten zu tun. Schön für die Wissenschaft. Schlecht für die unsäglich naiven Kolonisten, die aus Spaß an der Freude und eigentlich aus Bequemlichkeit heraus einen völlig unbekannten Planeten ansteuern und einem kryptischen Funkspruch nachstellen, der sie ins Verderben stürzt. Wie sehr man seinen Vertrag – seinen Covenant – missachten kann, dass zeigen Katherine Waterston (leider keine Sigourney Weaver), Billy Crudup und andere. Ihr Untergang ist hausgemacht, also hält sich mein Mitleid ziemlich in Grenzen. Leider hält sich auch die Monstershow in Grenzen. Wenn es hochkommt, dann zeigt sich das Vieh summa summarum aufregende 15 bis 20 Minuten. Eine Enttäuschung. Gut, diese Minuten sind das Kinoticket schon wert. Vor allem in den Bodyhorror-Szenen, in denen unter kaltem Neonlicht hysterische, bananenköpfige Babys mitsamt glitschiger Nachgeburt auf den Fliesenboden klatschen. So grausig es ist – da jubelt das Herz des Alien-Fans. Es jubelt auch, wenn Scott sein Original auf ehrerbietende Weise und mit Alien-Closeup genüsslich zitiert. Doch um das Alien geht es ernüchtenderweise nur sekundär. Alien: Covenant erzählt wider Erwarten eine andere Geschichte als bisher in diesem Kosmos. Das ist erfrischend, interessant und kurzweilig. Scott schafft es fast dreiviertel seines Filmes, sich nicht selbst zu kopieren. Alle Achtung. Was er sich ausgedacht hat, ist neu – und rückt den Focus auf die Schlüsselfigur des Androiden David aus dem Vorgänger Prometheus. Weniger auf die Kreatur selbst, die Mittel zum Zweck oder zufälliges Ergebnis wilder Experimente bleibt. Viel mehr konzentriert sich die Science-Fiction-Oper auf die Ambitionen eines Androiden, sich über seinen Schöpfer zu stellen – womit Scotts Themenradius um künstlich geschaffene Intelligenzen auch Richtung Blade Runner schielt. Der Weyland-Humanoiden träumt demnach zwar nicht unbedingt von elektronischen Schafen, aber immerhin von der Macht, Leben zu erschaffen. Sehr anthroposophisch, das Ganze. Aber gut durchdacht. 

Dennoch bleibt der Nachgeschmack nach Alien: Covenant zwar metallisch-blutig, aber durchwachsen. Ich will nicht sagen, dass die letzte halbe Stunde misslungen ist – doch dahingeschludert ist sie auf jeden Fall. Zum Showdown fällt den Drehbuchautoren nichts Neues mehr ein. Alles endet dort, wo das Original-Alien seine spannendsten Minuten hat. Und da wissen wir bereits, wie es endet. Schnell noch den Xenomorph erledigen, dann ab in die Kojen. Genauso fühlt es sich an – lieb- und ideenlos. Dabei hätte das nun perfekt getrickste Untier mehr Potenzial gehabt, um auch in anderem Kontext in Erscheinung zu treten. Vielleicht hebt sich Scott dies für Teil 3 auf – obwohl dieser zwischen Prometheus und Covenant angesiedelt sein soll. Wie auch immer – Alien-DNA hat der Film jede Menge, die Story ist stringent, die Crew nach wie vor undiszipliniert. Doch Angst vor seiner eigenen und Giger´s Kreatur sollte der Film keine haben.

Scheint aber leider so.

 

 

 

Alien: Covenant