Butcher’s Crossing (2022)

MÄNNER FÜR ALLE FELLE

5/10


butcherscrossing© 2022 Splendid Films


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: GABE POLSKY

DREHBUCH: GABE POLSKY, LIAM SATRE-MELOY, NACH DEM ROMAN VON JOHN WILLIAMS

CAST: NICOLAS CAGE, FRED HECHINGER, JEREMY BOBB, PAUL RACI, XANDER BERKELEY, RACHEL KELLER U. A.

LÄNGE: 1 STD 45 MIN


Forrest Gump würde sagen: Nicolas Cage ist wie eine Schachtel Pralinen. Man weiß nie, was man bekommt. Denn Cage, der kann alles und will auch alles spielen, schreckt vor nichts zurück, mag Komödien genauso wie Action, Horror oder Experimentelles, das als Arthouse einem breiteren Publikum wohl nicht so unter die Nase geht. Grund genug für mich, immer mal wieder reinzuschnuppern, wenn der Set-Workaholic mit neuem Content von sich reden macht. Manche dieser Werke finden auch ihr Ziel auf der großen Leinwand, manches erfreut hierzulande nur im Stream.

Schüsse in den Ofen sind Cages Arbeiten längst nicht immer. Cage ist Profi, und als Profi lässt er Genres wie den Western genauso wenig aus. Um sich von seinen bisherigen Figuren auch optisch abzuheben, gibt’s diesmal die Radikalrasur. Narbige Glatze und Dreitagebart, das räudige Äußere eines zwielichtigen Abenteuers aus dem Billigpistolen-Paradies des Italiens der Sechzigerjahre. So lässt sich der in Büffelfell gehüllte und gemächlich einen Whisky schlürfende Klischee-Zampano auch ohne weiteres zu einer Expedition überreden, für die er schließlich keinen müden Dollar locker machen muss, packt doch den aus Boston direkt in die wilde Provinz verschlagenen und auch gut betuchten Studienabbrecher Will Andrews die Lust, eins mit der Natur zu werden und Leuten wie Miller (eben Nicolas Cage) in ein Territorium zu folgen, dessen Boden nur wenige Menschen zuvor betreten haben. Angeblich, so Miller, soll es dort noch die letzten großen Büffelherden geben, und da die Nachfrage für das Fell der Tiere noch größer als das Angebot scheint, lässt sich damit eine goldene Nase verdienen.

So koffert das berittene Team aus vier grundverschiedenen Abenteurern durch feindliches Indianergebiet ohne Indianer, um letzten Endes tatsächlich an einen Ort zu gelangen, wo es vor Rindviechern nur so wimmelt. Miller sollte recht behalten – im El Dorado eines Büffeljägers lässt sich hemmungslos wüten und dem Wahnsinn verfallen. Nicolas Cage findet anfangs geschmeidig in seine Rolle, nur ist diese des Großwildjägers Miller keine, die, wie so oft im Genre des Western, auf eine psychologische Reise in Wechselwirkung mit den Umständen verzichtet. Der anfängliche Grundcharakter der Figur wechselt später nur ungern zum Psychogramm eines blutrünstigen Tier-Killers, der den Hals nicht voll bekommt. Dementsprechend gibt es Response auch von den Co-Charakteren, die weitaus glaubwürdiger agieren als Cage. Sich bedeutungsschwer an den Kopf zu greifen wie seinerzeit Marlon Brando in Apocalypse Now oder den typischen Manierismus des Schauspielers, die da so sind wie das wilde Gestikulieren mit den Armen – es scheint, als hätte Cage die Dimension seiner Figur nicht kommen sehen oder einfach unterschätzt.

Fred Hechinger als der blauäugige Junge vom Land hat, je mehr Cage aufdreht, immer weniger bis gar keinen Text mehr. Es ist, als hätte man auf seine Figur vergessen, dabei fungiert sie obendrein als Erzähler. Das Abenteuer rund um den einbrechenden Winter, für den on location in Montana gedreht wurde, spiegelt sich kaum in der Psychologie der Abenteurer wider. Butcher’s Crossing verliert irgendwann das Gefühl für Zeit und die Fähigkeit, Zeiträume zu vermitteln. Das ambitionierte Vorhaben Polskys, die Beinahe-Ausrottung des nordamerikanischen Büffelbestands zu thematisieren, scheitert zum Teil an genau diesen Knackpunkten, während jene Szenen, die das Töten und Schlachten der Tiere visualisieren, so verblüffend gut gemacht sind, dass einem mulmig wird.

Butcher’s Crossing (2022)

Alien: Covenant

SKLAVE DES HIMMELS, HERR DER HÖLLE

6,5/10

 

aliencovenant

Regie: Ridley Scott
Mit: Michael Fassbender, Katherine Waterston, Billy Crudup

 

Auch wenn der Film zwar optisch alle Stücke spielt, dramaturgisch aber etwas hinkt, würde ich Fans der Alien-Reihe durchaus anraten, Ridleys Scotts Prequel-Erstling Prometheus nochmal zu Rate zu ziehen. Die Frischzellenkur für den 2012 veröffentlichten Auftakt einer den Alien-Mythos erklärenden Trilogie hat zumindest mir den Einstieg in Alien: Covenant leichter gemacht. Und auch der sehr wohl durchdachte Plot der Monstersaga erschließt sich nach nochmaliger Betrachtung fast naht- und fugenlos und macht darüber hinaus auch wirklich Sinn – sowohl für Prometheus als auch für Alien: Covenant. Was man vom Original und den danach folgenden drei Sequels nicht sagen kann. Sie zu kennen ist – wie auch cinema festgestellt hat – tatsächlich nicht vonnöten. Selbst Ridley Scott ignoriert sie. Mit Aliens – Die Rückkehr, Alien 3 und Alien –  Die Wiedergeburt will der Altmeister seinen Xenomorph-Kosmos nicht kontaminiert sehen und ignoriert sie daher auch völlig. Somit teilen sich die Storylines von Alien in mehrere Parallelen. Bei Cameron´s Fortsetzung haben die Monster – wie wir alle wissen – gleich einem Bienenstaat eine Königin, die all die Eier legt, aus denen die Facehugger schlüpfen. In Alien 3 hinterfragt David Fincher in keinster Weise irgendeine Storyline, sondern schafft im Rahmen eines dystopischen Thrillers die Variable einer biologischen Bedrohung. Und Jean-Pierre-Jeunet fabuliert überhaupt ein für sich alleine stehendes Kunstwerk, dass sich zur Zukunft der Genetik mit geradezu bösartigem Sarkasmus äußert. Allerdings hat Jeunet 1997 bereits Ridley Scotts inhaltliche Ambition vorweggenommen. In seiner sehr persönlichen und eigenen neuen Geschichte hat die Genetik einen mindestens ebenso hohen Stellenwert wie in Alien – Die Wiedergeburt. 

Also betrachten wir des Weiteren lediglich die ersten beiden neuen Kapitel Scotts unter der Lupe. In seiner düsteren, brillant bebilderten Planetenvision haben wir es mit einem viralen Pathogen zu tun, welches von den sogenannten Ingenieuren entwickelt wurde. Ob dieser Virus nun synthetisch oder natürlichen Ursprungs ist, bleibt auch nach Alien: Covenant ungeklärt. Wieso diese unglaublich anpassungsfähigen Mikrolebewesen in einem Raumschiff mit Kurs auf die Erde eingelagert wurden, verharrt ebenso als Akte X in den Annalen kosmisch-humaner Expansionsgeschichte. Was wir aber wissen, ist, dass es sich bei dem Pathogen um einen biologischen Allrounder handelt.

Dieses Virus, oder was immer es auch ist, kann alles. Alles zerstören und sich auf jede erdenkliche Art und Weise verändern, vermehren, anpassen und entstehen. Das egoistische Gen, das vor einiger Zeit der Darwinist Richard Dawkins als Ruler über uns Menschen theoretisiert hat, bleibt im Angesicht dieses höchst aggressiven Evolutionsbausteines so klein und arm wie eine Kirchenmaus. Beim Alien-Gen hat es die Menschheit mit einem Egoisten zu tun, der im Survival-Wettlauf of the Fittest die wohl effektivste Ellbogentaktik beherrscht., Dawkins, Charles Darwin oder Carl Sagan wären bei so einem Albtraum schweißgebadet in ihren Betten aufgewacht. So eine radikale Weiterführung ihrer entwicklungsbiologischen (Hypo)thesen hätten sie dann doch nicht haben wollen. Ridley Scott aber zeigt ihnen die kalte Schulter. Seine Biologie gewinnt Gold. Und macht aus Spezialisten, die wissen, wo in ihren evolutionären Nischen ihr Platz ist, Experten für globales Tabula Rasa. Das Alien in all seinen Auswüchsen – ob als Wurm, Pilzmyzel, Weichtier, Achtfüßer oder humanoider Drache – macht keine Gefangenen. Warum auch. Es ist ein egoistisches Gen, das bereit ist, alles zu vernichten. DAS ist natürliche Auslese. Alles andere ist Mumpitz. 

Ehrlich gesagt – anders wollen wir den Neomorph oder Xenomorph gar nicht sehen als etwas, das alles andere kaputt macht, bevor es selbst kaputt gemacht wird. Diesen Willen des Überlebens und Ausbreitens finden wir in so aggressiven Viren wie Ebola oder Malaria. Jetzt muss man sich folgendes vorstellen: Hätten irdische Viren das Zeug, sich zu Zellen zusammenzuschließen und sich körperlich zu manifestieren – dann, ja dann hätten wir ein Alien. Oder eines dieser Ausgeburten, je nachdem, womit wir diese Gene kreuzen. 

Die Vielfalt des Aliens könnte bereits ein kleines Lexikon füllen. Auch in Alien: Covenant haben wir es mit neuen Arten zu tun. Schön für die Wissenschaft. Schlecht für die unsäglich naiven Kolonisten, die aus Spaß an der Freude und eigentlich aus Bequemlichkeit heraus einen völlig unbekannten Planeten ansteuern und einem kryptischen Funkspruch nachstellen, der sie ins Verderben stürzt. Wie sehr man seinen Vertrag – seinen Covenant – missachten kann, dass zeigen Katherine Waterston (leider keine Sigourney Weaver), Billy Crudup und andere. Ihr Untergang ist hausgemacht, also hält sich mein Mitleid ziemlich in Grenzen. Leider hält sich auch die Monstershow in Grenzen. Wenn es hochkommt, dann zeigt sich das Vieh summa summarum aufregende 15 bis 20 Minuten. Eine Enttäuschung. Gut, diese Minuten sind das Kinoticket schon wert. Vor allem in den Bodyhorror-Szenen, in denen unter kaltem Neonlicht hysterische, bananenköpfige Babys mitsamt glitschiger Nachgeburt auf den Fliesenboden klatschen. So grausig es ist – da jubelt das Herz des Alien-Fans. Es jubelt auch, wenn Scott sein Original auf ehrerbietende Weise und mit Alien-Closeup genüsslich zitiert. Doch um das Alien geht es ernüchtenderweise nur sekundär. Alien: Covenant erzählt wider Erwarten eine andere Geschichte als bisher in diesem Kosmos. Das ist erfrischend, interessant und kurzweilig. Scott schafft es fast dreiviertel seines Filmes, sich nicht selbst zu kopieren. Alle Achtung. Was er sich ausgedacht hat, ist neu – und rückt den Focus auf die Schlüsselfigur des Androiden David aus dem Vorgänger Prometheus. Weniger auf die Kreatur selbst, die Mittel zum Zweck oder zufälliges Ergebnis wilder Experimente bleibt. Viel mehr konzentriert sich die Science-Fiction-Oper auf die Ambitionen eines Androiden, sich über seinen Schöpfer zu stellen – womit Scotts Themenradius um künstlich geschaffene Intelligenzen auch Richtung Blade Runner schielt. Der Weyland-Humanoiden träumt demnach zwar nicht unbedingt von elektronischen Schafen, aber immerhin von der Macht, Leben zu erschaffen. Sehr anthroposophisch, das Ganze. Aber gut durchdacht. 

Dennoch bleibt der Nachgeschmack nach Alien: Covenant zwar metallisch-blutig, aber durchwachsen. Ich will nicht sagen, dass die letzte halbe Stunde misslungen ist – doch dahingeschludert ist sie auf jeden Fall. Zum Showdown fällt den Drehbuchautoren nichts Neues mehr ein. Alles endet dort, wo das Original-Alien seine spannendsten Minuten hat. Und da wissen wir bereits, wie es endet. Schnell noch den Xenomorph erledigen, dann ab in die Kojen. Genauso fühlt es sich an – lieb- und ideenlos. Dabei hätte das nun perfekt getrickste Untier mehr Potenzial gehabt, um auch in anderem Kontext in Erscheinung zu treten. Vielleicht hebt sich Scott dies für Teil 3 auf – obwohl dieser zwischen Prometheus und Covenant angesiedelt sein soll. Wie auch immer – Alien-DNA hat der Film jede Menge, die Story ist stringent, die Crew nach wie vor undiszipliniert. Doch Angst vor seiner eigenen und Giger´s Kreatur sollte der Film keine haben.

Scheint aber leider so.

 

 

 

Alien: Covenant