Together – Unzertrennlich (2025)

SCHMELZPUNKT LIEBE
6/10


© 2025 Leonine Studios


LAND / JAHR: AUSTRALIEN, USA 2025

REGIE / DREHBUCH: MICHAEL SHANKS

KAMERA: GERMAIN MCMICKING

CAST: ALISON BRIE, DAVE FRANCO, DAMON HERRIMAN, JACK KENNY, SUNNY S. WALIA, KARL RICHMOND, TOM CONSIDINE U. A.

LÄNGE: 1 STD 42 MIN


In Liebe vereint kann so romantisch klingen. Zwei Herzen im Gleichklang, oder gar: Ein Herz und eine Seele. Was aber, wenn man diese melodischen Phrasen wörtlich nimmt? Wenn diese willentliche Vereinigung zum physischen Phänomen wird, zum kreatürlichen Mysterium einer Abhängigkeit? Der semiromantische Beziehungs-Horror Together – Unzertrennlich will das austesten. Und hebelt dabei körperliche Grenzen aus.

Die Beziehung wird zum gemeinschaftlichen Schengenraum der Liebe, die zur Selbstaufgabe strebt. Das aber, so Regisseur und Autor Michael Shanks, nur widerwillig. Denn Dave Franco und Alison Brie (GLOW, Mad Men) sind immer noch Personen ihrer eigenen Biografie, und nur bedingt Bestandteil der jeweils anderen. Millie scheint mit sich selbst im Reinen und ihre Profession als Grundschulpädagogin wirklich zu lieben. Tim hingegen schleppt so allerhand familiäre Traumata mit sich herum, die, so erfahren wir im Laufe der Geschichte, bei weitem nicht ohne sind. Das hat letztlich dazu geführt, dass der von Dave Franco (u. a. The Disaster Artist) verkörperte Möchtegern-Musiker so gut wie nichts auf die Reihe bekommt und mit seinen Minderwertigkeitskomplexen, die mit egozentrischem Selbstmitleid den Dreivierteltakt üben, Alisons Bries Toleranzgrenze kitzelt. So richtig gesund wirkt die Beziehung nicht – ein Tapetenwechsel und Umzug aufs Land könnte da Abhilfe schaffen. Von Horrorfilmen aber wissen wir: Umzüge aufs Land haben oftmals einen Haken, siehe unter anderem: The Conjuring. Hier aber ist es eine mysteriöse Höhle unweit der neuen eigenen vier Wände, in die die beiden während eines abenteuerlichen Spaziergangs hineinstürzen. Franco trinkt, geplagt vom Durst, aus einer Quelle und verwandelt sich dabei zwar nicht in ein Reh so wie bei Brüderchen und Schwesterchen aus Grimm’schem Märchenschatz, sondern entwickelt einen Beziehungsmagnetismus, der unschöne Symptome zeigt.

Das ist aber erst der Anfang. Alison Bries Körper wird zum Gravitationszentrum für Franco, alles scheint er von seiner besseren Hälfte absorbieren zu wollen, und zwar so lange, bis die bessere Hälfte zur der seinen wird. Bald ist es auch umgekehrt, und man kann getrost sagen, dass sich hier die Gegensätze anziehen, nämlich Mann und Frau, zwei unterschiedliche Komponenten, der Plus- und der Minuspol. Michael Shanks bringt die störrische Liebesbeziehung zu ihrem neuen Schmelzpunkt, und es wäre vielleicht nur akkurater Body-Horror im Spiel, der kurios erscheint, würde Shanks nicht auch das eine oder andere mal Momente beängstigenden Grusels heraufbeschwören, die aber nur peripher mit der eigentlichen Parabel über Einheit, Abhängigkeit und Individualismus zu tun haben. Ganz besonders die nur aus dem Augenwinkel betrachtete Kindheit von Francos Figur, die in schauderhaften Jumpscare-Träumen verarbeitet wird, verläuft im Sand, ganz ohne nennenswerte Relevanz. Hätte Shanks dieses Element noch mehr in seine Story verwoben, wäre der Schocker perfekt – so aber führt uns Together bald auf erwartbare Pfade ohne Richtungswechsel. Das Unvermeidliche ist in dieser mehr oder weniger als Drei-Personen-Stück definierten Romantik-Groteske bald absehbar, das Gewebe-Crossover manchmal recht plump, das nächtliche Ziepen an den Haaren von Alison Brie hingegen wieder ein Gänsehautmoment, der gelingt.

Man kann Beziehungen eben auch anders analysieren – und den Optimal-Zustand einer Paar-Existenz in plakativen Monstrositäten hinterfragen. Eine Challenge, die Together gerne annimmt, auch ordentlich Spaß daran hat und sich nicht davor scheut, die Spice Girls akustisch mit ins Boot zu holen, die auf nichtsahnend prophetische Weise die Mystery des Films längst vorweggenommen haben. Die Pointe sitzt am Ende dann doch, während auf dem Weg dorthin das eine oder andere Mal die Anziehungskraft auf das Publikum gelegentlich nachlässt.

Together – Unzertrennlich (2025)

Tiger Stripes (2023)

AUS DEM DSCHUNGELBUCH DER ADOLESZENZ

7/10


tigerstripes© 2023 Jour2Fête


LAND / JAHR: MALAYSIA, TAIWAN, SINGAPUR, FRANKREICH, DEUTSCHLAND, NIEDERLANDE, INDONESIEN, QATAR 2023

REGIE / DREHBUCH: AMANDA NELL EU

CAST: ZAFREEN ZAIRIZAL, DEENA EZRAL, PIQA, SAHEIZY SAM, JUNE LOJONG, KHAIRUNAZWAN RODZ, FATIMAH ABU BAKAR U. A.

LÄNGE: 1 STD 35 MIN


Filme aus Malaysia sind selten. Und wenn man sie zu Gesicht bekommt, meist Koproduktionen mit Ländern, die sonst auch so einiges im internationalen Kinogeschehen mitzureden haben. Das ist gut für Amanda Nell Eu, die mit ihrem Langfilmdebüt Tiger Stripes auf den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes den Hauptpreis der Kritikerwoche abräumen konnte. Gratulation, ein gewinnbringender Einstand, der hoffentlich so einige weitere Koproduktionen nach sich ziehen wird. Mit Tiger Stripes begibt sich die junge Filmemacherin in die malaysische Provinz irgendwo am Rande des Dschungels – was überall sein kann in diesem Land, denn es wuchert und gedeiht hier, wohin man auch nur blickt. Leicht kann es passieren, und nicht nur Nutztiere queren die Straßen, sondern auch mal ein Tiger, was wiederum den Verkehr zum Erlahmen bringt und das Volk aus den fahrbaren Untersätzen holt, damit diese ihren Tiktok-Account mit knackigen Reels füllen dürfen, den später junge Mädchen, in den Schulpausen auf den Mädchentoiletten versammelnd, abrufen können. Social Media hat dort längst das Zepter in der Hand, ein Smartphone hat fast eine jede, die Trends sind gefundenes Fressen, die Selbstinszenierung alles, wofür man den Rest des Tages opfern will. Doch wie das bei jungen Frauen eben so ist, sind manche früher dran in ihrer Adoleszenz als all die anderen. Die, die früher dran sind, haben die Arschkarte gezogen – sie müssen allen anderen vorleben, was später passieren wird. Größere Brüste sind nur ein Merkmal, die Monatsblutung das andere.

Dass die Geschichte der Menstruation eine Geschichte voller Missverständnisse gewesen sein soll, erklärte uns bereits schon in den 90ern das instruierte o.b.-Testimonial durch den Bildschirm in unsere Wohnzimmer hinein. Huch, was war das damals für ein Tabuthema. Und ist es immer noch, ganz egal, ob im Westen oder Osten oder sonst wo. „Wir müssen dich saubermachen, du bist schmutzig“, sagt Zaffans Mama, als diese das erste Mal in der Nacht zu bluten beginnt und ihr Laken wechseln muss. Ab diesem Zeitpunkt wird das junge Mädchen, das eben zu jenen gehört, die sowohl körperlich als auch geistig um einiges weiterentwickelt sind als ihre Kolleginnen, dieses gesellschaftliche Stigma nicht mehr los. Monatsblutung ist igitt, das wird so gelehrt, das wird so vermittelt. Wenn Zaffan unter der Dusche steht, ist das Blut nicht rot, sondern schwarz wie Dreck. Das Natürliche wird zum Unnatürlichen. Das „Opfer“, das die biologische Uhr fordert, ist nicht nur die Abstoßung der Gebärmutterschleimhaut, sondern auch die soziale Ausgrenzung. So passiert es, und Zaffan wird nicht nur aufgrund ihres frei ausgelebten Frau-Seins skeptisch beäugt, sondern auch aufgrund ihres periodischen Umstands gehänselt, gemobbt und links liegengelassen. Vieles ändert sich, im und am Körper eines Mädchens. Tiger Stripes macht daraus einen subtilen, fast schon ans Naive grenzenden Body-Horror, der allerdings keinen ekligen, fast schon verstörenden Schrecken verursacht wie zum Beispiel Julia Ducournaus Raw, sondern vielmehr einer metaphorischen Legendenbildung beiwohnt, die eng mit den Mythen Malaysiens verbunden zu sein scheint und einen fauchende, zähnefletschenden Hauptcharakter ins Feld führt, dessen Augen rosafarben glühen und der sich entweder den archaisch anmutenden Parametern einer wilden Natur hingeben muss oder durch die Distanz zu eben selbiger zugrunde geht.

Die junge Zafreen Zairizal liebt es in diesem Film, die junge Wilde zu geben. Ihre Lust am Tierischen ist ansteckend; ihr Drang, die Hijab abzulegen, das schwarze Haar offen zu tragen und ins rohe Fleisch eines Waldtieres zu beißen, scheinbar getrieben von impulsiver Improvisation. Amanda Nell Eu gab ihr hier mit Sicherheit so einige Freiheiten. Tiger Stripes überhöht auf dem narrativen Niveau einer Graphic Novel den biologischen Coming of Age-Aspekt zu einer Chronologie der Mutation vom Menschen zum Tier. Das Zugeständnis zur Natur des Menschseins wird gleichermaßen eine Abkehr davon, es ist eine Zwickmühle, in der die jungen Mädchen stecken, denn es wird sie alle ereilen, diese Verlockung, dieses Bewusstsein, dieser Drang, sich von den lächerlichen Konventionen der Gesellschaft abzukoppeln, bevor sie diese sowieso wieder mittragen müssen. Ja, es ist auch Pubertät, die da mitspielt. Und nein, es ist nicht Stephen Klings Carrie – Zaffan hat keine telekinetischen Fähigkeiten, findet ihr Heil nicht in der Rache, sondern in der eigenen Selbstbestimmung.

Dass der Weg zum Tigermädchen das eine oder andere Mal unfreiwillig komisch wirkt, ist nicht Zufall, sondern Absicht. Die spielerische Leichtigkeit des metaphysischen Gleichnisses, die ironische Darstellung der Erwachsenenklischees (der träge Vater, der besserwisserische Guru) und überhaupt der ganzen Situation entspricht auch den gekritzelten Lettern im Vorspann. Tiger Stripes ist eine energetische Satire auf das altbekannte Dilemma des Erwachsenwerdens – es bringt zwar nichts Neues aufs Tapet, hat aber eine Freude daran, die Gesellschaftsfähigkeit der weiblichen Natur aus südostasiatischer Sicht als genauso obsolet zu deklarieren wie anderswo auf der Welt. Auch im Westen.

Tiger Stripes (2023)