Willy’s Wonderland (2021)

AUFWISCHEN UND AUFMISCHEN

5,5/10


willys-wonderland© 2021 Splendid Film


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: KEVIN LEWIS

BUCH: G. O. PARSONS

CAST: NICOLAS CAGE, EMILY TOSTA, BETH GRANT, RIC REITZ, CHRIS WARNER U. A.

LÄNGE: 1 STD 28 MIN


Wer ist wohl die coolste Socke auf Gottes Erde? Na, wer? Natürlich Nicolas „Nic“ Cage, der sich gar nicht mal bemüßigt fühlen muss, irgendetwas von dem, was er tut, argumentativ zu untermauern. Cage muss gar nichts sagen. Es versteht ihn auch so ein jeder. Und wer nicht hinhören will, muss eben fühlen. Erst seit Kurzem overactet der Neffe Francis Ford Coppolas als die Ikone des Phantastischen schlechthin über die Leinwand – als Graf Dracula in Renfield, mit spitzen Zähnen und einer Blutgier, die ihresgleichen sucht. Eine Zeit lang war der Mann verliebt in Dutzendware, deren Produzenten ihn als Aushängeschild geliehen hatten. Macht nichts, gutes Geld war das allemal. Und dann gab’s so einiges an der künstlerischen Independent-Front, was ihm dazu verhalf, wieder ganz oben mitzumischen. Wobei: Weg war er nie. Und gottergebener Trashfilm-Veredler, der sich dem Schicksal eines ausrangierten Schauspielers hingeben muss, auch nicht. Weil es vielleicht nur ihn geben kann, um Filme wie Willy’s Wonderland herauszubringen.

Ganz ehrlich: Wer hätte diesen Mann ohne Worte, der sich nicht zu gut dafür ist, die Hände schmutzig zu machen, sonst noch spielen können? Frank Grillo? Dolph Lundgren? Vielleicht „Sisu“ Jorma Tommila, der in seinem Nazi-Actioner auch keine großen Reden schwang. Aber Cage, der ist exaltiert und verrückt genug, um sich auch nicht zu gut dafür zu sein, mit den Puppen zu tanzen, die als mechatronisches Aushängeschild und reif für den Requisiten-Flohmarkt im längst geschlossenen Vergnügungspark namens Willy’s Wonderland vor sich hindämmern. Wer noch keine fünf Nächte bei Freddy’s war, kann für einmal Overnight zumindest hier vorbeischauen – und Cage beim Aufräumen zusehen. Mit welcher ehrgeizigen Konsequenz er das durchzieht, ist beeindruckend. Und die ganze, knapp 90minütige Fieberträumerei wäre eine Ode an den Putzmann geworden, gäbe es da eben nicht diese mordlüsternen, menschengroßen Fabelwesen, die dem wortlosen Mr. Saubermann ans Leder wollen. Der muss nämlich die Nacht hier verbringen, um die Reparatur seines Wagens zu finanzieren. Was er nicht weiß: Niemand rechnet damit, dass Cage hier noch lebend rauskommt. Und als dann noch eine Gruppe Jugendlicher die Bude abfackeln will, weil sie weiß, was da abgeht, wird’s so richtig haarig. Und man wundert sich, wie unfähig sich Young Adults anstellen können, wenn sie in einem Horrorfilm mitspielen, der nur dazu geeignet ist, einen Schlachtplatten-Countdown einzuläuten, bei dem weniger das Blut, sondern viel mehr das streng riechende Maschinenöl spritzt.

Warum Nicolas Cage immer zu einer gewissen Zeit seinen Energydrink hinunterkippen muss und ganz versessen darauf ist, den von ihm blankpolierten Flipper-Automaten zu besiegen, während ringsherum schreiend die Next Generation zu Boden geht, wissen wir nicht. Umso kurioser mutet das ganze Szenario an, welches aber, so sehr es auch zu seiner Mission steht, sinnbefreites Grunge-Entertainment zu sein, mit seiner beizeiten vorgetragenen Background-Story für Verwunderung sorgt. Im Laufe des Films „entpuppen“ sich die acht Roboter nämlich als gar nicht mal so widerstandsfähig. In Anbetracht dieser Tatsache erscheint die Prämisse des Plots nicht mal, wenn man beide Augen zudrückt, als haltbar. Kippt diese weg, gemeinsam mit der konstruierten Unterlegenheit der Opfer, bleibt nur ein sich selbst parodierender Nicolas Cage mit Understatement, der all dieses Drumherum gar nicht gebraucht hätte. Ob er schon mal überlegt hat, in einer Reality-Soap mitzuwirken, in welcher er einfach nur anderen hinterherräumt? Könnte was werden.

Willy’s Wonderland (2021)

The Five Devils (2022)

DIE NEUGIER DER UNGEBORENEN

8/10


thefivedevils© 2022 F Comme Film / Trois Brigands Production


LAND / JAHR: FRANKREICH 2022

REGIE: LÉA MYSIUS

BUCH: LÉA MYSIUS, PAUL GUILHAUME

CAST: ADÈLE EXARCHOPOULOS, SALLY DRAMÉ, SWALA EMATI, MOUSTAPHA MBENGUE, DAPHNE PATAKIA U. A. 

LÄNGE: 1 STD 36 MIN


Seit der legendären deutschen Mindfuck-Serie Dark wissen wir, dass die Zukunft Vergangenes beeinflusst und umgekehrt. Dass die Schicksale in jeder Zeitphase wie ein Stoßmich-Ziehdich unverrückbar ihre Positionen einnehmen, weil das eine nicht ohne den anderen existieren kann. Weil die Zeiten einander bedingen. Und was war, wird gewesen sein. Was noch nicht ist, begründet vielleicht gar sich selbst. Diesen Knoten im Hirn muss man erst mal entwirren können. Das Ganze mutet an wie ein Zauberwürfel, dessen Algorithmus zur Lösung des Problems nur die wenigsten kennen. Denis Villeneuve hat in Arrival die Zeit als Kreislauf erklärt, ebenso das kongeniale Regie-Duo Jantje Friese und Baran Bo Odar, das nun leider mit ihrem neuen Abenteuer 1899 scheitern musste. Man kann auch zu weit gehen, und zwar so weit, dass man den eigenen Plot nicht mehr versteht.

Vor dieser Gefahr weiß sich Léa Mysius zu schützen. Ihr zweiter Spielfilm nach Ava will hier ähnlich die Zeit durcheinanderbringen und noch nicht Geschehenes zu längst Passiertem machen. Wie sie diesen phantastischen Umstand in ihre bittersüße Romanze integriert, und wie sie dabei noch einen philosophischen Diskurs wie Salz in die Suppe einstreut, ist so berauschend komponiert, dass einer wie Krysztof Kieslowski, würde er noch leben, glücklich die Hände zusammenschlagen würde, da er nun beruhigten Gewissens die zarte Erzählweise der Mystery vererbt sehen kann. Seine Zwei Leben der Veronika bleiben unvergessen. The Five Devils bleiben ebenfalls in Erinnerung. Und das aus vielerlei Gründen.

Mysius schenkt ihrem Publikum anfangs nur wenige Puzzleteile, die vielleicht zueinanderpassen könnten, aber ganz sicher ist man sich da nicht. Man wartet geduldig, was sie einem sonst noch zuwirft. Zu Beginn haben wir Adelé Exarchopoulos, die vor einem Flammenmeer steht und sich uns verzweifelten Blickes zuwendet. Dann folgt der Cut – und wir sehen die seit Blau ist eine warme Farbe längst für herausfordende Rollen etablierte Schauspielerin gemeinsam mit ihrer Filmtocher an einem See, mitten im Winter. Die junge Vicky ist in der Schule nicht sehr beliebt, ein gewisser Alltagsrassismus prägt ihr Dasein in der Gesellschaft. Allerdings hält sie diese Erfahrungen vor ihren Eltern geheim – genauso wie den Umstand, dass sie einen außergewöhnlichen Geruchssinn besitzt. Erinnerungen an Grenouille aus Das Parfum werden wach, aber keine Sorge: Das Mädel ist keine Psychopathin, nur etwas eigenwillig, was das Sammeln von Duftstoffen in Einmachgläsern betrifft, die jeweils einen anderen Menschen olfaktorisch erfassen sollen. Da passiert es, und Tante Julia, die Schwester ihres Vaters, kommt zu Besuch. Mit ihr verbindet Mutter Joanne eine unangenehme Vergangenheit, sie will sie am liebsten gar nicht hier haben. Vicky geht der Sache nach und die Neugier obsiegt, während sie die Habseligkeiten der Unbekannten durchwühlt. Ein seltsames Fläschchen erregt ihr Interesse. Kaum daran geschnüffelt, fällt die Kleine durch die Zeit – bis zu einem Moment in der Vergangenheit, der das Tor zu einer Tragödie öffnet, an der selbst sie nicht ganz unbeteiligt scheint.

The Five Devils schafft ein Mysterium, ohne herausfinden zu wollen, warum Dinge geschehen, die unmöglich scheinen. Viel wichtiger scheint es dem Film, das, was ans Licht kommt, als schmerzvoll-intensives Beziehungsdrama ins Zentrum zu stellen und sich dabei dem Phantastischen als Mittel zum Zweck zu bedienen. Das Paranormale, Metaphysische ist nur ein Zugang. Doch es wirft auch die Frage auf, wie sehr die eigene Geburt nur Zufall gewesen sein kann. Jeder dürfte diese Tatsache selbst schon erörtert haben: Was, wenn im Laufe der Vergangenheit Wendepunkte des Lebens der Eltern ganz anders verlaufen wären? Wie leicht wäre man selbst nicht vorhanden. Und doch unterliegt unsere Existenz einem gewissen Determinismus, und dem Recht auf ein Dasein, das sich selbst verursacht hat. Die Angst davor, im besten Falle eigentlich gar nicht existieren zu dürfen, findet in The Five Devils zwar Trost, aber zum Glück keine erlösenden Antworten, denn die wären vermutlich banal.

Mysius stattet diese Ratlosigkeit, unterlegt von einem wohlklingenden, melodiösen Soundtrack aus diversen zeitgenössischen Musikstücken, zu einer von kindlicher Neugier überrumpelten Expedition aus, auf welcher man mitreisen und von welcher man sich mitreissen lassen sollte, allen emotionalen Gefahren zum Trotz.

The Five Devils (2022)

Nightsiren (2022)

WIE MAN SICH HEXEN MACHT

7/10


nightsiren© 2023 Busch Media Group


LAND / JAHR: TSCHECHIEN, SLOWAKEI 2022

REGIE: TEREZA NVOTOVÁ

BUCH: BARBORA NÁMEROVÁ, TEREZA NVOTOVÁ

CAST: NATÁLIA GERMANI, EVA MORES, JULIANA OLHOVÁ, IVA BITTOVÁ, JANA OLHOVÁ, MAREK GEISBERG U. A.

LÄNGE: 1 STD 50 MIN


In Robert Eggers The Witch hat die strenggläubige Familie von Anya Taylor-Joy so lange darauf beharrt, dass ihre Tochter einen Pakt mit finsteren Mächten eingegangen sein muss, bis es wirklich dazu kam. Klarer Fall von selbsterfüllender Prophezeiung. Und gerade in diesem Film wird klar, dass die wahre Hölle immer die anderen sind – frei nach Sartre. Die slowakische Filmemacherin Tereza Nvotová will sich dieser Umkehrrechnung ebenfalls annehmen – und erzählt diesmal nicht aus der Finsternis des siebzehnten Jahrhunderts, sondern stellt sich gegenwärtigen Verhältnissen. Zum Teil sind diese auch autobiographisch; zumindest, was das Verhalten der Gemeinde angeht und wohl weniger das Metaphysische zwischen den Bäumen.

Der Mikrokosmos einer Dorfgesellschaft ist stets mit Vorsicht zu genießen. Ein jeder kennt jeden, es wird getuschelt und getratscht. Geheimnisse gibt es längst nicht mehr, und tritt wirklich Pikantes zutage, wissen es alle. Schnell wird der Verdacht zur Gewissheit, die Gewissheit zur irrationalen Angst, die irrationale Angst zum Wahn. Genau so landeten damals vermeintliche Hexen auf dem Scheiterhaufen oder wurden ins Wasser getaucht, damit die anderen herausfinden konnten, ob die Beschuldigte vielleicht nicht doch ehrlich damit war, unschuldig zu sein.

Die Menschheit hat sich, wie wir wissen, in ihrem Verhalten seit damals kaum gewandelt. Gut, die Gesetze sind andere, das Gewand ist nicht selbstgenäht, sondern stammt vom Großkonzern und die Hygiene ist besser. Doch alles andere tritt auf der Stelle. Nightsiren kommt diesem enttäuschend unbelehrbaren Status Quo langsam auf die Schliche. In ihrem Film treibt sie niemanden zur Eile an, die Story schreibt das Tempo vor – und geht so: Eine junge Frau kehrt nach Jahrzehnten der Abgängigkeit in ihr Heimatdorf zurück – oder besser gesagt: zur Waldhütte ihrer verstorbenen Mutter. Die ist längst abgebrannt, da gibt’s nichts mehr zu holen. Gegenüber, ein paar Meter weiter, dämmert das Haus einer angeblichen Hexe dem Verfall entgegen, dort quartiert sich Charlotte erstmal ein. Nicht nur der Brief des Bürgermeisters, der die Hinterlassenschaften ihrer Mutter regeln will, treibt sie hierher – es ist auch die Hoffnung, dass ihre kleine Schwester überlebt haben könnte, nachdem sie diese vor Jahrzehnten versehentlich von einer Waldklippe stieß. Charlottes ganze Familie ist nebenbei sowieso in Verruf geraten, mit Waldhexe Otylia einen Pakt eingegangen zu sein. Entsprechend zögerlich reagieren die Einwohner auf die Heimkehr der verschollenen Tochter. Natürlich wecken Charlottes Nachforschungen schlafende Hunde, ein Mädchen namens Mira gesellt sich zu ihr, und die permanent notgeilen Männer des Dorfes stellen bald schon eine Bedrohung dar. Im Schatten hexischer Magie befinden sich alle, doch es braucht eine Zeit, bis dieses Unheil von den anderen beim Namen genannt wird.

Nightsiren vermeidet – und das ist wunderbar erfrischend – jegliches Klischee aus diversen anderen Hexenfilmen, die die Mythologie auf hässliche Fratzen und unreflektierte Bösartigkeit reduzieren. Tereza Nvotová gibt dem Thema einen hellen Anstrich und kokettiert viel mehr mit den Imperativen weiblicher sexueller Freiheiten, die vom Patriarchat längst nicht mehr unterdrückt werden dürfen. Ihr Mysterydrama ist ein zutiefst feministischer Film, der fast schon der Versuchung erliegt, alles Männliche als Unterjochung darzustellen, wäre da nicht zumindest einer, der von den geschlechtstypischen Verhaltensweisen Abstand nimmt. Ob das den Ausgleich schafft, bleibt lange fraglich. Und rückt dann später in den Hintergrund, wenn Nightsiren beginnt, Reales mit Imagination, Lehrbuchphysik mit Metaphysik und Gewalt mit Magie zu vermischen. Die Hexe bei Nvotová ist ein Sinnbild für das Ausleben unterdrückter Weiblichkeit – dafür braucht es lediglich Andeutungen und keinen feisten Budenzauber. Weniger ist hier mehr, und das wenige schafft es aber dennoch, alles durcheinanderzubringen, sodass man als Zuseher letzten Endes gar nicht mehr weiß, was tatsächlich stattfindet, stattgefunden hat oder stattfinden wird. So einiges bleibt offen, vieles geheimnisvoll und vage. Was dem Film aber nicht zum Nachteil gereicht.

Als moderner Frauenfilm, der sich mit dem Phantastischen am nächtlichen Waldboden wälzt, lässt Nightsiren die Zeit wie im Flug vergehen und fasziniert, weil es eben nicht unbedingt faszinieren will. Ein Film, der durch seine entspannte Erzählweise Spannung erzeugt, die ganz von allein entsteht.

Nightsiren (2022)

Sterne unter der Stadt (2023)

MIT LÖWENZAHN GEGEN DAS SCHICKSAL

6,5/10


sterneunterderstadt02© 2023 Interspot Film/Foto: Christoph Tanhoffer


LAND / JAHR: ÖSTERREICH 2023

BUCH / REGIE: CHRIS RAIBER

CAST: VERENA ALTENBERGER, THOMAS PRENN, MARGARETHE TIESEL, HARALD WINDISCH, SELINA GRAF, SIMON HATZL, PETER KNAACK, ERWIN LEDER, HOLGER SCHOBER U. A.

LÄNGE: 1 STD 42 MIN


Tatsächlich gehen die Wiener U-Bahnen unter der Woche zumindest für fünf Stunden schlafen. Das ist die Zeit, zu welcher so manchen Gestalten des Untergrunds die Welt unter der Wienerstadt gehört. Es sind dies der Nachtwächter, der Angst vor der Dunkelheit hat. Es ist dies der phlegmatische Alexander, der den Bahnsteig der U2-Station Universität zum privaten Kino werden lässt und es ist dies die Hutverkäuferin von vis a vis des Fundbüros, die sich von schwebenden blauen Federn beeindruckt zeigt, die scheinbar in ihrem Flug einen eigenen Willen besitzen. Fährt man in Wien offenen Auges per Rolltreppe in die Tiefe, kann man schon mal ins Staunen kommen. Manche Anlage hat etwas Künstlerisches, fast schon Zeitloses oder ist seit seiner Entstehungszeit auf wunderbare Weise konserviert. Mosaike, vergoldetes Metall, kleine, intime Boutiquen mit aus der Zeit gefallenem Sortiment. Zu empfehlen wäre für Nichtkenner jedenfalls der Knotenpunkt Karlsplatz mit seinem unterirdischen Rondeau, der sogenannten Opernpassage. Inspiriert von diesem Mikrokosmos und dem in der Stadt an der Donau so liebevoll gefeierten Image der verträumten Morbidität ist eine im Kern klassische Romanze entstanden, die ihre Originalität in setzkastenartige Miniaturen bettet, die von verschrobenen Außenseitern erzählen, welche die Erfüllung ihres Alltags einer von niemanden sonst nachvollziehbaren Logik unterwerfen. Zugrunde liegt ihnen allen die Hoffnung, Verlorenes wiederzufinden.

Der Mann mit dem Glasauge erzählt stets davon, wie ihm dieses mindestens fünfmal abhanden kam. Ein anderer sucht seine Aktentasche, welches ein Sammlerstück birgt, das dem Leiter des Fundbüros nur gelegen kommt – es ist dies die Erstausgabe des ersten Bandes der Perry Rhodan-Heftreihe. Jenseits der öffentlich zugänglichen Bahnsteige aber wohnt Alexanders entrückter Vater, der nach dem Tod seiner großen Liebe dieser näher sein will, indem er selbst in den Untergrund zog. Alexander tut’s ihm gleich – nur weniger radikal, also arbeitet er von nun an für die Wiener Linien, nachdem er sich selbst und der Welt versprochen hat, sich niemals zu verlieben, damit ihm das Unglück seines alten Herrn nicht selbst widerfährt. Es wäre nicht das Kino mit seinen Möglichkeiten, würde Verena Altenberger als Hutverkäuferin Caro dem ganzen Vorhaben nicht einen Strich durch die Rechnung machen. Die blonde, aufgeweckte Schönheit zeigt sich einerseits wütend und irritiert, andererseits unendlich fasziniert von Alexanders unbeholfenen Methoden, ihr näherzukommen. Einerseits will er, andererseits nicht. Doch statt die obligate Margarite, deren Blütenblätter man auszupft, um herauszufinden, ob man geliebt wird oder nicht, sind es die Flugsamen des Löwenzahns, die durch die Anlage wehen und sich schützend vor unliebsamen Umständen zu einem Helm formieren. Den braucht Caro dringend, denn ihr Geheimnis passt so gar nicht in eine Welt voller Fantasie und naiver Hoffnungen.

Wenn Verena Altenberger in einem Film mitwirkt, dann nur, wenn sie hundertprozentig vom Konzept und ihrer Rolle überzeugt ist – so zumindest im Interview bei Sterman und Grissemann. Es mag ihr dabei vielleicht manches mit lukrativem Potenzial durchrutschen – die Methode aber führt dazu, dass sie in ihren Filmen wirklich Vollgas gibt. Sterne unter der Stadt zählt zu ihrer bislang eindrucksvollsten Paraderolle. Als Mischung aus Audrey Tautou, dem Wiener Schmäh und Ali MacGraw aus Love Story will sie ihr Publikum glücklicherweise nicht um Preise spekulierende Wucht umhauen, sondern probiert leise Töne, charmanten Sarkasmus und lässt auch, wenn ihr danach ist, herzliches Lachen nicht außen vor. Improvisation ist Teil ihrer Methode. Verbunden mit den Anweisungen Chris Raibers, einem Debütanten in Sachen Spielfilm, entsteht so eine lebendige Großstadtheldin zwischen Mut und Schwermut. Und auch mit ein bisschen Angst. Im Vergleich dazu bemüht sich Thomas Prenn sichtlich, aus sich herauszugehen. Mitunter wirkt er ein bisschen zu phlegmatisch, doch am Ende reißt es auch ihn aus seiner Introvertiertheit, um mit seinem Co-Star gleichzuziehen. Zu guter Letzt darf man Simon Hatzl (u. a. Taktik) nicht vergessen, der für eine Hommage an eine Science-Fiction-Kultserie steht, die Kennern und Fans Tränen der Rührung in die Augen treibt. Welcher Film hat sowas schon in petto? Raiber muss – so wie ich – damit aufgewachsen sein. Und verbeugt sich tief vor dem Privileg, ein Nerd sein zu dürfen.

Neben all dieser vielen, leider nur in der Peripherie der eigentlichen Story verweilenden Details, die man mehr mit dem roten Faden hätte verspinnen können, ist aus Sterne unter der Stadt eine schöne Liebesgeschichte geworden, die aber längst nicht so befreiend durchatmet wie Jean-Pierre Jeunets Die fabelhafte Welt der Amelie – ein Filmklassiker, der mit Sterne unter der Stadt gerne verglichen wird. Paris und Wien sind Städte, die ähnliche Metaebenen besitzen, die so düster wie verzaubernd sind. In Paris, der Stadt der Liebe, feiert die Exzentrik gesellschaftlicher Randfiguren ein ewiges Dasein – in der Stadt, in der der Tod ein hiesiger Bürger sein muss, endet die Flucht in poetische Traumwelten irgendwann doch. So offen für das Unmögliche und Schrullige Raibers Charme-Offensive für sonderbare Nischenwelten auch anfangs zu sein scheint, so sehr quält sich diese später mit einer unwillkommenen Realität herum, die den Phantasten in uns lediglich Dekoration für das sein lässt, was man nicht verändern kann.

Sterne unter der Stadt (2023)

Dinner für Acht (2022)

ACHTUNG, FEIND HÖRT MIT!

6,5/10


dinnerfueracht© 2022 Amazing Austria Entertainment


LAND / JAHR: ÖSTERREICH 2022

REGIE: BERNHARD RATKA

BUCH: RUTH C. KOPINITSCH

CAST: KATHARINA SCHEUBA, SAMUEL TEHRANI, YLVA MAJ, ANGELO KONZETT, NINA HAFNER, PATRICK LAUB, IGOR KARBUS, TONY MATZL U. A.

LÄNGE: 1 STD 32 MIN


Eine Gruppe Young Adults, die einander kennen und von externen Aggressoren aufgemischt werden – kennen wir. Eine Gruppe Young Adults, die einander kennen und sich selbst aufmischen – das ist fast noch interessanter. Letztes Jahr lief der hochsommerfrische Nobel-Villa-Slasher Bodies Bodies Bodies in unseren Kinos. Besagte Truppe aus attraktiven jungen Frauen und nicht weniger attraktiven jungen Männern feiern eine Poolparty. Je länger der Abend, desto repetitiv die Gestaltung desselbigen. Bei diesem amerikanischen Film hier wählt man zum Ausgleich das titelgebende Gesellschaftsspiel – es gilt herauszufinden, wer der Mörder ist. Klarerweise endet das in einer unglücklichen Verkettung von ungesunden Missverständnissen. Und hebt am Schluss noch ganz keck den moralischen Zeigfinger.

In der österreichischen Version besagten Sommerabends unter Freunden ist ein Gesellschaftsspiel wie dieses vielleicht ein bisschen unterfordernd. In Zeiten devoter KIs, Permanentortung anderer und geschmissenen Haushalten durch verknüpfte Elektronik fällt diesen intellektuellen Kindsköpfen etwas ganz anderes ein, um sich die Zeit zu vertreiben: Sie schalten ihre Handys ein. Nichts neues, könnte man meinen. Wird’s fad, hilft ein Check der Social Media Apps. Doch diese Zerstreuung ist im noblen Zuhause von Sophie und Arian allerdings nicht gemeint. Hier geht die Idee viel tiefer, und zwar noch viel tiefer, als sie bereits ging, als Elyas M’barek, Karoline Herfurth und Florian David Fitz ihre aus dem Smartphone erhaltenen Message-Geheimnisse an die große Glocke hängen mussten. Auch schön grimmig, fast so wie Flaschendrehen. An diesem Dinner made in Austria geht es aber weder um private Geheimnisse noch um Beziehungsstati, sondern um die totale Überwachung: Was also, wenn alle so tun, als plane man einen Terroranschlag – würde jemand mithören? Und wenn ja – würden Antiterroreinheiten bald das Grundstück stürmen? Spannend, das Ganze. Also werden verborgene schauspielerische Talente aus dem Nähkästchen geholt, jeder wettert für sich und so, dass es alle hören können, gegen das korrupte System. Während alle in ihrem Eifer das Experiment des Abends wagen, taucht ein ungebetener, aber nicht unbekannter Gast auf. Seis drum, je später der Abend, desto schöner die Gäste. Dieses Sprichwort muss allerdings erst noch auf Herz und Nieren überprüft werden.

Wer genau mitgezählt hat, wird über die Zahl 7 der anwesenden Gäste nicht hinauskommen. Was hat es also mit den Acht auf sich? Dieser wunderliche Umstand ist nur ein weiterer unter ein paar anderen Rätseln, die in dieser Nacht gelöst werden wollen. Werbefilmer Bernhard Ratka würdigt in seinem ersten Kinofilm die Grundmechanismen des Slasher-Subgenres, ohne dessen Versatzstücke aber weiterzuführen. Der Thriller-Aspekt hängt wie ein Damoklesschwert über alle hier Anwesenden. Das Unbequeme lauert an allen Ecken, der externe Aggressor mag kommen, alle sind bereit. Doch diese Erwartungen erfüllt Ratka nicht. Ein Fehler? Eher ein kluger Schachzug. Statt auf Volldampf das Spannungskino zu zelebrieren, vergnügt sich Dinner für Acht lieber noch ein paar Einstellungen länger, während eines feuchtfröhlichen Tanzabends, bis vielleicht gar die Exekutive auf der Matte steht. Das Risiko ihres Spiels, die potenzielle Straftat für ein mediales Experiment pfeffert den Abend. Die Spannung, bevor sie sich entlädt, das Warten darauf, das etwas geschieht, hält die Gesellschaft alleine schon auf Trab.

Man könnte meinen, dass Dinner für Acht demnach vielleicht zu wenig bietet, und sich auch zu lange ziert, um als kammerspielartiger Thriller durchzugehen. Bodies Bodies Bodies war da schon viel eher am Eingemachten dran. Der Rückzug aber vor dem Plakativen ist eine nette Abwechslung, dank des glücklich gecasteten Ensembles rund um die einnehmende Katharina Scheuba (bitte mehr von ihr!) geht die Rechnung auch auf, wobei die Mystery-Komponente dann doch noch – und fast schon pflichtschuldig – zum Einsatz kommt.

Dinner für Acht (2022)

O Beautiful Night (2019)

MIT DEM TOD EINEN TRINKEN

3/10


obeautifulnight© 2019 NFP marketing & distribution GmbH


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND 2019

REGIE: XAVER BÖHM

BUCH: ARIANA BERNDL, XAVER BÖHM

CAST: NOAH SAAVEDRA, MARKO MANDIĆ, VANESSA LOIBL, EVA-MARIA KURZ, JOHANNA POLLEY, PETER CLÖS, GERHARD BÖS, SVEN HÖNIG, SOOGI KANG U. A. 

LÄNGE: 1 STD 26 MIN


Normalerweise, wenn der Tod an die Tür klopft, wird, wenn es nach der mittlerweile leider in Rente gegangenen Austro-Band EAV geht, etwas zu trinken geben. Zum Beispiel Jagatee. Am besten etwas, wonach man nach dem vierten oder fünften Nachschlag nicht mehr so ganz den Überblick hat. Wie passend für eine Wesenheit, die arme Seelen abholen will ins Jenseits, und dann nicht mehr weiß, wer nun als nächstes ins Gras beißen soll. Den Tod kann man auch ganz leicht überlisten, wie jenes alte Mütterchen, das den Gevatter innigst darum bittet, morgen wiederzukommen, und dieser sein Ehrenwort noch dazu an die Tür des Hauses kritzelt. So lebt die Alte ewig, und der Sensenmann muss klein beigeben.

Im Falle dieser nachtaktiven Tragikomödie mit Mystery-Touch kommt der Tod für einen Angsthasen wie Juri (Noah Saavedra, u. a. Egon Schiele: Tod und Mädchen) gerade recht, ist dieser doch fest davon überzeugt, dass seine Albträume, die einen unmittelbar bevorstehenden Herzinfarkt ankündigen, sehr bald wahr werden. Die Furcht vor dem Leben lähmt ihn – doch der Tod, das Objekt der Furcht schlechthin, weicht in O Beautiful Night von seiner eigentlichen Aufgabe ab. Eines Nachts erscheint er dem schlotternden Hypochonder wie aus dem Nichts, um ihn mitzunehmen. Zuvor aber soll der, der eigentlich nie wirklich erfahren hat, was es heißt, zu leben, das Dasein nochmal genießen. Vom Tod würde man sowas nicht erwarten. Man würde aber auch nicht erwarten, dass dieser in Gestalt eines mit slawischem Akzent sprechenden Vagabunden hier aufschlägt. Statt bleichgesichtig und schwarz ummantelt wie bei Ingmar Bergman ist dieser in Feierlaune und holt den verängstigten Juri aus seinem Schneckenhaus, um ihn durch die Nacht zu geleiten. Dabei ist ein Besuch bei Stripperin Nina, jener Frau, der Juri sein Herz geschenkt hat, mit inbegriffen.

O Beautiful Night hätte so werden können wie Jan-Ole Gersters Berlin-Ballade Oh Boy mit Tom Schilling als orientierungsloser Tagedieb, der durch die Facetten einer Großstadt mäandert. Doch Xaver Böhm, der auch am Drehbuch mitschrieb, verfängt sich in einer Episodenhaftigkeit, die zum Stückwerk wird. Vielleicht liegt es dabei auch an der Darstellung der Figur eines angreifbaren Todes, welcher der Slowene Marco Mandić ein allzu weltliches Gesicht gibt. Dafür frönt dieser viel zu sehr den irdischen Gelüsten, und jede Szene, in der Mandić performt, schreit danach, niemals anzunehmen, dass es sich dabei um eine Entität wie den Tod handeln könnte. Als Teufel wäre die Figur, die wie Lucifer aus gleichnamiger Serie den Lastern des Lebens nicht abgeneigt ist, nachvollziehbar genug. Der Tod aber ist etwas anderes. Zwar auch nicht unbedingt so, wie Neil Gaiman sich diesen in der Serie Sandman vorstellt, aber weiser, ruhiger und doch irgendwie anders als wir Menschen, die nur so umherirren in ihrem beschränkten Radius der eigenen Wahrnehmung. Mandić verleiht der Figur bis auf kleine Ausnahmen keinen größeren Radius, vielleicht weiß er manchmal mehr als andere und taucht ganz plötzlich dort auf, wo er vorher noch nicht gestanden hat. Sonst aber fällt es mir schwer, dieser Figur ein gewisses Maß an Respekt entgegenzubringen.

Wenn schon dieser Tod die recht sperrigen Episoden nicht auf einen Nenner bringen kann – wer tut es dann? Eigentlich niemand. Weder Noah Saavedra, der als Anti-Jedermann in Sachen Hedonismus ziemlich verloren wirkt und sich vom Tod herumschubsen lässt, noch die unnahbare Vanessa Loibl, die völlig unmotiviert zu den beiden schrägen Vögeln ins Auto steigt. Was bei O Beautiful Night nicht funktioniert, sind die nur in Ansätzen vorhandenen Charakterbilder der Figuren, die nicht zu dem werden, was sie eigentlich sein sollten. Die nicht den Film tragen wollen, der aber genau darauf setzt. Saavedra und Loibl lassen sich treiben, währen Mandić als Tod seinen Job scheinbar satthat. Die feine Klinge blitzt manchmal auf, wenn der Bote des Jenseits mit ein paar Russen ebensolches Roulette spielt. Doch auch in diesen Szenen ist die Motivation für das große Ganze zu selbstgefälliges Kunstkino, das seine einzelnen Szenen liebt, seine Figuren aber halbfertig auf eine existenzialistische Tour schickt, die sich niemals so anfühlt, als ginge es um Leben und Tod.

O Beautiful Night (2019)

1922 (2017)

AN LANDFLUCHT IST NICHT ZU DENKEN

4/10


1922© 2017 Netflix Österreich


LAND / JAHR: USA 2017

REGIE: ZAC HILDITCH

BUCH: ZAC HILDITCH, NACH EINER NOVELLE VON STEPHEN KING

CAST: THOMAS JANE, MOLLY PARKER, DYLAN SCHMID, BRIAN D’ARCY JAMES, NEAL MCDONOUGH, KAITLYN BERNARD, TANYA CHAMPOUX U. A. 

LÄNGE: 1 STD 41 MIN


Wer die neu aufgelegten Planetenabenteuer rund um die Familie Robinson gesehen hat, wird die Protagonistin in diesem Film sofort wiedererkennen. Es ist Molly Parker, in der Serie Lost in Space die toughe und kluge Turbo-Mama mit MacGyver-Überdosis. Hier spielt sie die Frau von Thomas Jane, der nichts prickelnder findet, als in den Äckern vor seinem Haus die Tugenden eines Landwirts auszuspielen. Schön für ihn, weniger schön vielleicht für den Ehepartner, der die Nase voll davon hat, tagein tagaus in der absoluten Einschicht immer auf die gleiche Landschaft zu starren. Landleben mag ja so seine Reize haben, gute Luft gibt’s obendrein, doch wenn gerade gedüngt wird, kann Landluft sehr schnell auch sehr dünn werden. Aber bitte, soll doch ein jeder tun, was er für sein Seelenheil braucht, solange der andere nicht gegen seinen Willen mitziehen muss. Im Falle der adaptierten Kurzgeschichte 1922 von Stephen King sind Molly Parker und Thomas Jane zwei in sich verkeilte Sturköpfe, die vom Traum ihrer eigenen Zukunft nicht abrücken wollen. Arlette James, die das Vermögen, den Grund und das Haus besitzt, will alles verkaufen und in die Stadt ziehen, wo frischer Wind weht. Wilfred James will das nicht, wird jedoch wenig gegen Arlettes Bestimmungen ausrichten können, ist sie doch die Besitzerin der Farm und des ganzen Drumherums. Was bleibt Wilfred also anderes übrig, als, gemeinsam mit seinem Sohn Henry, in letzter Instanz Gewalt anzuwenden, um sein Fleckchen Erde zu retten? Was er damit aber in Gang setzt, sind seltsame Ereignisse, unglückliche Umstände und eine Art Fluch, der den Fortbestand der Familie James gefährden könnte.

Natürlich, Stephen King ist ein Vielschreiber. Und das wirklich Außergewöhnliche dabei ist, dass die meisten seiner Geschichten richtig gut erfunden sind und komplex genug, um sie auch nachhaltig in Erinnerung zu behalten. Allerdings gibt es auch Arbeiten, die, für andere Medien adaptiert, weniger zünden. Wie zum Beispiel 1922, eine Erzählung aus dem Sammelband Zwischen Nacht und Dunkel, die kurz nach seiner Premiere auf dem Fantastic Fest sofort von Netflix abgeholt wurde. Auswertung in den Kinos gab’s keine, obwohl Thomas Jane durchaus solide aufspielt, doch den Wahnsinn, der dieser Figur wohl ins Gesicht geschrieben werden sollte, kann der Schauspieler kaum in darstellerische Energie umwandeln. Grimmig und vielleicht das Gruseligste an diesem ganzen kleinen Psychothriller bleibt indes eher die Verantwortungslosigkeit des Vaters hinsichtlich seines Sohnes, der durch diesen zu einer finsteren Verschwörung getrieben wird. Wie sehr man den Nachwuchs verderben kann, und was für Unglück dieser Umstand nach sich zieht, lässt Regisseur Zac Hilditch sein Publikum durchaus wissen – und auch das schlechte Gewissen jagt Thomas Jane in Gestalt von einer in Mitleidenschaft gezogenen Untoten Molly Parker, die durchs Haus schleicht und keine Ruhe findet. All diese Elemente mögen für sich ihr Potenzial aufweisen – unheilvolle Beklemmung oder gar Gruselstimmung erzeugen sie nicht. Dafür bleibt die Dramaturgie zu hölzern, atmosphärische Zwischentöne, die bei der sehr viel späteren King-Verfilmung Mr. Harrigans Phone so außerordentlich gut zu bemerken waren, lässt 1922 so ziemlich außen vor. Daher begnügt sich die schwarze Farmer-Tragödie mit dem rustikalen Charme erdiger Finger und abgetragener Bauernmöbel, ohne auch nur das Schicksal zu Bösem Getriebener, die es nicht besser wussten, fühlbar zu machen.

1922 (2017)

Weißes Rauschen

VERHEDDERT IN DER ENDLICHKEIT

6,5/10


weissesrauschen_1© 2022 Netflix Österreich


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: NOAH BAUMBACH

BUCH: NOAH BAUMBACH, NACH DEM ROMAN VON DON DE LILLO

CAST: ADAM DRIVER, GRETA GERWIG, DON CHEADLE, RAFFEY CASSIDY, SAM NIVOLA, MAY NIVOLA, JODIE TURNER-SMITH, LARS EIDINGER, ANDRÉ BENJAMIN, BARBARA SUKOWA U. A. 

LÄNGE: 2 STD 16 MIN


Der schlimmste Widersacher von Gevatter Tod ist nicht der abstrakte Umstand des ewigen Lebens. Er ist die fehlende Furcht vor ihm. Wer seine Existenz von Geburt bis Ableben sinnvoll nutzt und es dabei noch schafft, völlig angstfrei dem Ende selbiger entgegenzusehen, den kann der Tod nicht tangieren. Nur weil wir nicht wissen, was hinter diesem Mysterium steht, heißt es nicht, dass wir in Panik geraten müssen. Doch andererseits: Panik, wenn sie in Massen auftritt, ist zumindest eine Möglichkeit, die Angst untereinander aufzuteilen. Oder von anderen, die vielleicht weniger davon besitzen, absorbieren zu lassen. Womit wir beim Phänomen der Massendynamik wären, der Gruppensuggestion. Denn wenn einer gen Himmel blickt und den Stern der Weisen erblickt, erblicken es die anderen womöglich auch. Ähnliches Wunder dürfte jenes von Fatima gewesen sein. In Noah Baumbachs Verfilmung von Don DeLillos Roman Weißes Rauschen ist es eher die Faszination Adolf Hitler. Oder das Ende der Welt. Oder beides, denn so weit liegen der Mann aus Braunau und der Untergang der Zivilisation nicht auseinander. Über Adolf Hitler weiß Baumbachs feiste Filmfigur Jack Gladney (Adam Driver, weit, weit entfernt von Kylo Ren) so einiges, und auch über dessen Mechanismen, um die Massen unter seine Knute zu stellen. Er verbindet das Erscheinen des Diktators mit der Möglichkeit des Einzelnen, in der Masse die eigene Existenzkrise verschwinden zu sehen. In der Gemeinschaft gibt es keine Furcht mehr – entweder so. Oder andersrum.

Andersrum kommt es, als ein Öllaster mit einem Zug kollidiert, der chemische Substanzen führt. Alles explodiert, eine Giftwolke entsteht, und die zieht später übers Land. Solange keine extra Winde wehen, lässt sich der Schaden eingrenzen, doch dieses Ideal hält nicht lange vor. Bald herrscht Ratlosigkeit an allen Orten, sogar in den Medien gibt es unterschiedliche Anweisungen, was man nun, als Otto Normalverbraucher, zu tun hat, um heil aus der Sache herauszukommen.

Die To-Do-Liste kann man drehen und wenden, wie man will. In Don DeLillos verschwurbelter Odyssee nach Angstfreiheit kommt hier, aus der kleinen Existenz, keiner lebend raus. Das klingt jetzt etwas nach Jean Paul Sartre, dessen Existenzialismus eine ähnliche Richtung geht – oder so wie der Titel von Sugermans und Hopkins‘ Biografie über Jim Morrisson, der ja, wahrscheinlich ohne es je gewusst zu haben, zum Club 27 zählt. Im Grunde laufen all diese vielen Details und verqueren Geschehnisse auf einen Sollzustand hinaus: Das Ende des eigenen Ichs leichten Herzens hinnehmen zu können.

Auf diesem Weg aber gibt Weißes Rauschen dem Zuseher allzu viele Hausaufgaben. Vor allem sind es solche, die keiner versteht. Zumindest ich nicht. Deshalb mühe ich mich die erste Dreiviertel Stunde durch ein konfuses Alltagsportrait aus exaltiertem Hitler-Experten, tablettensüchtiger Ehefrau und einigen Patchwork-Kindern, von denen einer so allwissend zu sein scheint wie Sheldon Cooper. Worauf wollen Noah Baumbach und Don DeLillo eigentlich hinaus? Nach ungefähr 30 Minuten wäre auch die Möglichkeit gegeben, den Film einfach abzubrechen und sich Sinnvollerem zuzuwenden, denn zu viele leere Filmmeter scheinen abgespult, ohne ihren Zweck zu enthüllen. Anders als in The Meyerowitz Stories oder Marriage Story, die Baumbach selber verfasst hat und auch sein szenisches Gespür widerspiegeln, scheinen Buchadaptionen, vor allem diese hier, nicht die Stärke des Künstlers zu sein. Autorenfilmer ist nicht gleich literarischer Interpret, so viel scheint klar. Nach dieser halben Stunde aber konzentriert sich der Film auf das Katastrophenszenario, und wenn man da den Absprung verpasst hat, wird man auch bis zum Ende dranbleiben müssen. Dann geht es erst so richtig los, und obwohl Weißes Rauschen bereits 1985 geschrieben wurde, lassen sich vor allem in diesem filmischen Mittelteil so einige Seitenhiebe auf den medialen Umgang mit der Corona-Pandemie entdecken sowie auf das Erstarken einer Querdenker- und Besserwisser-Community. Dies geschieht leider nur am Rande, denn Baumbachs Verfilmung will dann doch wieder ganz etwas anderes, oder auf ganz anderem Wege sein diffuses Ziel erreichen, dass allerdings auch, um es als Hauptthema auszurufen, viel zu wenig fokussiert wird.

Weißes Rauschen ist ein verwirrendes Kunstwerk, liebäugelnd mit dem Farbspektrum der Achtziger und einer obsoleten Konsumgesellschaft, die ausgedient hat. Was das wieder mit dem Tod zu tun hat? Genaues lässt sich nicht herausfinden, und dennoch bleibt hier ein gewisses Staunen übrig, das daher rührt, nicht mehr vorhersagen zu können, was denn nun als nächstes geschieht. Ist das, was wir sehen, nun bedeutungsschwer oder so weit irreführend, dass hinter der Fassade einer kaspernden und wertelosen Gesellschaft nur diese Angst vor dem Tod steht, für die Lars Eidinger, der mittlerweile wie Landsmann Daniel Brühl vermehrt in internationalen Produktionen zu sehen ist, den richtigen Stoff hat.

Vielleicht – und das sogar ziemlich sicher – liest sich Weißes Rauschen besser als es sich ansehen lässt. Doch irgendwie hält dieser Reigen den Betrachter fest, als wäre man unfreiwilliger Teil einer Massenhysterie.

Weißes Rauschen

Was man von hier aus sehen kann

VOM ENDE UND SEINEN ANFÄNGEN

8,5/10


WasManVonHierAusSehenKann© 2022 Studiocanal GmbH / Frank Dicks


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND 2022

BUCH / REGIE: ARON LEHMANN, NACH DEM ROMAN VON MARIANA LEKY

CAST: LUNA WEDLER, CORINNA HARFOUCH, KARL MARKOVICS, ROSALIE THOMASS, PETER SCHNEIDER, BENJAMIN RADJAIPOUR, AVA PETSCH, COSMO TAUT, HANSI JOCHMANN, JOHANNES ALLMAYER, GOLO EULER, THORSTEN MERTEN U. A.

LÄNGE: 1 STD 49 MIN


Irgendetwas ist anders. Ja, stimmt, wir befinden uns im Genre der Tragikomödie nicht im Frankreich der Fünfzigerjahre, sondern in einem kleinen Dorf im Westerwald, in welchem die Zeit stillzustehen scheint, wo keine Smartphone-Technik die verschrobenen Verhaltensweisen der Bewohner verzerrt oder sonst ein Trend den Lauf der Dinge vorwegnimmt. Dieses Dorf gibt es nicht, kann es nicht geben, in seiner Schlichtheit und Unmissverständlichkeit, die sich bereits an den Schildern über den Geschäften manifestiert. Da gibt es einen Optiker, einen Buchladen, ein Eiscafé. Hier ist alles so, wie es ist. Man möchte fast meinen, in einem Sammelsurium aus Janoschs Feder einzutauchen, nur ohne Bären und ohne Tiger, sondern mit charakterlich unverwechselbaren Menschen, die einmal griesgrämig, dann traurig oder einfach sehnsüchtigen Herzens sind. Es ist eine Welt wie aus einem Märchen von Roald Dahl, und dann wieder wie aus dem bizarren, ins Metaphysische eintauchenden Panoptikum von Jean Pierre Jeunets fabelhafter Welt der Amelie. Im Zentrum steht die Liebe, doch die ist nicht so zu verstehen, wie wir sie kennen, nämlich als Schnulze, Romanze oder kitschige Lovestory. In Was man von hier aus sehen kann sind die in den Herzen getragenen Träumereien und Wahrheiten fast schon offene Geheimnisse, deren Verbalisierung gar nicht vonnöten scheint, die sich nur durch Taten zu erkennen geben und meist zum richtigen Zeitpunkt erscheinen. Dabei wird so viel positive Energie freigesetzt, dass man als Zuseher, zu Tränen gerührt, auch noch ein großes Stück davon abbekommt.

Dieses kleine Dorf also, mit seinen seltsamen Bewohnern wie der notorisch miesgelaunten Marlies, dem jähzornigen Palm oder der abergläubischen Elsbeth, gerät in muntere Panik, wenn Oma Selma mal wieder von einem Okapi träumt. Was das bedeutet? Nun, meist ereignet sich dann Tags darauf ein Todesfall. Aber was heißt; meist. Immer. So ist es verankert. So funktioniert diese Welt. Und immer dann, wenn das Okapi seinen Auftritt hatte, wird den Bewohnern das Ende ihres Lebens bewusst. Sie versuchen, den Tag zu leben, als wäre er ihr letzter. Inmitten dieser Ereignisse steht Luise (Luna Wedler, u. a. aus Je suis Karl bekannt), die auf zwei Zeitebenen so ihre Erfahrungen macht. Einmal als Kind, dann als junge Erwachsene. Auch sie wird von Visionen heimgesucht, die aber anderer Natur sind und manchmal das Ableben ihres Hundes Alaska illustrieren. Wie Luise also ihren Platz im Leben findet, und wie jede der hier in diesem versponnenen Lummerland existierenden Seelen das Prinzip des Miteinanders zu verstehen lernt – davon erzählt der wohl beste deutsche Film des Jahres 2022, der noch so kurz vor Ende eines ereignisreichen Kinojahres über die Leinwände hereinschneit.

Wer hätte gedacht, dass das Genre der leichtfüßigen Tragikomödie nicht nur den Franzosen vorbehalten bleibt. Mittlerweile scheint es, als könne es das deutsche Kino genauso. Denn Was man von hier aus sehen kann beweist diesen Umstand dank der Fähigkeit, weit um platten Kitsch herumzuschiffen und Kino-Poesie, wie man sie selten sieht, in all ihrer bescheidenen Strahlkraft einzufangen. Bescheiden deswegen, weil sich Poesie wie diese zwischen den Zeilen liest. Die anders sichtbar wird, die aber von einem Ensemble getragen werden muss, dass keinerlei Vorbehalte untereinander hat. Aron Lehmann (Highway to Hellas, Jagdsaison) kann sich voll und ganz auf Schauspielgrößen wie Corinna Harfouch oder Karl Markovics verlassen. Beide liefern Glanzleistungen ihrer Karrieren ab und schaffen so nebenbei einen der schönsten Kinomomente der letzten Jahre. Beide harmonieren so wunderbar miteinander, dass sie den Film wohl ganz allein getragen hätten. Mit schillernden Nebenrollen wie die von Rosalie Thomass oder Peter Schneider aber ist das gar nicht notwendig. Sie bereichern den Ensemblefilm um so skurrile wie melancholische Nuancen. Alle gemeinsam bestücken einen Film, der nicht unbedingt einen dicken roten Erzählfaden durch das Gesehene hindurchführt, sondern der mehrere Blickwinkel zugleich bedient, fast zeitlos, und die allesamt auf eines hinauslaufen: Auf das Glück im Leben, nicht allein sein zu müssen. Diese Zweisamkeiten gelingen in der stillen Betrachtung am Besten; ohne viel Worte, mit vielen Geheimnissen, die es zu bewahren gilt. Bis ans Ende eines Lebens, wenn sich neue Anfänge eröffnen, wo das Alte in sich zusammenfällt und bislang Verborgenes sichtbar wird. Und man kann gar nicht anders, als seine Liebsten, die man mitgenommen hat in diesen Film, schon während des Abspanns in den Arm zu nehmen. Wenn Kino die Nähe so sehr triggert, dann ist das etwas ganz Besonderes.

Was man von hier aus sehen kann

Glass Onion: A Knives Out Mystery

WER IM GLASHAUS SITZT

6/10


glassonion© 2022 Netflix Österreich


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: RIAN JOHNSON

CAST: DANIEL CRAIG, JANELLE MONÁE, EDWARD NORTON, DAVE BAUTISTA, KATE HUDSON, KATHRYN HAHN, LESLIE ODOM JR., MADELYN CLINE, JESSICA HENWICK, NOAH SEGAN, ETHAN HAWKE, HUGH GRANT U. A. 

LÄNGE: 2 STD 20 MIN


Mit Rian Johnsons Whodunit Knives Out hätte Krimigöttin Agatha Christie eine Riesenfreude gehabt, war der doch ganz im Stile ihrer eigenen Fälle konzipiert, die manchmal so undurchschaubar waren, dass man sich als Leser nur noch wundern konnte, warum man auf die Wahrheiten dahinter nicht schon eher gestoßen war. Christie hat ihre kriminalistischen Abenteuer stets so verwoben, dass die Indizien und Verdachtsfälle in munterer Geistesgegenwart die richtigen Haken schlugen, ohne zu weit auszuholen. Johnson ist mit Knives Out genau diesen Anweisungen – oder anders gesagt: dem Stil des überschaubaren Kreises üblicher Verdächtiger – gefolgt. Das Ergebnis war von Christopher Plummer über Don Johnson bis Ana de Armas der illustre Reigen eines familiären Tohuwabohus, inmitten dieses Sturms im Herrenhaus Daniel Craig als moderner Hercule Poirot, genannt Benoit Blanc. Mit französischem Namen, aber ohne französischem Akzent. Für seine charmante, eloquente und auch zurückhaltende Art hat er sich wohl vom Gehirnakrobaten aus Belgien inspirieren lassen, den mittlerweile Kenneth Branagh in ganz anderen Filmen sehr solide nachinterpretiert. Blanc ist einer aus der Gegenwart. Ein bisschen wie Sherlock Holmes am Verzweifeln, wenn keine neuen Fälle eintrudeln. Von James Bond fehlt jede Spur.  

Und so wird Benoit Blanc in seinem zweiten Fall auf die Insel eines unanständig reichen Superreichen a la Elon Musk geladen, der mit seinen engsten Vertrauten ein luxuriöses Wochenende zu verbringen gedenkt, das noch dazu mit einem netten Cluedo-Spiel aufgepeppt werden soll, übertragen auf das Anwesen und all die netten Gäste. Was diesen Miles Bron am meisten überrascht, ist das Erscheinen seiner längst aufs Abstellgleis des Erfolges verfrachteten Business-Partnerin Andi, die ebenfalls eine dieser verzwickten Rätsel-Einladungen in Form einer Box erhalten hat. Dass Benoit Blanc auch noch aufschlägt, war im Gegensatz dazu überhaupt nicht vorgesehen. Doch der ist nun mal hier, und schon bald, nachdem alle ihre Ambitionen anhand langer Gespräche dargelegt haben, kommt es zum verhängnisvollen abendlichen Umtrunk. Einer streckt die Patschen, und es ist nicht der Hausherr, welcher im Spiel eigentlich das Opfer sein sollte.  

Rian Johnson setzt zu Beginn seines Glamour-Krimis die richtigen Hebel in Bewegung. Das Böse unter der Sonne lauert anfangs überall, wir haben das Mittelmeer, Leinenhosen umspielen Daniel Craigs Beine, Kate Hudson trägt einen breiten Sonnenhut wie seinerzeit Diana Rigg unter Guy Hamiltons Regie. Janelle Monáe (u. a. Moonlight, Harriet) unterstreicht ihre stoische Mimik mit flaschenbodengroßen Sonnengläsern. Während Dave Bautista, unser geliebter Drax aus dem Marvel-Kosmos, hier völlig aus der Agatha Christie-Reihe tanzt. Als tätowierter Youtube-Hüne ist er mit von der Partie und bringt das ganze Sammelsurium aus Motiven, Indizien und Manierismen auf einen etwas anderen Kurs. Und endlich – endlich darf Edward Norton wieder mal aus dem Nebenrollenschatten diverser Wes Anderson-Filme heraustreten und eine größere Rolle spielen, die ihm formidabel zu Gesicht steht. Als reicher Schnösel geht er problemlos durch, vielleicht spielt er sich auch ein bisschen selbst, ist doch klar, wie wenig umgänglich der Star hinter den Kulissen agieren kann.

Mit all diesem Potenzial sollte Johnson ein ähnlicher Spaß gelingen wie bei seinem Franchise-Kick Off. Und ja, es sieht alles danach aus. Die Charaktere sind wohlpositioniert, alle haben ihre Hühnchen, die sie mit Edward Norton rupfen wollen. Die Sonne brennt heiß, das Anwesen ist unübersichtlich genug, um zündende Mystery darin zu verstecken. Was für ein Filmabend, könnte man meinen. Und dann holt Johnson aus. Sehr weit, viel zu weit. Wie beim Stabhochsprung wuchtet er sich über die dramaturgische Latte, unter welcher kompaktes Rätselraten garantiert scheint – und ufert aus. Mit Rückblenden, die viel zu lange dauern, verwässert Glass Onion – A Knives Out Mystery seine Mitgefangen-Mitgehangen-Regel zu sehr, um seinen anfänglichen Suspense zu halten. Story Twists werden viel zu früh platziert, all die Motive der einzelnen Figuren so sehr ausgewalzt, als ginge es längst nicht mehr darum, einen Mord aufzuklären. Das ist nur bedingt interessant, wohingegen Mona Lisas Lächeln, das einmal hinter Panzerglas und dann wieder ohne erstrahlt, einen netten Sidekick ergibt, der für die Story aber ungenutzt bleibt. Genauso wenig wie manches Detail am Rande, dass mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. So ist schnell klar, worauf der Krimi, der nur noch zur Nebensache wird, hinausläuft. Und Benoit Blanc, der kann nicht viel mehr tun als seine Indizien-Rede zu schwingen und zuzusehen, wie sich die erfolgsverwöhnte Elite untereinander aufreibt. Genau das ist schließlich sehenswert, während die Hatz nach der Mörderin oder dem Mörder hinter dem Horizont des Mittelmeeres entschwindet.

Glass Onion: A Knives Out Mystery