Godzilla x Kong: The New Empire (2024)

ES RÜTTELN DIE TITANEN AM WATSCHENBAUM

6,5/10


godzillaxkong© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: ADAM WINGARD

DREHBUCH: SIMON BARRETT, TERRY ROSSIO, JEREMY SLATER

CAST: REBECCA HALL, DAN STEVENS, BRIAN TYREE HENRY, KAYLEE HOTTLE, ALEX FERNS, FALA CHEN, RACHEL HOUSE, RON SMYCK, CHANTELLE JAMIESON U. A.

LÄNGE: 1 STD 55 MIN


Je mehr Episoden es gibt, und je weiter diese von Gareth Edwards Neuinterpretation der Riesenechse aus dem Jahr 2014 entfernt sind, umso weniger ist die Story, die hinter allem steht, noch von Bedeutung. Ein Fehler? Wie man es nimmt. Es kommt vor allem darauf an, unter welchen Beweggründen man für Godzilla x Kong: The New Empire die Lichtspielsäle heimsucht. Wohl weniger, um zu erfahren, wie es nach Godzilla vs. Kong weitergeht.

Den Plot haben viele schon vergessen. Die auf AppleTV+ veröffentlichte Serie Monarch: Legacy of Monsters siedelt zeitlich zwischen Gareth Edwards Reboot und dem Sequel Godzilla II: King of Monsters, ist also für diesen neuen Streifen relativ irrelevant, mit einer Ausnahme: Die Organisation namens MONARCH rückt dabei in den Fokus – quasi das S.H.I.E.L.D. des MonsterVerse, deren kluge Köpfe in früheren Zeiten schon zur logischen Schlussfolgerung gekommen waren, dass diese Titanen nicht aus heiterem Himmel auf diese alternative Erde gefallen sein konnten. Als Zuseher von der Hohlwelt zu wissen mag kein Fehler sein – in Wahrheit ist es aber völlig egal. Wer hier obendrein als menschlicher Charakter mitmischt, hat auch längst keinen Wiedererkennungswert mehr. Rebecca Hall, Brian Tyree Henry – hatten wir die schon mal? All die Beteiligten sind Platzhalter, nichtssagende Figuren in einem großen Spiel, die nur beobachten können, weil sie machtlos sind, wenn die wuchtigen Riesen Marke Elefant im Porzellanladen nicht mal vor Weltwundern Halt machen und alles in Schutt und Asche legen. Sie tun das auch, wenn sie nichts Böses wollen.

Godzilla x Kong: The New Empire können auch jene genießen, die sich noch überhaupt kein bisschen in die Materie hineingearbeitet haben, die einfach nur zugeklotzt werden wollen mit üppigen Effekten und so donnernden wie markerschütternd brüllenden Kreaturen aller Art, die in einer Welt leben, die aus Jurassic Park, Avatar und unserer eigenen Welt zusammenmontiert ist und als Hohlwelt im Inneren der Erde existiert. Es ist der feuchte Traum eines Jules Verne oder H. G. Wells, es ist das Shangri La aller Monsterfans, weil dort wüten kann, was immer man sich auch in den Kopf setzt, was dort wüten soll. Es ist Rudyard Kiplings Dschungelbuch in der XL-Dirty-Version und ein Planet der Affen für Gourmands, die sich ohne Lätzchen ans tischebiegende Buffet begeben, das alle Leckereien bietet, auf die man Lust hat.

Wenn Godzilla, quasi das fleischgewordene Ende der Nahrungskette unter den Titanen, wie ein Hund in seinem Körbchen im römischen Kolosseum sein Nickerchen macht, ist das fast schon eine ungeahnte Zärtlichkeit, eine feine Klinge. Wenn Kong, unter Zahnweh leidend, zum Onkel Doktor aus der Hohlwelt in unsere Hemisphäre krabbelt, um sich von „Ace Venture“-Verschnitt Dan Stevens einer Wurzelbehandlung zu unterziehen, könnte man vermuten, der gemütliche Alltag ist auf Terra eingekehrt, eine durch evolutionären Weltlauf müde gelaufene Koexistenz, bis die nächste Katastrophe heranwalzt. Und das tut sie auch.

Bühne frei für eine Affenbande, die sich aufführt wie die streitlustigste Gang im Wiener Problembezirk Favoriten, fiese Gesellen mit schiefen Visagen und psychopathischen Blicken, so groß wie Kong, aber doppelt aggressiv, angeführt vom hässlichen – weil Boshaftigkeit muss sich in Hollywood immer auch äußerlich niederschlagen – Scar, der als schlaksiger Orang-Utan dem in der Hohlerde indigenen Volk der Iwi ordentlich mit dem Damoklesschwert droht. Die senden wiederum ein SOS an die Oberfläche – eben dort, wo Godzilla seine Schläfchen macht. So müssen die Echse und Kong gemeinsame Sachen machen, um diese aufmüpfigen Rabauken die Ohren langzuziehen, haben diese doch auch eine legendäre Kreatur im Schlepptau, die Scar gehorcht. Seit dem letzten Teil wissen wir noch (oder wir wissen es nicht mehr): Die Echse und der Affe sind nicht sonderlich gut aufeinander zu sprechen und dulden sich nur, wenn jeder seiner Wege geht. Noch ein Faktor, der Krawall verspricht.

Zum waschechten Guilty Pleasure wird Godzilla x Kong: The New Empire immer dann, wenn auch noch andere Titanen mitmischen – schuppiges Gewürm, tollwütige Riesenwölfe oder Giga-Seespinnen, die sich in der Tür geirrt haben. Tricktechnisch pulvern diverse Effektfirmen, allen voran Weta FX, den neuesten Stand der Zunft auf die Leinwand, somit wird Adam Wingards Biomasse-Gewitter zum fotorealistischen Animationsfilm, in welchem all die Menschlein, und sind sie auch noch so wiff im Denken und Handeln, gnadenlos erblassen. Mit ihnen geht auch der arg konstruierte Plot in die Defensive. Warum in Gottes Namen eine neu entdeckte Welt wie diese nicht sowieso schon längst jeden noch so ehrgeizigen Forscher auf den Plan gerufen hat, widerspricht auf obszöne Weise der Neugier des Menschen. Und ob die stämmige Echse mit Hang für allerlei Radioaktives nun Tausende Menschen in den Tod befördert, bleibt ein unbeachtetes Detail am Rande, weil Godzilla seit jeher die kataklysmische Katastrophe verkörpert, die unsere Spezies zu Ameisen degradiert.

Godzilla x Kong: The New Empire (2024)

Avatar: The Way of Water

DER MENSCH UND DER NEID AUFS PARADIES

8/10


AVATAR: THE WAY OF WATER© 20th Century Studios. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: JAMES CAMERON

BUCH: JAMES CAMERON, JOSH FRIEDMAN

CAST: SAM WORTHINGTON, ZOE SALDANA, STEPHEN LANG, SIGOURNEY WEAVER, KATE WINSLET, CLIFF CURTIS, JAMIE FLATTERS, BRITAIN DALTON, JACK CHAMPION, CCH POUNDER, JEMAINE CLEMENT U. A.

LÄNGE: 3 STD 13 MIN


Da gibt es Kunstwerke auf dieser Welt, die existieren scheinbar schon ewig, doch man hat sie selbst noch nicht gesehen. Die Pyramiden zum Beispiel, den Petersdom oder die Fresken des Michelangelo. Man weiß, dass diese von einer objektiven Schönheit sind, und man weiß, dass, würden diese mal wirklich vor den eigenen Augen in ihrer ganzen Realität erscheinen, wir sie schön finden müssten. Allein schon aufgrund der Art und Weise, wie sie entstanden sind. Und vor allem: wie lange. Das zu respektieren verlangt in gewissem Maße ein positives Feedback des Betrachters. Denn so viel Arbeit verdient, honoriert zu werden. Ist es also ehrlos, wenn der Applaus trotzdem ausbleibt? Viel mehr scheint es wie ein Gruppenzwang, unter welchem man gut finden muss, was die Mehrheit bereits überschwänglich liebt. Sich dem zu entziehen, ist manchmal nicht leicht. Und bei den Werken von James Cameron, die schon irgendwie, zumindest in der Welt des Films, einen gewissen Weltwunder-Status genießen, ist diese den Massen zugetragene Schönheit genauso etwas, was unmöglich nicht gefallen kann. Oder doch?

Beginnen wir mal damit, dass James Cameron, Visionär und Avantgardist in Sachen Film- und Kameratechnik, in erster Linie eben genau das ist: ein Techniker. Einer, der Science-Fiction und alles liebt, was irgendwie mit Wasser zu tun hat. Der so wie George Lucas einst nicht viel darauf gibt, was alles möglich ist, sondern viel mehr wissen will, was alles möglich sein kann. Und so macht er seine Filme. Mit einem Aufwand wie beim Bau der Pyramiden, mit eigens entwickelten Kameras und Methoden, die Bilder liefern sollen, wie das Publikum sie bis dato noch nicht gesehen hat. 13 volle Jahre lang konnte uns Cameron dies versprechen. Bis Mitte Dezember 2022. Denn da sollten wir sehen, ob das Blaue vom Himmel nicht nur eine Seifenblase ist, sondern greifbare Früchte aus dem Olymp des Eventkinos, die sich nun jeder von uns für spendable 20 Euro pro Nase pflücken kann. Wenn man ein Herz hat für Fantasy. Für simple Geschichten voller Pathos. Oder einfach zur Masse dazugehören will.

Eigentlich will ich das nicht. Aber Fantasy-Fan bin ich schon. Und Liebhaber des 2009 über die nichtsahnende Kinowelt hereingebrochenen ersten Teils – Avatar – Aufbruch nach Pandora. Damals hat mich weniger die schwindelerregende 3D-Optik zur Standing Ovation hinreißen lassen, sondern das konsequent bis ins kleinste Detail durchdachte Ökosystem eines fremden Mondes, angefangen von biolumineszierenden Pollen bis hin zu prähistorisch anmutenden Dickhäutern oder drachenähnlichen Flugwesen, mit welchen das Volk der Na’vi in Verbindung treten kann. Und nicht nur mit diesen Echsen können sie das, sondern mit allem. Mit den Pflanzen, mit dem Boden – mit dieser ganzen prachtvollen, so faszinierenden wie gefährlichen Natur, genannt Eywa – die Mutter. Die größte Idee Camerons war dabei aber immer noch jene, die Na’vi mithilfe eines zopfartigen Auswuchses mit Pandora in den Austausch treten zu lassen. Kann sein, dass wir Menschen mangels dieser Möglichkeit und der Tatsache, dass wir uns immer weiter von der Natur entfernen, angesichts dieses Privilegs neidvoll erblassen. Wut und Enttäuschung mischt sich dazu. Die Na’vi haben etwas, was wir nicht haben: Das Verständnis für das große Ganze.

Apropos großes Ganze: 2009 hat Cameron nur gezeigt, was in den tropischen Wäldern Pandoras so los ist. Jetzt bekommen wir die tropischen Gefilde präsentiert, die artenreichen Riffe und das, was jenseits der Riffe so lebt. Von Panzerfischen bis zu fremdartigen Walen. Eigentümlichen Seehasen, die Atemluft spenden oder Ichthyosaurier, die sich reiten lassen. Blickt man auf unsere Erde, so würde das Paradies von Raja Ampat im Nordwesten von Papua dieser Welt am nächsten kommen. Man spürt die tropische Wärme, das warme Wasser auf der Haut, das kühler wird, je tiefer man runtertaucht. Die wogende See und den die Schwüle lindernden Regen. Cameron nimmt sich Zeit, um seine Welt zu erklären. Das ist das, was er am besten kann. Was er noch kann und wir seit Aliens – Die Rückkehr längst wissen: Action inszenieren. Und mit dem Wasser spielen.

Also lässt der Meister des sündteuren Entertainments alles an Kameras auffahren, denen er habhaft werden konnte, lässt das Weta-Team bis zum Umfallen an organischen Texturen arbeiten, vermengt auf perfektionistische Weise Realaufnahmen mit digitalen Welten, die sich anfühlen, als wären sie der Parcour eines PS5-Computerspiels der neuen Generation. Selbst ist man einer der blauen oder aquamarinfarbenen Eingeborenen in vollendetem Performance-Capture und sprintet, schwimmt und taumelt durch ein trunken machendes Jump and Run-Szenario, das von so einer virtuosen Kamera begleitet wird, dass es schier unmöglich wird, nachzuvollziehen, wie ein solches Timing an Schnitt, Kamera und Bewegung die ganze Zeit gewährleistet werden kann. Während Avatar: The Way of Water anfangs oft zurückblickt auf den ersten Teil und in der zweiten Stunde auf Universum-Erkundungstour unter den Wasserspiegel geht, definiert die dritte Stunde das Actionkino neu. Was einst bei Star Wars – Episode IV für Ahs und Ohs gesorgt hat, lässt diesmal wieder die Kinnlade der Schwerkraft folgen. Da entstehen Bilder, die man nicht so schnell vergisst. Stets interagierend mit den geographischen Eigenheiten des Trabanten wie zum Beispiel einer täglichen Sonnenfinsternis, ist das wechselnde Licht des Tages und der Nacht auf der Haut der Na’vi die absolute Königsdisziplin für Kameramann Russel Carpenter und den Effekt-Spezialisten, die gemäldeartige Arrangements schaffen aus Körpern und Tieren, stets im hitzigen Dialog mit einer zerstörerischen Technik, die das Mysterium eines Paradieses unterwandert.

Die Sehnsucht nach dem Paradies ist vielleicht Camerons größte Versuchung, der er sich in jeder Szene hingeben will. Das Streben nach Perfektion in einem Film ist aber nicht immer alles. Kann sein, dass man Gefahr läuft, etwas klinisch Kitschiges abzuliefern. Als würde man eine KI fragen: Wie sieht eine schöne Landschaft aus? Ab und an passiert das hier. Die schwebenden Korallenbrocken sind dann doch zu viel des Guten, das meist strahlende Wetter zur Mittagszeit ein bisschen flach. Pandora sollte genauso ungemütlich sein wie manchmal unsere Welt. Doch diese Katastrophen kommen stets nur in Gestalt einer invasiven Menschheit, die sich nach einer ausgeknockten Erde nun diesen Mond unter den Nagel reißen will. Und da sind wir auch schon bei Camerons größter Schwäche: Die Geschichte selbst. Und ja: für ausgefeilte Plots ist der Mann schließlich nicht berühmt geworden. Weder bei Terminator noch bei Aliens noch bei Titanic. Seine Stories sind simpel und folgen einfachen Mustern. Gut und Böse bleibt gerne strikt getrennt, die Kritik am Raubbau natürlicher Ressourcen wird in universellen Bildern für jede Altersgruppe dargestellt.

Avatar: The Way of Water ist ein Film, an den man sich beim Zusehen erst gewöhnen muss. Oder besser gesagt: Das Auge, welches etwas Zeit benötigt, um einen gewissen Gleichklang aus dem Gesehenen zu machen. Jeder nimmt visuelle Reize anders wahr, mir zumindest fallen die Unterschiede zwischen Szenen mit höherer Bildrate und herkömmlich gefilmten Sequenzen deutlich auf, was aber im Laufe des Films zum Glück homogener wird – so auch der 3D-Effekt, den man bald nicht mehr wahrnimmt, sondern nur die erhöhte Plastizität sich bewegender Körper. Daher ist auch die letzte Stunde die Sternstunde in einem Film, der trotz dieser satten Laufzeit verblüffend kurzweilig erscheint, weil man die Chance bekommt, Hals über Kopf in eine Welt einzutauchen, von welcher man gerne ein Teil wäre. Cameron ist es unterm Strich gelungen, nicht allzu viel mehr versprochen zu haben als er uns letzten Endes gegeben hat. Das Avatar-Abenteuer ist zweifelsohne ein Meisterwerk technischer Präzision. Und das, was wir ohnehin nicht erwartet hätten, enttäuscht uns auch nicht. Genauso wenig wie die Pyramiden oder der Petersdom, von dem wir längst wussten, dass sie beeindruckend sein müssen.

Avatar: The Way of Water