Ich – Einfach unverbesserlich 4 (2024)

GIRL, YOU KNOW IT’S GRU

6,5/10


© 2024 Illumination / Universal Pictures


LAND / JAHR: USA, FRANKREICH 2024

REGIE: CHRIS RENAUD

DREHBUCH: MIKE WHITE, KEN DAURIO

MIT DEN STIMMEN VON (ORIGINAL): STEVE CARELL, KRISTEN WIIG, WILL FERRELL, JOEY KING, STEVE COOGAN, DANA GAIER, MIRANDA COSGROVE, CHRIS RENAUD, SOFIA VERGARA, STEPHEN COLBERT U. A.

LÄNGE: 1 STD 35 MIN


Diese Figur erkennt man aufgrund seiner Physiognomie allein schon aufgrund ihres Schattens, den sie wirft: Gru, Ex-Superschurke mit osteuropäischem Akzent – stelzige Beine, breiter Oberkörper und zum Wendehals nicht geeignet, da ihm dieser sichtlich fehlt. Zwischen Kinn und Brust wickelt sich ein Schal, das Haupt selbst glänzt durch Abwesenheit einer Haarpracht. Der grimmige erste Eindruck von jemanden, dem man naturgemäß keinen Gebrauchtwagen abkauft, täuscht. Der Mann hat sich über vier Teile hinweg (eigentlich fünf, wenn man das Minion-Sequel hinzuzählt) daran abgearbeitet, ein besserer Mensch zu werden. Unverbesserlich war gestern, mittlerweile ist Gru verantwortungsbewusster Teil einer sechsköpfigen Familie, deren Mädels niemals älter werden und schon mehr in ihren jungen Jahren erleben mussten, als James Bond in seiner ganzen Laufbahn auf seine Habenseite brachte. Finsterlinge en masse haben in diesem Universum immer den Kürzeren gezogen, durch den Wink des gutmeinenden Schicksals und einer von Moral durchdrungenen Welt, in welcher der Anstand über dem Wahnsinn diverser verrückter Professoren regiert, die apokalyptische Gerätschaften aus dem Boden stampfen, um alles in Schutt und Asche zu legen.

Einer dieser Unholde ist Grus Jugendfeind Maxime Le Mal, der im Rahmen eines Klassentreffens an der Schurkenschule Lycée Pas Bon damit prahlt, als Mensch-Kakerlake die Weltherrschaft zu erlangen. Gru, der nun für die Anti-Verbrecher-Liga, kurz AVL, seinen Beitrag leistet, kann den Fiesling zwar dingfest machen, doch dieser lässt kurzerhand das Gefängnis hinter sich, um Rache zu üben an seinem Erzfeind, indem er ihm den jüngsten Spross der Familie, Gru Jr., entwenden will. Um dieser Bedrohung zu entgehen, landet die ganze Familie mit neuen Identitäten im langweilig schönen Städtchen Mayflower – wo längst ganz andere Individuen danach trachten, perfide Dinge zu drehen.

In diesem Zickzackkurs zwischen Minion-Upgrade, welches die Fantastic Four parodiert, familiärer Troubles und dem Erstarken eines psychopathischen Kakerlaken-Dompteurs im schleimfreien David Cronenberg-Bodymix tänzelt das nicht sonderlich originelle neue Abenteuer im freudvollen Pharrell-Williams-Hüpfschritt durch eine zerfranste Geschichte, die für einen Film wie diesen unerwartet viele Schauplätze hat und bisweilen so wirkt, als wäre man über das Regiekonzept für eine Serienstaffel gestolpert. Den Minions geht dabei ordentlich die Luft aus. Sie kalauern zwar in quietschendem Schabernack-Modus situationskomisch durch die wie immer supergrell überzeichnete Agentenfilm-Parodie, hecheln aber einem formidabel ausgeschlafenen Gru zeitweise nur noch hinterher. Da mögen die Superminions diesmal ihre Spaß-Munition ins Nichts verschossen haben, während die unverbesserliche Spitznase die meisten Lacher auf ihrer Seite hat. Der Umstand ist ebenfalls situationskomischer Natur, die groteske Gestalt des Anti-Helden eignet sich einfach perfekt dazu, diesen wie einst Inspektor Clouseau oder Johnny English effektvoll in diverse Fettnäpfchen treten zu lassen. Es macht Spaß, Gru dabei zuzusehen, wie er beharrlich versucht, seinem frechen Baby-Bengel näherzukommen. Es ist die Chronik einer Vater-Sohn-Beziehung, der Chris Renaud am meisten Aufmerksamkeit schenkt – und als Sidestory, die sich folglich mit dem eigentlichen roten Faden vermengt, viel Herzlichkeit beweist.

Ich – Einfach Unverbesserlich 4 erfüllt die Erwartungen, die Kenner wohl haben werden – vom Kind bis zum kindlichen Erwachsenen, der dem turbulenten, liebevoll charakterisierten Action-Klamauk schon von der ersten Stunde an einiges abgewinnen konnte. Die Minions sind diesmal hauptsächlich nur Beiwerk, aber das sollen sie ja auch sein, schließlich haben sie ihre eigenen Filme, und zu viel der gackernden Albernheiten mögen einen sonst so bekömmlich erscheinen wie eine magenfüllende Mahlzeit im Süßwarenladen. Am Ende gibt’s gar ein Wiedersehen mit alten Bekannten, und fast hat man den Eindruck, mit dem vierten Teile wird es das wohl gewesen sein. Und wenn: Als würdiger Abschluss lässt sich der dritte Aufguss durchaus verbuchen, ohne allzu sehr bei sich selbst geklaut zu haben.

Ich – Einfach unverbesserlich 4 (2024)

Pets 2

HELDEN FÜR ALLE FELLE

5/10

 

pets2© 2019 Universal Pictures Germany

 

LAND: USA 2019

REGIE: CHRIS RENAUD

MIT DEN STIMMEN VON (DEUTSCHE FASSUNG): JAN JOSEF LIEFERS, FAHRI YARDIM, DIETMAR BÄR, JELLA HAASE, STEFANIE HEINZMANN, DIETER HALLERVORDEN, FREDERICK LAU, MARIO BARTH U. A.

 

Da sind sie wieder, die Hunde, Katzen und Nager aus dem futuristisch-fiktiven New York, wohnhaft in einem Ziegelbau mit Feuertreppe, quasi dem Stiegenhaus für Haustiere inkognito. Wir treffen abermals auf Max, Duke und auf das Kaninchen Snowball, das ein Doppelleben führt – nämlich das eines Superhelden in blauem Satin. Nicht zu vergessen die affektierte Katzendame Chloë die sowieso allen die Show stiehlt und fast schon Garfield Konkurrenz macht, in dem, was das leicht untersetzte Tierchen so für Allüren an den Tag legt. Allein wegen dieser Charakterzeichnung ist es wert, Pets 2 als Da Capo für den ersten Teil anzusehen. Und gibt es noch andere Gründe? Nunja, mal sehen – vielleicht. Aber nichts Offensichtliches. Denn Pets 2 stolpert angesichts seiner Vielfalt an liebenswerten Pelz-Individualisten über seine Ambition, jedem Tierchen seine Challenge zu schenken. Aus einem handfesten Abenteuer quer durch urbane Gefilde wie im Original aus 2016 wird eine lose Episodenrevue, die keine Eigendynamik besitzt, zwar viel und gerne die Eigenheiten von Stubentiger und Co durch den Kakao zieht, aber für einen abendfüllenden Trickfilm das Thema grundlegend verfehlt.

Wobei Regisseur Chris Renaud seine kleinen Alltagshelden, die mit diversen Änderungen klarkommen müssen und jede Menge neue Erfahrungen sammeln, abgöttisch zu lieben scheint. Vor allem Katzen. Und was sich so sehr liebt, das neckt sich. Katzen könnten sich also kompromittiert fühlen. Oder aber, wie es viel eher ihre Art zu sein scheint, dazu stehen, nicht wirklich der selbstlose Good Fellow zu sein wie es Hunde in einer gewissen devoten Hörigkeit nun mal sind. Vielleicht macht ihr täglicher Ego-Trip, wie es Jim Davis fetter oranger Kater so augenzwinkernd karikiert, diese handlichen Whiskas-Jäger so unwiderstehlich, weil sie ihren eigenen Schwächen nicht widerstehen können, was sie dann wieder so menschlich macht. Chloë ist da ein schillerndes Beispiel, da kann sich die alte Katze Crisabella aus Cats durchaus etwas selbstverliebter zeigen. Wie die graumelierte Fellbirne jeden Morgen ihren Lebensmensch zu wecken versucht, ist eines der Highlights des Filmes. Und generell sind es diese kleinen Momente tierischen Verhaltens, wie wir sie kennen, nur herrlich überzeichnet oder gar nicht mal so sehr. Und Tiere zu karikieren ist wohl die dankbarste Art, sich über andere lustig zu machen. Nicht als Häme, sondern als Liebeserklärung, weil Kabinettsneurotiker wie diese uns so sehr ans Herz wachsen können. Vom Wellensittich bis zum Neufundländer. Da gehört das Klischee der verschrobenen Katzenfrauen natürlich dazu.

Schade, dass Drehbuchautor Brian Lynch dem Illumination-Team nichts Besseres vorlegen hat können. Die meiste Zeit läuft Pets 2 dreigleisig, wir switchen zwischen den kleinen, grob skizzierten Abenteuern hin und her, und nur mit Biegen und Brechen finden diese Storylines am Ende zusammen, obwohl dieser Versuch gar nicht mehr notwendig gewesen wäre. Pets 2 erzählt keine Geschichte mehr, sondern mehrere, eignet sich daher perfekt für eine Fernsehshow a 20 Minuten – nicht aber für einen Kinofilm, der erstens nicht als Episodenfilm deklariert ist, und zweitens als solcher zu wenig Substanz hat. Da hätte man noch jede Menge Hirnschmalz hineinstecken können, eine wirklich tolle Geschichte finden wie es Disney mit z.B. Aristocats oder Susi & Strolch geschafft hat. Und nicht auf ausgediente Versatzstücke aus dem Minions-Archiv zurückgreifen müssen. Aber was soll´s, immerhin sind die süffisanten Tierportraits garantierte Lachnummern, Selbstläufer wie bereits bewiesen. Vielleicht ist das dem jüngeren Publikum ja genug, vielleicht setzen sie bei Pets 2 gar nicht mal so aufs Geschichtenerzählen. So knapp nach Schulschluss sind knuffige Eskapaden gebürsteten Fells die Bringer schlechthin. Für alle anderen stellt sich die Frage, wann sich denn die losen Enden der roten Fäden endlich aufrollen, damit die Katze damit auch spielen kann. Inmitten dieses fragenden Erwartens ist der Film dann auch schon wieder vorbei. Zumindest Tatz & Co haben sich dann jeder für sich selbst übertroffen. Ein Erfolg, den ich den Vierbeinern freilich gönne. Dem Film dahinter allerdings nicht so sehr.

Pets 2