Samaritan

SUPERHELDEN OHNE UMHANG

5,5/10


samaritan© 2022 Metro Goldwyn Meyer


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: JULIUS AVERY

SCRIPT: BRAGI F. SCHUT

CAST: SYLVESTER STALLONE, JAVON WALTON, PILOU ASBÆK, MOISÉS ARIAS, MARTIN STARR, DASCHA POLANCO U. A.

LÄNGE: 1 STD 39 MIN


Erst kürzlich bin ich im Free TV wiedermal über eine Szene aus Rambo gestolpert, in welcher sich dieser durch die Abwasserkanäle jener Kleinstadt kämpft, die Sheriff Brian Dennehy unter seiner Fuchtel hat. Eine ganze fette Karriere später ist Sylvester Stallone annähernd wieder dort gelandet, wo er angefangen hat: Als Underdog und Eigenbrötler mit traumatischer Geschichte, der von allen in Ruhe gelassen werden will und den man besser nicht provozieren sollte, würde man Wert auf die eigene Gesundheit legen. Stallone ist naturgemäß sichtlich älter geworden, und manches Mal kommt die erfahrene Bequemlichkeit eines Mario Adorf durch, der ihm mittlerweile ähnlich sieht und genauso wie Liam Neeson für Gerechtigkeit nur sorgt, wenn’s notwendig wird. Stallone kann es noch, wobei er am besten ist, wenn er, desillusioniert vom Leben, allen anderen aus dem Weg geht. Bevor also der Expendable nur noch Dramen macht, in denen er als Einzelgänger eben seine Runden dreht, probiert er‘s nochmal mit einem Genre, für welches er niemals je Interesse gezeigt hat: Jenes des Superheldenfilms.

Aufgrund seines kaum mehr kaschierbaren Alters (auch nicht mit Botox) gibt der Planet Hollywood-Gründer einen immerhin noch rüstigen Müllmann, der irgendwo in einer tristen Gegend der fiktiven Stadt Granite City altes Zeug sammelt, um es wieder zu reparieren. Beobachtet wird er dabei vom dreizehnjährigen Nachbarsjungen Sam, der seine Freizeit damit verbringt, den legendären Superhelden Samaritan auf die Spur zu kommen. Angeblich soll der vor 25 Jahren den Showdown mit seinem bösen Bruder Nemesis überlebt haben. Wenn‘s nicht der Schulwart ist oder der Busfahrer, dann zumindest dieser lakonische Hoodieträger, der den Jungen zuletzt bei einer Prügelei so hemdsärmelig die Haut gerettet hat. Das muss er sein, denkt sich Sam, und investigiert zum Leidwesen des Alten beharrlich weiter, währenddessen sich ein zwirbelbärtiger Nemesis-Fan langsam zum Idol für eine unzufriedene Armutsgesellschaft aufschwingt, nur um reuelos Verbrechen zu verüben. Dabei tobt die Anarchie in einer an Gotham City erinnernden, regennassen Metropole, die jemand ähnlichen wie Batman dringend nötig hat.

Klar, wie es enden wird? Nicht so ganz. Das überrascht in erster Linie nicht deswegen, weil Julius Avery, der zuletzt mit dem kruden Weltkriegshorror Operation: Overlord von sich reden machte, sondern vielleicht trotz der Graphic-Novel-Vorlage von Bragi F. Schut, der so hinreißende Skripts wie zum Beispiel für Der letzte Tempelritter ausgearbeitet hat. Zum Glück ist dem Schreiberling bei Samaritan nicht ganz so sehr die Feder ausgekommen. Die Superheldenreminiszenz für einen wie Stallone zeigt seine Sympathie für den rockigen Rambo, der keinerlei Cape nötig hat – allerdings so manch stützendes Grundmuster des Actionkinos, das mit Vaterfiguren wie Arnie in Last Action Hero oder Terminator 2 das Herz am rechten Fleck sucht. Als Sidekick fungiert in diesen Filmen stets ein mutiger Frischlingsteenie, der durch seinen Idealismus dem alten Beschützer durchaus noch etwas beibringen kann – oder ihn gar aus der Reserve lockt. Diesem System folgt auch Samaritan, macht dabei seine Sache aber ganz solide, wenn auch mit einigen auffälligen tricktechnischen Abzügen wie zum Beispiel einen in Rückblenden zu sehenden verjüngten Superhelden, dem das glatte Gesicht entgleist. Pilou Asbæk ist dabei ein sich selbst überschätzender, eitler Antagonist und erinnert an die platten Finsterlinge aus Stallones frühen Reißern, die sich kaum mit komplexen Handlungen aufhielten.

Samaritan ist ebenso wenig komplex. Durch die neue Synchronisation Jürgen Prochnows, an die man sich noch gewöhnen muss, stockt der Erzählfluss. Während der Plot bisweilen durchaus Potenzial hat, fehlt dem Ganzen das inspirierte Etwas. Überraschungen mag es geben, wenn man sich darauf einlässt und die Stars der Achtziger einfach noch nicht in die wohlverdiente Pension schicken will.

Samaritan

Die Addams Family 2

THANK GOD IT’S WEDNESDAY

4/10


addamsfamily2© 2021 Universal Pictures Entertainment


LAND / JAHR: USA, KANADA 2021

REGIE: CREG TIERNAN & CONRAD VERNON

MIT DEN STIMMEN VON (ORIGINAL): OSCAR ISAAC, CHARLIZE THERON, CHLOË GRACE MORETZ, JAVON WALTON, BETTE MIDLER, NICK KROLL, WALLACE SHAWN U. A.

MIT DEN STIMMEN VON (SYNCHRO): ALEXANDER DOERING, KATHRIN FRÖHLICH, LUISA WIETZOREK, MICHAEL IWANNEK, TOMMY MORGENSTERN U. A.

LÄNGE: 1 STD 33 MIN


Christoph Grissemann würde sagen: Die Sitcom für die ganze kaputte Familie. Und ja, in so abseitiger Manier lassen sich kaum drei Generationen, die tatsächlich von sich behaupten, eine Familie zu sein, unter einem Dach vereinen. Wobei: kaputt prinzipiell ja nichts Schlechtes sein muss – kommt ganz drauf an, wie man damit umgeht. Und wie sehr man seinen und den psychischen Schaden der anderen Mitbewohner toleriert. Diese Toleranz kann sich direkt zum Respekt mausern – und so nehmen die Addams jeden ihrer Mitglieder so, wie er ist, wundern sich über nichts mehr und begrüßen es auch entsprechend, wenn sich niemand mehr über sie selbst wundert. Der Cartoon-Zeichner Charles Addams hatte damals in den 30ern des 20. Jahrhunderts damit begonnen, die womöglich autobiographisch gefärbte Gothic-Version seiner eigenen Sippschaft zu illustrieren und diese Abenteuer erleben zu lassen, die vorrangig damit zu tun haben, bigottes Spießbürgertum zu echauffieren.

Was sich Addams da einfallen hat lassen, ist längst Kult. Eine Retro-Sitcom in Schwarzweiß und zwei recht gelungene Kino-Ausflüge haben Mortícia, Onkel Fester oder Butler Lurch längst die verdiente Ehre erwiesen, und sehr bald wird Tim Burton das tun, was er schon längst hätte tun sollen: nämlich die ganze kaputte Familie endlich selbst zu inszenieren. Mit Dark Shadows ist ihm so etwas Ähnliches gelungen, doch den morbid-schrulligen Charme hatte der Film nicht. Sein Hauptaugenmerk wird auf den eigentlichen Star der ganzen Bande liegen – auf Wednesday – seinerzeit genial verkörpert von Christina Ricci. Diesmal wird, wie man bereits im Teaser sehen kann, Jenna Ortega (X) die pechschwarzen Zöpfe schwingen.

Vergessen darf man aber auch nicht, dass selbst im Genre des Animationsfilms die Antithese der braven, bürgerlichen Familie sein Understatement such schon abgegeben hat. Nur dort scheint das Konzept nicht so recht aufgehen zu wollen. Zumindest nicht so wie zum Beispiel beim Personal des Hotels Transsilvanien. Vielleicht, weil letzteres keine anders gearteten Vorbilder hat und auch nicht auf eine solche Menge an Fernsehauftritten im Live-Act zurückblicken kann. Nicht jedes Konzept funktioniert in jedem Medium auch nicht immer gleich gut. Jenes der Addams Family zum Beispiel tut das nicht. In Schauspielern aus Fleisch und Blut scheint die Idee der pragmatisch veranlagten Spukhausbewohner mit Hang zu morbiden Experimenten ihre Erfüllung zu finden – im animierten Stil verliert sich der Charme nicht nur aufgrund des gemüseförmigen Zeichenstils der Figuren, die an jene der Originalcartoons angelehnt sind (was sie nicht besser macht), sondern ergeht sich zu gern in generischem Klamauk, den die Transsilvanier bereits für sich und besser beansprucht haben.

Das Problem dabei: Die Einzige, die noch ansatzweise ihrem ursprünglichen Charakter entspricht, ist Wednesday. Auf Wednesday lässt sich jeglicher Plot aufbauen, sie ist das Zugpferd der ganzen kleinen Franchise – egal, was man hier dazugibt. Diesmal scheint der sadistische Sprössling gar nicht mal zur Familie zu gehören. Der Verdacht, dass Wednesday bei der Geburt vertauscht wurde, macht sich breit. Entsprechend separatistisch führt sich das Mädel auf, und die Familie tut alles, was sie kann, um ihr Töchterchen wieder zurückzubekommen. Im Grunde eine Abwandlung des ähnlichen Themas mit Onkel Fester, was wir bereits hatten. Nur täuschen der routinierte Slapstick und die viel zu gehetzte Action über einen Mangel an Ideen hinweg, angesichts diesen sich die Addams selbst wohl akut gelangweilt fühlen würden. Denn nichts verachten sie mehr als das Gewöhnliche.

Die Addams Family 2