Afterburn (2025)

BLACKOUT FÜR KUNSTKENNER

3/10


© 2025 LEONINE Studios


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: J. J. PERRY

DREHBUCH: MATT JOHNSON, NIMRÓD ANTAL

KAMERA: JOSÉ DAVID MONTERO

CAST: DAVE BAUTISTA, SAMUEL L. JACKSON, OLGA KURYLENKO, KRISTOFER HIVJU, DANIEL BERNHARDT, EDEN EPSTEIN, GEORGE SOMNER, SERGIO FREIJO U. A.

LÄNGE: 1 STD 45 MIN


Nein, dieser Film handelt nicht von den Nachwirkungen scharfen Essens. Denn der Unterschied zu vorliegendem postapokalyptischem Heist-Actioner ist nämlich dieser: Scharfes Essen brennt zweimal. In Afterburn hats nur einmal gebrannt, oder sagen wir so: Ließ die Sonne die Erde mehr oder weniger anbrennen, dank eines gewaltigen Sonnensturms, der jedweder Elektronik auf unserem Planeten den Stecker zog. Der Blackout in globaler Größenordnung macht also das, was er am besten kann: die stromabhängige Menschheit zurück in die Anarchie befördern, ganz ohne Zombies, Virus und Aliens, die auf Geräusche abfahren. So ein Vakuum kann man sich durchaus vorstellen, letztendlich freut man sich, wenn man den Bunsenbrenner noch nicht als Flohmarktware ausrangiert hat.

In diesem führerlosen Chaos hat es sich Dave Bautista nicht nur dank seiner Muckis irgendwie gerichtet. Die Spezialität des grobschlächtigen Hünen: Dinge finden, insbesondere wertvolle Artefakte, angefangen von sündteuren Gemälden bis hin zur Stradivari. Auftraggeber für solche Herausforderungen ist Samuel L. Jackson als selbsternannter König Auguste, der die Monarchie als die beste Medizin ansieht, um die Menschheit wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Es gab in den Neunzigern eine Zeit, da war Samuel L. Jackson in gefühlt jedem zweiten Film dabei, dank seiner Offenheit gegenüber Nebenrollen, die er weitestgehend alle veredelte. Das hält bis heute an. Diesmal wirft sich die wohl coolste Socke Hollywoods ins feudale Outfit samt Pelzkäppi. Dank gewisser Erfahrungen geht Bautista alias Ex-Soldat Jake davon aus, das auch dieser nächste Coup wieder gelingt, auch wenn es das schwierigste Unterfangen werden könnte, auf welches sich dieser je eingelassen hat. Denn jenseits des Ärmelkanals, auf französischem Grund, soll Jake die Mona Lisa heranschaffen. Ganz richtig, Da Vincis weltberühmtes Portrait, das irgendwo in einem Depot vor sich hinmodert. Auguste will es haben, verspricht dem selbsternannten Scout gar ein Segelboot für den nächstbesten Sonnenuntergang. Jake willigt ein und befindet sich alsbald im Auge eines Sturms, der angetrieben wird von diversen Fraktionen selbsternannter Armeen, angeführt von finsteren, psychopathischen Warlords, die ihr totalitäres Machtkonstrukt etablieren wollen.

Der von Stuntman J. J. Perry (u. a. Day Shift mit Jamie Foxx) inszenierte postapokalyptische Reißer macht niemals einen Hehl daraus, als B-Movie ganz ungeniert in stereotypen Gewässern zu fischen. Will man Afterburn sehen, weiß man im Vorhinein, worauf man sich einlässt. Und ja – zugegeben, sowas wie das hier macht immer wieder mal Spaß, erquickt mit seiner Action und liefert Erwartbares, ohne an irgendwelchen Storytwists herumschrauben zu müssen. Das ganze Szenario lässt sich auch ganz gut an, dank dieses Sympathieträgers Bautista, der brutto für netto völlig synchrongeschaltet ist, und krachender Panzer-Action, die für ordentlich Wumms sorgt. Vergessen sollten Perry und Co-Drehbuchautor Nimród Antal (Predators) dabei nicht, ihre Genre-Fans nicht allzu sehr für dumm zu verkaufen. Den beiden dürfte so manches an ihrem Film aber egal gewesen sein, insbesondere der charakterliche Ausbau des Antagonisten (langweilig und abgeklatscht: Kristofer Hivju) und allen voran Ex-Bondgirl Olga Kurylenko, die nicht weiß wohin mit ihrem deplatziertem Schauspiel, das umso schlimmer wird, je länger der Film dauert und je unglaubwürdiger manche Schlüsselszenen werden, die den Ausgang der Handlung rechtfertigen sollen. Die Drehbuchschwächen sind enorm, das dürfte der Cast letztlich auch mitbekommen haben, anders lässt sich der Leistungs-Pragmatismus nicht erklären. Ob die Überlegung aufkam, den Film vielleicht in einem Giftschrank verschwinden zu lassen?

Afterburn bleibt im Ganzen ein unoriginelles, derbes Machwerk, obschon in den Startlöchern so mancher Motor ordentlich brummt. Das mindert später aber nicht den Frust, den man angesichts mangelnden Ehrgeizes verspüren wird, der das heranrollende Blackout auch in filmischer Hinsicht mit offenen Armen empfängt.

Afterburn (2025)

Glass Onion: A Knives Out Mystery

WER IM GLASHAUS SITZT

6/10


glassonion© 2022 Netflix Österreich


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: RIAN JOHNSON

CAST: DANIEL CRAIG, JANELLE MONÁE, EDWARD NORTON, DAVE BAUTISTA, KATE HUDSON, KATHRYN HAHN, LESLIE ODOM JR., MADELYN CLINE, JESSICA HENWICK, NOAH SEGAN, ETHAN HAWKE, HUGH GRANT U. A. 

LÄNGE: 2 STD 20 MIN


Mit Rian Johnsons Whodunit Knives Out hätte Krimigöttin Agatha Christie eine Riesenfreude gehabt, war der doch ganz im Stile ihrer eigenen Fälle konzipiert, die manchmal so undurchschaubar waren, dass man sich als Leser nur noch wundern konnte, warum man auf die Wahrheiten dahinter nicht schon eher gestoßen war. Christie hat ihre kriminalistischen Abenteuer stets so verwoben, dass die Indizien und Verdachtsfälle in munterer Geistesgegenwart die richtigen Haken schlugen, ohne zu weit auszuholen. Johnson ist mit Knives Out genau diesen Anweisungen – oder anders gesagt: dem Stil des überschaubaren Kreises üblicher Verdächtiger – gefolgt. Das Ergebnis war von Christopher Plummer über Don Johnson bis Ana de Armas der illustre Reigen eines familiären Tohuwabohus, inmitten dieses Sturms im Herrenhaus Daniel Craig als moderner Hercule Poirot, genannt Benoit Blanc. Mit französischem Namen, aber ohne französischem Akzent. Für seine charmante, eloquente und auch zurückhaltende Art hat er sich wohl vom Gehirnakrobaten aus Belgien inspirieren lassen, den mittlerweile Kenneth Branagh in ganz anderen Filmen sehr solide nachinterpretiert. Blanc ist einer aus der Gegenwart. Ein bisschen wie Sherlock Holmes am Verzweifeln, wenn keine neuen Fälle eintrudeln. Von James Bond fehlt jede Spur.  

Und so wird Benoit Blanc in seinem zweiten Fall auf die Insel eines unanständig reichen Superreichen a la Elon Musk geladen, der mit seinen engsten Vertrauten ein luxuriöses Wochenende zu verbringen gedenkt, das noch dazu mit einem netten Cluedo-Spiel aufgepeppt werden soll, übertragen auf das Anwesen und all die netten Gäste. Was diesen Miles Bron am meisten überrascht, ist das Erscheinen seiner längst aufs Abstellgleis des Erfolges verfrachteten Business-Partnerin Andi, die ebenfalls eine dieser verzwickten Rätsel-Einladungen in Form einer Box erhalten hat. Dass Benoit Blanc auch noch aufschlägt, war im Gegensatz dazu überhaupt nicht vorgesehen. Doch der ist nun mal hier, und schon bald, nachdem alle ihre Ambitionen anhand langer Gespräche dargelegt haben, kommt es zum verhängnisvollen abendlichen Umtrunk. Einer streckt die Patschen, und es ist nicht der Hausherr, welcher im Spiel eigentlich das Opfer sein sollte.  

Rian Johnson setzt zu Beginn seines Glamour-Krimis die richtigen Hebel in Bewegung. Das Böse unter der Sonne lauert anfangs überall, wir haben das Mittelmeer, Leinenhosen umspielen Daniel Craigs Beine, Kate Hudson trägt einen breiten Sonnenhut wie seinerzeit Diana Rigg unter Guy Hamiltons Regie. Janelle Monáe (u. a. Moonlight, Harriet) unterstreicht ihre stoische Mimik mit flaschenbodengroßen Sonnengläsern. Während Dave Bautista, unser geliebter Drax aus dem Marvel-Kosmos, hier völlig aus der Agatha Christie-Reihe tanzt. Als tätowierter Youtube-Hüne ist er mit von der Partie und bringt das ganze Sammelsurium aus Motiven, Indizien und Manierismen auf einen etwas anderen Kurs. Und endlich – endlich darf Edward Norton wieder mal aus dem Nebenrollenschatten diverser Wes Anderson-Filme heraustreten und eine größere Rolle spielen, die ihm formidabel zu Gesicht steht. Als reicher Schnösel geht er problemlos durch, vielleicht spielt er sich auch ein bisschen selbst, ist doch klar, wie wenig umgänglich der Star hinter den Kulissen agieren kann.

Mit all diesem Potenzial sollte Johnson ein ähnlicher Spaß gelingen wie bei seinem Franchise-Kick Off. Und ja, es sieht alles danach aus. Die Charaktere sind wohlpositioniert, alle haben ihre Hühnchen, die sie mit Edward Norton rupfen wollen. Die Sonne brennt heiß, das Anwesen ist unübersichtlich genug, um zündende Mystery darin zu verstecken. Was für ein Filmabend, könnte man meinen. Und dann holt Johnson aus. Sehr weit, viel zu weit. Wie beim Stabhochsprung wuchtet er sich über die dramaturgische Latte, unter welcher kompaktes Rätselraten garantiert scheint – und ufert aus. Mit Rückblenden, die viel zu lange dauern, verwässert Glass Onion – A Knives Out Mystery seine Mitgefangen-Mitgehangen-Regel zu sehr, um seinen anfänglichen Suspense zu halten. Story Twists werden viel zu früh platziert, all die Motive der einzelnen Figuren so sehr ausgewalzt, als ginge es längst nicht mehr darum, einen Mord aufzuklären. Das ist nur bedingt interessant, wohingegen Mona Lisas Lächeln, das einmal hinter Panzerglas und dann wieder ohne erstrahlt, einen netten Sidekick ergibt, der für die Story aber ungenutzt bleibt. Genauso wenig wie manches Detail am Rande, dass mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. So ist schnell klar, worauf der Krimi, der nur noch zur Nebensache wird, hinausläuft. Und Benoit Blanc, der kann nicht viel mehr tun als seine Indizien-Rede zu schwingen und zuzusehen, wie sich die erfolgsverwöhnte Elite untereinander aufreibt. Genau das ist schließlich sehenswert, während die Hatz nach der Mörderin oder dem Mörder hinter dem Horizont des Mittelmeeres entschwindet.

Glass Onion: A Knives Out Mystery