Solo

HOCHMUT KOMMT VOR DEM FALL

5,5/10

 

solo© 2019 Netflix

 

LAND: SPANIEN 2018

REGIE: HUGO STUVEN

CAST: ALAIN HERNÁNDEZ, AURA GARRIDO, BEN TEMPLE U. A.

 

Nein, hierbei handelt es sich nicht um das Star Wars-Spin Off, und auch nicht um die oscarprämierte Kletterjunkie-Doku, weil die heisst nämlich Free Solo. Dieses Solo ist wieder etwas ganz anderes, weder Science-Fiction noch absichtliche Challenge, sondern ein Survival-Psychodrama, das sich nahtlos einreiht in Filme, die so sind wie Danny Boyles Tatsachendrama 127 Hours. Diese unglaubliche Geschichte um einen Wanderer, der in der Wildnis Utahs in einen Canyon stürzt und mit der rechten Extremität zwischen den Felsen steckt, hat zumindest mir eine volle Spielfilmlänge lang den Atem geraubt. Saw auf Abenteuerfilm, und reduziert auf eine Person – James Franco. In diesem bei Netflix erschienenen Man vs. Nature- Erlebnis gönnt sich ein waschechter spanischer Macho und Frauenheld auf der Kanareninsel Fuerteventura seine Auszeit vom erfolgreichen Berufsleben in Madrid. Die arrogante Socke im Stile eines Jason Statham, kombiniert mit Andre Agassi, hat so seine Probleme mit den Frauen und hat gerade eine solche, die ihm rückblickend doch mehr ans Herz gewachsen war als gedacht, bitter enttäuscht. Und nicht nur die: auch die Familie daheim kommt an den Hedonisten nicht ran. Der surft in aller Seelenruhe mit anderen Aussteiger-Kumpels zwischen Dünen und aufgewühltem Atlantik. Der Neid könnte einen fressen – oder vielleicht doch nicht. Denn Álvaro, der ist im Grunde seines Wesens ein sehr einsamer Mensch, der nur sich selbst als einzige Konstante kennt. So will es also das Schicksal, dass der gnädige Herr mal ein bisschen mehr über sich selbst nachdenkt – und stellt dessen Ego auf die Probe. Wie macht es das? Es lässt ihn um sein Leben kämpfen.

Denn Surfer Álvaro, der ein stilles Fleckchen zum morgendlichen Surfen sucht, rutscht beim Überqueren einer Düne, die an einer Klippe mündet, über den lockeren Sand Richtung Abhang, hält sich dort gerade noch fest. Doch er rutscht immer weiter, hängt bald über der Kante, ruft nach Hilfe – natürlich ist hier weit und breit niemand, Fuerteventura ist ein relativ karges, wildes Eiland, da kommt keiner. Also selber helfen – aber wie?

Die Natur kann schon ein gemeines Luder sein. So mittendrin mit nichts hat Mann echt wenig Chancen. Und die Gefahr, zu ertrinken, ist relativ groß. Allerdings ertrinkt dieser Kerl hier wohl eher nicht an den salzigen Fluten, sondern am Selbstmitleid. Die Landschaftsaufnahmen dieser vorwiegenden One-Man-Show sind atemberaubend, vor allem im Vogelflug. Alain Hernández hingegen bangt um seinen Status als freier Held einer liberalen Neuzeit aus Wettbewerb, Ich-AG und sonnengebräunter Surfer-Philosophie, während er blutet, friert und dürstet. Letzteres ist kein Vergleich zu Clint Eastwoods Dehydration in Zwei glorreiche Halunken, so ganz will ich dem Strandbrüchigen hier seinen (Sinnes)wandel zwischen Leben und Tod nicht abnehmen. Ich weiß nicht recht was mich irritiert – vielleicht, weil dieses Abenteuer aus Be- und Erkenntnis etwas sehr Selbstgefälliges zu haben scheint, weil sich Surfer Álvaro trotz all den Blessuren und Entbehrungen inmitten seiner temporären Isolation immer noch gern in den Spiegel blickt, ob die Qual der Wahl zwischen Leben und Tod stets die Etikette Frauenschwarm trägt. Soviel Eitelkeit ist einerseits gut, da kommt man sich selbst nicht allzu klein vor, andererseits hatte James Franco dieses Auftreten nie. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass Solo nur sekundär ein Survivaldrama darstellt – primär ist es eine Art Egotrip zurück auf Werte, auf die es im Leben eines jeden ankommen sollte. Schön durchdacht, letzten Endes ohnehin aufrichtig gemeint, aber manchmal zu sehr Selbsthilfegruppe für einen Ex-Macho, dem ich weitere Erkenntnisse natürlich wünsche, aber ohne dabei irgendwo hinunterzustürzen.

Solo

Solo: A Star Wars Story

HAN SHOT FIRST!

7/10

 

null© 2017 Lucasfilm Ltd. & ™, All Rights Reserved.

 

LAND: USA 2017

REGIE: RON HOWARD

MIT ALDEN EHRENREICH, WOODY HARRELSON, EMILIA CLARKE, DONALD CLOVER, PAUL BETTANY, JOONAS SUATOMU, THANDIE NEWTON U. A.

 

Achtung, Übersetzungsfehler! In Episode IV: Eine neue Hoffnung brüstet sich Weltraum-Ikone Han Solo, tadellos gespielt von Harrison Ford, den Kossalflug in 12 Parsecs hingelegt zu haben. Kossalflug? Da stimmt was nicht. Im Original heißt es nämlich Kessel, und das macht wieder mehr Sinn, wenn Nerds wie meine Wenigkeit wissen, dass es sich hierbei um einen Bergbau-Planeten handelt, der sich schwer orten lässt, da er sich hinter einem galaktischen Nadelöhr befindet, dem sogenannten Mahlstrom. Unter 20 Parsecs ist da schon eine Leistung – aber 12? Eine kleine Erwähnung in George Lucas´ Original von 1977 – und nun ein ganzer Film, der die Geschichte dazu erzählt. Interessiert hat es Star Wars Fans schon immer, was damals wirklich passiert ist. Und um die ganze Erwähnung am Rande der Galaxis auch noch gehaltvoll aufzumöbeln, gibt es noch ein How I met my Wookie als spektakulären Bonus ganz oben drauf.

Die Lego-Trickser Phil Lord und Chris Miller wollten aus dem Stoff, aus dem die verwegenen Helden sind, eine humoristische Improvisationsshow machen. Das ist Disney-Queen Kathleen Kennedy so ziemlich sauer aufgestoßen. Die Folge war ein fliegender Wechsel am Regiestuhl, Experte Ron Howard, der mit Apollo 13 schon erfolgreich gezeigt hat, dass er Dinge im Weltraum ganz gut bewegen kann, hat sich der Sache angenommen. Ob mit Begeisterung oder einfach um seinen Job zu erledigen, wissen wir nicht. Immerhin aber zeichnet Star Wars-Storyteller Lawrence Kasdan wieder einmal fürs Drehbuch verantwortlich, das kann ja schon mal nicht schlecht sein. Solo: A Star Wars Story hat nämlich neben Star Wars VII: Das Erwachen der Macht in mir wohl die meiste Neugier geweckt. Sie zu stillen war wahrhaftig erholsam, wenngleich Howard´s Film längst nicht alles richtig gemacht hat.

Die Frage, die sich bei diesem Abenteuer ohnehin jeder stellt: Wird Alden Ehrenreich in die Fußstapfen von Harrison Ford treten können? Viel mehr müsste die Frage lauten: Kann Alden Ehrenreich die entsprechenden Fußstapfen vorgeben, in denen Harrison Ford dann später treten wird? Tatsächlich muss ich dem Jungspund nicht wirklich die Leviten lesen. Er hat die Figur, die er mal sein wird, richtig gut studiert. So zusammenkonstruiert und einstudiert mag es in manchen Szenen auch wirklich wirken, und zugegeben, der Erwartungsdruck auf seinen Schultern hat sich sicher so angefühlt wie eine Wookie-Massage. Trotzdem gibt er sein Bestes, hat in seinen besten Szenen sogar auch Ford´s Mimik drauf. Vergessen darf man aber nicht, dass Ehrenreichs Han Solo ein Charakter ist, der erst zu dem wird, wie wir ihn aus Episode IV kennen. Heruntergebrochen auf die Persönlichkeit des Ex-Sternenakademikers und imperialen Soldaten, der lieber gestern als morgen stiften geht, mag Ehrenreich-Han noch wie ein risikofreudiger Freigeist wirken, der noch grün hinter den Ohren ist, dem man noch so einiges vormachen und der sich für Dinge wie den Hyperraumsprung noch begeistern kann. Ford-Han ist immer noch ein risikofreudiger Freigeist, vormachen kann man ihm aber nichts mehr. In Episode IV dürfte er schon so gut wie allem begegnet sein. Der Entwicklungsbogen stimmt also. Den Han Solo Lookalike-Contest hat Ehrenreich für sich entschieden. Wie sieht es aber mit dem Rest des Films aus?

Solo: A Star Wars Story wirkt wie ein staubig-schlampiger Schnellschuss aus der Hüfte. Wie einer dieser Spaghetti-Western aus Italien, wie der ungezählte Aufguss einer Django-Projektiloper, die abgerissen und schmutzig einschlägige Zielgruppen verwöhnt. Solo: A Star Wars Story ist stellenweise fast schon ein bisschen Grindhouse. Je dreckiger, je desolater – um so besser! Wirklich strahlend hell wird es im jüngsten Streiflicht aus dem Lucas-Universum nicht wirklich. Die weit weit entfernte Galaxis ist ein Dritte Welt-Ödland, ein Somalia des Universums, wo Armut, Nahrungsknappheit, Verbrechersyndikate und Sklaventreiber herrschen. Die schöne neue Welt unter der Fuchtel des Imperiums ist düsterer denn je, bizarre Ausgeburten von fremden Planeten tummeln sich unter den fahl scheinenden Lampen diverser Sabacc-Spielhöllen oder torkeln unter Tage halbot als Zwangsarbeiter im Dienste des Imperators durch giftige Stollen. Solo bleibt dem rauen, abgenutzten Look von Rogue One: A Star Wars Story so ziemlich treu, die Szenen an der Front allerdings sind noch apokalyptischer als bereits gesehen. Star Wars: Battlefront lässt grüßen, so finster und schlammverkrustet wie aus den Weltkriegsreißern der späten Siebziger. Knallbunt wie ein Papagei hingegen der junge Lando Calrissian – Donald Glover gelingt die narzisstische Hinterfotzigkeit des späteren Gasminen-Besitzers im Vergleich zu Ehrenreich mit genüsslicher Leichtigkeit.

Schön und märchenhaft ist dieses angeblich magische Universum längst nicht mehr. Und so weit weg von Macht, Rebellion und Imperium waren wir bisher auch noch nicht. Doch wie sehr sich auch Solo: A Star Wars Story anstrengt, so undergroundig wie eine ungehobelte Firefly-Version zu sein – dank seiner visuellen Brillanz ist der Ableger immer noch ein willkommener Hingucker, der die Liebe zum Detail zelebriert und dem Extended Universe neue Völkerscharen hinzufügt. Der Teufel im Detail steckt hingegen in der Story. Kasdan und Sohn kritzeln die Erzählung in einer gewissen unharmonischen Schieflage aufs Blatt. Cameos und Referenzen, die auf der Hand gelegen wären, werden (einstweilen noch?) schmählich ignoriert, dafür hegen manche Ereignisse die vage Vermutung, dass Solo womöglich längst nicht mehr dem Kanon von George Lucas folgt. Schlüsselszenen werden zu Randvermerken, geplante Wendungen sind so gewollt plötzlich, dass sie aufgesetzt wirken. Die geschmeidige Stringenz von Rogue One gilt als vermisst. Es lässt sich somit nicht verbergen, dass Solo unschön aus der Taufe gehoben wurde. Wenn Szenen neu gedreht, wenn Macher wechseln und zeitweise im Grunde gar nichts mehr stimmt. In den Szenenwechseln werden Lücken fühlbar, die Schnittfolge hapert, am Ende läuft einiges sogar ins Leere. Wen schert schon das Schicksal so mancher Figuren, die gerne ein Sequel gehabt hätten? Doch Moment – wie in den Medien zu lesen ist, haben Ehrenreich und Emilia Clarke für weitere Fortsetzungen unterschrieben. Das würde mir den nörgelnden Wind aus den Segeln nehmen. Dann wäre nämlich soweit alles wieder gut. Fraglich nur, ob auf Basis dieser im Einspiel hinterherhinkenden Räuberpistole, die schon ganz gut gefällt, erstmals aber so richtig Haare lässt. Von denen hat aber Chewie dem Erbauer sei Dank noch genug 😉

Solo: A Star Wars Story