Mr. No Pain (2025)

DIE WANDELNDE SCHMERZTABLETTE

7/10


© 2025 Constantin Filmverleih


ORIGINALTITEL: NOVOCAINE

LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: DAN BERK, ROBERT OLSEN

DREHBUCH: LARS JACOBSON

CAST: JACK QUAID, AMBER MIDTHUNDER, RAY NICHOLSON, MATT WALSH, JACOB BATALON, BETTY GABRIEL, DOMINIQUE MAHER, EVAN HENGST, CONRAD KEMP U. A.

LÄNGE: 1 STD 50 MIN


So geht man den Weg zu nächsten Wurzelbehandlung in einer Entspanntheit, die fast schon an Todesmut grenzt: Jack Quaid, der junge Mann von nebenan, der als fixes Mitglied der Boys auch der einzige ist, der weder Superheldenserum geschluckt hat noch sonst mit gedrilltem Body dem psychopathischen Homelander das Wilde herunterräumt, hat als schmerzbefreiter Außenseiter nun die Chance, auf der großen Leinwand als eine andere Art Superheld zu reüssieren. Dieses Miss- oder Nichtempfinden von Schmerz, auch genannt Analgie, ist jedoch eine Angelegenheit, die bei Unachtsamkeit tödlich endet. Nicht umsonst schlürft Quaids Figur des Nathan Caine (man beachte das Wortspiel im Original: Novocaine) ausschließlich Shakes, jedenfalls keine feste Nahrung, da die Gefahr bestünde, er könnte sich in die Zunge beißen und dabei verbluten. Nathan ist durch sein besonderes Handicap einer, der sowieso zurückgezogen lebt und das Risiko wo es nur geht minimiert. Bis er auf Arbeitskollegin Sherry (Amber Midthunder, Prey) trifft. Zwischen beiden entspinnt sich eine Romanze, die abrupt endet, als Nathans Frau der Träume bei einem Bankraub als Geisel herhalten muss und entführt wird. Alle Gefahr in den Wind geschlagen, macht sich der sympathische Kerl auf in den Kampf, um Sherry zurückzuholen. Dieser Kampf, den wird Nathan nicht ohne Blessuren überstehen – dabei ist der Begriff viel zu untertrieben. Einer, der Schmerz empfindet, hat üblicherweise noch die Angst mit im Gepäck, selbigen zu erfahren. Nathan hat das nicht. Und gibt daher auf plausible Weise den zähen Berserker, der neben seinem eigenen Körper steht.

Man könnte meinen, Mr. No Pain wäre einer dieser Filme, in dem ein sogenannter Nobody völlig über sich selbst hinauswächst, sich dabei die besten Fight Skills antrainiert und den bösen Buben völlig unglaubwürdig die Gerechtigkeit reinwürgt. Die Filmemacher Dan Berk und Robert Olsen, die bislang mit versteckter Thrillerware die Filmwelt nur peripher bereichert haben, gehen mit sympathischem Nerd-Witz der Frage nach, woran es vielleicht liegen mag, das moralisch integre Protagonisten in Actionfilmen das Stehaufmännchen proben. Vielleicht ist es der fehlende Schmerz, der gleichzeitig auch die Angst nimmt, welchen empfinden zu müssen, wenn zum Beispiel das Messer im Handrücken steckt oder die Fingernägel die Flucht nach vorne ergreifen.

Selten war pure Gewalt so witzig, es ist, als würde man selbst im Kontext dieser völligen draufgängerischen Risikobereitschaft von Jack Quaid visuelle Gewalt auch anders empfinden, nämlich harmloser, gesellschaftsfähiger, irrealer. Mr. No Pain macht so einiges mit der eigenen Wahrnehmung, wenn der Zweck, den Gewalt schließlich herbeiführen soll, nicht erfüllt wird. Expliziten Darstellungen, die an die Physis unserer Filmfigur gehen, begegnet man deutlich gelassener, wobei man selbst das eine oder andere mal mit einem Grinsen im Gesicht aufjault. Das hat dann weniger etwas mit Abstumpfung zu tun sondern mit der im Film überstilisierten Toleranz von Schmerz.

Jack Quaid spürt also gar nichts, muss aber vorsichtig sein, nicht unbemerkt das Zeitliche zu segnen. Im Rahmen dieses Parcours, der den Körper des einnehmenden Schwiegersohn-Normalo so sehr zerstören wird, das er sich selbst nicht mehr aufrecht halten wird können, hält die Actionkomödie auch dramaturgisch, was sie verspricht. Ein Konstrukt, fast schon so wie aus den Achtzigern. Konventionell, aber straff erzählt, mit naivem Temperament. Nicht gerade tiefsinnig, dafür aber auf höchstem Niveau verletzungsgefährdend. Ein bisschen „Sympathy Pain“ ist dabei garantiert.

Mr. No Pain (2025)

Prey (2022)

EIN MONSTER STEHT IM WALD

5/10


prey_predator© 2022 Twentieth Century Fox


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: DAN TRACHTENBERG

CAST: AMBER MIDTHUNDER, DANE DILIEGRO, DAKOTA BEAVERS, STORMEE KIPP, STEFANY MATHIAS, RAY STRACHAN, MICHELLE THRUSH U. A. 

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


Nicht wenige haben die letzte Episode des Predator-Franchise so richtig ausgebuht. Mir hat Predator – Upgrade von Shane Black durchaus gefallen, vielleicht deswegen, weil das Wesen aus dem All aufgrund seines mageren Steckbriefes (ehrlich: was weiß man schon über diese Spezies?) den Freibrief für alle möglichen Entwicklungen in der Tasche hatte, darunter auch dieses Blow Up zum Superkiller, der im Film von 2018 über die Kinoleinwand polterte. Ein erbärmliches und seines Status als Profijäger unwürdiges Ende findet das Monster aber immer. Und langsam sollte es begreifen, dass mit Homo sapiens, wenn’s darauf ankommt, nicht wirklich zu spaßen ist, trotz seines unscheinbaren Äußeren. Doch gewisse Gewohnheiten können auch Aliens wie die Yautja nicht so einfach ablegen. Diese Tradition, den Planeten Erde heimzusuchen, um zum Halali zu blasen, wird schließlich schon länger praktiziert als angenommen. Das zumindest vermittelt nun der neueste Ableger rund um den popkulturellen Dreadlocks-Träger und Mister Unsichtbar, inszeniert von 10 Cloverfield Lane-Regisseur Dan Trachtenberg. Er verlagert das Geschehen rund 300 Jahre in die Vergangenheit.

Wir schreiben das Jahr 1719 und befinden uns irgendwo in den Great Plains, wo das Volk der Comanchen seine Zelte aufgeschlagen hat. Teil dieser lokalen Sippe ist das Indianermädchen namens Naru (Amber Midthunder, u. a. zu sehen in The Ice Road), die gar nicht tun will, was Mädchen in ihrem Alter und unter diesen Umständen so tun sollen. Sie will lieber jagen und ihrem großen Bruder ebenbürtig sein. Also ist sie stets mit dabei, wenn es heißt, Hirsche zu erlegen oder Löwen in die Schranken zu weisen. Doch eines Tages ist so manches anders als sonst. In das vertraute Spurenmuster der aktiven Wald- und Steppenfauna mischt sich etwas Großes, Geheimnisvolles und allem Anschein nach Gefährliches. Und damit sind nicht die Büffeljäger aus Europa gemeint, die hier ebenso ihr Unwesen treiben. Sondern etwas, das nicht von dieser Welt ist. Ein Monster, erstanden aus den Lagerfeuererzählungen für Comanchenkinder. Man sieht es nicht, man hört es nicht kommen. Und wenn es da ist, verraten entweder der rot glimmende Triple-Laserpointer oder gierige Klickgeräusche, dass das Leben bald vorbei sein kann. Naru will der Sache auf den Grund gehen – und schlittert in ein Abenteuer auf Leben und Tod, bei welchem selbst Yakari auf seinem Pferdchen Kleiner Donner das Weite suchen würde.

Der Trailer für das Sommerevent auf Disney+ war schon mal vielversprechend genug, und die Vorfreude auf Anfang August gegeben. Allerdings hätte man sich bereits angesichts des archaisch angelegten Plots ausmalen können, wie der Hase wohl laufen wird. Eine junge Comanchin und ihr Hund, das Herz am rechten Fleck und emanzipiert bis in die Federspitzen, wird dem Predator mit Sicherheit so lange einheizen, bis dieser die Freude am Spiel verliert. Dass Prey in vertrauten Gefilden jagt, ist zu erwarten. Trachtenbergs Film ist Monster- und Survival-Action im Gewand eines Young Adult-Abenteuers, das als Jugendroman seine Leserinnen und Leser sicherlich packen würde. Wäre der Yautja nicht, würde Prey an das Steinzeitabenteuer Alpha erinnern – ein Junge und sein Hund kämpfen ums Überleben. Eine Welt, die der Hightech-Gegenwart den Rücken kehrt und die Natur zum Lehrmeister erklärt, verspricht natürlich atemberaubende Landschaftsbilder und kernige, traditionell ausgestattete Indigene, die durchs Unterholz hirschen. Fast schon wie bei Iñárritus The Revenant. Und dann das: der Killer aus dem All hält, anstatt Pilze zu sammeln, Ausschau nach Trophäen. Im Prinzip birgt Prey eine gute Kombination – aus der sich aber nicht viel mehr herausholen lässt als aus Schwarzeneggers Dschungeltrip. Wenn es blutet, können wir es töten, sagt dieser in John McTiernans erdigem Reißer. Wen wundert’s, wenn der selbe Satz auch diesmal wieder zitiert wird.

Das Artwork des Monsters hingegen ist erste Sahne. Grimmiger, urtümlicher, mit antik anmutenden technischen Raffinessen ausgestattet. Wenn der Predator ins Bild stapft, ist das Fanservice pur. Allerdings scheint dieser zu tough, als dass Amber Midthunder als dessen Nemesis so leichtes Spiel haben kann. Im Kräftemessen der ungleichen Jäger drückt das Alien zu oft ein Auge zu. Das geschieht um einer moralischen Correctness willen, die den Film viel zu sehr ausbremst und seine Wucht, die er vielleicht haben hätte können, nicht ausspielen lässt.

Prey (2022)