Prey (2022)

EIN MONSTER STEHT IM WALD

5/10


prey_predator© 2022 Twentieth Century Fox


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: DAN TRACHTENBERG

CAST: AMBER MIDTHUNDER, DANE DILIEGRO, DAKOTA BEAVERS, STORMEE KIPP, STEFANY MATHIAS, RAY STRACHAN, MICHELLE THRUSH U. A. 

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


Nicht wenige haben die letzte Episode des Predator-Franchise so richtig ausgebuht. Mir hat Predator – Upgrade von Shane Black durchaus gefallen, vielleicht deswegen, weil das Wesen aus dem All aufgrund seines mageren Steckbriefes (ehrlich: was weiß man schon über diese Spezies?) den Freibrief für alle möglichen Entwicklungen in der Tasche hatte, darunter auch dieses Blow Up zum Superkiller, der im Film von 2018 über die Kinoleinwand polterte. Ein erbärmliches und seines Status als Profijäger unwürdiges Ende findet das Monster aber immer. Und langsam sollte es begreifen, dass mit Homo sapiens, wenn’s darauf ankommt, nicht wirklich zu spaßen ist, trotz seines unscheinbaren Äußeren. Doch gewisse Gewohnheiten können auch Aliens wie die Yautja nicht so einfach ablegen. Diese Tradition, den Planeten Erde heimzusuchen, um zum Halali zu blasen, wird schließlich schon länger praktiziert als angenommen. Das zumindest vermittelt nun der neueste Ableger rund um den popkulturellen Dreadlocks-Träger und Mister Unsichtbar, inszeniert von 10 Cloverfield Lane-Regisseur Dan Trachtenberg. Er verlagert das Geschehen rund 300 Jahre in die Vergangenheit.

Wir schreiben das Jahr 1719 und befinden uns irgendwo in den Great Plains, wo das Volk der Comanchen seine Zelte aufgeschlagen hat. Teil dieser lokalen Sippe ist das Indianermädchen namens Naru (Amber Midthunder, u. a. zu sehen in The Ice Road), die gar nicht tun will, was Mädchen in ihrem Alter und unter diesen Umständen so tun sollen. Sie will lieber jagen und ihrem großen Bruder ebenbürtig sein. Also ist sie stets mit dabei, wenn es heißt, Hirsche zu erlegen oder Löwen in die Schranken zu weisen. Doch eines Tages ist so manches anders als sonst. In das vertraute Spurenmuster der aktiven Wald- und Steppenfauna mischt sich etwas Großes, Geheimnisvolles und allem Anschein nach Gefährliches. Und damit sind nicht die Büffeljäger aus Europa gemeint, die hier ebenso ihr Unwesen treiben. Sondern etwas, das nicht von dieser Welt ist. Ein Monster, erstanden aus den Lagerfeuererzählungen für Comanchenkinder. Man sieht es nicht, man hört es nicht kommen. Und wenn es da ist, verraten entweder der rot glimmende Triple-Laserpointer oder gierige Klickgeräusche, dass das Leben bald vorbei sein kann. Naru will der Sache auf den Grund gehen – und schlittert in ein Abenteuer auf Leben und Tod, bei welchem selbst Yakari auf seinem Pferdchen Kleiner Donner das Weite suchen würde.

Der Trailer für das Sommerevent auf Disney+ war schon mal vielversprechend genug, und die Vorfreude auf Anfang August gegeben. Allerdings hätte man sich bereits angesichts des archaisch angelegten Plots ausmalen können, wie der Hase wohl laufen wird. Eine junge Comanchin und ihr Hund, das Herz am rechten Fleck und emanzipiert bis in die Federspitzen, wird dem Predator mit Sicherheit so lange einheizen, bis dieser die Freude am Spiel verliert. Dass Prey in vertrauten Gefilden jagt, ist zu erwarten. Trachtenbergs Film ist Monster- und Survival-Action im Gewand eines Young Adult-Abenteuers, das als Jugendroman seine Leserinnen und Leser sicherlich packen würde. Wäre der Yautja nicht, würde Prey an das Steinzeitabenteuer Alpha erinnern – ein Junge und sein Hund kämpfen ums Überleben. Eine Welt, die der Hightech-Gegenwart den Rücken kehrt und die Natur zum Lehrmeister erklärt, verspricht natürlich atemberaubende Landschaftsbilder und kernige, traditionell ausgestattete Indigene, die durchs Unterholz hirschen. Fast schon wie bei Iñárritus The Revenant. Und dann das: der Killer aus dem All hält, anstatt Pilze zu sammeln, Ausschau nach Trophäen. Im Prinzip birgt Prey eine gute Kombination – aus der sich aber nicht viel mehr herausholen lässt als aus Schwarzeneggers Dschungeltrip. Wenn es blutet, können wir es töten, sagt dieser in John McTiernans erdigem Reißer. Wen wundert’s, wenn der selbe Satz auch diesmal wieder zitiert wird.

Das Artwork des Monsters hingegen ist erste Sahne. Grimmiger, urtümlicher, mit antik anmutenden technischen Raffinessen ausgestattet. Wenn der Predator ins Bild stapft, ist das Fanservice pur. Allerdings scheint dieser zu tough, als dass Amber Midthunder als dessen Nemesis so leichtes Spiel haben kann. Im Kräftemessen der ungleichen Jäger drückt das Alien zu oft ein Auge zu. Das geschieht um einer moralischen Correctness willen, die den Film viel zu sehr ausbremst und seine Wucht, die er vielleicht haben hätte können, nicht ausspielen lässt.

Prey (2022)

Sputnik – Es wächst in dir

ES ZÄHLEN DIE INNEREN WERTE

5,5/10


sputnik© 2020 capelight pictures


LAND: RUSSLAND 2020

REGIE: EGOR ABRAMENKO

CAST: OKSANA AKINSHINA, PYOTR FYODOROV, FEDOR BONDARCHUK, ANTON VASILEV U. A. 

LÄNGE: 1 STD 54 MIN


Dass die Filmnation Russland in Sachen Effekt- und Eventkino bereits einiges draufhat, und zumindest aus technischer Sicht den IT-Schmieden in Übersee sehr wohl das Wasser reichen kann, das konnte man bereits aus Filmen wie Attraction ganz gut nachvollziehen. Im Science-Fiction-Thriller Sputnik – Es wächst in dir waren die Creature Designer ganz besonders ehrgeizig. Das seltsame Wesen, dass hier auf die Menschheit losgelassen wird, bettet sich dank seiner Struktur, seiner Physis und all der Licht-Schatten-Rafinesse perfekt in das reale Szenario ein, das, angesiedelt in den Achtzigern, vorwiegend in völlig unattraktiven und womöglich asbestverkleideten Räumen seine Spielfläche sucht. Wer kommt schon auf die Idee, ein Wesen wie dieses zwischen den Wandverbaueinrichtungen aus Pressspan inklusive symmetrischer Hochglanzfurnier herumschmnüffeln zu lassen? Entweder Wandverbau oder ich, könnte das Wesen meinen, und hinterlässt logischerweise, wie sich das eben für solche Kreaturen gehört, eine Spur der organischen Verwüstung. Dabei muss man bemerken: die Kreatur in Sputnik hat immerhin so etwas wie eine Verhandlungsbasis zu bieten – der Xenomoprh aus Alien natürlich nicht. Was Regisseur Egor Abramenko da entworfen hat, ist eine deutlich subtilere Version des Parasiten-Mythos für das nächtliche Lagerfeuer. Der Sputnik – was soviel heisst wie Weggefährte, Begleiter – hat für seinen Wirt deutlich mehr Verwendung. Wie er diesen manipuliert, sei an dieser Stelle natürlich nicht gespoilert.

Verraten sei aber so viel: Sputnik erreicht das Level an Suspense im Gegensatz zu Alien oder gar Life nur ansatzweise. Zwischen den spannenden Szenen der Konfrontation mit dem Fremden schielt Abramenkos Film deutlich in Richtung Geheimdienstthriller im Stile eines John Le Carre. Klingt prinzipiell mal interessant, hat aber wortlastige Längen. Die biologische Komponente hingegen hat so ihren Reiz, und in der Biologie, so wissen wir, gibt es kein Gut und Böse, sondern Zweckmäßigkeit in ständiger Adaption. Das gelingt Sputnik sogar noch besser als Alien, denn dort ist das Monster scheinbar vorrangig und vorsätzlich fies. Rückblickend wäre dieser Blickwinkel noch weiter aufzufächern gewesen, hätte der Film gerne auch eine Richtung einschlagen können, wie sie Gareth Edwartds Monsters genommen hat. Lezten Endes ist es doch wieder nur klassisches Genrekino mit der gefälligen Portion Blut. Aber mit einem Monster, das aus Ridley Scotts interstellarer Albtraumnotizen entsprungen sein könnte. Was aber nicht heisst, dass man es nicht auch ein bisschen gern haben kann. Wo es doch so anhänglich ist.

Sputnik – Es wächst in dir

Metaluna IV antwortet nicht

UNENDLICHE WEITEN AUS ALTEN ZEITEN

7,5/10

 

metaluna4antwortetnicht© 1955 Universal Pictures

 

LAND: USA 1955

REGIE: JOSEPH M. NEWMAN, JACK ARNOLD

CAST: JEFF MORROW, REX REASON, FAITH DOMERGUE, LANCE FULLER U. A.

LÄNGE: 1 STD 27 MIN

 

Auf dem Sender Syfy hat man immer wieder mal die Chance, für Stunden in die fernsehnostalgischen Gefilde der alten Enterprise-Crew abzutauchen. Wenn William Shatner und Co zwischen Pappmaschee-Felsen herumstrolchen und Gummimonster aus dem Hinterhalt angreifen, hat das einen Guilty-Pleasure-Wert, der fast schon mit Solid Gold aufzuwiegen ist. Raumschiff Enterprise startete 1966, das ist ewig her. Doch Moment – das ist immerhin schon 11 Jahre nach einem gewissen Science-Fiction-Klassiker, der damals schon, 1955 also, tief in die Trickkiste gegriffen hat, um zu veranschaulichen, wie es denn aussehen könnte, zu fremden Planeten zu reisen. Und wie es, lange vor Men in Black, aussehen könnte, wenn This Island Earth (so der Originaltitel dieses Films) bereits längst von Außerirdischen unterwandert worden wäre.

65 Jahre auf dem Buckel, und das womöglich an unsichtbaren Nylonseilen hängende, recht holprig ins Bild schwebende UFO hat bereits schon einiges an Patina angesetzt. Metaluna IV antwortet nicht nimmt Motive aus Perry Rhodan und Star Trek vorweg: Der Pilot und Wissenschaftler Dr. Meacham bekommt eines Tages eine seltsame Lieferung in sein Labor gesandt: es ist dies ein sogenannter Interozitor (was für ein Ding!), mit dem der toughe Kerl Kontakt mit einem sehr obskuren Zeitgenossen namens Exeter aufnehmen kann. Der wiederum wirbt den Atomphysiker für ein ebenso obskures Projekt an. Und weil Dr. Meacham von Natur aus neugierig ist, wagt er sich ins Ungewisse – um später festzustellen, dass die Erde nicht der einzige Planet im Universum ist, der intelligentes Leben beherbergt. Er selbst und eine Fachkollegin, die genötigt werden, nach Metaluna IV zu reisen, werden Zeugen eines Sternenkrieges zweier Völker.

Klingt umsetzungstechnisch sehr anspruchsvoll? Ist es auch: Joseph Newman, unter der Mithilfe von Monster-Movie-As Jack Arnold, lässt radikalen Retro-Charme spielen, dem sich garantiert kein eingefleischter Science-Fiction-Fan, der bereits von Anfang an mit dabei sein will, entziehen kann. So simpel auch all die Szenen im Weltraum, all die Pyrotechnik und das legendäre Monster auch getrickst sein mögen – gerade diese analoge Einfachheit, dieser offensichtliche Versuch einer Illusion des Phantastischen, erklärt dieses Werk zu einer unfreiwillig komischen, aber schätzenswert komischen Antithese zum Bildperfektionismus der Gegenwart. Was für eine wohlige Entreizung. Dabei hat der Plot dazu immer noch oberste Priorität. Und das Setting? Futurismus pur. Zwischen kruden Atomium-Modellen als Schaltzentrale der Aliens, kuriosen Druckausgleichsapparaturen und wunderbar gemalten Matte Paintings, die all die Perry Rhodan-Coverzeichner nicht besser hinbekommen hätten, tummeln sich weißhaarige Ur-Klingonen mit hoher Stirn. Das Beste aber kommt noch: Mit dem insektoiden Bodysuit-Mutanten samt Hydrozephalus-Hirn haben die Macher eine Kultfigur geschaffen, die Tim Burton sehr viel später für seine Marsmonster aus Mars Attacks inspirieren wird.

Metaluna IV antwortet nicht

Shaun das Schaf – Der Film: UFO-Alarm

DIE WOLLE IST IRGENDWO DA DRAUSSEN

8/10

 

Mit LU-LA entdeckt Shaun die Welt mit neuen Augen!© 2019 Studiocanal

 

LAND: GROSSBRITANNIEN 2019

REGIE: RICHARD PHELAN, WILL BECHER

MIT DEN STIMMEN VON: JUSTIN FLETCHER, JOHN SPARKES, KATE HARBOUR U. A.

 

Ach, wie unkreativ diese deutschen Übersetzungen manchmal sind. Ufo-Alarm – ich bitte schön. Im Original hat sich das Aardman-Studio zu einer herrlichen Verballhornung eines mittlerweile als Endzeit-Trash in die Filmgeschichte eingegangenen Klassikers hinreissen lassen – zu Farmageddon. Was für ein süffisantes Wortspiel und ein gelungener Start ins Sequel zum Kino-Einstand des wortlosen Superschafs Shaun, das längst schon Serienkult genießt und mittlerweile neben Wallace & Gromit zum Steckenpferd besagter Studios geworden ist. Mit Shaun das Schaf – Der Film: Ufo-Alarm (ich bleib jetzt mal dabei) haben sich die kreativen Ausdauer-Plastininkneter einen großen Gefallen getan: ihr Film ist ein enorm liebenswerter Slapstick-Hit, der das Original noch weit in den Mondschatten stellt und wirklich jedes Stop-Motion-Herz zu erfreuen weiß, das überdies noch für Science-Fiction schlägt, denn ich weiß gar nicht mehr, wann ich bei all den Querverweisen zum Genrekino aufgehört habe zu zählen.

Die Welt geht auf der Mossy Bottom Farm zum Glück für alle Vier-, Zwei- oder Garnichtbeiner natürlich doch nicht unter, und das ganz ohne Bruce Willis, dafür aber unterbricht den strengen Alltag unter der verbotswütigen Aufsicht des Hirtenhundes Bitzer das Auftauchen eines sonderbaren Wesens, das auf Pizza und kurze Zeit später den Schafen im Weg steht. Ganz klar, das ist eine unheimliche Begegnung der dritten Art, und das Raumschiff des versehentlich auf der Erde gelandeten Alienmädchens LU-LA (weniger ist mehr – in ihrer Schlichtheit einfach entzückend) ist ebenfalls nicht unentdeckt geblieben. Agentin Red, die ganz fest daran glaubt, dass die Wahrheit irgendwo da draußen liegt, lässt nichts unversucht, ihren Begriff von Willkommenskultur ganz anders auszulegen. Die Medien tun ihr Übriges – verbreiten das wahre Gerücht in allen Zeitungen, und der ebenfalls maximal nur murmelnde und fehlsichtige Farmer wittert hier ein großes Geschäft. Ein Freizeitpark soll entstehen, mit dem Namen Farmageddon – und das nur, um sich einen neuen Mähdrescher zu finanzieren. Alle rund um das Städtchen Mossingham sind also aus dem Häuschen – und die Kunst der Knete erreicht ein neues Level an Warpgeschwindigkeit.

Dabei behält der Film trotz all der Turbulenz und der bis zum manchmal sichtbaren Fingerabdruck penibel ausgearbeiteten Slapstick-Szenen eine ungewohnt entschleunigte Gelassenheit. Das liegt vielleicht am Verzicht von Sprache, an der begrenzten Geschwindigkeit der Stop-Motion-Technik. Und an der Verwendung analoger Bausteine, die, bis auf ein paar wenige Ausnahmen, dem Abenteuer diesen unvergleichlichen Charme eines mit Fingerspitzengefühl arrangierten Atelierwunders verleihen. Sowas wirkt wie aus der Zeit gefallen, aber genau dieser anachronistische Ansatz und das Gegenwirken zum digitalen Overkill wie zum Beispiel bei Familie Willoughby garantiert auch das Gewahrwerdens der vielen Details, die nicht nur die Kids als Zielgruppe gewinnen, sondern auch den Rest der Familie – uns Erwachsene. Von Kubricks 2001 über Spielbergs Unheimlicher Begegnung der dritten Art bis hin zu Akte X fühlen sich Schaf und Co mit all ihren Insider-Anspielungen, die der Nachwuchs gar nicht zu checken braucht, weil der Film auch so funktioniert, der Weltraum-Popkultur wie Brüder im Geiste. Dabei reagieren Mensch und Tier in ihrem bescheidenen Anspruch an einen zerstreuungsfreudigen Sonntag am Land auf diese unerklärlichen Phänomene sehr pragmatisch, und gerade diese lakonische Lässigkeit ist einfach über alle Bildkader hinweg einfach nur liebenswert.

Shaun das Schaf – Der Film: UFO-Alarm

Predator – Upgrade

HEIMKEHR DES JÄGERS

6/10

 

predatorupgrade© 2018 Twentieth Century Fox

 

ORIGINALTITEL: THE PREDATOR

LAND: USA 2018

REGIE: SHANE BLACK

CAST: BOYD HOLBROOK, JACOB TREMBLAY, TREVANTE RHODES, OLIVIA MUNN, THOMAS JANE U. A.

 

Es gibt Ikonen der Popkultur, die hatten in den 80er Jahren das Glück, ihren Einstand zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu feiern. Auf blankem Parkett, nahezu frei von störenden Mitbewerbern. Es war die Zeit eines unberechenbaren Pioniergeistes, in welcher sich aus frei von der Leber weg zusammengeschusterten Ideen Figuren und Welten zu Selbstläufern entwickelt hatten, zu Granaten an den Kinokassen, die Fortsetzungen nach sich zogen, die aber gar nicht notwendig gewesen wären, denn der Kult war geboren. Das war so mit Star Wars, mit Terminator, mit Predator. Es war eine Zeit, da waren wir, die wir jetzt aufgewärmt wirkenden Reboots mehr als skeptisch gegenüberstehen, drauf und dran, unser Kinderzimmer in ein Jugendzimmer umzuevaluieren. Da durften wir Filme sehen, deren FSK-Gebot unser viel zu geringes Alter schändlich ignorierte. Kollateralschäden waren da entweder vorprogrammiert oder ließen unseren Adrenalinspiegel nachhaltig steigen. Das Videothekenzeitalter war da eine allzu verlockende Büchse der Pandora, und als uns erstmals der Todesstern um die Ohren flog, Arnold Schwarzenegger in stoischer Androiden-Mimik Menschen mordete und das unsichtbare Etwas im Dschungel Mittelamerikas zur ständigen Bedrohung wurde, blieben uns die Münder offen stehen. Das erste Mal ist zumindest in der Welt des Kinos ein unvergessenes, einschneidendes Erlebnis.

Ein Sakrileg, wenn so ein Kult angetastet wird. Viel anders als das Original darf das Weiterspinnen eines One-Hit-Wonders aus der eigenen Kindheit eigentlich nicht sein. Ein Grund, warum die nagelneuen Star Wars-Filme das Publikum so spaltet. Und warum der nagelneue Predator bei manchen sauer aufstößt. Dabei hat Shane Black, seines Zeichens Teil der Originalbesetzung aus 1987, bei seiner Hommage an den Erstling durchaus daran gedacht, Sodbrennen zu verursachen, wie nach einem ungesunden, aber leckeren Essen. In diesem Sinne: Predator – Upgrade ist filmisches Junk-Food. Aber eines, das schmeckt.

Diese Figur des extraterrestrischen Hobby-Jägers, die war schon in den mittlerweile verklärten 80ern die wohl stattlichste Gallionsfigur einer Art phantastischen Trashs, dagegen wirkt der Xenomorph aus Alien ja geradezu belesen, und der T1000 wie ein autistisches Mathematikgenie. Die derbe, hemdsärmelige Gestalt des Yautja, wie die Alien-Rasse tatsächlich genannt wird, ist wie ein Redneck des Universums, ein protziger Hinterwäldler, der in galaktischen Hornbachs die Geräteregale leerräumt. Der als Handwerker und Praktiker wohl die flächendeckendste Erfahrung hat, wenn es heißt, selbst anzupacken und sich die klauenbewährten Pratzen schmutzig zu machen. Der Predator, der macht keine Umwege, der fällt mit der Tür ins Haus, auch wenn ihn kleine High-Tech-Kugeln manchmal verblassen lassen. So sind auch die Filme, die rund um dieses Wesen gemacht wurden und noch werden (sofern das Einspielergebnis stimmt), allesamt keine nennenswerten Preisanwärter bei Filmfestspielen. Sie sind so tiefsinnig und geschmackvoll wie ein Oktoberfest zu später Stunde, wo Bier in rauen Mengen fließt und das leicht verkohlte Grillhuhn zumindest mehr Röstaromen freilegt. Ist der Zuseher dazu auch noch ein Geek, der mit all diesen Berserkern aus dem Kino großgeworden ist, dann könnte er Predator – Upgrade im Bewusstsein seiner Preisklasse uneingeschränkt genießen.

Wir sehen im dritten Sequel der Predator-Reihe, die mit einem klassisch-aufdringlichen, wenn auch nervigen 80er-Jahre-Score unterlegt ist, den flugfähigen Untersatz des Alien von außen und innen, erfahren mehr von den Beweggründen des ständigen Nomadentums einzelner Individuen und können endlich mal ungeniert eingestehen, dass dieser ganze Thrill rund um diese bilaterale Jagdgesellschaft eigentlich gar nicht so ernstgenommen werden muss. Da hat Shane Black, der sich bereits schon mit Iron Man 3 im Marvel-Universum austoben konnte, seinen ganz eigenen Creature-Sampler zusammengemixt. Angesichts des Ergebnisses könnte Robert Rodriguez vielleicht sogar auf die Idee kommen, selbst mal seinen Senf zur Schlachtplatte dazuzugeben, die Predator – Upgrade in stilsicherer Kunstblutsuppe als neuen ersten Gang hier serviert. Szenenweise könnte das fetzige Halali mit seinen dezenten Gore-Anleihen durchaus ein Machwerk fürs Grindhouse-Kino sein, auch wenn zum Doppelpack ein zweiter Film fehlt. Derbe Zoten wechseln mit kerniger Videotheken-Action im unendlich projektilversorgten Gaudium eines Einsatzes Marke Expendables. Kann durchaus sein, dass Black auch mit Sylvester Stallones Kartonagen-Club (© Rita Falk) geliebäugelt hat. In diesem Fall allerdings rauft sich eine psychisch labile Gruppe ausrangierter Söldner zusammen, allesamt reif für die Therapie. Das Ensemble aber funktioniert gut, Predator – Upgrade findet mit seinen B-Movie- und Serien-Visagen, die launige Spielfreude an den Tag legen, relativ unverbrauchtes Kanonenfutter für den schuppigen Muskelprotz, mittendrin Jungstar Jacob Tremblay als autistisches Bindeglied zwischen Freund und Feind. Diese komödiantische Screwball-Attitüde und das Stakkato einer völlig chaotischen Hasenjagd gibt dem lässigen Actionfilm die nötige Spannkraft, um nicht, wie so manches Filmopfer, dramaturgisch gevierteilt zu werden. Das geht natürlich auf Kosten so mancher Logik, die in abgrundtiefen Plot Holes verschwindet. Den Anspruch auf Plausibilität hat das Predator-Universum aber längst nicht mehr, diese Welt funktioniert anders, und hätten die Autoren am Skript so weit herumgedoktert, um der Physik des tatsächlich Machbaren Platz einzuräumen, hätten sie die Zugkraft des Films gelockert. Dann lieber mehrere blutende Wunden leidlich erstversorgt, als gar nicht erst in die Schlacht gezogen.

Insofern ist Predator – Upgrade natürlich längst nicht perfekt, aber ein rundes Stück Pulp-Science-Fiction ohne viel Reue und mit augenzwinkerndem Schulterzucken, dass dem martialischen Dreadlock-Berserker aber gibt, was er verdient, und ihn als Trash-Ikone letztendlich upgradet.

Predator – Upgrade

Pacific Rim: Uprising

KAPUTT MACHEN WAS KAPUTT MACHT

4/10

 

pacificrim2© 2017 Universal Pictures International Germany GmbH

 

LAND: USA 2018

REGIE: STEVEN S. DEKNIGHT

MIT JOHN BOYEGA, SCOTT EASTWOOD, RINKO KIKUCHI, CAILEE SPAENY, CHARLIE DAY U. A.

 

Warum nur? Warum hat Guillermo del Toro das gemacht? Warum hat der wohl geschickteste Monsterdompteur des modernen Kinozeitalters sein Spielzeug verborgt? Was heißt verborgt – er hat es weggegeben. Das hätte er nicht tun sollen. Wären wir bei Toy Story, würde das Spielzeug in tiefe Depressionen fallen. Also ich hätte es nicht verborgt. Bei mir hätten schon im Vorfeld die Alarmglocken geläutet. Womöglich schon, als der Vertrag der Produktionsfirma Legendary Pictures mit Warner Bros ausgelaufen war. Del Toro hatte so viel Freude mit seinem ersonnenen Konzept des Giganten-Wrestlings, dass ihn die unter den Erwartungen liegenden Einspielergebnisse nicht im mindesten verstört haben. Genaueres ist hier in der cinema-Ausgabe von März 2018 nachzulesen. Dort ist auch nachzulesen, dass Legendary Pictures ein Sequel von Pacific Rim ja eigentlich gar nicht mehr hätte stemmen können, wäre es nicht an einen chinesischen Konzern verkauft worden. Die Alarmglocken schrillen plötzlich noch lauter. Del Toro hört sie immer noch nicht. Jongliert jetzt plötzlich mit zwei Projekten. Auf der einen Seite The Shape of Water, auf der anderen seine Fortsetzung von Pacific Rim. Wem den Vorzug geben? Richtig, The Shape of Water. War auch eine gute Entscheidung, wie wir wissen. Allerdings kennen wir del Toro´s Version der zweiten Runde seines Ringkampfes nicht wirklich. Besser wäre, er hätte Pacific Rim zeitlich nach hinten verschoben. Aber vielleicht wollte er die Sache einfach abschließen, nach 3 Drehbuchversionen und dem Hin und Her der Studios. Manche Dinge muss man einfach ad acta legen, selbst wenn sie noch nicht dafür bereit sind. Aber filmische Herzensangelegenheiten sind wie persönliches Spielzeug. Man schenkt es nicht weiter. Aber wie das Sielzeug da so herrenlos am Kinderzimmerteppich liegt, zur freien Entnahme, macht Gelegenheit Diebe. Und Regisseur Steven S. DeKnight, der gerade in der Nähe war, konnte sich das potenzielle Franchise unbehelligt krallen. Das dann die Sachen kaputt gehen, war eigentlich nicht geplant. Del Toro kann aber sagen, dass er seine Hände in Unschuld wäscht. Er hat damit nur mehr wenig zu tun. Ich wünschte, dem wäre nicht so gewesen. Denn die nun vorliegende Fortsetzung eines Fantasyspektakels dieser Größenordnung kippt so rückhaltlos in den weichgespülten Gigantismus eines Michael Bay, dass man sich als Zuschauer für dumm verkauft vorkommt.

Viele Meter hinunter zur 3D-Rendering Gurke Transformers fehlt nicht mehr. Gut, Pacific Rim: Uprising ist immer noch besser als der letzte Aufguss der Alien-Autos, aber das ist eigentlich keine Kunst mehr. Dass Pacific Rim: Uprising besser ist, liegt womöglich am letzten verbleibenden Rest von del Toro´s visionärem Creature Design, aber ganz sicher nicht am Plot, und ganz sicher nicht an den Schauspielern – mit Ausnahme von Rinko Kikuchi, die vehement versucht, dem ganzen Szenario ein gewisses Maß an Würde zu verleihen. Am schlimmsten aber ist Scott Eastwood. Womöglich denkt er, einfach nur so verkniffen dreinblicken zu müssen wie sein Papa und die Sache groovt. Nun, Schauspieltalent gehört auch dazu. Das zeigt Scott Eastwood zumindest in diesem Film wirklich nicht. Im Übrigen weiß ich gar nicht mehr, wann zuletzt ein Schauspieler so dermaßen uninspiriert agiert hat. Des weiteren rezitiert John Boyega in einer augenverdrehenden Redundanz immer wieder leicht abgewandelte Litaneien, wie toll nicht sein Vater (Idris Elba als Stacker Pentecost aus Teil 1) gewesen sein muss und wie anders er selbst nicht ist. Das militärische Gehabe sämtlicher Jungspunde in der Kadettenschule für Jäger-Einsätze erinnert stark an Ender´s Game oder an den absichtlich satirischen Heroismus der Starship Troopers, meint sich aber tatsächlich ernst. Und der von den Aliens angezapfte Superbösling, der die Welt vernichten will, rein aus einer Ego-Kränkung heraus, ist dann auch schon wieder ein bisschen zu viel des Guten. Und unglaubwürdig obendrein. Also wie man sieht ist hier einiges schief gegangen.

Wirklich nichts gegen Monsterfilme, ich liebe Monster. Wäre selbst gerne ein Creature Designer unter der Obhut manch eines Regie-Phantasten, aber was die Chinesen aus einer Fortsetzung mit Potenzial angestellt haben, ist infantiles Gekloppe und Betonzermalmen, dem noch dazu eine Story zugrunde liegt, die vielleicht im Zeitalter von Top Gun mitreißend gewesen wäre, in Pacific Rim: Uprising aber so dermaßen substanzlos hin geschnalzt wird, dass ich das Gefühl nicht los werde, Cast und Crew wären nichts anderes übrig geblieben, als vor dem Fast Food-Konzept der neuen Geldgeber zu buckeln. John Boyega´s Mitspracherecht möchte ich sehen – sollte er dieses Drehbuch wirklich für gut befunden haben, muss ich an dem guten Mann anfangen zu zweifeln. Schade eigentlich, und gleichzeitig erstaunlich, wie sehr man Kino fernab jeglichen Esprits produzieren kann. Del Toro´s Original war vergleichsweise wirklich etwas Beeindruckendes. Gigantisch, atmosphärisch, formschön in der Bildsprache und angereichert mit ordentlich Mystery. Die Darsteller waren auch alle um ein Eckhaus engagierter, und auch wenn die 200 Tonnen schweren Kamproboter ihre Ohrfeigen nicht ganz so pirouettengleich verteilt haben, hatte das aber immerhin noch mehr Charme als die unter physikalischen Parametern betrachtete unmögliche Beweglichkeit exorbitant schwerer CGI-Ritter.

Pacific Rim: Uprising lässt sogar hartgesottene Nerds jenseits der 30 gelangweilt auf die Uhr schauen. Die Kaijus selbst, auf die man zwischen Hurra-Militarismus und Glaub-an-dich-Worthülsen geschlagene eineinhalb Stunden warten muss, sind das einzige Highlight, wofür es sich lohnt, dann doch noch sitzenzubleiben, obwohl auch diese nur mehr ein schaler Nachklang eines vormals spektakulären Kinoerlebnisses sind.

Pacific Rim: Uprising

Attraction

ALIEN NON GRATA

6/10

 

attraction© 2017 Capelight Pictures

 

LAND: RUSSLAND 2017

REGIE: FJODOR BONDARTSCHUK

MIT OLEG MENSHIKOV, ALEXANDER PETROV, IRINA STARSHENBAUM U. A. 

 

So ein Pech aber auch: Da betreibt man als außerirdische Intelligenz Feldforschung im Geheimen, und tut alles daran, um nicht aufzufallen. Und dann das! Ein Asteroidenschauer, der das fremde Raumschiff von seinem Inkognito-Status befreit und in die Atmosphäre des Planeten Erde schleudert. Für einen stofflichen Körper ist so ein Eintritt nicht gerade angenehm. Das Vehikel wird selbst zum Meteor und glüht dem Erdboden entgegen. Doch damit nicht genug. Zusätzlich zur Arschkarte, die die Aliens gezogen haben, gesellt sich der schwarze Peter in der Gestalt von Abfangjägern dazu, die den Eindringling unterstützend vom Himmel holen. Und aus dem doppelten wird dreifaches Pech – das Ding geht über bewohntem Gebiet nieder. Was an sich schon relativ unwahrscheinlich ist. Da muss man schon richtiges Bad Karma haben, damit sowas passiert. Normalerweise wäre ein Eintauchen in den Ozean oder eine Landung auf unbewohnten Gebieten das plausiblere Szenario. Aber sei´s drum, wie es der Zufall so will, kracht das einem Perpetuum Mobile ähnliche Schiff nach verheerendem Kollateralschaden zwischen die Plattenbauten eines Moskauer Vorortes. 

Wenn man jetzt erwartet, dass der russische ÖAMTC mitsamt Rettung im Schlepptau herangeschneit kommt, hat man sich gehörig geschnitten. Das Raumschiff ist auf der Erde gelandet, nicht auf irgendeinem anderen Planeten! Also wird das Gebiet abgesperrt und das UFO erstmal nicht willkommen geheißen. Alles, was fremd ist, ist mal potenziell gefährlich. Vor allem, wenn es von anderen Planeten kommt. Da haben die Amerikaner ja schon ganz andere Erfahrungen gemacht. Verheerende, um genau zu sein. Wie kann dann dieses Ding da in Frieden kommen? Am besten ist es, abzuwarten und die Sache auf sich beruhen zu lassen. Vielleicht repariert sich das Ding von selbst und verschwindet wieder. Doch so viel Selbstbeherrschung ist Homo sapiens nicht zuzutrauen. Da braucht es nicht lange, und aggressive Xenophobie zieht eine weitere Schneise der Verwüstung bis hin zum Objekt ihres Hasses. 

Dabei ist es nur ein Schiff. Das war es bei Neil Bloomkamp´s Alien-Parabel District 9 genauso. Nur um einiges größer. Und mit viel mehr Besatzung. Wohin damit? Nun, in ein Township, wie in den Zeiten der Apartheid die schwarze Bevölkerung Südafrikas. In Attraction sind es nur eine Handvoll Aliens. Und als Alien ist man unter Menschen Persona non grata. Haben die alle zu viel Roland Emmerich-Filme gesehen? Mitnichten. Der Mensch ist laut Regisseur Fjodor Bondartschuk weit davon entfernt, für so eine weltbewegende Begegnung bereit zu sein. Vielmehr ist sein Erdenbürger noch ein Kind, das auf das Unerklärliche und Unverstandene mit Wut und Angst reagiert, egal, welchen Grund das Eindringen des Fremden in die vermeintlich heile Welt des russischen Alltags hat. Solange wir Menschen nationale Grenzen ziehen, Flüchtlingsrouten schließen und Asylantenheime anzünden, ist hier auf Erden für einen Besuch von ganz weit Außen lange noch nicht aufgeräumt. Der Streit der Ethnien um Grund und Boden und die Religionen der Rechthaberei, Kräftemessen mit Nuklearwaffen und das Töten Ungläubiger gibt dem Universum wieder mal ein gutes Gefühl, seine benachbarten Sonnensysteme und Galaxien in Lichtjahren Entfernung zu platzieren, denn die Erde, die ist für Fremde kein einladender Ort. Doch manch ein Terraner oder eine Terranerin fühlt sich zu den humanoiden Astrobiologen dann aber doch irgendwie hingezogen – daher auch der Titel des Filmes. Was aber die Situation auch nicht viel besser macht.

Die russische, tricktechnisch beeindruckende Großproduktion ist bei Weitem besser gelungen als der Superhelden-Actioner Guardians, war in den Kinos im IMAX-3D-Format zu sehen und wartet mit leinwandfüllenden, opulenten UFO-Bildern auf. Die zwar etwas zu lang geratene, weniger unheimliche Begegnung der dritten Art ist ein teils derbes, teils augenzwinkerndes Gleichnis von der Xenophobie und der Entwertung des Ungleichen mit Darstellern, die mal mehr mal weniger ihren emotionalen Anforderungen gerecht werden. Doch unterm Strich ist der Mix zwischen Independence Day, District 9 und Der Mann der vom Himmel fiel ein durchaus solides Stück osteuropäisches Science-Fiction-Kino.

Attraction

Life

LEBEN UM JEDEN PREIS

6,5/10

 

Life© 2017 Sony Pictures / Quelle: amazingcinema.it

 

LAND: USA 2017

REGIE: DANIEL ESPINOZA

MIT JAKE GYLLENHAL, RYAN REYNOLDS, REBECCA FERGUSON U. A.

 

Habt ihr schon mal was von den sogenannten Bärtierchen gehört? Ja? Nein? Wie auch immer – Bärtierchen sind die wohl außergewöhnlichsten Lebensformen, die sich auf unserem Planeten tummeln. Sie sind weder Säuger, noch Insekten, noch Reptilien. Sie sind kaum sichtbar – maximal 1500 Mikrometer groß, sehen aus wie volle Staubsaugerbeutel mit acht krummen, bekrallten Beinchen – und sind unkaputtbar. Und damit meine ich unkaputtbar. Bärtierchen sind die einzige Lebensform, die sich tatsächlich an extremer Hitze und Kälte schadlos halten und im Vakuum des Weltraums überleben können. In Anbetracht dieses biologischen Ist-Zustands möglichen Lebens erscheint das Ding aus einer anderen Welt in Daniel Espinozas Science-Fiction-Thriller gar nicht mehr so weit hergeholt. Gut möglich, dass der Tierstamm der Bärtierchen oder Wasserbären überhaupt erst Life ermöglicht haben. Zumindest die Idee dahinter. Allerdings – ein wenige Mikrometer großer Moppel auf acht Beinen wird zwar wohl aufgrund seiner Eigenschaften bestaunt werden, nicht aber aufgrund seiner Bühnenpräsenz. Ein Wermutstropfen, den man mit künstlerischer Freiheit leicht wettmachen kann. Das Ergebnis ist ein Wesen mit den Bonusmerkmalen einer weiteren, sehr menschenunähnlichen Tierart: die des Kephalopoden oder Kopffüßers. Hochintelligente maritime Lebensformen, die im Grunde acht Nebengehirne besitzen und sowohl im seichtem Wasser als auch in unergründlichen Tiefen existieren. Die Rechnung lautet also: Bärtierchen und Oktopus = Calvin. Denn genau so nennen ihn die knapp 8 Milliarden Menschen, die in absehbarer Zukunft die Erde bevölkern – und Zeuge der Erweckung des ersten extraterrestrischen, mehrzelligen Lebens werden.

Doch manche Hunde sollte man schlafen lassen. Auch diesen aggressiven Organismus vom Mars, der, zuerst als Einzeller ziemlich harmlos, ziemlich schnell mutiert und als egoistische Gen-Ansammlung den Astronauten der Raumstation ISS das Leben schwermacht – und folglich nimmt. Denn fressen muss das Wesen schließlich auch, geht es doch ums Überleben. Aus dieser Sicht steht es dem Xenomorph aus Alien um nichts nach. Zwar weniger heimtückisch, und vielleicht auch weniger subversiv – aber im drängenden Bedarf nach Etablierung seiner Art um keinen Deut weniger gierig.

Der Rest von Life ist dann gewohntes Weltraumkino der nicht jugendfreien Art. Hat man Alien gesehen, hat man teilweise auch schon Life gesehen. Allerdings bietet Life mehr Szenen im Outer Space als Alien. Das wiederum erinnert frappant an Alfonso Cuaron´s Gravity. Beide Erfolgsfilme in einem dritten Film zu vereinen heißt nicht automatisch den doppelten Jackpot zu erlangen – vielmehr kopiert Life die Erfolgsrezepte der anderen Filme. Was ihn zwar nicht weniger unterhaltsam macht, aber spannungsärmer.

Doch halt! Bevor Espinoza´s Katastrophenszenario dramaturgisch gesehen in der Schublade 08/15 verschwindet, hat der Film noch ein As im Ärmel. Und bevor sich der nerdige Scifi-Horrorfan leicht enttäuscht aus den samtenen Kinositzen erhebt, darf noch einmal überrascht werden. Life schafft kurz vor Ende noch eine 180°-Wendung. Eine Taktik, die schon Christian Alvart´s Raumschiff-Klaustrophobie Pandorum zu einem denkwürdigen Vorsprung verholfen hat. So gesehen gefällt Life schon allein aufgrund der radikalen Charakteristika einer bioinvasorischen Lebensform als auch aufgrund eines konsequenten wie überraschenden Finales. Und weniger aufgrund blasser, schnell verheizter Schauspieler und einem abgedroschenen Handlungsbogen.

Life

Spider-Man: Homecoming

DEADPOOL FÜR TEENIES

7,5/10

 

spiderman

Der Spinnenmann kehrt zurück, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Frage ist nur, ob wir uns darauf freuen sollen oder nicht. In erster Linie aber flüchtet der ungewöhnlich schlagkräftige Teenie in die mütterlichen Arme der Marvel Studios. Homecoming – das verlorene Schaf ist zur Herde heimgekehrt, rein in den Kosmos der Avengers, da wo er eigentlich hingehört. Angebahnt hat sich das Ganze schon in The First Avenger – Civil War. Die Marvel Studios sind mit grundlegend neuem Konzept die Sache von der Maschekseite angegangen. Ihr Spider-Man präsentiert sich mit Tom Holland als unerwartet unspektakulärer, burschikoser Nerd, der auf Star Wars und Mädchen steht und sich von Superhelden sehr leicht beeindrucken lässt. Holland ist ein Bursche, der unaufgeregt normal daherkommt und das verschmitzte gewisse Etwas besitzt, das erst durch sein Tun und Handeln so richtig zutage tritt. In Civil War war ich schon mal positiv überrascht. Wie wird wohl Homecoming sein, allen bisherigen Fehlzündungen zum Trotz?

Zugegeben, Spider-Man ist wohl jener Superhelden-Charakter, der bislang mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Und damit meine ich nicht abgrundtief fiese Superschurken, sondern Sam Raimi und Marc Webb, die beide versucht haben, Spiderman auf die Leinwand zu bannen. Beide sind an diesem Unterfangen ziemlich gescheitert. Das lag zum einen am Cast. Weder Toby Maguire als manisch-romantischer Jungspund noch Andrew Garfield als Gentlemen mit allzu gewollt lockerer Note haben die Figur so interpretiert, als dass sie interessant geworden wäre. Weder Sally Field als Aunt May und die verkitschte Teenie-Romanze, sei es mit Kirsten Dunst oder Emma Stone, haben zur Qualität beigetragen. Und am Wenigsten die seifenopernhaften Superschurken, die so plakativ und unbeholfen dem Spinnenmann kontra gegeben haben, dass niemand auch nur jemals daran gezweifelt hätte, dass Spider-Man alles zum Guten wenden wird. Bei dieser Vorhersehbarkeit bleibt die Spannung auf der Strecke. All diese fünf vorangegangenen Filme haben immer mehr und mehr versucht, ihre dramaturgischen Mängel mit Bombast zu kompensieren. Höhepunkt des Untergangs war The Amazing Spider-Man – Rise of Electro. Elendslang, überladen und auf seine Effekte reduziert, blieb uns auch nicht erspart, Spider-Man aus allen erdenklichen Perspektiven von Haus zu Haus springen zu sehen. Das Publikum war somit übersättigt. Bitte keinen Spiderman mehr.

Es sei denn, Sony schickt den Burschen wieder heim. Und Marvel integrierte Spider-Man in sein Cinematic Universe, als wäre er nie weg gewesen. Es gelingt somit ein kleines Wunder. Spider-Man: Homecoming ist die bisher beste Verfilmung des Strumpfhosenteenies. Warum?

Weil Marvel mit der Zeit geht. Und – anders als Kollegen wie Michael Bay – weil Marvel bemerkt hat, dass das Effektkino seinen Zenit erreicht hat. Das Superheldenkino schafft es kaum mehr, mit visueller Raffinesse das Genre-Publikum zu überzeugen. Das spezialeffektverwöhnte Auge aller Geeks und Nerds hat im Grunde alles schon gesehen, was CGI zu bieten hat. Was bleibt also übrig als vom Gipfel des Klotzens wieder herabzusteigen, Drehbücher vom Reißbrett zur Seite zu legen und sich wieder vermehrt auf die Geschichten zu konzentrieren. Vielleicht sogar vermehrt auf schräge Charaktere, die seit dem Erfolg der Big Bang Theory salonfähig geworden sind. Bei Spider-Man Homecoming haben die Macher nicht das Tempo, aber Action und Effekte bewusst runtergeschraubt. Und vermehrt ihren Star Tom Holland freie Bühne gelassen. Der sympathische Junge verhält sich wie Deadpool für Teenies. Klug, wortgewandt, mit Hang zum Sarkasmus und mit ganz viel Anfängerglück. Überfordert mit seinen Fähigkeiten und dem Gadget-Anzug von Tony Stark, strudelt er mehr recht als schlecht durch die Nachbarschaft, um Waffenschiebern das Handwerk zu legen. Leider zum Missfallen des arroganten Schnösels und Möchtegern-Mentors Iron Man (strotzend vor Überheblichkeit: Robert Downey), der Peter Parker unter Kuratell stellen will. Spider-Man hilft sich also selbst – und beweist, dass weniger manchmal mehr oder zumindest gleich viel sein kann. Und Michael Keaton gibt den Waffenbauer angenehm pragmatisch und nicht hochgekünstelt wie die sinistren Wirrköpfe, die wir mittlerweile schon leid sind. Gemeinsam erreicht das freche Ensemble aus Nerds, Ganoven und bekannten Avengers-Ikonen die Qualität eines pfiffigen Comicabenteuers zwischen McGyver, Malcolm mittendrin und Kick-Ass. Zwar eindeutig fürs jüngere High School-Publikum gemacht, fügt sich der Film aber nahtlos in den humoristischen Infinity-Kosmos ein und bleibt dankenswerterweise am Boden.

Die Spinne hat sich nach Spider-Man: Homecoming eindeutig rehabilitiert. Und den Gadget-Anzug letztens Endes ehrlich verdient.

Spider-Man: Homecoming