Orang Ikan (2024)

ÜBERDOSIS OMEGA-3

5,5/10


© 2024 Splendid Film


LAND / JAHR: INDONESIEN, JAPAN, SINGAPUR, VEREINIGTES KÖNIGREICH 2024

REGIE / DREHBUCH: MIKE WILUAN

KAMERA: ASEP KALILA

CAST: DEAN FUJIOKA, CALLUM WOODHOUSE, ALEXANDRA GOTTARDO, LUCKY MONIAGA, ALAN MAXSON U. A. 

LÄNGE: 1 STD 23 MIN


Orang-Utan ist wohl jedem ein Begriff, den muss ich nicht erklären. Woher der Name stammt, vielleicht schon, denn der wurzelt in der malaiischen Sprache und heisst soviel wie Waldmensch. Orang für Mensch. Utan (oder Hutan) für Wald. Dann gibt es noch den Orang Pendek (oder Pendak), heisst soviel wie kleiner Mensch. Der Knilch ist nach wie vor ein kryptozoologisches Phänomen und soll sich in den Wäldern Sumatras herumtrollen. Und dann gibt es Orang Ikan. Was Orang bedeutet, wissen wir, und Ikan steht für Fisch. Ein Flossenwesen also auf zwei Beinen, sonst wäre er nicht humanoid. Für den gibt es auch keine wissenschaftlichen Belege, und im Gegensatz zur Pendek-Version reden wir nicht mal über Sichtungen. Denn Orang Ikan stammt aus der Feder von Mike Wiluan, einem in Singapur geborenen Filmemacher, der sich wohl eine ausgewiesen Vorliebe für die frühen Monsterfilme der 50erjahre bewahrt hat, insbesondere für jene von Jack Arnold, und da wieder insbesondere für jenen, der sich Der Schrecken vom Amazonas nennt. In diesem effektiv gefilmten, kauzig-monströsen Klassiker tummelt sich eine Jumpsuit-Unterwasserkreatur im tropischen Sumpf und findet Gefallen an einer – wie kann es anders sein – schönen Frau, die zu ihrem Leidwesen als Teil einer Forscher-Crew das eine oder andere mal durchaus ihr stimmliches Organ beanspruchen muss. Denn wenn man da nicht weiß, was da aus der Tiefe steigt, mag der titelgebende Schrecken schon groß sein. So groß wie ein Mann, der sich damals im Gummikostüm halb zu Tode hat schwitzen müssen. Viele Jahrzehnte später schenkt Guillermo del Toro diesem Fischwesen eine phantastisch-romantische Hommage in barocken Bildern: The Shape of Water wurde zum Oscar-Hit.

Des Fisches Blutgesang

Preislich wird Orang Ikan wohl keine Trophäen abräumen – dafür hätte Mike Wiluan den genretypischen Werkzeugkasten wohl ausleeren und neu einsortieren müssen. So aber bleibt er der Art und Weise, wie man Seemansgarn erzählt, zu hundert Prozent treu, wenngleich er in Sachen monströser Grimmigkeit gerne noch ein Schäuflein nachlegt. Denn Orang Ikan, der hat wohl vom Predator viel gelernt. Darunter auch, wie man Köpfe abreißt und menschlichen Schwächlingen eine Frontal-Gastroskopie verpasst. Wiluan will seine Kreatur so furchterregend wie möglich erscheinen lassen – als Mischung aus Tiefseefisch, Jack Arnold-Body und eben einem Jautja (wie die Spezies des Predators eigentlich bezeichnet wird). Vieles in diesem Film erfreut sich filmischer Referenzen, wenig bleibt als eigenständige Idee auf diesem einsamen, sagenumwobenen Eiland zurück, an dessen Gestaden ein Japaner und ein Amerikaner zur Zeit des Pazifikkrieges ihr Bewusstsein wiederfinden, nachdem ihr Kriegsschiff auf Grund lief. Beide sind aneinandergekettet und hätten als Straftäter wohl eher den Gezeiten überantwortet werden sollen – nun hat es sie noch schlimmer getroffen, denn jetzt ist Orang Ikan hinter ihnen her, um was zu tun? Die Insel zu verteidigen? Potenzielle Nahrung zu sammeln?

Was folgt, ist ein gelb- und grünstichig gefilmtes Guilty Pleasure ohne Überraschungen, dafür aber mit einigen Gore-Szenen und ganz viel Dschungel-Feeling. Das Wesen darf sich einem knackigen Äußeren erfreuen, ganz ohne CGI und somit herrlich analog, wie in den guten alten Zeiten. Für Monsterfans ist Orang Ikan ein genüssliches Junk Food, da lässt sich über seifiges Pathos gerne hinwegsehen.

Orang Ikan (2024)

Godzilla x Kong: The New Empire (2024)

ES RÜTTELN DIE TITANEN AM WATSCHENBAUM

6,5/10


godzillaxkong© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: ADAM WINGARD

DREHBUCH: SIMON BARRETT, TERRY ROSSIO, JEREMY SLATER

CAST: REBECCA HALL, DAN STEVENS, BRIAN TYREE HENRY, KAYLEE HOTTLE, ALEX FERNS, FALA CHEN, RACHEL HOUSE, RON SMYCK, CHANTELLE JAMIESON U. A.

LÄNGE: 1 STD 55 MIN


Je mehr Episoden es gibt, und je weiter diese von Gareth Edwards Neuinterpretation der Riesenechse aus dem Jahr 2014 entfernt sind, umso weniger ist die Story, die hinter allem steht, noch von Bedeutung. Ein Fehler? Wie man es nimmt. Es kommt vor allem darauf an, unter welchen Beweggründen man für Godzilla x Kong: The New Empire die Lichtspielsäle heimsucht. Wohl weniger, um zu erfahren, wie es nach Godzilla vs. Kong weitergeht.

Den Plot haben viele schon vergessen. Die auf AppleTV+ veröffentlichte Serie Monarch: Legacy of Monsters siedelt zeitlich zwischen Gareth Edwards Reboot und dem Sequel Godzilla II: King of Monsters, ist also für diesen neuen Streifen relativ irrelevant, mit einer Ausnahme: Die Organisation namens MONARCH rückt dabei in den Fokus – quasi das S.H.I.E.L.D. des MonsterVerse, deren kluge Köpfe in früheren Zeiten schon zur logischen Schlussfolgerung gekommen waren, dass diese Titanen nicht aus heiterem Himmel auf diese alternative Erde gefallen sein konnten. Als Zuseher von der Hohlwelt zu wissen mag kein Fehler sein – in Wahrheit ist es aber völlig egal. Wer hier obendrein als menschlicher Charakter mitmischt, hat auch längst keinen Wiedererkennungswert mehr. Rebecca Hall, Brian Tyree Henry – hatten wir die schon mal? All die Beteiligten sind Platzhalter, nichtssagende Figuren in einem großen Spiel, die nur beobachten können, weil sie machtlos sind, wenn die wuchtigen Riesen Marke Elefant im Porzellanladen nicht mal vor Weltwundern Halt machen und alles in Schutt und Asche legen. Sie tun das auch, wenn sie nichts Böses wollen.

Godzilla x Kong: The New Empire können auch jene genießen, die sich noch überhaupt kein bisschen in die Materie hineingearbeitet haben, die einfach nur zugeklotzt werden wollen mit üppigen Effekten und so donnernden wie markerschütternd brüllenden Kreaturen aller Art, die in einer Welt leben, die aus Jurassic Park, Avatar und unserer eigenen Welt zusammenmontiert ist und als Hohlwelt im Inneren der Erde existiert. Es ist der feuchte Traum eines Jules Verne oder H. G. Wells, es ist das Shangri La aller Monsterfans, weil dort wüten kann, was immer man sich auch in den Kopf setzt, was dort wüten soll. Es ist Rudyard Kiplings Dschungelbuch in der XL-Dirty-Version und ein Planet der Affen für Gourmands, die sich ohne Lätzchen ans tischebiegende Buffet begeben, das alle Leckereien bietet, auf die man Lust hat.

Wenn Godzilla, quasi das fleischgewordene Ende der Nahrungskette unter den Titanen, wie ein Hund in seinem Körbchen im römischen Kolosseum sein Nickerchen macht, ist das fast schon eine ungeahnte Zärtlichkeit, eine feine Klinge. Wenn Kong, unter Zahnweh leidend, zum Onkel Doktor aus der Hohlwelt in unsere Hemisphäre krabbelt, um sich von „Ace Venture“-Verschnitt Dan Stevens einer Wurzelbehandlung zu unterziehen, könnte man vermuten, der gemütliche Alltag ist auf Terra eingekehrt, eine durch evolutionären Weltlauf müde gelaufene Koexistenz, bis die nächste Katastrophe heranwalzt. Und das tut sie auch.

Bühne frei für eine Affenbande, die sich aufführt wie die streitlustigste Gang im Wiener Problembezirk Favoriten, fiese Gesellen mit schiefen Visagen und psychopathischen Blicken, so groß wie Kong, aber doppelt aggressiv, angeführt vom hässlichen – weil Boshaftigkeit muss sich in Hollywood immer auch äußerlich niederschlagen – Scar, der als schlaksiger Orang-Utan dem in der Hohlerde indigenen Volk der Iwi ordentlich mit dem Damoklesschwert droht. Die senden wiederum ein SOS an die Oberfläche – eben dort, wo Godzilla seine Schläfchen macht. So müssen die Echse und Kong gemeinsame Sachen machen, um diese aufmüpfigen Rabauken die Ohren langzuziehen, haben diese doch auch eine legendäre Kreatur im Schlepptau, die Scar gehorcht. Seit dem letzten Teil wissen wir noch (oder wir wissen es nicht mehr): Die Echse und der Affe sind nicht sonderlich gut aufeinander zu sprechen und dulden sich nur, wenn jeder seiner Wege geht. Noch ein Faktor, der Krawall verspricht.

Zum waschechten Guilty Pleasure wird Godzilla x Kong: The New Empire immer dann, wenn auch noch andere Titanen mitmischen – schuppiges Gewürm, tollwütige Riesenwölfe oder Giga-Seespinnen, die sich in der Tür geirrt haben. Tricktechnisch pulvern diverse Effektfirmen, allen voran Weta FX, den neuesten Stand der Zunft auf die Leinwand, somit wird Adam Wingards Biomasse-Gewitter zum fotorealistischen Animationsfilm, in welchem all die Menschlein, und sind sie auch noch so wiff im Denken und Handeln, gnadenlos erblassen. Mit ihnen geht auch der arg konstruierte Plot in die Defensive. Warum in Gottes Namen eine neu entdeckte Welt wie diese nicht sowieso schon längst jeden noch so ehrgeizigen Forscher auf den Plan gerufen hat, widerspricht auf obszöne Weise der Neugier des Menschen. Und ob die stämmige Echse mit Hang für allerlei Radioaktives nun Tausende Menschen in den Tod befördert, bleibt ein unbeachtetes Detail am Rande, weil Godzilla seit jeher die kataklysmische Katastrophe verkörpert, die unsere Spezies zu Ameisen degradiert.

Godzilla x Kong: The New Empire (2024)