Mank

MASTERMINDS, MÄCHTIGE UND MONETEN

5/10


mank© 2020 Netflix


LAND: USA 2020

REGIE: DAVID FINCHER

CAST: GARY OLDMAN, LILY COLLINS, AMANDA SEYFRIED, CHARLES DANCE, TOM PELPHREY, ARLISS HOWARD, TOM BURKE U. A. 

LÄNGE: 2 STD 12 MIN


Es ist schon eine ganze Weile her, als ich mir Orson Welles Citizen Kane aus cinophilem Pflichtbewusstsein heraus angesehen habe. Und ja, das Werk ist zweifelsohne bemerkenswert, wunderbar gefilmt und erzählerisch, vor allem für die damalige Zeit, recht innovativ. Als besten aller Filme, wie viele Kritiker und Experten behaupten, sehe ich ihn dennoch nicht. Da hat für mich Orson Welles Film Noir Im Zeichen des Bösen deutlich mehr Grip. Aber das nur nebenbei. Was Citizen Kane mit David Finchers neuester Arbeit Mank zu tun hat? Das Drehbuchgenie dahinter. Einem Mastermind, dem des Öfteren der Hochprozentige näher war als der Schreibstift: Herman Mankiewicz. Ein Alkoholiker unter dem Herrn, in klaren Momenten scharfer Denker und mutiger Dramaturg, der für Citizen Kane gar den Oscar erhielt. Dabei war gar nicht mal sicher, ob Citizen Kane überhaupt in den Kinos gezeigt werden dürfe, da sich das Script ganz deutlich das Leben von William Randolph Hearst zur Brust nahm, eines Medien-Tycoons und Zeitungsmogul, der sich in dem Werk diffamiert sah. Zeitgleich gab’s in den dreißiger Jahren politisch gesehen jede Menge ruheloses Blut, da gab’s die Sozialisten und die Kapitalisten, da gab’s einen Schriftsteller namens Upton Sinclair, der in Finchers Film regelmäßig genannt wird. Wer aber all diese politischen Bezüge, Hintergründe und vor allem: wer Citizen Kane nicht mal ansatzweise kennt oder weiß, was das für ein Film ist, der wird, salopp gesagt, mit Finchers sehr speziellem Werk nicht viel anfangen können.

Mank sollte im Doppel- oder gar im Dreierpack präsentiert werden. Als Prolog könnte man vielleicht gleich den ganzen Citizen Kane mit einbeziehen. Zwischendurch vielleicht eine aufschlussreiche Dokumentation über die Zeit von damals, über William Randolph Hearst vielleicht und dessen politischer wie gesellschaftlicher Bedeutung? Diese ach so nostalgischen frühen Jahre Hollywoods, was waren die eigentlich? Ein Völkerballspiel der freien Kräfte, die da waren MGM oder Universal oder Paramount oder Warner. Hinter all diesen Studios saßen die steinreichen Mächtigen mit viel Einfluss, die Stars erschufen oder wieder vernichteten, die eng mit der Politik kokettierten und um Einfluss gierten. Eine schöne Zeit war das keine, eine Zeit der Abhängigkeit viel mehr. Fincher dreht in Schwarzweiß, um zumindest optisch mit Kolorit, Stimmung und Atmosphäre das Damals zu verklären. Zugegeben, seine Bilder sind erlesen, die Kameraarbeit erste Sahne, auch schauspielerisch geben alle ihr Bestes. Ja, auch Gary Oldman, obwohl er die meiste Zeit nur devastiert herumliegt und wenn er nicht herumliegt, besoffen und verschwitzt durch Peinlichkeiten torkelt.

Was das von David Finchers mittlerweile verstorbenem Vater Jake Fincher verfasste Script zu Mank bereithält, ist, um es wohlwollend zu formulieren, nur bedingt interessant und hat obendrein ein massives Prioritätenproblem. Mank ist ein Film, der, hätte Netflix ihn nicht veröffentlicht, wohl nie ins Kino gekommen wäre. Der Film wäre, so wage ich zu prognostizieren, ein Flop geworden. Warum? Weil die Story, die erzählt wird, hauteng zugeschnitten ist auf ein Publikum der Experten, versierten Politkenner und eingelesenen Medienhistoriker. Ein Film für spezielle Nerds, die all diese Namen kennen und zuordnen können, die diesen mehr als zweistündigen Redeschwall auseinanderdividieren und zeitgleich zum Gesehenen all die Fußnoten vor dem geistigen Auge einfügen können. Zugegeben: ich konnte das nicht. Womöglich sind mir viele Bezüge durch die Lappen gegangen, ich kenne Hearst und Mankiewicz maximal dem Namen nach, Orson Welles ist natürlich ein Begriff, Upton Sinclair? Puh…sagt mir was, aber da müsste ich, um ins Detail zu gehen, irgendwo nachschlagen (was ich auch getan habe). Mank macht es Zusehern wie mir nicht leicht, an Bord zu kommen. Politischer Smalltalk, Männer im Anzug noch und nöcher, die sich treffen und die wieder auseinandergehen: ein Fall von geschmackvoller Eintönigkeit. In Sachen Erzählstil versucht Fincher – ähnlich wie Citizen Kane selbst – mit Rückblenden frischen Wind reinzubringen, er lässt Mankiewicz zurückdenken ans Damals der Dreißigerjahre, wo dieser maximal als Zaungast neben den Dingen stand, die da passiert sind. Übrigens: Louis B. Mayer, ja den kenn‘ ich auch noch.

Mank setzt ein Vorwissen voraus, welches das Gezeigte überhaupt erst lebendig macht. Herrscht hier ein Defizit, bleibt vieles unbeweglich, bruchstückhaft, nicht relevant genug, um wirklich zu begeistern. Von seinen historischen Figuren gibt Mank wenig Preis. Er macht sie zu Personen auf Fotografien, die auf ihren Einsatz warten. Von der eigentlich sehr wichtigen Rolle des Zeitungsmagnaten Hearst (Charles Dance) zum Beispiel bleibt wider seiner Notwendigkeit nicht viel mehr als eine zugerufene Schlagzeile. Hat man allerdings dieses Vorwissen zu all den Begebenheiten und Biographien, kann Mank durchaus mitreißend sein – das würde auch das Kritikerlob erklären. Für mich jedenfalls ist David Finchers Liebhaber – und Herzensfilm eine ausgebügelte, aus dem Kontext gerissene Making Of-Anekdote mit angehängtem Stückwerk aus Politik und Gesellschaft, das diese hauchdünne edle Patina an Bildern bemüht ist zu tragen.

Mank

Ich bin Kuba

VIVA LA REVOLUTION!

5/10


soycuba2© 1964 MK2 Diffusion


LAND: UDSSR, KUBA 1964

REGIE: MIKHAIL KALATOZOV

CAST: LUZ MARIA COLLAZO, JOSÉ GALLARDO, RAUL GARCIA III, SERGIO CORRIERI, JEAN BOUISE U. A.

LÄNGE: 2 STD 21 MIN


Vor vielen Jahren hatte der TV-sender ARTE den wirklich sehr selten gezeigten Film Ich bin Kuba im Programm. Diese Tatsache hätte mich wohl nicht sonderlich tangiert, wäre ich nicht Zeuge des dazugehörigen, für ARTE aufbereiteten Trailers geworden, der mich letzten Endes sprachlos machte. Bilder in expressionistischem Schwarzweiß, die so aussehen, als wären sie vom Fotografen Sebastio Salgado geschossen worden, die Linse der Kamera stets im Weitwinkel, nahe an den Gesichtern, der blaue Himmel in dunklem Grau, das Grün der Palmen und Zuckerrohrfelder strahlen in einem cremigen Weiß. Das sind Bilder, die von einem begnadeten Filmemacher kreiert worden sein müssen, der technisch gesehen nicht zwingend, aber durchaus möglich, spätere Künstler wie Terrence Malick oder Alfonso Cuaron (insbesondere zu Roma) inspiriert haben könnte.

Den Film selbst habe ich leider verpasst. Seitdem war ich auf der Suche danach ­– bis er mir in der städtischen Bücherei als DVD in die Hände fiel, im spanischen Original natürlich und mit englischen Untertiteln. Ein durchaus eingehbarer Kompromiss, wichtig ist hier vorrangig die visuelle Bildsprache. Denn Ich bin Kuba aus dem Jahr 1964 war im Grunde ein ungeliebtes Kind, bis es in den 90er Jahren von niemand geringeren als Francis Ford Coppola und Martin Scorsese aus der Versenkung geholt und neu veröffentlicht wurde. Der Grund dafür war ganz einfach: Ich bin Kuba ist ein Pro-Castro-Propagandafilm, inszeniert vom russischen Cannes-Preisträger Mikhail Kalatozov (prämiert 1957 für Die Kraniche ziehen) und wurde weder vom kommunistischen Kuba noch von der kommunistischen Sowjetunion positiv aufgenommen. Fragt sich natürlich, warum. Fidel Castro hätte doch damit zufrieden sein können, kommt doch seine ganz eigene kubanische Revolution letzten Endes mit wehenden Fahnen und skandierten Marschliedern ganz gut davon. Vielleicht, weil Ich bin Kuba Mechanismen beschreibt, die unschwer nachgeahmt werden könnten, sofern der Unmut irgendeiner unterdrückten Bevölkerung den Siedepunkt erreicht. Diesen Leitfaden will natürlich keiner der Mächtigen dem Gehorsam gelobenden Volk zumuten. Also weg damit. Dieser Umstand macht aus Katalosows Film wiederum etwas ganz anderes als nur zu einem politischen Instrument.

Ich bin Kuba ist womöglich eines dieser Werke, über die so manche Filmhistoriker schon die eine oder andere Arbeit geschrieben haben. Das epische Werk lässt sich seitenweise in historischen, gesellschaftlichen oder filmtechnischen Aspekten betrachten, jede Menge gäbe es da zu berichten. Und ja, Ich bin Kuba ist kein Werk, dass der Zerstreuung dient. Es fordert – die Aufmerksamkeit, das Auge, das Sitzfleisch, durchaus setzt es auch eine gewisse landeshistorische Vorkenntnis voraus. Über 60 Jahre später ist Ich bin Kuba kameratechnisch immer noch ein Klasse für sich, seine vier voneinander losgelösten Episoden erzählt Kalatozov fast schon zu simpel, zu generisch, um mit ihrer Wahrhaftigkeit zu fesseln. Gerade gegen Ende spürt man die propagandistischen Ambitionen am stärksten, die Vereinfachung der Emotionen, die klare Trennung von Unrecht und Opfer. Das ist fast schon wie Schulfernsehen, wie ein Bildungsprogramm zur Rekrutierung unschlüssiger Strauchelnder, die nicht mehr wissen wohin mit ihrer Existenz.

Armut, Ausbeutung, Enteignung, dazwischen die Schönheit eines selbstverliebten Landes. Kuba selbst ist die Erzählerin, nach jedem Fallbeispiel geordneter Problematik bekennt sich die Insel zu ihrer Krise, bekennt sich dazu, was es ist und gleichzeitig nicht sein will. Soy Cuba heißt es da: Die reichen und Mächtigen werden sehen, wo sie bleiben. Alsbald formieren sich die Studenten, predigen die Opferbereitschaft, holen auch noch den letzten Bauern aus dem Hinterland. Botschaften, die ganz klar Stellung beziehen. Dessen triviale Machart aber in quälendem Lehrbuchsozialismus die euphorische Lust an dem Bildersturm nimmt, der über zwei Stunden tobt.

Ich bin Kuba