Anna und die Apokalypse

ZUCKERSTANGEN FÜR ZOMBIES

6,5/10


annaapokalypse© 2018 Splendid Film


LAND / JAHR: GROSSBRITANNIEN 2017

REGIE: JOHN MCPHAIL

BUCH: ALAN MCDONALD, RYAN MCHENRY

CAST: ELLA HUNT, MALCOLM CUMMING, MARK BENTON, PAUL KAYE, CHRISTOPHER LEVEAUX, MARLI SIU, SARAH SWIRE, BEN WIGGINS U. A. 

LÄNGE: 1 STD 32 MIN


Wie sieht denn der Weltuntergang in einer schottischen Kleinstadt aus? Vielleicht genau so wie in diesem 2017 erschienenen Genremix, der sich gleich dreierlei Stilbrocken bedient, nämlich den Versatzstücken des Musicals, des Zombie- und zu guter Letzt des Weihnachtsfilms. Diese Zutaten fallen jedoch am schwächsten aus, und deswegen lässt sich Anna und die Apokalypse auch ganz bequem nach den Feiertagen genießen, wenn man auch schon ein bisschen genug hat von der ganzen Verwandtschaft, den Weihnachtsliedern und den vielen Keksen, die mittlerweile schon viel zu mürb geworden sind. Glockengeläut und Zimtstern-Folklore fehlt in diesem filmischen Wagnis so ziemlich ganz, dafür schneit es ab und an, aber der Schnee ist dann tags darauf, wenn alles den Bach runtergeht, sowieso schon wieder weg.

Mit Musicals kann man mich schwer hinter dem Ofen hervorholen, doch wenn einer wie John McPhail es drauf anlegt, einige Klischees konterzukarieren und etwas Neues daraus zu machen, noch dazu mit Gesangseinlagen, die tatsächlich mitreißen, so schenke ich Anna und die Apokalypse nicht nur einen Blick, sondern leihe ihr auch ein Ohr. Wer überdies Stranger Things mochte und vielleicht gar nicht will, dass die schönste Zeit des Jahres bald vorbeigeht, der kann der Weihnachtsaufführung an einer High School in New Haven entgegenfiebern, die am Tag vor Heiligabend über die Bühne gehen wird. Was alle zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Hier bahnt sich womöglich das letzte Weihnachten im Rahmen einer zivilisierten Menschheit an, denn ein Virus greift um sich, das aus allem, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, zu Zombies macht. Wie diese Kreaturen ticken, wissen wir natürlich zu Genüge. Sie schlurfen und torkeln durch die Gegend, und die schiere Menge an gehirnhungrigen Kreaturen macht es aus, dass die Sache schnell zum Problem wird. Anna, ihr bester Freund John und ein paar schräge Nerds der Schule sowie der Obermacho schlechthin müssen sich zusammentun, um zumindest Annas Vater, der vom tyrannischen Direktor Mr. Savage festgehalten wird, zu befreien, um endlich dem Schlamassel entfliehen zu können. An Christbaumkauf und Weihnachtsgans ist sowieso nicht mehr zu denken. Dieses Fest fällt heuer ins Wasser, und da kommen selbst grinchgrüne Kerzenscheinbanausen schadenfroh grinsend voll auf ihre Kosten, wenn die Harmonie zu den Feiertagen einfach nicht halten will.

Während das Escape-School-Szenario prinzipiell nichts Neues bietet, und auch die Charaktere mitunter etwas stereotyp erscheinen: die wirklichen Gewinner dieses blutigen Last Christmas-Spaßes im wahrsten Sinne des Wortes sind die ausgewogenen, enorm rhythmischen und daher auch eingängigen Gesangsnummern. Ella Hunt hat eine volle Stimme, und auch alle übrigen, bis hin zu Hunts Filmvaterfigur, entfachen die richtigen Vibes. Musikalisch dreht Anna und die Apokalypse geschickt am Regler. Was hier abgeht, hört man gern, und vielleicht auch immer wieder, wenn man den Soundtrack auf Spotify sucht. Die Nummern Hollywood Ending und Human Voice sind ganz besonders hier zu erwähnen, weil sie, verteilt auf diverse Rollen, Ensemblestücke abliefern, die mitreißende Dramatik besitzen. Dem Filmgott sei’s gedankt, dass die deutsche Snychro die Finger davon lässt, die Lyrics der einzelnen Lieder einzudeutschen, denn das ist stets ein No-Go, wie Socken zu Sandalen.

In gutem britischem Englisch singen also all die jungen Leute, die vielleicht noch irgendwo den Highway entlang eine Zukunft haben, von Vorhersehbarkeiten und Sehnsüchten, menschlicher Nähe und Selbstreflexion. Anna und die Apokalypse ist ein Weihnachtsfilm, der gut und gern als feiermüder Digestif genossen werden kann, der die Wende schafft vom Kitsch zum kleinen Kult, ganz so wie die siebte Folge aus der sechsten Staffel von Buffy – The Vampire Slayer, in welcher Sarah Michelle Gellar, James Marsters und Co plötzlich alle ihre Stimmlagen proben. Da treffen Zyniker, Musical-Muffel und Bühnenromantiker aufeinander, und alle bringt der Film an einen Tisch. Man möchte fast meinen: eine Art Weihnachtswunder, während es draußen finster wird.

Anna und die Apokalypse

Der Grinch

DAS FEST DER DIEBE

8/10

 

dergrinch© 2018 Universal Pictures International Germany GmbH

 

LAND: USA 2018

REGIE: YARROW CHENEY, SCOTT MOSIER

MIT DEN STIMMEN VON (ORIGINAL): BENEDICT CUMBERBATCH, RASHIDA JONES, ANGELA LANSBURY, PHARRELL WILLIAMS

STIMME DES GRINCH AUF DEUTSCH: OTTO WAALKES

 

Weihnachtsfilme gibt es viele. Und viele davon sind Klassiker, die sich jedes Jahr ihres Flimmerns über den hauseigenen Bildschirm sicher sein können. Kevin – Allein zu Haus zum Beispiel. Oder natürlich Hilfe, es weihnachtet sehr – alles anderes als ein besinnliches Fest. Demnächst könnte es sein, dass sich der neue und bislang beste Animationsfilm der Illumination Studios als zukünftiger weihnachtlicher Dauerbrenner etablieren könnte. Denn Der Grinch – ein kauziges Märchen nach einer Geschichte von Dr. Seuss – ist nicht nur tricktechnisch, sondern auch erzählerisch und überhaupt charakterlich ein echter Hit.

Jim Carrey war in der Realverfilmung aus dem Jahr 2000 natürlich auch ein Knüller – wem sonst hätte man den expressiven Mimiker im grünen Pelz auch zugetraut? Doch was die kreativen Köpfe Yarrow Cheney (Pets) und Scott Mosier für uns vorfreudige Familien hier vorbereitet haben, ist genau die richtige Mischung aus entrückter Fabelwelt und einer pointierten Charakterstudie, die den Weihnachtshasser als solchen behutsam hinterfragt. Denn der Grinch, der einzige grün gepelzte Who im ganzen sogenannten Land, ist keine bösartige, egozentrische oder schadenfrohe Kreatur, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheint. Sondern schlicht und ergreifend ein Außenseiter, dessen prädestiniertes Unglücklichsein auf einer lieblosen Kindheit beruht. Sein gekränkter Stolz lässt ihn einen neiderfüllten Plan schmieden, der den Diebstahl von Weihnachten zur Folge hat. Das klingt nach monströsem Unterfangen, doch der geniale Erfindergeist im grün geärgerten Köpfchen wird es wohl möglich machen. Und ihn letzten Endes mit einer Tatsache konfrontieren, die sein eigenes Denken und Handeln lawinengleich erschüttern lässt. Und vielleicht auch den Weihnachtshandel, der urplötzlich entbehrlich wird.

Allein, wie die Macher des Grinchs die Figur angelegt haben, ist ein Musterbeispiel dafür, wie die Entwicklung eines Charakters gelingen kann. Das gleichzeitig dickliche, birnenförmige, aber auch schlaksige Äußere, der hinterlistige und zugleich sehnsüchtige Blick. Das hämische Grinsen und das beleidigte Schmollen. Dass die Regisseure gleichzeitig Designer sind und hier ordentlich mitreden konnten, ist in jeder Bewegung des Grinchs erkennbar. Hier hinter die Kulissen der Produktion zu blicken und herauszufinden, wie viele Skizzen für jede Mimik wohl notwendig gewesen waren, wäre lohnenswert. Und nicht nur die bildliche Charakterisierung, auch der Ton macht die gute Musik. Im Original verleiht das sonore Organ Benedict Cumberbatchs dem traurigen Dieb seine Stimme – in der deutschen Synchro ist es niemand geringerer als Otto Waalkes, der die sprachlichen Attitüden eines Sid aus Ace Age tunlichst außen vorlässt und für seine Figur einen ganz anderen Tonus findet. Nämlich einen viel weniger blödelnden, sondern nuancierten. Vom gackernden Gekicher – und das nicht zu viel – bis zu seufzender Sanftmut. Sein Hündchen Max, das scheint er ja als einzigen ins viel zu kleine Herz geschlossen zu haben. Und wenn dann das walzenförmige Rentier unter dem Berge einzieht, gelingen dem Film zwerchfellerschütternde Momente köstlicher Situationskomik.

Wie die Kekse zur Weihnachtszeit, so ist auch dieser Weihnachtsfilm mit Liebe gemacht. Und befindet sich auf Augenhöhe mit den dramaturgischen Qualitäten einer Pixar-Produktion. Weder zielt Der Grinch darauf ab, einen Kalauer nach dem anderen wie blinkende Lichterketten auf das altersdurchmischte Publikum loszulassen, noch verliert er sich, wie man es aufgrund von Werken wie Ich- Einfach unverbesserlich vielleicht vermuten würde, in chaotischem Stakkato quirlig-hysterischer Action. Das würde auch zu dieser psychosozialen Erzählung über Nächstenliebe gar nicht passen. Viel schlägt Der Grinch besinnlichere Töne an, nimmt sich manchmal gar zurück. Gezielt überzeichnet, das natürlich. Wobei szenenweise das Gefühl aufkommt, das selbst Tim Burton, inspiriert von Nightmare before Christmas, sein visuell bizarres Händchen mit im Spiel gehabt zu haben scheint. Whoville selbst ist ein Schwibbogen in der dritten Dimension, gemixt mit Lebküchenhäusern zum Quadrat, darunter alle Weihnachtsmärkte dieser Welt, vom Polarkreis bis ans Mittelmeer. Das minutiös möblierte Grinch-Cave mit all seinem fantasievollen Interieur ein geschmackvoll-absurder Antiquitätenladen. Diese knapp 90minütige Komposition aus Charakterkomödie, Bilderbuch und Winterzirkus beschert Kleinkind wie Opa sein eigenes Päckchen an augenzwinkernder Unterhaltung, die stets die Balance hält und einfach ein herzerwärmendes Gleichnis erzählt. Eines, das selbst das eigene Herz zumindest für einen Moment fast unmerklich, aber doch, größer werden lässt.

Der Grinch