The Negotiator (2024)

ROBIN HOOD DER WHISTLEBLOWER

7/10


© 2025 Constantin Film


ORIGINALTITEL: RELAY

LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: DAVID MACKENZIE

DREHBUCH: DAVID MACKENZIE, JUSTIN PIASECKI

KAMERA: GILES NUTTGENS

CAST: RIZ AHMED, LILY JAMES, WILLA FITZGERALD, SAM WORTHINGTON, MATTHEW MAHER, AARON ROMAN WEINER U. A.

LÄNGE: 1 STD 52 MIN


„Ich werde ihm ein Angebot machen, das er nicht ablehnen kann.“ Klar, wenn Marlon Brando so etwas sagt, wissen wir, dass, wenn wir die Freiheit wählen, das Angebot auszuschlagen, wir nächste Weihnachten wohl nicht mehr erleben würden. Fiese Methoden sind das, mafiös natürlich und letztlich ausweglos. Aber: Nicht nur das organisierte Verbrechen nutzt die galante Phrase, um andere gegen die Wand zu drängen – auch der schweigsame Riz Ahmed hat seinen Workflow dahingehend perfektioniert, indem er mächtige Konzerne, die Dreck am Stecken haben, sprichwörtlich an den Eiern packt.

Um die Ecke telefoniert

Ahmed, bekannt aus Rogue One: A Star Wars Story und Sound of Metal, wofür er eine Oscar-Nominierung erhielt, gibt hier den taktisch versierten Ash, der Whistleblowern und von Betrieben unter Druck gesetzten Normalsterblichen als Vermittler dient, wenn hochbrisantes Material, das Konzernen in den Hintern treten könnte, nicht an die Öffentlichkeit dringen soll. Die Macht, Mächtige zu Fall zu bringen, mag eine gewisse Sucht erzeugen – es ist ein Spiel mit dem Feuer, das nur dann für keine Verbrennungen sorgt, wenn die heissen Eisen richtig angepackt werden und Ash’s Klienten alle Regeln befolgen. Um das zu bewerkstelligen, bedient sich Ash spezieller Telefonvermittlern, deren Aufgabe es ist, Hör- und Sprachbehinderten eine Stimme zu leihen. Eine Vorsichtsmaßnahme, die Ash bislang in Deckung hält.

Wie zu erwarten in einem Thriller wie diesen, läuft bei der nächsten Klientin alles ganz anders. Lily James mischt sich diesmal ein, hat brisantes Zeug in der Hand, welches sie ihrem Auftraggeber, einem Biotech-Unternehmen, zurückgeben und sich dabei schadlos halten möchte. Klingt nach Routine – ist es aber nicht. Denn diesmal schickt der König Soldaten aus, darunter Sam Worthington, um den Vermittler zu identifizieren und auszuhebeln.

Wie Hase und Igel

Der Brite David Mackenzie – man kennt ihn dank seiner Arbeiten wie Hell or High Water oder Outlaw King – ist manchesmal wirklich jemand, der den Hang hat, zur düsteren Mieselsucht zu neigen. Richtig unbequem ist sein 2003 erschienener Psychothriller Young Adam, superbritisch und wolkenverhangen. Auch The Negotiator ist stahlgrau und präzise, kantig und fokussiert. Eine Zeit lang nimmt man als Zuseher gar an, Ahmeds Figur ist tatsächlich sensorisch beeinträchtigt, weil er lange Zeit nicht spricht und alles über dieses Relay läuft (so der Originaltitel des Films). Am anderen Ende hängt die verzweifelte Lily James, dazwischen die Fixer des Konzerns, die das Problem beseitigen sollen. Alles fühlt sich an, als wäre Tony Gilroy der Urheber des Drehbuchs. Es gibt keine Action (nur ganz am Ende), keine trivial gesetzten Bedrohlichkeitsszenarien, es gibt das Telefon, jede Menge Anweisungen, die Teil eines oft erprobten Prozederes sind, von welchem wir natürlich noch nichts wissen, und es gibt die Telefonisten, die sehr wohl spitzkriegen, dass hier nichts Legales abgeht und die dennoch nichts unternehmen, als stünden sie wie Geistliche unter dem Verschwiegenheitsgelübde der katholischen Kirche.

Darüber mag man hinwegsehen, denn der akkurate, straff gezogene Prozessablauf, optimiert und effizient wie ein Einsatz der freiwilligen Feuerwehr, gewährleistet ein gewisses verblüfftes Erstaunen. Ja, Filme auch ohne den üblichen Kram an Versatzstücken in diesem Genre können funktionieren, wenn die Hebel an allen Ecken und Enden richtig angezogen sind. Wer wen wann und wie aufs Kreuz legt oder an der Nase herumführt, das ergibt respektables, gar nobel zugerichtetes Businessthrillerkino, geschickt, widerspenstig, mitunter auch richtig schadenfroh, wenn die Schergen des Konzerns auf der Seife stehen.

Auf diesen stilsicheren Modus verlässt sich Mackenzie allerdings nicht bis zum Schluss, denn da verpulvert ein radikaler Twist, den wirklich niemand kommen sieht, zugunsten des Faktors der Überrumpelung fast die ganze Glaubwürdigkeit.

The Negotiator (2024)

Official Secrets

DER STAAT BIN AUCH ICH

7/10

 

oficcialsecrets© 2019 Constantin Film

 

LAND: USA, GROSSBRITANNIEN 2019

REGIE: GAVIN HOOD

CAST: KEIRA KNIGHTLEY, MATTHEW GOODE, RHYS IFANS, RALPH FIENNES, MATT SMITH, MARTIN BRIGHT, INDIRA VARMA, ADAM BAKRI U. A.

 

Was würde man bloß tun, wenn plötzlich klar wird, dass die Mächtigen nichts anderes im Schilde führen als uns Bürger zum Narren zu halten? Womöglich würden wir die Füße still halten, aus Angst, uns mit etwas zu Großem anzulegen. Wegsehen wäre hier das kleinere Übel, zumindest für die Person im Einzelnen, nicht aber für einen ganzen Teil der Weltbevölkerung. Würde man die Konsequenzen abwägen, hätten die Mächtigen also freie Bahn für welche Tricks auch immer. Und die Medien, die hecheln wie pawlowsche Hunde nebenher. Manchen aber war das Ausmaß des Frevels zu groß, und die Konsequenzen einer Gegenwirkung vielleicht nicht ganz so bewusst. Wie zum Beispiel bei Übersetzerin Katherine Gun, einer Whistleblowerin wider Willen.

Dass die us-amerikanische Irak-Offensive auf erstunkenen und erlogenen Beweismitteln beruht, das wissen wir längst. Womöglich auch aufgrund der Aktivitäten von Katharine Gun, die tatsächlich nur (so sagt der Film) ihrem Gewissen so manches schuldig war und dabei so ganz nebenbei Freunden von der investigativen Presse brandheißes Material zugesteckt hat. Das Memo: ein Aufruf zur Manipulation einer UN-Resolution zum Angriff auf Saddam Hussein. Wenn das bekannt werden würde, wäre das ein Stachel im Fleisch der Kriegstreiber. Wahrheiten wie diese aber müssen ans Licht. Und so kam es dann auch. Hätte Katharine Gun doch nur still gehalten; wären ihr die ständigen Verhöre Unschuldiger nicht ganz so sehr an die Substanz gegangen und wären ihre Ideale einfach militanter gewesen, wäre Katharine Gun inkognito geblieben und hätte ihr Leben als kluge, wertebewusste Bürgerin weiterhin bewahrt. Keira Knightley gibt sich im Film dann auch genau so: als junge, unbescholtene und engagierte Frau in einer liberalen Beziehung, die gut mit Sprachen kanAnecken mit den Mächtigen war wohl nicht das, was Whistleblowerin Keira Knightley eigentlich wollte – dennoch macht sie in diesem packenden True-Story-Drama eine kämpferisch gute Figur.n und dann so etwas wie dieses tückische Mail in die Finger bekommt.

Dieser Official Secrets-Act ist alleine schon eine Zumutung und läuft dem Bestreben, transparent zu regieren, völlig zuwider. Klauseln gibt’s da nämlich keine, und Aufdeckern von Machtmissbrauch sind da die Hände gebunden. Tsotsi-Regisseur Gavin Hood lässt in der Klarheit britischer News angesichts dieses Beispiels wütend machender Ohnmacht Keira Knightley wiedermal großartig aufspielen. Kein Film, indem die aparte Britin nicht ihren Rollen völlig gerecht wird. Auch hier bangt und kämpft sie, behält aber stets ihre Selbstachtung, den Kopf hoch erhoben und hat zum Glück jenen ritterlichen Trotz, der notwendig ist, diese Art von Ächtung durchzustehen. Ihr zur Seite: Jurist Ralph Fiennes, der fast ein bisschen wirkt wie Bonds M, nur spürbar sozialer. Hat sich diese True Story tatsächlich so zugetragen, dann grenzt das fast an ein Wunder, wie die Sache ausging. Bei Snowden und Assange lief die Sache anders. Knightleys Kampf für ihre Existenz ist in diesem akkurat inszenierten Aufklärungskino fesselnd dokumentiert, spannend und emotional obendrein. Irgendwann geht es nicht mehr um das Wohl der Welt, sondern darum, seinen eigenen Hintern zu retten. Official Secrets ist ein höchst sehenswertes Filmbeispiel um Selbstlosigkeit, Mut aus Angst und der Freiheit des Gewissens. Und nicht zuletzt um die Fragwürdigkeit von Staatsgeheimnissen, die uns alle angehen sollten.

Official Secrets