Skyscraper

ALLES SENKRECHT

7/10

 

skyscraper© 2018 Universal Pictures International Germany GmbH

 

LAND: USA 2018

REGIE: RAWSON MARSHALL THURBER

CAST: DWAYNE JOHNSON, NEVE CAMPBELL, PABLO SCHREIBER, ADRIAN HOLMES, ROLAND MØLLER U. A.

 

Vergesst den 138 Stockwerke hohen Wolkenkratzer der Duncan Enterprises aus dem Film Flammendes Inferno, vergesst das Nakatomi-Gebäude aus Stirb Langsam – und überhaupt auch gleich den Burj Khalifa in Dubai, das zurzeit höchste Gebäude der Welt: Jetzt – oder zumindest in vorliegendem Actionfilm Skyscraper gibt es The Pearl, errichtet im Zentrum von Hongkong, senkrechte Science-Fiction aus Glas und Stahl, 240 Etagen hoch, also mehr als 100 Etagen mehr als noch zu Zeiten von Steve McQueen. Ein wahrer Hingucker, vor allem die gigantische Kugel ganz oben, wie die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Allerdings drängt sich in diesem Film nicht nur einmal die Frage auf, ob die wahren Schauwerte auf Kosten des Wolkenkratzers gehen – oder auf Dwayne Johnson. Ein Mann gegen ein Haus, das ist die Quintessenz des Films. Letzterem wird so richtig eingeheizt, die Flammen lodern, und Sicherheitsexperte Sawyer aka The Rock hat alle Muskeln voll zu tun, seine Frau und seine beiden Kinder aus dem eben erst von ihm inspektierten Gebäude herauszuholen, bevor alles zusammenkracht. Geschehen hätte diese Katastrophe gar nicht dürfen, doch ähnlich wie John McClane im Actionklassiker des Jahrhunderst hat es Dwayne Johnson zusätzlich noch mit Handlangerns diverser Syndikate zu tun, die die enorm hohe Nadel im Heuhaufen Hongkongs gerne umgeknickt sehen, aus Wut, Rache oder aufgrund der Gier nach geschäftsschädigenden Informationen. Geht natürlich nicht, da heisst es: kaputtmachen, was kaputtbar ist. Doch etwas, das scheint scheinbar unzerstörbar: wir wissen, es ist der stiernackige Riese mit diesem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, der liebende Familienvater und Pax-Schrank von einem Mann, so stark wie Obelix und ein Musterbeispiel von einem Gutmenschen, dem man wirklich alles anvertrauen würde, sogar die eigenen Kinder.

Dwayne Johnson ist natürlich nicht dafür bekannt, ein großes Repertoire unterschiedlicher Charakterrollen vorzuweisen. Das muss er aber auch nicht. Seine Rollen in San Andreas, Jumanji und Rampage waren kaum voneinander zu unterscheiden (man könnte auch hier ein Actionhelnden-Franchise aufbauen, wenn man aus all den Rollen ein und dieselbe Person macht), seine Rolle in Skyscraper zeigt aber verdächtig mehr Herzblut, als ich vermutet hätte. Und genauso wenig hätte ich vermutet, dass hinter dem scheinbar banal konzipierten, austauschbaren Sommerkino ein wunderbar geradliniger, grundanständiger Actionkracher verborgen liegt, der wieder Erwarten richtig fetzt. Auch wenn der Ausgang der simplen Story keinem Spoileralarm unterliegt und das Publikum weiß, dass Dwayne Johnson von geradezu halbgottgleicher Unsterblichkeit gesegnet ist, weiß Skyscraper das Spannungslevel in einigen Szenen bis in die oberste Etage zu steuern. Das liegt vor allem an den schwindelerregenden Blicken, die Papa Johnson in den Abgrund wirft, und sich zeitweise einhändig oder mit Prothese an irgendetwas festkrallt, um nicht kilometertief zu fallen. Leute mit Höhenangst sollten lieber nicht die 3D-Aufführung des Filmes besuchen, doch auch ohne Effektoptimierung will man am Liebsten gar nicht hinsehen. Da bleibt Regisseur Rawson Marshall Thurber gemeinsam mit Kameramann Robert Elswit hautnah am Geschehen, blickt dem hängenden Koloss über die Schulter in die Tiefe. Doch wer so stark ist wie Dwayne Johnson, wächst in Extremsituationen, die sich in knackigem Timing zügig abwechseln, noch zusätzlich über sich hinaus – und es gelingen akrobatische Manöver, die wir als weichgespülte Alltagshelden bereits im Ansatz alle versemmelt hätten. Dass die Ressourcen an Energie und Muskelkraft stets die volle Ladung liefern, ist natürlich realistisch betrachtet völlig unmöglich, doch das Gelingen des Selbstmordkommandos ist zu einem guten Zweck, und Johnson sichtlich angestrengt genug, um mit ihm mitzufiebern. Egal, ob unser Held an der Hausmauer baumelt oder in die rotierenden Windenergie-Rotoren springen muss, ob der Sprung vom Kran oder der immense Kraftaufwand als menschliche Hängebrücke – Skyscraper ist virtuoser Actionzirkus mit verblüffenden Stunts und scheinbar ohne doppelten Boden. Das flammende Inferno, das die elegante Architektur des Wolkenkratzers emporzüngelt, in bedrohliche Hochglanzbilder gerahmt.

Der beglückend geradlinige Reißer spart sich peripheres Beiwerk und macht Vieles richtig, was anderen Filmen dieser Machart oftmals misslingt. Natürlich fehlt der rotzfreche Zynismus eines John McClane, doch der einnehmend sympathische Riese ist kein Antiheld im Unterhemd, sondern im Hemd mit Kragen, dass aber am Ende nicht weniger dringend einen Waschgang benötigt wie das Feinripp von Bruce Willis.

Skyscraper

No Way Out

HELDEN WIE IKARUS

7,5/10

 

NO WAY OUT - GEGEN DIE FLAMMEN© 2018 Studiocanal

 

ORIGINALTITEL: ONLY THE BRAVE

LAND: USA 2018

REGIE: JOSEPH KOSINSKI

MIT JOSH BROLIN, MILES TELLER, JENNIFER CONNELLY, TAYLOR KITSCH, JEFF BRIDGES, ANDIE MCDOWELL U. A.

 

Grisu liegt mir in den Ohren. „Ich will Feuerwehrmann werden, ich will Feuerwehrmann werden!“ Kann sein, dass der kultige Drache aus dem Kinderprogramm spätestens nach Sichtung des vorliegenden Films seinen Berufswunsch neu evaluiert. Der Faszination für die Missionen eines Flammenbändigers, welcher bevorzugt die ganz Kleinen erliegen, tut das allerdings keinen Abbruch. Die Macht des Feuers lässt sich bequem mit dem bedrohlichen Gigantismus von Dinosauriern gleichsetzen. Bedrohungen also, deren Bezwingung vor allem Jungs in ihren Bann zieht. Der freiwilligen Feuerwehr anzugehören, ist etwas, dass ein bisschen nach stolzem Heldenmut schmeckt. Keine Frage, Feuerwehrmann macht was her. Für ausreichend Aufmerksamkeit in den Kinos schafft es der Reiz der Brandbekämpfung erst so richtig in den 90ern. Ron Howard erklärte uns den Backdraft – die Sogwirkung des Feuers in geschlossenen Räumen mit Zugluft. Durchs Feuer gingen damals die Creme de la creme Hollywoods wie Kurt Russel und William Baldwin. Eine Herzensangelegenheit für den Pyrotechniker in uns. Satt in Szene gesetzt – ein Heldenepos, natürlich verlustbehaftet.

Ähnlich geht es in Joseph Kosinski´s brandneuem Filmdrama zu. Aber bis auf das Feuer, den Rauch und die Gefahr ist in No Way Out – Gegen die Flammen alles ganz anders. Der Regisseur des Science-Fiction-Thrillers Oblivion mit Tom Cruise hat sich einer wahren Geschichte angenommen, die sich in Arizona vor rund 5 Jahren zugetragen hat. Anders als in Backdraft, wo der Feuerteufel in urbanem Gelände wütet, sind in Now Way Out (im original Only the Brave) Trockenheit, Hitze und Wind die todbringenden Eigenschaften, die ganze Landstriche einäschern. Die brennenden Wälder im amerikanischen Westen, vor allem in Kalifornien, haben es sogar in die österreichischen Schlagzeilen geschafft, von den Bränden Portugals mal abgesehen. Wie nun die Brandbekämpfer im offenen Gelände vorgehen, um den tobenden Inferni Herr zu werden, ist etwas, was mich fast dazu bewogen hätte, meinen zwölfjährigen Neffen in den Film mitzunehmen, der selbst bei der freiwilligen Feuerwehr anlernt. Interessiert hätte es ihn allemal. Nur gut, dass ich es letzten Endes nicht getan habe. Denn No Way Out ist alles andere oder weit mehr als ein zumutbares semidokmentarisches Abenteuer, das den Einsatz todesmutiger Männer ehrt oder gar Lust darauf macht, dem feuer die behelmte Stirn zu bieten.

Kosinski´s Film ist einer der traurigsten und bestürzendsten Filme der letzten Zeit. Sofern man die Fakten zu den Geschehnissen rund um die Yarnell Hill Fire nicht im Vorfeld nachliest, kann es gut und gerne passieren, dass No Way Out den Zuschauer bis ins Mark berührt. Jene, die nachgelesen haben, können sich zumindest auf das, was da kommen mag, schon irgendwie einstellen. Dafür haben diese es dann deutlich schwerer, die Vorgeschichte zu ertragen. Egal wie man es angehen würde – die bildgewaltige und hochkarätig besetzte Katastrophe wird ihren Eigenschaften als solche gerecht. Dabei lässt anfangs nichts davon erahnen, wo genau Kosinski und Drehbuchautor Eric Singer (American Hustle) eigentlich hin wollen. Alles spricht vorerst für relativ routiniertes Starkino mit einzelnen biographischen Skizzen, die leicht als dramaturgisches Beiwerk missverstanden werden können. Gediegene Seriendramatik wird spürbar, die Storylines eines Miles Teller oder Josh Brolin, beide schauspielerisch top, fordern die Geduld. Dazwischen die Arbeit der Hot Shots – Gräben ziehen, Feuer mit Feuer bekämpfen, Notfallübungen unter der Rettungsdecke. Interessant, routiniert, vielleicht zu nebensächlich – bis im letzten Kapitel alles seinen verdienten Sinn bekommt – und dem Team der Granite Mountain Hot Shots ein feuerfestes Denkmal gesetzt wird, dass sich ihren Leistungen und Entbehrungen mehr als würdig erweist.

Wer also Flammenaction erwartet, wird größtenteils enttäuscht werden. Wer Schauspielkino sucht, kann sich an jeder Menge Stars erfreuen. Und wer wirklich erfahren will, was die Extreme dieser Welt im Stande sind, einzufordern, wie Verlust sich anfühlt und Neuanfang funktioniert, wird bei No Way Out – Gegen die Flammen emotional überrascht werden.

No Way Out