AUSLÄNDISCH FÜR ANFÄNGER
7,5/10
© 2017 Luna Filmverleih
LAND: ÖSTERRECH 2017
REGIE: Arman T. Riahi
Mit Faris Rahoma, Aleksandar Petrović, Doris Schretzmayer, Daniela Zacherl u.a.
Stellt euch einmal vor, ihr seid Schauspieler. (jene, die das lesen und es bereits sind, brauchen hier nicht aktiv zu werden) und geht zu einem Casting. Dort werdet ihr aufgefordert, einen Ausländer darzustellen. Wie soll der sein, der Ausländer? Gute Frage, vielleicht sogar eine Fangfrage. Vielleicht entsteht dann so eine Performance wie sie Lukas Resetarits in seinen kabarettistischen Anfängen mit dem oft in der Unterhaltungssendung Wurlitzer gezeigten Kult-Nummer Der Tschusch auf die Kleinkunstbühne gebracht hat. Für alle, die die treffsichere Conference nicht kennen: Es erkundigt sich ein – sagen wir mal – Mittdreißiger mit Migrationshintergrund nach dem Verbleib der berühmt-berüchtigten Thaliastraße. Zu seinem Leidwesen fragt er einen Wiener, der stellvertretend für den Otto Normalbürger besagter Stadt erwartungsgemäß xenophob reagiert und den arglosen „Tschusch“ in eine gesellschaftliche Nische voller Vorurteile drängt. Das Ganze endet mit „Ausländer, raus aus dem Ausland!“. Ein bizarres, im Kern aber leider allzu wahres Bild des Umgangs von autochthonen Österreichern mit immigrierten Bürgern anderer Länder. Das Ganze aktueller denn je. Der gebürtige Iraner und längst Österreicher Arman T. Riahi hat mit der fast schon nestroy´schen Gegenwartsfarce Die Migrantigen den Konflikt zwischen „Zuagrasten“ und Eingeborenen ähnlich auf die Spitze getrieben – mit Wortwitz, ironischem Augenzwinkern und ganz viel Hirn.
Überhaupt – 2017 ist für den österreichischen Film ein ziemlich starkes Jahr mit beeindruckenden Produktionen und längst nicht mehr nur Betroffenheitskino. Ganz im Gegenteil – Die Migrantigen reihen sich selbstbewusst in die Reihe jener Filme aus heimischen Landen ein, die auf die Watchlist müssen. Vorausgesetzt, es ist eine Watchlist für weltoffene Filmfreunde, die gerne bereit sind, festgefahrene Vorurteile zu hinterfragen. Und hinterfragt wird in Riahi´s intelligent konstruierter Komödie einiges – vor allem eben das Bild, das wir uns von den serbischen, türkischen und sonstigen Minderheiten zurechtgezimmert haben – die aber die urbane Gesellschaft, das Kulturleben und die Vielfalt bislang mehr bereichern als behindern konnten. Dieses oftmals mit der Muttermilch aufgesogene Menschenbild vom anpassungsresistenten Fremden dienst als scheinbar leicht zu tragendes Mäntelchen für die beiden Alltagsloser im Film, die rein zufällig die Aufmerksamkeit eines Fernsehteams erregen, das wiederum auf der Suche ist nach echten, authentischen Schauplatzgeschichten, die das Leben geschrieben hat. Und am besten gleich mit quoten- und sendetauglicher Dramatik. Vielleicht auch mit Action, und ein bisschen Unterwelt. Das sogar sehr gerne. Als überaus ehrgeizige Reporterin darf hier Doris Schretzmayer den Köder schlucken, den die beiden arbeitslosen Bobos im fiktiven Wiener Grätzel Rudolfsgrund breitgefächert auslegen. Und ihre Rollen zumindest verbal bis zur Perfektion beherrschen, stammen doch auch sie aus Familien, die ebenso, vor ewigen Zeiten, eingewandert sind. Doch vom kulturellen Kolorit ihrer Vorfahren ist nicht mehr viel übrig. Macht auch nichts, so denken die zwei. Bedienen wir uns der gängigen Klischees, die den Migranten anhaften, und zeigen wir dem Fernsehpublikum die einzig wahre Parallel- und Subkultur, die wohl jedem in den Kram passt. Zu Rate gezogen werden mitunter auch Vertreter waschechter Ethnien, die wiederum – und jetzt kommt’s – den beiden Gelegenheitsbetrügern selbst einen Bären aufbinden. Einen Bären, der eine Eigendynamik entwickelt, die keinem der mittlerweile drei Parteien letztendlich alles andere als dienlich ist.
Was folgt, ist eine höchst vergnügliche Verkettung alles verkomplizierender Ereignisse, die das bequeme Verständnis von Integration und festgefahrener Ausländer-Stereotypien konterkariert. Niemals mit erhobenem Zeigefinger, alles selbstentlarvend. Und mit der Erkenntnis, das Integration mitgebrachte Tradition nicht zwingend ausschließen muss. Und man sich vor ihr auch nicht fürchten sollte.