Der Schatz des Duce (2022)

AM WELTKRIEG GESUNDGESTOSSEN

5/10


derschatzdesduce© 2022 Netflix Inc. 


LAND / JAHR: ITALIEN 2022

REGIE / DREHBUCH: RENATO DE MARIA

CAST: PIETRO CASTELLITTO, MATILDA DE ANGELIS, TOMMASO RAGNO, ISABELLA FERRARI, LUIGI FEDELE, FILIPPO TIMI, ANTONIO SCARPA, EUGENIO DI FRAIA U. A.

LÄNGE: 1 STD 30 MIN


Zu diesem Zeitpunkt ist ohnehin schon alles wurst. Der Zweite Weltkrieg liegt – zumindest in Europa – in seinen letzten Zügen. Die Alliierten haben längst schon Land gewonnen, die Oberhäupter harren entweder in Bunkern der vielleicht doch noch eintretenden überraschenden Wende entgegen – oder rüsten sich für die Flucht ins Exil. So wie zum Beispiel Faschistenzwerg Mussolini, der nur noch sein Erspartes in Form eines Goldschatzes, bei welchem wohl jeder Geschuppte gierig schmauchen würde, aus einer Kaserne in Mailand fortschaffen muss. Dieser Stichtag ist nicht nur den Faschos bekannt, sondern auch dem Widerstand. Oder besser gesagt: einer Handvoll Gauner, Gelegenheitsbetrüger und Schmuggler, die sich jetzt noch, am Ende der ganzen weltumspannenden Katastrophe, auf Kosten der bösen Buben gesundstoßen wollen.

Isola, ein Schwarzmarkthändler (Pietro Castellitto), riecht den Braten als erster. Es dauert nicht lang, da schart er eine Art „Bad Batch“ um sich, die mit Mussolinis Staatsphilosophie überhaupt nichts am Hut haben. Die attraktive Yvonne (Matilda de Angelis, u. a. Der göttliche Andere), Gespielin eines ranghohen Offiziers, soll dabei als Spionin die wichtigsten Infos zusammentragen, die mit dem Abzug des Militärs zu tun haben – denn das ist der Moment, um zuzuschlagen. Mit gewissen Tricks und einem Sprengmeister, der sein Handwerk beherrscht, könnte der Coup sogar gelingen.

Dabei erinnert Der Schatz des Duce in Sachen Ausstattung, Setting und der erzählerischen Dynamik an die Abenteuer eines Indiana Jones, insbesondere, wenn wir uns den Epilog zum Rad des Schicksals in Erinnerung rufen. Das kriegsgebeutelte Mailand dient in diesem Film hier als pittoreske Kulisse, stramm stiefelnde Soldaten erinnern dabei an eine immer noch inhärente Gefahr, und charismatische Sadisten, die auch ihren Anteil wollen, bevor alles den Bach runtergeht, bieten jede Menge antagonistische Projektionsfläche, um sich abzureagieren. Nur: Diesem Film fehlt einer wie Harrison Ford. Und statt Steven Spielberg (oder eben erst James Mangold) darf Renato De Maria ran – ein Filmemacher, dem internationale Studios noch nicht ganz so die Tür eingerannt haben, was vermutlich daran liegt, das große filmische Ambitionen bei anderen Künstlern zu finden wären.

Sein auf Netflix veröffentlichtes Weltkriegsabenteuer ist zweifelsohne prächtig ausgestattet. De Maria versteht sein Handwerk – das Problem dabei: er versteht es auch als solches, als Auftragsroutine, die man erledigen will, ohne im Nachhinein groß den Unmut des Publikums zu kassieren. Der Film kommt überdies einige Genrewerke zu spät, was so viel heißen will wie: Nichts, was Der Schatz des Duce inhaltlich auffahren kann, trägt zur Identifikation des Films bei. Alles schon mal dagewesen. Das Gold – und nicht mal irgendein spezielles Artefakt – diente schon des Öfteren als Objekt des Disputs, so gesehen in Peter Torwarts Nazi-Western Blood & Gold oder neulich in der Finnland-Schlachtplatte Sisu. Es mag zwar Martina de Angelis allein schon durch ihre Anwesenheit das ganze Ensemble entsprechend aufmotzen, doch die Figurenzeichnung bleibt stereotyp und flach. Richtig interessant wirkt keiner der Anti-Helden. Und das ist auch der elementare Grund, warum man Der Schatz des Duce sieht – und bald wieder vergisst. Der Pfad zum Edelmetall ist längst ein ausgetretener.

Der Schatz des Duce (2022)

Das Geheimnis von Neapel

NAPOLI, IL MIO DESTINO

6/10


dasgeheimnisvonneapel© 2010-2018 PROKINO Filmverleih GmbH

LAND / JAHR: ITALIEN 2017

REGIE: FERZAN OZPETEK

CAST: GIOVANNA MEZZOGIORNO, ALESSANDRO BORGHI, ANNA BONAIUTO, ISABELLA FERRARI, BIAGIO FORESTIERI U. A.

LÄNGE: 1 STD 53 MIN


Neapel sehen… und von der schönsten Seite erleben. Ganz ohne Müllberge, ganz ohne Mafia, ganz ohne schwelende Hitze oder gar vom nahegelegenen Vesuv ausgehender Vibrationen. Dafür mit viel Kunst, klassisch verklärten Gesichtern auf Marmorbüsten. Engen Gassen und Zimmern mit Aussicht aufs Meer. Da kommt fast schon Urlaubsstimmung auf. Das Mediterrane hat schließlich was. Es ist aber nicht so, dass Neapel nicht auch – wie der Titel des Films schon sagt – seine Geheimnisse birgt. Das tun Rom, Florenz, Ravenna und wie diese Städte alle heißen, genauso. Darüber weiß zum Beispiel Dan Brown ganze Romane zu schreiben. Dieses Mysterydrama hier gräbt zwar nicht nach verschwundenen Artefakten und verborgenen Geheimbünden, dafür aber nach verschütteten Traumata, die verwoben sind in einen urbanen Mikrokosmos, aus welchem es schwer wird, zu entkommen. Denn die Pathologin Adriana liebt, was sie gleichermaßen verabscheut. Ein obskures Dilemma.

Dabei scheint sich alles so zu entwickeln, wie der eine oder andere Erotikhriller aus den Neunzigern, der im Zuge des Basic Instinct-Hypes aus dem Boden geschossen war. Zwei fremde Personen – eine Frau und ein Mann – tauschen Blicke. Die sagen mehr als tausend Worte. Begehren liegt in der Luft. Der geheimnisvolle Mann verplant daraufhin gleich die ganze Nacht – die Frau nimmt dankend an. Heiße Sexszenen, zerwühlte Laken. Es geht ordentlich zur Sache. Bis der Morgen kommt, und Adriana voller Vorfreude ob des nächsten Treffens den Tag gerade mal so hinbiegen kann. Doch Andrea, der geheimnisvolle Fremde, taucht an vereinbartem Ort nicht auf. Tags darauf landet dieser als übel zugerichtete Leiche in der Pathologie. Tragisch, so ein  kurzes Glück. Adriana versinkt in Betroffenheit. Bis sie wiederum Wochen später das Gefühl hat, an Geister glauben zu müssen.

Zwischen Federico Fellini, Polanski und italienischer Soap Opera: Regisseur Ferzan Ozpetek (Hamam – das türkische Bad) lässt unter der Prämisse „Eine Stadt – ein Drama“ den Faktor des Mysteriösen sehr bald von der Leine. Vom zu erwartenden Erotikthriller heißt es sehr bald Abschied nehmen. Gondeln tragen aber auch keine Trauer, denn zum parapsychologischen Reißer lässt sich Das Geheimnis von Neapel auch nicht motivieren. Giovanna Mezzogiorno geistert als pathologische Pathologin durch ein kaum Position beziehendes, vages Melodram, dessen seltsame Wege flankiert sind vom Lifestyle einer italienischen Kunst-Schickeria. Augenhöhe sucht man mit diesen Randfiguren vergebens, allerdings hat man bald eine Ahnung, wohin die Irrungen der aus allen Wolken gefallenen Frau letztendlich führen könnten. Und wieder verlässt Ozpetek das geliehene Genre, kehrt dabei aber zurück an den Anfang. Im Großen und Ganzen scheint da ein Storytwist die geduldsprobende Ratlosigkeit etwas zu tilgen.

Viel schlauer ist man am Ende wiederum auch nicht, doch gerade diese schwelgerische Skepsis gegenüber der Wirklichkeit versetzt dem schicken Psychotrip die lang erwartete spielerische Note.

Das Geheimnis von Neapel