The Green Knight

DEN KOPF HINHALTEN

6,5/10


thegreenknight© 2021 24 Bilder


LAND / JAHR: USA, IRLAND 2020

BUCH / REGIE: DAVID LOWERY

CAST: DEV PATEL, ALICIA VIKANDER, JOEL EDGERTON, SEAN HARRIS, SARITA CHOUDHURY, KATE DICKIE, ERIN KELLYMAN, RALPH INESON, BARRY KEOGHAN U. A.

LÄNGE: 2 STD 10 MIN


Fantasy ist trotz des Erfolgs mit Game of Thrones und Herr der Ringe immer noch rar gesät, natürlich aufgrund der Kosten, die so ein Projekt verschlingt. Ausflüge ins Mittelalter sind fast ausschließlich in der Hand eines Ridley Scott (demnächst mit The Last Duel im Kino), wenn nicht gerade Michael Hirst seine Vikings auf die Welt loslässt. Endlich gibt’s hier Nachschub, und endlich mal dreht sich alles wieder um König Artus und die Ritter der Tafelrunde. Von Guy Ritchies Haudrauf-Interpretation des illustren Helden ist nämlich auch nur noch eine vage Erinnerung geblieben. Das könnte sich mit dem Spin-Off eines ganz anderen Recken durchaus ändern, denn die Verfilmung einer mittelalterlichen Romanze rund um Gawain entlockt den Themen unter der Regie eines sehr bemerkenswerten Filmemachers ganz andere Töne. Die Rede ist von David Lowery, ein Feingeist und cineastischer Umdenker. Einer, der Disneys Elliot – Der Drache zur emotional intensiven Familien-Fantasy mit Öko-Botschaft emanzipiert hat. Der Robert Redford Banken ausrauben ließ und in A Ghost Story auf innovative Weise über die Zeit und den Tod philosophiert hat. Es lässt sich erahnen, in welche Richtung Lowery diesmal abdriften wird, ist doch das Genre des Ritterfilms gänzlich neu in seinem Oeuvre. Das Ergebnis ist in Sachen Grünstich dem Fell des Walddrachen Elliot ganz ähnlich, taucht allerdings ganz tief ein in die Sphären von mit Chorklängen erfüllten, steinernen Gewölben, um längst gewohntem Trend den Rücken zu kehren. Hier, in der Finsternis des Mittelalters, trifft „Slumdog Millionaire“ Dev Patel auf den oder das große Unbekannte: auf den magischen, grünen Ritter.

Dabei ist anfangs noch alles so, wie es in einem Film über die Tafelrunde sein zu hat. Es ist Weihnachtstag, alles versammelt sich um den obligaten runden Tisch, der bereits recht alternde Artus spricht zu seinem Gefolge, als sich plötzlich die Tore öffnen und eine berittene Gestalt die traute Runde stört, um einen der Anwesenden zu einem Schlagabtausch herauszufordern. Der Mutige soll seinen Hieb ausführen, in einem Jahr gibt’s dann die Antwort des grünen Ritters auf die gleiche Weise. Noch Nicht-Tafelrundler Gawain, ein trinkfreudiger Taugenichts, zeigt dennoch Mut und schlägt dem Fremden den Kopf ab. Pech für den Jüngling, denn das berüstete Baumwesen zeigt sich unsterblich und zieht sich enthauptet zurück. Was also tun? Gawain will die Abmachung nicht erfüllen, wohl wissend, dass dies seinen Tod bedeutet. Doch das Volk, darunter auch Artus, feiert ihn schon jetzt als mutigen Helden.

Es ist ja nicht so, dass die Legende rund um Gawain noch nie verfilmt wurde. Sean Connery hat sogar mal die Rolle des martialischen Waldschrats übernommen. Nur so, wie die Mythen hier zu neuem Leben erwachen, gab‘s das noch nicht. The Green Knight ist Ritterkino für Intellektuelle und Kunstgenießer, für Museumsbesucher und Minnesang-Afficionados. Lowery schwelgt in nebelverhangenen, herbstlichen Landschaften, das Mystische ist allgegenwärtig – der Sinn manchmal jedoch nicht. Gawains Queste wird zu einer Rittergenese über Schlachtfelder und an ziellos umherwandernden Riesen vorbei. Das Phantastische bleibt vage, die Magie hingegen scheint alles zu durchdringen, erscheint aber auch nie konkret als solche. Vielmehr hängt sie mit Gawains Wahrnehmung und Seelenwelt zusammen, die sichtbar wird. Das gerät manchmal zum Durcheinander aus rätselhaften Andeutungen und aufgeräumten, recht formelhaften Dialogen, die aber sehr darauf bedacht sind, eine altertümliche Sprache zu sprechen, knapp an der Versform vorbei. Vieles geschieht wortlos, kippt in malerisch überhöhten Realismus, wobei die streng komponierte, farblich durchdachte Bildsprache am meisten fasziniert. Lowerys Film erinnert stark an die surrealen Welten des Italieners Matteo Garrone. Seine Filme Pinocchio (2019) oder Das Märchen der Märchen, eine Anthologie barocker Erzählungen, finden einen ähnlichen Stil. Sie sind diffus, transzendent, lakonisch und durchzogen von erdigem Naturalismus. Das ist wunderschön und sinnlich. Aber auch sehr artifiziell, weniger spontan und unnahbar.

The Green Knight lässt etwas ratlos zurück, ist aber unterm Strich sicherlich bemerkenswert. Ein exzentrischer Genuss fürs Auge und fürs Ohr und so theatralisch wie John Boormans Excalibur, nur ohne Carmina Burana. Die Artusepik bleibt hier spartanischer und den Geistern einer moralischen, erzieherischen Natur unterworfen.

The Green Knight

Hellboy – Call of Darkness

KANALRÄUMEN IM MÄRCHENWALD

5,5/10

 

HB_D44-7761.ARW© 2019 Universum Film

 

LAND: USA 2019

REGIE: NEIL MARSHALL

CAST: DAVID HARBOUR, MILLA JOVOVICH, IAN MCSHANE, DANIEL DAE KIM, SOPHIE OKONEDO, SASHA LANE U. A.

 

Das Zeitalter der Smartphones ist nichts für Dämonen wie Anung Un Rama, besser bekannt als Hellboy und investigativer Ermittler in Sachen paranormaler Umtriebe. Da braucht es schon Fingerspitzengefühl, und das hat der rote Kerl zumindest rechtshändig nicht wirklich. Da kann schon das eine oder andere teure Teil aufgrund überstrapazierter Wischfunktion zum sprichwörtlichen Teufel gehen. Wenn schon die Usability mangelnde Feinmotorik um Social Media bemühte Dämonen mit technischer Verachtung straft, muss wenigstens das Kino offen sein für ein Reboot, welches der zynischen Rothaut aus der Hölle grobmotorisches Hämmern und Dreschen gewähren lässt und von mir aus jede Menge kaputter Elektronik in Kauf nimmt, nur um einen gestandenen Kerl aus einem katzenverliebten und fernsehsüchtigen Sonderling zu machen, den wir unter Guillermo del Toros Regie lieben gelernt haben. Mitsamt seinem Compagnon, Fischling Abe Sapien und der Feuerlady Liz. Was war das für ein Trio, beeindruckend und schön anzusehen, souverän gegen die sinisteren Machenschaften anderer Kreaturen, die in ihrer Ästhetik kaum zu übertreffen waren. Guillermo del Toro hat dann doch lieber die Splish Splash-Poesie The Shape of Water gedreht und Oscars dafür kassiert. Seinen Hellboy, den hat er schmählich im Stich gelassen, wo er doch vermutlich selbst gewusst haben muss, dass niemand sonst die mythische Dark Fantasy jemals wieder so meisterlich aus den Grunge-Niederungen emporheben wird können. Hellboy-Schöpfer Mike Mignola wusste das auch. Oder gerade, weil er es wusste, sollte der Ansatz für weitere metaphysische Abenteuer ein anderer sein. Vielleicht näher an der gezeichneten Vorlage. Und weniger verspielt, dafür viel blutiger, dreckiger, derber. Könnte funktionieren, auch um nicht dauernd den comicfilmgeschichtlich relevanten Zweiteiler Del Toros im Hinterkopf zu haben. Allein – die Rechnung geht nur bedingt auf. Und der Vergleich mit Ron Perlman lässt sich leider – oder trotzdem – nicht unterdrücken.

Mike Mignola hatte, soweit ich in Erfahrung bringen konnte, das alles wirklich so gewollt. Auf sein Bestreben hin wurden Neil Marshall und David Harbour dann wirklich die zweite Wahl für eine krude Schlachtplatte, die wenig zimperlich legendäre Mythen aus Sagen- und Märchenwelt auf einen Nenner herunterbricht, der sich letzten Endes nicht ganz entscheiden kann, ob er absichtlich trashige Low Fantasy sein will oder doch noch mit der schillernden, kreativen Epik aus dem Hexenkessel des Spaniers kokettieren soll. Im Mittelpunkt: die Figur des Hellboy selbst, penibel maskiert und aufgepumpt zu einem martialischen Schrank von einem Mann mit abgesägten Hörnern und versifftem Columbo-Gedächtnismantel, natürlich mit Luke für seinen peitschenartigen Rattenschwanz. Harbour ist als Neuansatz der Figur gar nicht mal so anders als Ron Perlman. Vielleicht etwas versoffener, weniger herzlich und deutlich lebensunlustiger. Ein Anti-Held wie aus einem Film Noir, der fast schon darunter leidet, unkaputtbar zu sein und nur mit Projektilen, zusammengemixt aus heiligen Reliquien, verwundbar scheint. Ein bisschen erinnert das an den Charakter von Tom Ellis als Lucifer aus gleichnamiger Serie. Nur Lucifer selbst ist der Leibhaftige, während Hellboy ein Mischwesen ist, im Grunde aber dessen Sohn, und darüber hinaus Erbe von etwas ganz anderem, das in Hellboy – Call of Darkness zum Thema wird.

Vieles dreht sich um die spätrömische Mittelalter-Ikone in Gestalt von König Artus, welcher Blood Queen Nimue (wer sonst außer Milla Jovovich sollte sie verkörpern?) am Pendle Hill nach ausgiebiger Blutspende zerstückelt und in alle vier Winde verstreut hat. Rund die halbe Weltgeschichte später versucht das boshafte Frauenzimmer erneut, mithilfe eines aufrecht gehenden Warzenschweins, das irgendwie aus dem Kreaturenfundus der Ninja Turtles entkommen zu sein scheint, unseren Planeten für all den monströsen Abschaum aus der Unterwelt wohnlich einzurichten. Welche Rolle Hellboy dabei spielt, bleibt an dieser Stelle natürlich ein Geheimnis, doch es braucht eine Weile, bis der von inneren Krisen gebeutelte Freak seinen Vater-Sohn-Konflikt hintenanstellt, um die Sache in die steinerne Hand zu nehmen. Und die ist, wie wir wissen, für Feinheiten nicht zu haben. Neil Marshalls Film auch nicht.

Der Film fühlt sich an wie Bloody Mary ohne Kater, schmeißt von Riesen über kinderfressende Hexen bis zu Heeren an spitzohrigen Kobolden viel Potenzial respektlos in einen Topf und kocht ein Süppchen, das wild fabulierend und gestikulierend einiges an dramaturgisch stimmigem Taktgefühl niederrennt und mit wild schwingenden rostigen Klingen Extremitäten über die Leinwand schleudert, als wären wir Gast im Titty Twister. Da fällt mir wieder Robert Rodriguez ein, der sich durchaus auch mit Hellboy vertragen hätte. Das von ihm und Tarantino so verehrte Grindhouse zwischen Machete und Planet Terror hätte nun mit Hellboy – Call of Darkness nämlich einen weiteren Knüller im Spätabendprogramm einiger Bahnhofkinos. Für übernachtige Nerds, die klassische Mythen gerne mit creepigem Grusel und schlampigen CGI-Effekten im Handgemenge eines Monster-Wrestling-Parcours verkeilt sehen, ein gefundenes Fressen mit fettigen Fingern. Der Weg dorthin führt mitunter durch die stehenden Blutlachen eines Warhammer-Schlachtfelds. Del Toro´s Kreationsstil bleibt aber dennoch zumindest ansatzweise gewahrt, ganz besondes in der atmsophärisch wohl gelungensten Szene des Filmes im Hexenhaus der Hexe Baba Jaga oder in den alptraumhaften Giganten, die gelegentlich aus den Erdspalten steigen. Ein kleines bisschen Rest an künstlerischer Raffinesse, wie Balsam auf rissiger Haut.

Dieses Wirrwarr allerdings entbehrt nicht ein gewisses Vergnügen an der reinen Lust durcheinanderplappernder hässlicher Schauermärchen, die wahnsinnig weit entfernt sind vom Marvel- oder DC-Kosmos und durch ihre räudige Rauflust einen ganz eigenen Stil entworfen haben, der ab heute ganz allein Hellboy gehört. Wegnehmen wird es ihm niemand.

Hellboy – Call of Darkness