Das schwarze Quadrat

REEDEN WIR ÜBER KUNST

3/10


dasschwarzequadrat© 2021 24 Bilder


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND 2021

BUCH / REGIE: PETER MEISTER

CAST: BERNHARD SCHÜTZ, JACOB MATSCHENZ, SANDRA HÜLLER, PHELINE ROGGAN, CHRISTOPHER SCHÄRF, VICTORIA TRAUTTMANSDORFF U. A. 

LÄNGE: 1 STD 45 MIN


Mit abstraktem Gekleckse, jungfräulichen Leinwänden und schwarzen Quadraten hat die Welt der Kunst genau das gefunden, um ihren Betrachtern genug Schildbürger sein zu können. Mit solchem Nonsens hat zum Beispiel einer wie Marcel Duchamp völlig unattraktive Alltagsgegenstände zu Kunstwerken erhoben, wie zum Beispiel ein Pissoir. Kasimir Malewitsch hat dunkle, meist schwarze Quadrate gemalt. Auch sehr schön, auch sehr sinnlos, aber zumindest akkurat. Die Kunst liegt hier lediglich darin, der erste zu sein, der auf so eine Idee kommt – alle anderen sind dann nur noch Nachahmer. Und dennoch: Malewitschs Quadrat ist ein Heidengeld wert, was so viel Verständnis hervorruft wie Klimts kleingeschnipselter Kuss, eingestampft in winzigen NFTs für die virtuelle Nachwelt. Also egal, was da drauf ist – gestohlen kann es werden. Die Ganoven Vincent und Nils schlagen zu und warten nach getaner Arbeit auf den großen Unbekannten, der ihnen das Bild gegen Bares abnehmen soll. Da anfangs schon mal gar nichts glatt läuft, kommt Plan B zum Zug: die beiden müssen auf ein Kreuzfahrtschiff, wo weitere Instruktionen folgen werden.

Es wäre keine Komödie, gäbe es nicht allerhand Verwechslungen und einen gemalten Klassiker, der sich glücklicherweise mit gemahlenen Kaffeebohnen, schwarzer Farbe und etwas Urin ideal kopieren lässt. Da ist rein plotmäßig schon einiges auf der Habenseite. Das Skript wäre auch was für Billy Wilder gewesen. Jack Lemmon und Tony Curtis? Nur diesmal nicht als Daphne und Josephine, sondern als Elvis- und David Bowie. Auch lustig, prinzipiell jedenfalls. Regisseur Peter Meister hat all das zwar genutzt, sein Narrenschiff läuft jedoch auf Grund. Da können weder Bernard Schütz und Jacob Manschetz was dafür, auch nicht Sandra Hüller als unterforderte Killer Queen. Gut, Dean Martin oder Jerry Lewis oder sonst jemand aus der Komödienriege der 50er Jahre sind sie alle keine. Mit der Krux des falschen Bildes wäre die Sache ein Schippern in gemächlicher Strömung. Meister ruht sich dabei zu sehr auf seiner Erfolgsgarantie aus. Und lehnt sich dabei aufs Bremspedal.

Dynamik in einer Komödie ist alles. Oneliner müssen sitzen, der Slapstick danach und die Situation, die muss ihre Bühne haben, um komisch zu sein. Hat Das Schwarze Quadrat leider alles nicht. Das Timing gerät bereits anfangs aus dem Takt und findet nicht wieder hinein. Der Cast liefert seine Acts und hängt dabei kraftlos in den Seilen. Es ist, als wäre der Spaß an der Freude allen bereits vergangen, bevor der turbulente Kabinentango erst so richtig in Fahrt kommt. Vielleicht entdecken die USA das Potenzial dieser Geschichte und wagen ein Remake? Gerne mit den Komikern ihrer Zeit, von mir aus auch mit Adam Sandler.

Das schwarze Quadrat

Tod auf dem Nil (2022)

DER DETEKTIV UND DIE LIEBE

6,5/10


todaufdemnil© 2022 Twentieth Century Studios


LAND / JAHR: USA 2019

REGIE: KENNETH BRANAGH

CAST: KENNETH BRANAGH, GAL GADOT, ARMIE HAMMER, EMMA MACKEY, ANNETTE BENING, TOM BATEMAN, LETITA WRIGHT, SOPHIE OKONEDO, ROSE LESLIE, RUSSEL BRAND U. A.

LÄNGE: 2 STD 8 MIN


Wie wär‘s heuer mal mit Ägypten? Wenn die Covid-Regeln überschaubar bleiben und keiner dort akut den Dschihad probt, dann hätte ich durchaus Lust darauf, Tutanchamuns Grab oder Ramses höchstpersönlich einen Besuch abzustatten. Natürlich einschließlich Pyramiden, Karnak und vielleicht sogar Abu Simbel ganz im Süden. Dorthin fährt nämlich Agatha Christies Vorzeigebelgier Hercule Poirot an Bord eines Luxus-Schaufelraddampfers, um den IQ einer illustren Hochzeitsgesellschaft zu heben. Beim Publikum hebt sich erstmal die Lust aufs Reisen angesichts dieser pittoresken Postkartenmotive. Die Motive für einen Mord sind zwar weniger nobel, aber zahlreich vorhanden. Im Mittelpunkt steht nämlich Wonder Woman Gal Godot (wie immer eine Augenweide) als steinreiches It-Girl Linnet, die ihrer besten Freundin den Mann ausgespannt hat. Sowas tut man nicht, aber andererseits: wo die Liebe hinfällt, wächst keine Moral. Also heiratet die Schöne den schnauzbärtigen Simon und reist mit ihm samt Entourage an den Nil, auf welchem der Tod natürlich schon eingecheckt hat. Weiters mit im Schlepptau: die um ihre rosige Zukunft geprellte Ex, die fröhlich durch die Gegend stalkt. Mit Hercule Poirot, der sich aus ganz anderen Gründen ebenfalls dort aufhält, hat sie allerdings nicht gerechnet, und Linnet bittet den alten Hasen mit den grauen Zellen, die Gesellschaft doch lieber im Blick zu behalten – es könnte ihr Übles widerfahren. Es dauert nicht lang, da fällt schon der erste Schuss. Poirot muss sich anstrengen, denn diesmal ist nicht nur das Kapital anderer, sondern auch ganz viel Liebe mit im Spiel. Sogar die eigene.

Und da hat Kenneth Branagh den eleganten Denker an seiner Achillesferse erwischt. Was John Guillermin in seiner Verfilmung mit Peter Ustinov nicht getan hat. In der ebenfalls sehr edlen Adaption aus den Siebzigern ist der Detektiv eine Ikone des Moments, geradezu eine Art Superheld der Kombinationsgabe. Wie Sherlock Holmes in etwa, vor dem man Ehrfurcht haben kann. Branagh legt seinen Poirot ganz anders an. Und das erkennt man schon in den ersten Szenen des neuen Films, bei welchem mich das Gefühl bemächtigt hat, im falschen Saal zu sitzen. Erster Weltkrieg, Grabenkämpfe in Belgien, Giftgas – und dann der junge Poirot, noch ohne Schnauzer, der seinem Bataillon den Allerwertesten rettet, selbst aber nicht ganz unversehrt bleibt. Was dann passiert, hat viel Einfluss auf den Charakter des Kriminologen, und daher geht Branagh auch entscheidend tiefer in die Psyche der Figur als es Guillermin jemals hätte tun wollen, um dem Idol außer einigen Spleens keine Schwächen zuzugestehen. Branagh hingegen hat keine Angst davor. Poirot ist hier kein zwingend frohsinniger Genießer wie Ustinov, sondern verbittert, aber distinguiert und gut erzogen. Dass einer wie Poirot sentimental werden kann, schien bislang unmöglich – diese Neuentdeckung des detektivischen Charakterzuges ist das Herzstück des Films und überwindet die Distanz zum Zuschauer. Das übrige Ensemble ist weicher gezeichnet, wenngleich mit Annette Bening oder der brillanten Sophie Okonedo gut besetzt. Ein schmissiger Score, der die Klänge des amerikanischen Jazz über den längsten Fluss Afrikas trägt, verleiht dem Setting eine launige Atmosphäre, der Nachbau der 70 Meter langen Sudan und des Abu Simbel-Tempels in den britischen Studios beweist wieder mal, dass man bei großen Filmen wie diesen keine Mühen scheut. Und dennoch bleibt das Gefühl, einen Rückschritt in das Studiokino ganz früherer Zeiten gemacht zu haben. Abgesehen von den Drohnenaufnahmen ist die ganze Reise den Nil entlang nur Stückwerk von überallher, nur nicht aus Nordafrika. Ägypten nachzubauen oder eben dort zu sein, sich ganz auf den Vibe der Location zu verlassen, das sind dann doch zwei Paar Schuhe. In Tod auf dem Nil wird manche Szenen überdeutlich kulissenhaft, womöglich mit dieser Art Projektionstechnik umgesetzt, die schon Jon Favreau für The Mandalorian entwickelt hat. Die Raffinesse gelingt nicht immer, vieles erscheint artifiziell, auch das Licht sitzt oftmals nicht richtig und passt meist nicht zu den Dämmerstunden im landschaftlichen Hintergrund.

Schade, dass Marokko als Drehort dann doch nicht genutzt worden war. So bleibt uns zumindest ein Kammerspiel, dessen kreuz und quer gesponnenes Netzwerk aus Bedürfnissen, Leidenschaften und sinisteren Plänen solide unterhält. Statt des Orient-Express ist es nun ein Schiff. Das Konzept, der Rhythmus – ungefähr gleich. Branagh, den der Doppeljob aus Dreh und Schauspiel nicht überfordert, gelingt ein weiteres Whodunit, dem man trotz der durch Ustinov für viele bereits bekannten Auflösung gerne zusieht. Am Schluss tut der Brite sogar etwas, das undenkbar scheint. Doch andererseits: Poirot ist auch nur ein Mensch.

Tod auf dem Nil (2022)