White Zombie (1932)

ZOMBIEMÜHLEN MAHLEN LANGSAM

5,5/10


white-zombie© 1932 Edward Halperin Productions


LAND / JAHR: USA 1932

REGIE: VICTOR HALPERIN

DREHBUCH: GARNETT WESTON

CAST: BELA LUGOSI, MADGE BELLAMY, ROBERT FRAZER, JOSEPH CAWTHORN, BRANDON HURST, CLARENCE MUSE U. A.

LÄNGE: 1 STD 9 MIN


Zombies gibt es wirklich. Ein wissenschaftlich genauer untersuchter Fall aus Haiti soll ausreichend belegen, dass Clairvius Narcisse Anfang der Sechzigerjahre von den Toten wiederauferstand, um als willenloser Sklave über Jahre hinweg Zuckerrohr zu schneiden. Die Möglichkeit, dass hier das Gift des Kugelfisches in entsprechenden Dosen wohl verantwortlich dafür war, dass Narcisse der Tod attestiert wurde, obwohl dieser nur paralysiert war, hat dem Mythos bis heute keinen Abbruch getan. Ganz im Gegenteil: The Walking Dead ist aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken, George A. Romeros Schwarzweiß-Klassiker Night of the Living Dead zählt seit 1999 zum erhaltenswerten Kulturgut. Dabei hat White Zombie von Victor Halperin den obskuren karibischen Falls vom auferstandenen Toten bereits in den Dreißigern vorweggenommen. Anscheinend sind der regionalen Legende nach Umtriebe wie diese immer schon gang und gäbe gewesen. Wer also Zombies liebt, sollte dorthin reisen, vielleicht trifft man den einen oder die andere, die schleppenden Schrittes und kaum ansprechbar ihrer Wege ziehen. Doch die klassischen Parameter von den aus den Gräbern kriechenden Toten zur Geisterstunde hat sich längst verwässert. Oft ist es mittlerweile ein Virus, sind es Pilzsporen oder eben reine Chemie, die in diesem nicht unbedingt gut gealterten Klassiker, nach welchem gar eine Hardrock-Band benannt wurde, zum Einsatz kommt. Liest man in der Besetzungsliste Bela Lugosi, lässt sich bereits denken, wer hier Sinistres im Schilde führt. Lugosi hatte schließlich ein Jahr zuvor das Privileg, die Gestalt des perfiden transsilvanischen Blutfürsten Dracula für einige Jahrzehnte zu prägen – bis Christopher Lee kam.

Es ist nicht so, als würden einem die Augen des Schauspielers noch bis nach Ende des Films verfolgen – obwohl sie das eine oder andere Mal formatfüllend ins Bild gerückt werden, nämlich so, als wollten diese ihr Publikum bannen. Das mag zur damaligen Zeit im dunklen Lichtspielhaus vermutlich recht beklemmend gewesen sein, mittlerweile hat der Zahn der Zeit am Furchtfaktor genagt. Unbequem bleibt dieser suggestive Blick, als Überblendung der eigentlichen Szene, aber dennoch. Vielleicht liegt das auch an den unheimlichen, knarzenden, jammernden und klickenden Klängen, die für Unwohlsein sorgen. Mit diesem Score macht White Zombie akustisch gesehen alles richtig. Diese Klangkulisse hat bis heute nichts von ihrer Wirkung verloren. Wenn dann noch im Restlicht des endenden Tages torkelnde Silhouetten den Studiohügel erklimmen, füttert White Zombie das unbestimmte Gefühl eines nahenden Unheils, dessen letztendliches Wirken unberechenbar bleibt.

Haiti ist auch hier Schauplatz, und Lugosi ein mit sämtlichen Talenten ausgestatteter Landwirt, der mit Zuckerrohr sein Geld macht. Warum er bare aussteigt, liegt vermutlich an all seinen willenlosen Sklaven, die unter Einwirkung eines Gifts zur posthumen Arbeit gerufen werden. Selbst die Protagonistin des Films, Madge Bellamy als Madeleine Short, die auf dem karibischen Anwesen eines Bekannten ihre Hochzeit feiern möchte, wird Opfer dieser Schandtaten, die der Nebenbuhler ihres Zukünftigen in Auftrag gibt. Der Verlobte versucht nun, im Laufe von knappen 70 Minuten, mithilfe eines alternden Professors dem Treiben Lugosis ein Ende zu bereiten und seine Geliebte wieder zurückzugewinnen (was bei herkömmlichen Wiedergängern eigentlich nicht möglich wäre). Vorbei müssen sie an schlecht geschminkten Zombies, die allesamt keine innere Kraft mehr haben, um wirklich in die Offensive, geschweige denn in die Defensive zu gehen. Dass das ganze Brimborium ernstzunehmen wäre, kann ich nicht wirklich behaupten. White Zombie mag zwar kulturgeschichtlich seinen Platz gefunden haben – handwerklich perfekt ist das Werk mitnichten. Dabei sind weniger die technischen Komponenten als vielmehr das enorm zurechtgestutzte Skript und das überzogene Schauspiel eigentlich aller Beteiligten ausschlaggebend. Gut, Bela Lugosi kann man aus seinem heillos überzeichneten, diabolischen Finsterblick keinen Strick drehen – der war schließlich sein Markenzeichen.

White Zombie (1932)

Freaks (1932)

DIE RELATIVITÄT DES MONSTRÖSEN

7,5/10


freaks_1932© 1932 MGM

LAND / JAHR: USA 1932

REGIE: TOD BROWNING

CAST: HARRY & DAISY EARLES, OLGA BACLANOVA, LEILA HYAMS, WALLACE FORD, HENRY VICTOR, DAISY & VIOLET HILTON, ROSE DIONE U. A. 

LÄNGE: 64 MINUTEN (VON URSPRÜNGLICH 90 MIN.)


Von Mitte des 19 Jahrhunderts bis tatsächlich noch in die späten Dreißigerjahre hinein hat es sie gegeben: Freakshows, die körperlich abnorme Menschen wie Tiere ausgestellt und dafür Geld kassiert hatten. Das Bewusstsein, dass menschliche Wesen, die vielleicht äußerlich anders sind, die gleichen Rechte hätten wie ganz „normale“ unserer Art, traf zur damaligen Zeit auf einen wenig ausgereiften, reflektierenden Verstand. Damals wussten viele noch nicht mal, wie man Kinder erzieht, was Humanismus überhaupt bedeuten soll und dass aus der Norm Gefallenes durchaus progressives Potenzial hat.

Zum Thema der Menschenwürde und der Akzeptanz des Andersartigen gab‘s bereits 1932 einen Film, der in seiner bewusst plakativen Aussage wirklich jeden seiner Zuseher erreichen konnte, und waren diese auch noch so schlicht in ihrem Gemüt. Denn der für damalige Zeiten kontroverse und vielerorts verbotene Film Freaks von Dracula-Mastermind Tod Browning zählt schlicht und ergreifend eins und eins zusammen, und zwar so, dass es ein jeder versteht. Menschenwürde, das ist etwas, worüber man nicht viel diskutieren muss. Um Mensch zu bleiben braucht es nicht zwingend Arme oder Beine, eine gewisse Größe oder ein klassisch-griechisches Antlitz. In Freaks hat es Tod Browning geschafft, ein ganzes Ensemble aus deformierten Schauspielern und Bühnen-Attraktionen um sich zu scharen, die womöglich genau das alles erlebt hatten, was in Freaks so abgeht. Diese Ambition, die erlernten Geschicklichkeiten halber Körper oder den normalen Alltag zwischen den Auftritten zu dokumentieren, verleiht dem Film etwas einzigartig Echtes und Nahbares. So wenig auf Distanz war man körperlich beeinträchtigten Menschen nur selten. Dabei passiert es ihnen niemals, von Browning pietätlos präsentiert oder als etwas zur Schau Gestelltes verstanden zu werden.

David Lynch muss diesen Film ebenfalls schätzen – sein thematisch stark verwandtes Meisterwerk Der Elefantenmensch ist stilistisch ähnlich geraten und zeigt John Hurt als entstellten Merrick in einer ähnlichen Situation, in der sich auch der kleinwüchsige Hans in Freaks befindet. Obwohl er mit einer körperlich gleichgestellten Künstlerin verlobt ist, hat der Gentleman nur noch Augen für die wunderschöne Trapezkünstlerin Cleopatra. Die fühlt sich natürlich geschmeichelt, weiß von Hans‘ geerbtem Vermögen und nutzt ihn nach Strich und Faden aus, nur um an sein Geld zu kommen. Als sie versucht, ihn nach einer Scheinheirat mit Gift ins Jenseits zu befördern, steigen die „Freaks“ auf die Barrikaden.

Die Hintergründe zur Entstehung des Streifens und die tatsächlichen Biographien der einzelnen Personen (gut nachzulesen auf Wikipedia) lassen das eigentliche Werk fast schon außen vor. Freaks ist etwas, das nicht nur auf sein Medium als Film reduziert werden kann, sondern hierfür bräuchte es glatt faktenbasierende Begleitkommentare. Und es ist kaum zu glauben: in manchen amerikanischen Bundessstaaten ist Freaks, nach 91 Jahren, immer noch verboten. Ursprünglich hätte Brownings Werk auf Wunsch der Produzenten eine Schrecklichkeit, viel heftiger noch als Dracula, werden sollen, um Universal die Stirn zu bieten. Browning hatte aber anderes im Sinn – sein Film ist das simple Libretto einer traurigen, mitleiderregenden Operette, die noch vor dem sogenannten Hays-Code etwas zu wagen imstande war und es auch durfte. Bis heute gibt es so ein zeitgenössisches Wagnis kein zweites Mal. Ein wahrhaftiges Dokument über die Niedertracht der Bevorzugten, dessen Horror nur in den Köpfen jener entsteht, die Menschen mit Behinderung nicht für vollwertig erachten. Die, die so denken, sind die wahren Monster. Aber das wissen wir ja bereits, oder?

Freaks (1932)

Die Mumie (1932)

WENN BLICKE TÖTEN KÖNNTEN

6/10

 

themummy1932© 1932 Universal Pictures

 

LAND: USA 1932

REGIE: KARL FREUND

CAST: BORIS KARLOFF, ZITA JOHANN, DAVID MANNERS U. A.

 

Halloween ist auch schon wieder Monate her, kommt aber bestimmt wieder. Und ich überlege jetzt schon, in welcher Verkleidung ich diesmal die Schüssel mit den Süßigkeiten auszuteilen gedenke. Mumie kann ich bereits abhaken, das war letztes Jahr. Und um den dämonischsten Herbstabend des Jahres natürlich themenverwandt abzuschließen, habe ich mir endlich mal den nach Frankenstein aus dem Jahr 1931 zweiten Filmklassiker mit Boris Karloff zur bandagierten Brust genommen.

Der knackige 72-Minüter des böhmischen Kameramanns Karl Freund (u. a. Dracula und Metropolis von Fritz Lang) sorgt vor allem in den ersten Minuten für verspielt-opulenten Retrocharme, wenn in sandsteinbehauenen Lettern DIE MUMIE in grobkörnig flirrendem Schwarzweiß, Format 4:3, vom Bildschirm knistert. Doch so, wie wir Boris Karloff vielleicht schon irgendwo, sei es in Filmlexikas oder Zeitschriften, gesehen haben, präsentiert sich uns der Brite mit dem verdächtig russisch klingenden Künstlernamen nur ganz am Anfang. Als mumifizierter Hohepriester Imhotep lehnt er mit überkreuzten Armen senkrecht im geöffneten Sarkophag, um alsbald daraus zu verschwinden, und das nicht ohne manch einen Archäologen in den Wahnsinn zu treiben. Dieser Imhotep, der hat nämlich nur eines im Sinn: Ank-es-en-Amun, die Liebe seines antiken Lebens, ebenfalls zurückzuholen. Am besten gleich in den Auffangkörper einer schönen Frau, die gar nicht weiß wie ihr geschieht, und der hypnotischen Wirkung des nun zum mysteriösen Ardath Bey regenerierten Zeitgenossen nicht widerstehen kann.

Im Grunde ist das die ganze Geschichte. Und wäre nicht Boris Karloff, der laut eigenen Angaben tatsächlich slawische Vorfahren gehabt haben soll, hätte das naive Grusel-Abenteuer wohl keine wirklich stechenden Argumente. So aber ist es der stechende Blick des ledergesichtigen Charakterdarstellers, der tatsächlich irgendwie beunruhigt, und das ganz ohne Zuhilfenahme bewusstseinsverändernder Substanzen. William Henry Pratt, so mit bürgerlichem Namen, wird auf ewig die Horror-Ikone bleiben, die er damals war – auf der Schreckskala allerdings gibt es im Vergleich zum Untoten aus der Hochkultur ganz andere Figuren, die effektiver das Gruseln lehren. Alleine schon Tod Browning´s Frankenstein, der deutlich mehr verängstigt und sogar den einen oder anderen Schreckensmoment für sich verbuchen kann. Als Frankenstein, da ist Boris Karloff bis heute von zeitlosem Erscheinungsbild. Die Mumie selbst aber würde perfekt in das Nachts im Museum-Konzept für etwas ältere Semester passen, so wie eigentlich der ganze Film. Was per se natürlich nichts Schlechtes ist, Nachts im Museum ist ein nettes Konzept – und die Vorstellung, dem Stoiker mit dem Killerblick zu nachtschlafender Zeit in den Untiefen des kunsthistorischen Museums zu begegnen, das sorgt dann doch wieder für wohliges Schaudern. Am Liebsten farblich entsättigt, und auf keinen Fall in Dolby Surround.

Die Mumie (1932)