Jesus Rolls

NEBENROLLEN, DIE WAS KÖNNEN SOLLEN

5,5/10


the-jesus-rolls© 2021 EuroVideo Medien GmbH


LAND / JAHR: USA 2019

REGIE: JOHN TURTURRO

CAST: JOHN TURTURRO, BOBBY CANNAVALE, AUDREY TAUTOU, SONJA BRAGA, CHRISTOPHER WALKEN, JON HAMM, SUSAN SARANDON, PETE DAVIDSON U. A. 

LÄNGE: 1 STD 25 MIN


Ob der Dude nach 23 Jahren immer noch in ausgewaschenen Boxershorts in den Bowlinghallen abhängt? Ober immer noch gegen den Wind steht, vorzugsweise beim Verstreuen kremierter Verblichener? Der Dude wird wohl in diesem Leben auch nichts mehr Neues dazulernen. Und womöglich nicht nur er, sondern auch all die anderen schrägen Figuren, die anno 1998 in des Coen-Brüders Meisterwerk The Big Lebowski auf folgenschwere Art ihre Ansprüche geltend gemacht hatten. Eine dieser Figuren war Jesus Quintana. Ein mit der sakralen Farbe Lila liebäugelnder Bowling-Nerd, der (in heutigen Hygiene-Maßstäben undenkbar) gerne mal vor seinem Auftritt die Kugel leckt. John Turturro dürfte sich in diesen seinen extraordinären Auftritt nachhaltig verliebt haben. Und ja, der Begriff Nachhaltigkeit lässt sich im Zuge dessen auch neu definieren, denn: 23 Jahre später war’s dann soweit. Aber womit?

Um es klarzustellen: das hier ist kein Sequel von The Big Lebowski. Das hätten die Coens wohl selber gemacht. Dann lieber ein Spin Off. Auch dafür ist die querverweisende Ausbeute zum Original viel zu überschaubar. Jesus Rolls, wie Turturro sein Herzensprojekt nennt (mit dem recht kümmerlichen deutschen Subtitel Niemand verarscht Jesus) ist ein Herumexperimentieren mit einer kultisch verehrten, sich ebenfalls kaum veränderten Kunstfigur, die sich von grundsätzlich allem, was ihren Kultstatus erst ermöglichen konnte, emanzipiert hat. Was bleibt, ist ein schlaksiger Mittsechziger mit geflochtenen Strähnen, Haarnetz und lila Bowlingschuhen. Einfach, um die Wiedererkennung zu gewährleisten. Sonst aber ist dieses Roadmovie eine solitäre Liebhaberei, die sich der filmhistorischen Vorlage von Bertrand Bliers Ausgebufften-Konzept bedient. In welchem aber eigentlich nicht viel los ist, außer, dass alles passieren könnte, worauf die dem Hedonismus feuchtfröhlich zugewandten Tagediebe, die vorzugsweise mit gestohlenen Autos unterwegs sind, keinen Anspruch stellen. In den Siebzigern kamen Die Ausgebufften gerade zur rechten Zeit. Die Darstellung einer bedingungslos liberalen Sex-Gesellschaft war damals ein recht brauchbarer Nachklang zu den Jugendrevolten Ende der 60er und Deep Throat. Sex als gesellschaftsfähige Form des Müßigganges.

Heute sieht das natürlich anders aus. Und heute, da wirkt Bliers Konzept der bespaßenden Sex-Therapeuten wider Willen auch in John Turturros Überarbeitung wie ein retrospektives Überbleibsel des Glockenhosen-Kinos der naiven Alles-ist-möglich-Siebziger. Nur ohne Glockenhosen, dafür aber mit teilweise denselben Outfits, wie sie damals Depardieu und Patrick Dewaere getragen hatten. Diese Naivität aber scheint Jesus Rolls teilweise gar nicht so schlecht zu bekommen. Interessanterweise trägt dazu „Amelie“ Audrey Tautou (im Original war’s Miou-Miou) einiges bei, welche die klassisch französische Exaltiertheit frivoler Lustkomödien aus Westeuropa mit sich bringt. Ihre Rolle ist dringend notwendig, um hinderliche amerikanische Vibes zu unterbinden, die sonst der mit zahlreichen Star-Cameos gespickten Komödie ihren gewissen windigen Charakter nehmen.

Jesus Rolls ist als eine in den Tag hineingelebte Klamotte besser als ihr Ruf. Vielleicht auch, weil dieses völlig reuelose Nichtstun der leicht überheblichen Gauner-Clique keine Ausgangssperren genießt.

Jesus Rolls

Baby Driver

MIT MUSIK GEHT ALLES BESSER

7,5/10

 

babydriver© 2017 Sony Pictures / Quelle: filmstarts.de

 

LAND: Grossbritannien, USA 2017

REGIE: EDGAR WRIGHT

MIT ANSEL ELGORT, LILY JAMES, KEVIN SPACEY, JAMIE FOXX, JON HAMM U. A.

 

James Dean hat, bevor ihn das Schicksal ereilte, nur drei Filme gedreht. Das weiß mittlerweile nicht nur jeder Filmfan, das ist längst Allgemeinbildung. Der lakonische Lonely Boy wurde über Nacht zum Star und zur Ikone – zum Mythos wurde er nach seinem Tod. Seine Leidenschaft für den fahrbaren Untersatz wurde ihm letzten Endes zum Verhängnis. Ganz so wie in Denn sie wissen nicht, was sie tun. Ein Rebell ohne Grund. Und wäre dieser Rebell nicht so schnell so unsterblich geworden, hätte es womöglich noch viele Filme mit ihm gegeben. Zum Beispiel Baby Driver. Dean in dem gewieften Fluchtwagenthriller  besetzt zu sehen erfordert meinerseits nicht viel Fantasie. Für den jungen Eigenbrötler aus Indiana wäre Baby Driver vielleicht sogar zur Herzensangelegenheit geworden. Dabei hätte er eigentlich nur sich selbst spielen müssen. Wortkarg bis zur Arroganz, stets mit Sonnenbrille, und permanent Kopfhörer in den Ohren. Denn mit Musik geht für den kindlichen Autonarr und Boliden-Klarmacher einfach alles besser. Das hat natürlich seinen Grund, den ich hier nicht verraten werde. Ansel Elgort verkörpert diesen Baby, wie er sich selbst nennt, auf eine überhebliche, ignorante, aber auch pragmatische und fürsorgliche Art und Weise. Ob das reine Coolness ist, oder reine Berechnung, oder ob etwas ganz anderes dahinter steckt, wagt man anfangs nicht so genau zu wissen. Baby ist jedenfalls jemand, so scheint es, den nichts erschüttern kann. Weder gehässige Bankräuber, noch einen fordernden und kompromisslosen Unterweltler, dem Baby noch einiges schuldig zu sein scheint. Also fährt er für ihn. Und macht die Drecksarbeit. Dieser Unterweltler ist übrigens Kevin Spacey, herrlich schmierig, profitorientiert und oberlehrerhaft. Und diese Bankräuber, das sind Typen wie „Motherfucker“ Jamie Foxx, der nach seiner Rolle in Kill the Boss wieder mal den anlassigen Oberstrizzi mit lockerer Lippe geben darf.

Hot Fuzz-Regisseur Edgar Wright, Co-Schöpfer der Cornetto-Trilogie mit Nick Frost & Simon Pegg, erzählt in seinem rasanten, aufgeweckten Actionfilm eine locker-flockige Romanze zwischen American Graffiti und Drive. Und ja, sowohl Gosling als auch Elgort sind beide von der Sorte, die eher andere reden lassen. Was anhand des Trailers im Kino längst nicht so verführerisch ausgesehen hat, und man vermuten hätte können, dass es sich bei Baby Driver doch eher um ein Need for Speed aus der Schema F-Schublade handelt, ist in Wahrheit tatsächlich einer der sehenswertesten Genrebeiträge dieses Jahres. Elgort ist eine Entdeckung, allerdings erst auf dem zweiten Blick. Und diese reizvolle, mit fetzigen Vibes unterlegte Mixtur aus Natürlichkeit und augenzwinkernder, leicht märchenhafter Spannung lässt Langeweile außen vor. Baby Driver hat sogar mehr Drive als Drive, weil es keinen affektierten Ego-Stil eines Nicolas Winding Refn vor sich herträgt, sondern die groovige Räuberpistole nicht mehr sein lässt, als sie ist – cooles Gaunerkino mit dem gewissen Etwas eines James Dean, rasant und kurzweilig bis zum Gehtnichtmehr und extraordinär besetzt. True Romance für die Generation What!

Baby Driver