A Killer’s Memory (2024)

WAS SICH ÄNDERN LÄSST UND WAS NICHT

6,5/10


akillersmemory© 2024 DCM Film Distribution

ORIGINALTITEL: KNOX GOES AWAY

LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: MICHAEL KEATON

DREHBUCH: GREGORY POIRIER

CAST: MICHAEL KEATON, JAMES MARSDEN, AL PACINO, MARCIA GAY HARDEN, RAY MCKINNON, SUZY NAKAMURA, JOHN HOOGENAKKER, DENNIS DUGAN, JOANNA KULIG U. A. 

LÄNGE: 1 STD 55 MIN


Was tun mit Demenz? Das Beste draus machen. Oder den eigenen Nachwuchs aus der Affäre ziehen. Während Michael Keaton sein Leben abhandenkommt, obwohl er nicht das Zeitliche segnet, tut er doch noch alles, um zumindest jene zu retten, die sich dank derselben Blutlinie zwar als Familie bezeichnen lassen, jedoch nicht wirklich viel für einen Mann übrighaben, der seinen Lebensunterhalt damit bestreitet, andere über den Jordan zu schicken. Denn Michael Keaton ist ein Mann fürs Grobe, ein pragmatischer Auftragsmörder, dessen Zerstreutheit und mangelnde Konzentration anfangs noch etwas ist, das man gut und gerne mit dem fortschreitenden Alter abtun hätte können. Leider Gottes folgt nach einem Besuch beim Arzt eine ganz andere Diagnose: Knox wird die Erinnerung an sein Leben verlieren, schließlich ist er an Creutzfeldt-Jacob erkrankt, einer Degeneration des Gehirns. Irgendwann, und zwar schon sehr rasch, wird das Ich verschwinden, klare Momente werden eine Seltenheit sein, bis auch diese dem Vergessen anheimfallen. Mit so einer Prognose muss man erstmal umgehen lernen, doch Knox scheint es wegzustecken. Wer anderen das Leben nehmen kann, wird wohl auch selbst das Eigene bereits freigiebiger aufgeben als jemand, der das Recht auf Leben und Leben lassen anders betrachtet.

In diesem Zustand des Übergangs klopft plötzlich sein Sohn Miles an die Tür, den Knox aus Gründen mangelnder Akzeptanz eines Killers in der Familie Jahrzehnte nicht mehr gesehen hat. Diesmal aber scheint selbst der Filius seinem Papa nachgeeifert zu haben, allerdings nur im Affekt. Den Vergewaltiger seiner Tochter scheint er auf dem Gewissen zu haben, mit mehreren Messerstichen hat er ihn zu Boden gestreckt. Was Papa da wohl richten kann? Und wie sehr könnte zur Lösung des Problems die eigene fortschreitende Demenz in die Hände spielen? Was folgt, ist ein routiniertes Kriminaldrama mit Anleihen an Christopher Nolans Memento, nur ohne dessen Rückwärtsgang, und des belgischen Thriller Totgemacht – The Alzheimer Case, natürlich in ganz klassischem Sinne, routiniert inszeniert von Michael Keaton selbst, der sich mit ausreichend Gespür für seine eigene Rolle als einen, der sich auflösen wird, in Szene setzt. Knox goes Away heisst sein Film übrigens im Original – was es wohl besser trifft als A Killer’s Memory ein viel zu austauschbarer Titel. 

Bemerkenswert an diesem mit jazzig-melancholischen Klängen unterlegten Krimi ist Keatons sichtliche Freude an der Freiheit, seine Figur so anzulegen, wie er sie selbst gerne hätte. Ein bisschen Bird- und Batman schwingen mit, Keaton orientiert sich in der Darstellung des Erkrankten natürlich auch an Klassikern des Gefühlskinos wie Zeit des Erwachens oder gar The Father mit Anthony Hopkins. Keaton ist ein gewinnender, charismatischer und in sich ruhender Darsteller, seine unaufgeregte, stets eher stoische Spielweise unterstreicht die Film Noir-Komponente. Mit pragmatischer Gelassenheit wägt seine Figur des John Knox das Unausweichliche und das Veränderbare gegeneinander ab. Doch manchmal etwas zu gelassen. Raffiniert ist dabei die zwar reichlich konstruierte, aber durchdachte Trickserei rund um die Vertuschung eines Mordfalls und das Legen falscher Fährten. Leerlauf hat A Killer’s Memory keinen, zu richtig großem Kino gereicht das auf den letztjährigen Toronto Filmfestspielen erstmals gezeigte Kriminaldrama trotz schillernder Sidekicks wie Al PAcino aber nicht. Keaton ist ein kleiner, aber komplexer Film gelungen, der den Umstand einer fatalen Erkrankung, die an sich schon für ein ganzes Drama reichen würde, fast ein bisschen banalisiert.

A Killer’s Memory (2024)

Point Blank

GESUND GESTOSSEN

5,5/10

 

POINT BLANK© 2019 Netflix

 

LAND: USA 2019

REGIE: JOE LYNCH

CAST: ANTHONY MACKIE, FRANK GRILLO, MARCIA GAY HARDEN U. A. 

 

Was machen Ensemblestars aus dem Marvel-Kosmos, wenn sie gerade am Ende ihrer Epoche angelangt sind? Sie machen mal Urlaub, könnte ich mir denken. Oder sie lassen sich von Netflix anheuern, an der Hintertür am Set zu Avengers, winkend mit einem netten Angebot und einem günstigen Vertrag mit allerlei Boni. Anthony Mackie konnte an diesen Anwerbern, so wie es aussieht, nicht wirklich vorbei. Obwohl Mackie nicht vergessen darf, irgendwann in die Fußstapfen Captain Americas zu treten, rufen wir uns eine der letzten Szenen aus Endgame in Erinnerung. Doch der afroamerikanische Star, im MCU bekannt als Falcon, will sich zu Recht nicht festlegen lassen. Da lässt sich zwischendurch ohne weiteres etwas ganz anderes spielen, nämlich das Remake eines französischen Thrillers mit dem bezeichnenden Titel Point Blank. Und um nicht ganz alleine dazustehen, muss Kollege Frank Grillo – ebenfalls aus dem Cap-Cast – auch mit an Bord. Somit haben wir mal ein Buddyteam, das so wie damals bei The First Avenger: Civil War ebenfalls auf zwei Seiten steht. Auf der Seite der Guten und der Bösen.

Mackie ist natürlich der Gute, und er ist Krankenpfleger und werdender Papa. Grillo ist der Böse, und einer von zwei Brüdern, die ein Attentat auf einen Lokalpolitiker verübt haben. Der eine entkommt, der andere wird überfahren – und landet im Spital. Klar, dass Blut dicker als Wasser ist, und der Flüchtige seinen Partner da raushauen will. Das geht aber nur mit fachkundigem Personal. Und wer eignet sich da nicht besser als Anthony Mackie, der, um das Leben seiner entführten schwangeren Frau bangend, alles tut, was Grillo will. Ihnen auf den Spuren: Ermittlerin Marcia Gay Harden als derber Cop, aus ihrem Sprachrepertoire bevorzugt das Wort „Fuck“ verwendend. Und was den Rest des Films dann passiert, ist wie der Benefit für einen Mars-Riegel: voll mobil und am Besten zwischendurch. Wobei Zwischendurch auch mal sehr entspannend ist.

Dieses Zwischendurch ist also Point Blank, das ist nichts, was den Patschenkinogeher vom Sofa haut, das ist nichts, was mit irren Schauwerten auftrumpft und nichts, was wir nicht irgendwo so ähnlich auch schon gesehen haben. Dass sich der US-Film gerne an europäischen Vorlagen vergreift, ist schon längst bekannt. Manchmal ist das komplett unnötig, manchmal aber taucht die Existenz eines Originals erst dann aus der Versenkung, wenn die US-Filmbranche in gefälligem Kopieren ihre Seherschaft vor den Screen holt. Das ist in der Musikbranche genauso. Doch wenn da Cover-Versionen gang und gäbe sind, warum nicht auch im Film? Ein bisschen anders sollte es dann schon sein, neue Impulse vielleicht, ein neuer Zugang. Point Blank, das Original, kenne ich nicht. Muss ich aber auch nicht mehr sehen. Und will ich auch nicht verwechseln mit einem Krimi selben Titels aus den 60er-Jahren von John Boorman, was die Verwirrung erst so richtig komplett macht. Die US-Version des Europa-Originals erzählt schon alles, was ich wissen muss, noch dazu mit einem gefällig-smarten Hauptdarsteller, der den relativ unbekannten Frank Grillo (ehrlich, ich kann mich leider nicht mehr an einen Antagonisten wie Crossbones aus dem Marvel-Universum erinnern) auf Fluchtwegen durch die Stadt pflegt. Im Koffer alles was er braucht, von Morphium bis Adrenalin. Das führt zu launigen Stress-Sequenzen, zu ordentlich Projektilverkehr und zu wohltuender Vorhersehbarkeit, die eben dadurch nicht weiter (ver)stört, weil es eben ein relativ anspruchsloser Happen ist, wie die Thrillerlektüre eines B-Schreiberlings am Strand, die für Kurzweil sorgen darf, mit all den redundanten verbalen Kraftausdrücken, die das klischeehafte Bild eines kernigen Verbrecheralltags erst so richtig finster machen. Reflektieren wir darüber? Nein, Point Blank kann man so stehen lassen, als etwas, worüber man nicht weiter nachdenkt. Außer vielleicht, welchen Film Anthony Mackie wohl als nächstes machen wird, bevor er das Vibraniumschild aus dem Kasten holt.

Point Blank