The Guardians of the Galaxy Holiday Special

SCHENKEN IST WAS SCHÖNES

6,5/10


guardiansholiday© 2022 Marvel Studios / Disney+


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: JAMES GUNN

CAST: DAVE BAUTISTA, POM KLEMENTIEFF, CHRIS PRATT, KEVIN BACON, SEAN GUNN, KAREN GILLAN, BRADLEY COOPER, VIN DIESEL, MICHAEL ROOKER U. A.

LÄNGE: 45 MIN


Sie sind zwar kein Must-See, aber das Guilty Pleasure für jedes Franchise: Holiday Specials. Dem Star Wars-Ableger aus den Siebzigern habe ich mir bis heute verkniffen, doch als leidenschaftlicher Fan sollte ich mich vor Fremdscham nicht fürchten. Kevin Feige hat da schon alle Peinlichkeiten umschifft, denn mit James Gunn auf dem Regiestuhl sind Albernheiten so salonfähig wie nie zuvor. Jener Künstler, der das DC-Universum mit The Suicide Squad aus der pathetischen Schwermut eines Zack Snyder erretten konnte und dort nun auch als kreatives Mastermind die neue Richtung vorgibt, will seine Guardians, die er von der ersten Stunde an mit der nötigen Umsichtigkeit durchs Universum gesteuert hat, natürlich nicht aus der Hand geben. Das Ende kommt früh genug, und es soll nächstes Jahr passieren, mit dem Abschluss einer Trilogie, die so formschön, bunt und praktisch daherkommt wie Weltraum-Fantasy eben auszusehen hat. Bevor wir aber alle eine Träne verdrücken ob des Nimmerwiedersehens mit dem schrägen Haufen an Menschen und Aliens, gibt es noch ein kleines Stelldichein exklusiv für Abonnenten der Disney+-Schiene. Wer Marvel-Fan sein will, darf an diesem Streamingdienst nicht vorbeisparen – es geht nicht anders. Viele zu viele Extras warten dort auf den Nerd, und will man Weihnachten mit Marvel verbinden, muss auch das Holiday Special der Guardians her.

Dort, in der Schädel-Zuflucht Nowhere irgendwo in den Weiten des Alls, sinnieren der drollige Drax und die süße Mantis darüber nach, wie sie Star Lord eine Freude bereiten können, trauert der doch seit Endgame seiner Geliebten Gamora nach. Da kommt ihnen das irdische Weihnachten in den Sinn, das anscheinend gerade vor der Tür steht. Dieses Fest dürfte in den Weiten des Alls ein Exklusivrecht haben oder gar schon zu den physikalischen Grundgesetzen zählen. Vielleicht sind es die Werte aus Liebe, Freundschaft und Zusammenhalt, die universell erscheinen. Das erkennt sogar die zynische Nebula, einst Antagonistin unter dem Zepter des finsteren Thanos. Mantis und Drax planen also, dem guten Peter Quill ein Geschenk zu machen. Aber eines, das lange nachhält, das nicht ausgepackt und weggelegt wird. Wie wärs mit einer Ikone aus dessen Jugend? Wie hieß das Musical noch mal, von welchem der kleine Peter so ein Fan war? Footloose. Und sein Star? Kevin Bacon. Also nichts wie rüber nach Terra, den gut gealterten Schauspieler mitnehmen und bestenfalls gleich einpacken lassen. Klar, dass dieser so einiges dagegen hat und den beiden Gutmensch-Aliens sogar die Polizei auf den Hals hetzt.

Die ulkige Naivität des pink tätowierten Hünen, gespielt von Dave Bautista, sorgt immer noch für Schmunzeln – hinzu kommt das nicht weniger einfach gestrickte Gemüt der Halb-Celestial Mantis: Und schon haben wir sowas wie Dick und Doof des MCU, die in ihrem von Nächstenliebe motivierten Eifer für Slapstick, Chaos und skurrile Momente sorgen. James Gunn weiß, wo er ansetzen und wo er aufhören muss, damit das Ganze nicht lächerlich oder bemüht wirkt. Mit dem Faktor Kevin Bacon bewegt er sich dennoch manchmal aufs Glatteis und wirkt in seinen Bemühungen etwas einfältig, doch wir Zuseher sind die Charaktere schließlich alle schon gewohnt, und sowieso war es längst an der Zeit, bei Groot, Rocket und Co nochmal vorbeizuschauen, bevor das Jahr zu Ende geht. Dass Gunns liebevoll errichteter Punsch-Stand an kauzigen Details und musikaffinen Aliens ungefähr so viel Mehrwert hat wie ein Besuch am Adventmarkt, dürfte bei einem Holiday Special klar sein. Der Dreiviertelstünder fühlt sich an wie der kostspielige Pop-Up-Weihnachtsgruß vom Dienstleister, in schmucker CI und mit allerlei Branding. Damit man sich daran erinnert, dass das MCU noch vieles hat, was gerne gut verkauft werden will.

Vergnüglich bleibt das Special aufgrund rockig-smoother Weihnachtssongs, von denen sogar Bacon höchstselbst eines zum Besten gibt. Und aufgrund der kuriosen Details am Rande. Knuffig, wenn sich Drax einen aufblasbaren Elf wünscht. Oder die Guardians ihre Bescherung erleben. Das ist witzig, versöhnlich und irgendwie auch wehmütig, wenn man an den guten alten Yondu denkt.

The Guardians of the Galaxy Holiday Special

Thor: Love and Thunder

ALTE LIEBE ROSTET NICHT

6/10


thorloveandthunder© 2022 Marvel Studios / The Walt Disney Company


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: TAIKA WAITITI

CAST: CHRIS HEMSWORTH, NATALIE PORTMAN, TESSA THOMPSON, CHRISTIAN BALE, TAIKA WAITITI, RUSSELL CROWE, KIERON L. DYER, CHRIS PRATT, SEAN GUNN U. A.

LÄNGE: 1 STD 59 MIN


MCU-Mastermind Kevin Feige hat zwar jetzt noch alles im Griff – die Tendenz aber, welche die neue Phase des MCU gerade anstrebt, könnte zum Problem werden. Denn all die Figuren, Helden und Antagonisten, die da so antanzen, streben danach, ihr eigenes Ding zu drehen und nicht, wie in der letzten Phase bis zum Endgame, einem gemeinsamen, alles verbindenden roten Faden zu folgen. Moon Knight, derzeit wohl das beste aus dem ganzen Kosmos, hat keinerlei Bezugspunkte mehr zu einem gemeinsamen Nenner. Genauso wenig Ms. Marvel (abgesehen von Idol Carol Denvers) – und jetzt noch weniger: Thor: Love and Thunder. Selbst Dr. Stephen Strange setzt nun, wie man aus der Post Credit Scene seines letzten Abenteuers herauslesen kann, das Multiversum nicht mehr so sehr auf die Agenda seiner Dienste, sondern viel eher die Bekämpfung eines zukünftig wohl mehr in Erscheinung tretenden Herrschers der dunklen Dimension – Dormammu. Mal sehen, wie es weitergeht.

Bei Thor: Love and Thunder jedenfalls sind die Taue gekappt, es geht durchs Universum an Bord des Schiffes der Guardians of the Galaxy. Seit Endgame sind einige Jahre her. Der Gott des Donners muss sich, während er gemeinsam mit der streitlustigen Gang Welten vor Aggressoren rettet, erstmal neu erfinden und letzten Endes, wie alle anderen auch in diesem neuen MCU, einen eigenen Weg gehen. Die Guardians, deren knackiges Cameo bereits anfangs für gute Laune sorgt, finden wir dann wohl in einem anderen Abenteuer wieder, während Thor den Bewohnern des auf der Erde gegründeten Neu-Asgards zu Hilfe eilt. Dort treibt Gorr, ein in Linnen gewandeter, glutäugiger Extremist sein Unwesen, der es auf alle Gottheiten des Uni(nicht des Multi-)versums abgesehen hat. Die Erfolgsquote ist Dank eines bestimmten magischen Schwertes relativ hoch, und so fürchten auch die nordischen Heiligen um ihre Existenz. Während Thors proaktivem Einsatz gegen den Schurken und seine Schattenmonster läuft ihm seine alte Flamme Jane (nicht Jodie) Foster über den Weg, die ganz genauso aussieht wie er, nur eben weiblich. Sie schwingt obendrein noch Mjöllnir, während Thors Axt auf beleidigt tut. Klar, dass beide die Challenge auf sich nehmen und sogar dem griechischen, etwas dekadent gewordenen Gottvater Zeus (passend: Russell Crowe) begegnen, um Hilfe von ihm zu erbeten.

Ja, es darf auch in Taika Waititis zweitem Ausflug durch die knallbunte Phantastik eines überbordend diversen Kosmos geschmunzelt und manchmal gelacht werden, selten jedoch mitgefiebert. Der Neuseeländer, dessen infantil-lockerer Erzählstil bei Thor: Tag der Entscheidung einschlug wie eine Bombe und frischen Wind in das Franchise blies, fühlt sich auch bei Love and Thunder so siegessicher wie noch nie. Was ihm vielleicht ein bisschen wie ein Knüppel zwischen die Beine fährt. Statt als Gott des Donners gibt Chris Hemsworth den Gott der Selbstironie – alles ist nur noch mit Augenzwinkern zu genießen; und falls nicht, dann gleicht Buddy Korg (Taika Waititi) mit seiner naiv-ehrlichen Art allfällige Defizite aus. Auf der finsteren Seite: Christian Bale in seinem Marvel-Einstand. Eine eindrucksvolle Gestalt, präzise ausformuliert – millelalterlich, episch und vom Grimm überwältigt. Und ernstzunehmend. Dazwischen weiß Natalie Portman nicht so recht, wie sie denn ihre Figur anlegen soll? Ironisch, ernsthaft, spaßig? Kleine Ahnung. Die Dame aus dem Charakterfach tut sich sichtlich schwer, für ihre Rolle Leidenschaft zu empfinden. Denn nebst Waititis ausgelassenem Weltraumfasching zwischen Flash Gordon und dem Best of Guns N‘ Roses hängt die Dramatik ziemlich durch.

Natürlich sind Schauwerte und Effekte deluxe – ein Film, den man, wenn überhaupt, im Kino gesehen haben muss. Doch Waititi greift zur Blaupause seiner bewährten und lobend besungenen Versatzstücke, während der Plot (entführte Kinder, wie oft noch?) verblüffend ideenlos bleibt. Über echte Empfindungen macht sich Waititi alsbald lustig, additive Charaktere bleiben flach, abgedroschene Floskeln über Liebe – sei sie väterlicher oder partnerschaftlicher Natur – bemühen das müde Auge und das abgekaute Ohr. Aber immerhin: Wir haben fetzigen Hard Rock, übertrieben oft eingesetzte Freeze Frames, die Thor wie Winnie Puuhs Freund Tigger als Springinsfeld über spinnerte Invasoren hereinbrechen lassen. Und ein Götter-WhoisWho, das zumindest allen irdischen, spirituellen wie folkloristischen Ansätzen ihre Legitimität erlaubt.

Dieses Mal hat sich der Gott des Donners neu erfunden – das nächste Mal wird’s wohl Taika Waititi selbst sein müssen, der seine filmischen Prioritäten gerne neu ordnen darf.

Thor: Love and Thunder