Deep Cover (2025)

NUR NICHT AUS DER ROLLE FALLEN

7/10


© 2025 Amazon Prime Video


LAND / JAHR: VEREINIGTES KÖNIGREICH 2025

REGIE: TOM KINGSLEY

DREHBUCH: BEN ASHENDEN, ALEXANDER OWEN, DEREK CONNOLLY, COLIN TREVORROW

CAST: BRYCE DALLAS HOWARD, ORLANDO BLOOM, NICK MOHAMMED, PADDY CONSIDINE, SEAN BEAN, IAN MCSHANE, SONOYA MIZUNO, OMID DJALILI U. A.

LÄNGE: 1 STD 49 MIN


Vom Elben Legolas ist nicht mehr viel übrig: Orlando Bloom hat sich längst von seiner ikonischen Rolle aus Der Herr der Ringe entfernt und in Filmen mitgemischt, die meist blutig, todernst und kriminell zur Sache gehen. Nach einigen Auftritten im Fluch der Karibik-Franchise als William Turner (nicht der Maler) findet der Brite nun prompt in einem situationskomischen Frontalangriff seine neue jüngste Paraderolle. Denn Komödie, die kann er. Erstaunlich gut sogar. Das aber gelingt ihm vorallem deswegen, weil er sich selbst parodiert, auf die Schaufel nimmt, sein Image des distinguierten Beau mit der selbstironischen Handkantenqualität eines Bad Guy kreuzt und durch eine übertriebene Ernsthaftigkeit so viel Sinn für Humor entwickelt, dass sich selbst Bryce Dallas Howard, die längst schon Erfahrungen im Komödienfach gesammelt hat (darunter Argylle), schwertut, um mitzuhalten. Doch es gelingt ihr, auch dem dritten im Bunde – es ist Nick Mohammed, den einige vielleicht noch nie am Schirm hatten, den Fans der Serie Ted Lasso aber wiedererkennen werden. Alle drei sind in Deep Cover ausgesuchte Außenseiter, verkannte Loser und vom Leben delogiert.

Blooms Figur des Marlon ist ein von allen unterschätzter Schauspieler, der sich gerne mit De Niro und Pacino vergleicht und das Method Acting liebt, will heißen: Niemals aus der Rolle zu fallen. Doch keiner hat auf einen wie ihn gewartet, außer vielleicht Impro-Künstlerin Kat, die schon seit Jahrzehnten im stillen Kämmerlein ihr Kabarettprogramm schreibt und ansonsten bühnenaffines Freizeitvolk im Improvisieren unterrichtet. In diesen Theaterkeller verirrt sich auch der gemobbte It-Experte Hugh, einer mit Null Ahnung, was Pointen überhaupt sind und stets zur richtigen Zeit das Falsche sagt oder umgekehrt. Die drei finden sich bald in einem verdeckten Polizeieinsatz wieder, angeführt von mit Sterberollen gesegneten Sean Bean, der auf unorthodoxe Weise illegalen Zigarettenhandel aufdecken will. Die drei sehen also ihre Chance gekommen, endlich mal zu zeigen, was in ihnen steckt. Und da am wenigsten Orlando Bloom seine andere Identität aufgeben will und die anderen beiden mitziehen, stecken sie bald bis über beide Ohren in den Machenschaften einer Unterwelt, die mit Drogen handelt und unliebsames Gesocks gerne über die Klinge springen lässt.

Den Text studieren oder improvisieren?

Es sei dabei noch einmal erwähnt, wie selbstironisch sich Orlando Bloom durch den Kakao zieht – kaum zieht er seine Show ab, lässt sich das Lachen kaum verkneifen. Im Grunde hätte er den Film auch im Alleingang gerockt, doch vielleicht wäre dann sein üppig präsentiertes Ego gar zu viel des Guten gewesen. Angenehm nüchtern und erst nach mehrmaligem Hinsehen in seiner Darstellung versiert ist Nick Mohammeds introvertierter Komplexler, den alle nur „den Knappen“ nennen. Deep Cover feiert die kreative Spontaneität, ohne aber sein Ensemble selbst improvisieren zu lassen. Wäre es nicht interessant gewesen, Tom Kingsley hätte ein Drehbuch verfilmt, das völlig offen gelassen hätte, wohin die Improvisation die Handlung geführt hätte? Zu viel Experiment, zu unsicher, aber zumindest ansatzweise avantgardistisch. Man hätte unterschiedliche Versionen filmen und interaktiv aussuchen können, wie die drei reagieren. Doch egal, das sind nur Überlegungen.

Das Skript war zwar strikt vorgegeben, wirkt aber dennoch nicht so, als hätten Bloom, Howard und Mohammed alles penibel auswendig gelernt. Die Pointen sind gut gesetzt, die Lust an der traditionellen Kriminalkomödie, die in den Achtzigern ihre Hochzeit feierte, spürbar. Selbstredend darf man sich keine großen inhaltlichen Sprünge erwarten, auch keine Metaebene oder irgendeinen Tiefgang. Deep Cover ist Unterhaltung für Schenkelklopfer und Hirnauslüfter, zeigt Komödie der Komödie wegen und schenkt Bloom den goldenen Clown für den draufgängerischen Mut und einen unerschütterlichen Glauben, mit falschen Identitäten vor den Gefahren dieser Welt gewappnet zu sein.

Deep Cover (2025)

Civil War (2024)

MAKE AMERICA BREAK AGAIN

8,5/10


civilwar© 2024 A24 / DCM


LAND / JAHR: VEREINIGTES KÖNIGREICH, USA 2024

REGIE / DREHBUCH: ALEX GARLAND

CAST: KIRSTEN DUNST, WAGNER MOURA, CAILEE SPAENY, STEPHEN MCKINLEY HENDERSON, JESSE PLEMONS, NICK OFFERMAN, SONOYA MIZUNO, JEFFERSON WHITE, NELSON LEE U. A.

LÄNGE: 1 STD 49 MIN


Der Sturm aufs Kapitol hätte der Anfang werden können für etwas, dass wohl die ganze Weltordnung neu geschrieben hätte. Denn wir wissen längst: Die Vereinigten Staaten von Amerika haben diese immer schon mitbestimmt, war es nun der Erste oder der Zweite Weltkrieg, Operation Wüstensturm, der Sturz Saddam Husseins oder die Bereitschaft, die Ukraine gegen den russischen Aggressor mit allerhand Kriegsmaterial zu unterstützen. Das US-Amerika ist nicht nur Entscheidungskraft im weltpolitischen Handel, auch die Lebenswelt in Übersee ist uns dank des übereifrigen Outputs an Hollywood-Filmen so dermaßen vertraut, als würde man selbst dort drüben leben. Keine andere Staatengemeinschaft wie diese hat dermaßen viel Einfluss. Umso erschreckender muss es also sein, wenn die selbsternannte Weltpolizei, die geschlossen gegen die Achsen des Bösen angekämpft hat, plötzlich und im eigenen Land nicht mehr Herr der Lage ist und von innen heraus zerbricht. Es wäre eine Katastrophe langen Atems und alles umstürzend, was die Wohlstandswelt wertschätzt.

Als Anfang von etwas Neuem und zweifelhaft Gutem hätte der 6. Januar 2021 zwar nicht sogleich einen Krieg, dafür aber einen weitaus größeren Erdrutsch verursachen können, der Folgen nach sich ziehen hätte können, die Alex Garland nun in die existenzgefährdenden Albträume der US-amerikanischen Bevölkerung als böse Saat einpflanzt. Der Umbruch ist in Civil War längst nicht mehr aufhaltbar, die Ordnung ist dahin, der Notstand ein Euphemismus. Dieser Film ist nichts, was uns Europäer nicht angeht. Er bedient die größte Angst der westlichen Welt, ihre prachtvolle Convenience-Blase platzen zu sehen. Weil plötzlich ist, was nicht sein darf. Weil die Welt nur immer woanders zugrunde geht, nur nicht hier, wo der Überfluss alles richtet.

Civil War ist weniger ein politischer Film. Alex Garland ist es sowas von egal, wer nun wen bekämpft, welche politischen Agenden dahinterstecken, welche Ideale nun kolportiert werden und was sich der noch amtierende Präsident der Vereinigten Staaten eigentlich hat zuschulden kommen lassen, um jetzt um sein Leben zu bangen. Denn schließlich ist es ja so, dass jene Recht behalten, die dieses Gemetzel gewinnen. Kriege verlieren hingegen sehr schnell ihren Sinn, der Ausnahmezustand schafft ein Vakuum, in dem sich nur schwer ein gewisser Alltag leben lässt. Und wenn doch, erscheint er grotesker als alles andere. So einen Zustand müssen die vier Journalistinnen und Journalisten Lee, Jessie, Joel und Sammy erstmal verdauen und als gegeben akzeptieren. Sie sind unterwegs quer durchs Land, um zur rechten Zeit am richtigen Ort den schwindenden Präsidenten zu einigen letzten Worten zu bewegen, denn alles sieht danach aus, als stünden die Western Forces kurz davor, auch die letzte Bastion der alten Paradigmen niederzureissen. Es ist wie die Schlacht um Berlin, die Schlacht um Bagdad, die Schlacht um eine heile falsche Welt, die bald entbrennen wird. Das Quartett möchte vor allen anderen ins Weiße Haus gelangen, der Ehrgeiz des Reporters ruft, und die Versuchung, zu selbigem des Satans zu werden, lockt wie schnöder Mammon. Sie versuchen, Würde zu wahren und so zu tun, als würde sie der jeweils andere interessieren. Eine Zweckgemeinschaft, die während einer über 800 km langen Fahrt Zeuge einer Zombieapokalypse nur ohne Zombies wird, in der rechtsextreme Republikaner die Gelegenheit am Schopf packen, ihre Welt von allem Fremden zu säubern, Scharfschützen ohne Fraktion einander die Birne wegschießen und Lynchjustiz an der Tagesordnung steht. Es sind Bilder, die man von woanders kennt.

Endlich sieht man mal wieder Kirsten Dunst in einer Rolle, die ihr auf den Leib geschneidert scheint. In längst abgestumpfter Professionalität einer Kriegsreporterin hat sie alles schon gesehen, nur sie selbst war noch nie wirklich Teil davon. Wagner Moura als jovialer Cowboy, Stephen Henderson als der amerikanische Christian Wehrschütz, der schon längst in den Ruhestand hätte treten sollen, es aber nicht lassen kann, und zuletzt Cailee Spaeny (Priscilla) als kindlicher Ehrgeizling, der zum einen eine Scheißangst vor dem Krieg hat, zum anderen aber bald die Gefahr als Droge missbraucht, um noch bessere Bilder zu machen als Lee Smith aka Kirsten Dunst, die es anfangs für keine Gute Idee hält, dieses Greenhorn mitzunehmen. Garland schafft mit diesen „Vieren im Jeep“ neben all der Kriegsstimmung und des Notstands ein Ensemblespiel in kunstvoller Effizienz, was das Portraitieren von Charakteren angeht. Civil War ist Kriegsreporter-Kino allererster Güte, so eindringlich wie Salvador oder The Killing Fields – und dann das: Anders als all die besten aus der Hochzeit des Politkinos Ende der Achtziger fühlt sich Civil War aufgrund seiner Nähe zu einer uns wohlbekannten Welt und einem unmittelbarem Zeitgeist tatsächlich so an, als sähe man das, worüber Garland berichtet, in den hauseigenen Nachrichten. Civil War ist das schweißtreibende Imitat einer nahen, möglichen Realität, die scheinbar Unzerstörbares aushebelt und niederringt. Immer wieder findet Garland Bilder von weltvergessener Schönheit und konterkariert seinen Krieg mit einer Compilation aus Countrysongs, Hip Hop- und Space Rock, die das Gesehene so irreal erscheinen lassen wie Napalmbomben am Morgen unter den Klängen von The Doors. Coppolas Antikriegs-Meisterwerk Apocalypse Now wirft Garland auch verstohlene Blicke zu – so manche Szene ist zu bizarr, um ihm Glauben zu schenken. Der Boden unter den Füßen findet kaum Halt.

Gegen Ende uns Zusehern vor die Füße geworfen, ist die Schlacht um Washington D.C ein Brocken selten gesehener, moderner Kriegsführung, sie gerät weder prätentiös noch pathetisch, sondern so authentisch wie der Lockdown oder Flüchtlingsströme vor der Haustür. Auf diesen Zug, in welchem Good News Bad News sind und Bad News irgendwann vielleicht Good News werden, springt Civil War auf und fährt die Achterschleife. Garland bringt seinen Plot dramaturgisch auf den Punkt, lässt weg, was den Höllenritt nur ausbremst, lässt manches im Geiste seines Publikums weiterspinnen, redet auch nicht lang drum herum. Als klar wird, dass die Härte und Arroganz der Kriegsführung im eigenen Land auch jener entspricht, mit der die USA bereits allerorts auf dieser Welt einfielen, wird einem so richtig mulmig. Die Zivilisation zeigt sich als Camouflage, der Altruismus in Krisenzeiten als Lippenbekenntnis. Wo es die Menschheit hinbringt, lässt Garland im Ungewissen. Was sie anstachelt, ist weniger der Mut zur Veränderung als lediglich die Gier nach einem wie auch immer gearteten Sieg.

Civil War (2024)