End of the Road

THE QUEEN IS NOT AMUSED

3,5/10


endoftheroad© 2022 Netflix Österreich


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: MILLICENT SHELTON

BUCH: CHRISTOPHER J. MOORE, DAVID LOUGHERY

CAST: QUEEN LATIFAH, BEAU BRIDGES, LUDACRIS, MYCHALA LEE, SHAUN DIXON, JESSE LUKEN, FRANCES LEE MCCAIN, TABATHA SHAUN U. A.

LÄNGE: 1 STD 31 MIN


Wenn man in den USA Überland unterwegs ist und dabei in einem Motel übernachten muss, gilt als erste Regel: Mische dich niemals – ich wiederhole: niemals – in Angelegenheiten der Zimmernachbarn ein. Auch wenn sich diese lautstark zu irgendwelchen Handgemengen hinreissen lassen, die noch dazu das Ableben eines der Streitenden nach sich ziehen. Die zweite Regel besagt: Auch wenn es den Anschein hat, dass die Querelen nebenan nun vorbei sind und dort niemand mehr aufzufinden ist: Gehe niemals dort hinein und schnüffle am Tatort rum. Und die dritte Regel – obwohl man davon ausgehen sollte, dass niemand so bescheuert sein sollte, diese wirklich und wahrhaftig zu brechen: Nimm, nachdem du Regel zwei schon gebrochen hast und sowieso alles egal ist, zumindest nichts mit, was nicht dir gehört. Auch – oder gerade, wenn es Millionen an Dollars sind, die in einer Tasche unterm Waschbecken ihrer Abholung harren. Diese Millionen lässt niemand so einfach stehen. Schon gar nicht jemand, der den Vorbesitzer dieses Trageutensils in die ewigen Jagdgründe geschickt hat.

Nun, so viel bei Verstand sollte zumindest jeder sein, der bis zehn zählen kann. Ist er aber nicht. Da gibt es den naiven Reggie (Rapper Chris „Ludacris“ Bridges), ein Ex-Knastbruder, der gemeinsam mit seiner älteren Schwester Brenda (Queen Latifah), seiner Nichte und seinem Neffen unterwegs ist zu deren Mutter, um neu anzufangen. Die Fahrt ist lang, und ohne Sleepover wird’s nicht gehen. Und siehe da: Die Nacht bringt eingangs erwähnte Unruhen mit sich. Und siehe da: der naive Reggie bricht Regel Nummer drei und schnappt sich, ohne dass die anderen es wissen, die Tasche voller Geld. Was folgt, sind Komplikationen, die entstehen, wenn man sich unter den Nagel reisst, was einem nicht gehört. Bares in Taschen ist meist unrechtmäßiges Eigentum von Verbrechern, die auch nicht zögern, Gewalt anzuwenden. In End of the Road kommt es, wie es kommen muss. Zum Glück aber haben sie einen kauzigen Sheriff in Gestalt von Beau Bridges an ihrer Seite, den genauso gut Clint Eastwood oder gar Liam Neeson hätten spielen können. Behäbig, jovial, und im Bilde, wenn es um gesetzliche Schieflagen geht.

Um diese flüchtenden und jagenden Figuren weht der Staub eines unerbittlichen New Mexiko. Die Einschicht und Isolation dieses Landstriches, der Hang zur Anarchie, die Gesetzlosigkeit, wie sie schon Steven Spielberg in seinem Duell bestens beschrieb, und die schon der Roadmovie-Thriller Joyride knackig formuliert hat, trägt auch in End of the Road von Millicent Shelton dazu bei, die Anzahl an Möglichkeiten, um aus dieser Sache schadlos herauszukommen, drastisch zu reduzieren. Wäre Queen Latifah nicht, die als Big Mama ordentlich auf den Putz haut und auch gleich einem ganzen Dutzend stiernackiger Nazis zeigt, wo die mütterlichen Instinkte herkommen, wäre der auf Netflix erschienene Durchreise-Thriller ein dramaturgischer Kolbenreiber mitten auf dem Highway.

Doch es kommt kein Hitcher, es kommt kein Truck, es kommt, wie man befürchtet hat, dass es nicht kommen soll. End of the Road bedient sich stereotypischen Story-Twists, die so abgenützt sind, dass sie jeglichen Suspense vermissen lassen. Die so konstruiert sind, dass sich selbst Millicent Shelton (die leider nicht das Script selbst schrieb) am Ende gar nicht mehr bemüht, ihren Film sorgfältig auszuerzählen. Und Queen Latifah? Nun, sie tut, was eine verzweifelte Mutter eben tut, um es allen recht zu machen. Selbst ihrem trotteligen jüngeren Bruder, den man eigentlich durch Sonne und Mond schießen sollte.

End of the Road

Der unverhoffte Charme des Geldes

ZUM TEUFEL MIT DEN KOHLEN

6,5/10

 

charmedesgeldes© 2018 Cinémaginaire Inc. – Film TDA Inc.

 

LAND: KANADA 2018

REGIE: DENYS ARCAND

CAST: ALEXANDRE LANDRY, MARIPIER MORIN, RÈMY GIRARD, MAXIM ROY, VINCENT LECLERC U. A.

 

Kanadas wohl bekanntester Filmemacher neben David Cronenberg ist womöglich Denys Arcand. Der Mann ist Oscarpreisträger, und zwar für seine eloquente Satire Die Invasion der Barbaren. Ein spitzzüngiger, sehens- und vor allem ob der Dialoge hörenswerter Film. Allerdings auch schon länger her, genau 16 Jahre. Drei Filme später legt der Autorenfilmer mit Hang zum Understatement eine ganz andere Komödie vor, oder viel mehr eine Thrillerkomödie, die den guten Mammon zum Thema hat. Und er lässt es regnen, das viele Geld, auf einen Unglücksraben, der sich selbst ganz nach Woody Allen-Manier für das Maß aller Dinge hält und mit zynischen Betrachtungsweisen seine Umgebung immer wieder vor den Kopf stößt. Nichts ist gut genug für den Paketzusteller, der es sogar noch schafft, seine Freundin mit Worten davonzuekeln. Alles soll sich ändern, als Fortuna das Füllhorn entgleitet. Und Fortuna schüttet es da aus, wo andere ins Gras beißen. So gesehen bei einem Banküberfall, der aber vereitelt wird, trotzdem es auf beiden Seiten keine Gefangenen gibt. So steht der intellektuelle Jungspund in kurzen Hosen und Lieferwagen alleine da, vor ihm mehrere Taschen voller Kohle. Was tun in so einem (un)glücklichen Moment? Natürlich das Geld schnappen und so tun als wüsste man von nichts. Und das, obwohl man eigentlich gegen den globalen Kapitalismus wettert.

Das Glück ist, wo sie sind – sagen die Casinos Austria. Am Glück klebt aber auch das Pech wie selbiges an der sinistren Schwester der Goldmarie. Gute Taten helfen da nicht weiter. Oder doch? Wäre ja alles kein Problem, gäbe es da nicht die gesamte Unterwelt Montreals, die diese vermaledeiten Sporttaschen sucht. Und zu drastischen Maßnahmen greift, wenn es darum geht, diese aufzuspüren. Die sind manchmal wirklich weit über der Schmerzgrenze. Wer sehen will, wie Foltermethoden aus dem Mittelalter so manch einem halbseidenen Ganoven die Wahrheit entlocken, der kann sich gerne auf dieses Katz- und Mausspiel einlassen. Was aber nicht heißen soll, dass Denys Arcand andauernd die Grenzen zwischen süffisanter Diebesballade und wenig gelenkschonender Gewalt auslotet. Nein, das tut er nicht. In Jesus von Montreal war es auch nur die Kreuzigung Jesu im Selbstversuch, der Rest kluges Gesellschaftsdrama. Der unverhoffte Charme des Geldes setzt seine Gewaltspitzen aber auf überrumpelnde Weise. Dazwischen: durchaus turbulente Bestrebungen rund um hohe Summen, was wiederum an Richard Pryors Eskapaden aus dem 80er-Klamauk Zum Teufel mit den Kohlen erinnert. Damals war’s eine Erbschaft, hier mehr oder weniger Blutgeld.

Die unaufgeregt bebilderte „Oceans“-Satire macht aus kapitalistischer Gier einen sozialen Krankheitsfall, so als würde jemand an Geld leiden, und andere sollen die Symptome gefälligst kurieren. Der junge Held aus Denys Arcands Film wird selbstredend in Versuchung geführt, angelt sich auch eine bildschöne wie sündteure Hostess (wahnsinnig erotisch: Maripier Morin) und tut sich noch dazu mit einer Parodie auf Helmut Elsner (ich sage nur: Bawag) zusammen, um die Knete, anstatt sie zu verbrennen, in alle vier Winde zu verstreuen. Es ist wie die wundersame Brotvermehrung, womit wir wieder bei Jesus von Montreal wären. Und das Geld verliert ein paar von seinen dunklen Seiten, weil es immer darauf ankommt, was man damit macht. Es horten, raffen oder verteilen, als wäre es nichts als ein Mittel zum Zweck. Was es ja auch ist.

Der unverhoffte Charme des Geldes