Venom

SOLO FÜR ZWEI

5/10

 

venom© 2018 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

 

LAND: USA 2018

REGIE: RUBEN FLEISCHER

CAST: TOM HARDY, RIZ AHMED, MICHELLE WILLIAMS, MICHELLE LEE U. A.

 

Mit Lily Tomlin und Steve Martin aus der launigen 80er-Komödie selben Titels lassen sich diese beiden Hitzköpfe aus vorliegendem Film nicht wirklich vergleichen. Viel eher lassen sich folgende Vergleiche ziehen: Man stelle sich eine Wanderung in den Feuchtgebieten der tropischen Hemisphäre vor und holt sich dabei völlig unfreiwillig und erstmal nichts ahnend einen Bandwurm an Bord. Dieses Wesen ist natürlich ein Parasit, was so viel bedeutet wie: ich lebe von dir, aber du nicht von mir. Klar, dass das Wesen Venom da angepisst reagiert, denn es will sich ja als Symbiont verstanden wissen. Was dann wieder so viel bedeutet wie: du nutzt mir, ich nutze dir, also freuen wir uns, dass keiner von uns, solange wir existieren, einen uneingeschränkten freien Willen hat. Ein Leben im Kompromiss also. Es ist, als würde der eingetretene Bandwurm den Wirten rotzfrech von der Seite her anquatschen, im Bauchladen sämtliche Fähigkeiten, die nur ein Superheld an den Tag legen kann. Wäre das ein reizvolles Angebot? Naja, nein. Ich wäre schon sehr gerne mit mir selbst allein. Noch dazu ist der Symbiont wie in Venom abgrundtief hässlich, also so hässlich wie die Nacht. Nichts, was ich würde vorzeigen wollen, es sei denn zu Halloween, da wäre ich die Rampensau schlechthin, mit all diesen Beisserchen in meinem Dauergrinser. Doch womöglich grinst Venom ebenso wenig wie Delphine es tun. Besser drauf ist die wüste Lebensform dadurch auch nicht. Es soll ja heißen, dass ein Lachen mehrere Tafeln Schokolade an Glücksbotenstoffen aufwiegt, doch so richtig alle Viere gerade sein lassen kann Venom auch nicht, so ganz ohne Fremdkörper. Die Liebe auf den ersten Blick, die stellt sich dann nach gedehntem Anlauf im Labor des windigen Schurken Riz Ahmed dann auch endlich ein. Leidtragender ist Eddie Brock. Und dabei wären wir auch schon beim eigentlich einzigen wirklichen Highlight des Filmes: Tom Hardy

Venom, das ist eine Mischung aus Lewis Carol´s Grinsekatze, intelligenter Knete und Alien, wobei sich der Xenomoprh angesichts der Bisskraft vielleicht noch die eine oder andere Zusatzbrücke zulegen wird. Eine eigenwillige Horrorgestalt, die längst nicht allein auf Gottes Erden weilt, denn da gibt es noch andere Organismen, die es auf unseren Planeten geschafft haben, und die noch perfider agieren als unser sonor tönendes Monster mit leicht narzisstischen Tendenzen. Da fehlt nicht mehr viel bis zum Ding aus einer anderen Welt und den Body Snatchers. Das ist für Marvel das tatsächlich wohl monströseste Spin Off – und bleibt in seiner zomboiden Liebäugelei als Außenseiter des ganzen Comic-Universums ziemlich alleine im Regen stehen. Keine Ahnung, was Sony hier geritten hat, sich selbst aus dem Marvel Cinematic Universe auszunehmen und somit selbst ins Aus zu kicken. Venom, so scheint es zumindest in diesem ersten von geplanten mehreren Teilen, wird es schwer haben, irgendwo an eine bereits bestehende Storyline anzudocken. Die Vorstellung, dass Spiderman hier mitmischen könnte, und vor allem Spiderman im lausbübischen Gehabe eines Tom Holland, gerät ins Stocken. Bis auf den obligatorischen Cameo-Auftritt von Marvel-Urvater Stan Lee schlägt das Alien-Abenteuer einen völlig anderen Tonus an, der so gar nicht der Avengers-Welt entspricht.

Venom versucht, sich selbst und die ganze Symbionten-Thematik auf die leichte, locker-flockige Schulter zu nehmen und lässt Eddie Brock mit seinem Invasor Doppelconferencen vom Stapel, die teilweise auch zum Schmunzeln sind, aber nie wirklich an sich selbst glauben. Genauso wenig glauben die Protagonisten so wirklich an das, was sie tun, geschweige denn ob das, worauf sie sich einlassen, wirklich die richtige Entscheidung ist. Die besten Momente hat die Comic-Verfilmung in den schauspielerischen Solo-Momenten von Tom Hardy. Seine Anstalten, sich selbst zu diagnostizieren und sein Bemühen, die seltsamen Symptome der körperlichen Belagerung zu bekämpfen, ist fast schon eine Sternstunde unter den Helden-Genesen. Da leidet man fast schon mit, wenn unaufgetaute Tiefkühlkost als Nahrung herhalten muss und ein Aquarium fiebersenkend wirken soll. Ist der Symbiont dann akzeptiert, ist das Engagement Tom Hardy´s zwar immer noch ungebrochen, dem Film selbst aber bleibt nur noch simpel zusammengeschusterte Comic-Action, die in ihrer Qualität im Vergleich zu anderen Produktionen deutlich in der zweiten Reihe tanzt, dabei oft chaotisch und ziemlich fahrig wirkt. Das kennen wir schon aus Sony´s bisherigem Spider-Verse in Form von überlangen und lähmend krawalligen Kinoabenteuern. Das passt aber zum Plot, der wie aus bereits vorgefertigten Modulen grob aneinandergelegt ziemlich viele unschlüssige Zwischenräume lässt. Die Figur des Antagonisten ist ebenso wenig ausgearbeitet wie der weibliche Sidekick von Eddie Brocks Ex-Freundin, die von einer Michelle Williams verkörpert wird, die sich wie die Jungfrau mit dem Kind völlig deplatziert vorkommt und sich daher auch schauspielerisch völlig ratlos durch den Film wundert.

Venom ist eine nur bedingt geglückte Comicverfilmung, die ihren Reiz einzig und allein im Dialog zwischen Symbionten und Wirt ausspielt. So gesehen ist dieser Charakter-Einstand mehr eine phantastische Psycho-Satire als wirklich ein Event-Spektakel auf Schiene, womit wir wieder bei Solo für Zwei wären. Diesen ganzen, an den Haaren herbeigezogenen Schnickschnack von Storygerüst hätte es eigentlich überhaupt nicht gebraucht, doch das wäre dann wieder zu wenig gewesen, vielleicht aber für einen knackigen Kurzfilm ganz gut. Tom Hardy-Fans allerdings, die den ehemaligen Widersacher Batmans mal ganz anders und völlig neben der Spur erleben wollen, kommen an Venom eigentlich nicht vorbei. Das gilt aber auch für Marvel-Nerds, die der Vollständigkeit halber auch mit Ruben Fleischer´s bemühter, ziemlich bizarrer Monster-Bromance ein Tänzchen wagen sollten, trotz all der filmischen Notfallversorgung rund um den interstellaren Haifisch, der da Zähne hat, und die trägt er im Gesicht – frei nach Mackie Messer.

Venom

Valerian – Die Stadt der tausend Planeten

SHAKEHANDS IM WELTRAUM

7/10

 

valerian

REGIE: LUC BESSON
MIT CARA DELEVIGNE, DAN DEHAAN, CLIVE OWEN, ETHAN HAWKE, RIHANNA

 

Am Anfang war nur ein Händeschütteln, ein simpler Willkommensgruß. Höflich, respektvoll. Hunderte Jahre später ist es ein Schmelztiegel aus mindestens zweitausend nebeneinander und miteinander lebender Lebensformen, die das Städtekonglomerat Alpha bewohnen. Und es wird größer, immer größer. Ein Ballungsraum, dem aber glücklicherweise nie der Platz ausgehen wird, so sehr das Gebilde noch expandieren mag. Alpha – das ist der Traum eines funktionierenden, intakten Babels. Eine Welt tausender Sprachen und Dialekte. Ein amorphes Konstrukt des Friedens, ein künstlicher Planet. Keine Ringwelt wie bei Larry Niven´s Romanidee, dafür aber ein stählernes Geoid. Ein Himmelskörper mit unzähligen Hohl- und Zwischenräumen. Die Stadt der tausend Planeten ist zu schön, um wahr zu sein. Aber was schön und fern des Realen zu sein scheint, dem geben sich Science-Fiction-Fans mit Hang zum phantastischen Fabulieren nur allzu gerne hin. (Fans von Star Wars zum Beispiel. Oder den Guardians of the Galaxy.) Und endlich hat das Kino wieder neues, erfrischendes Augenfutter für Freunde des Phantastischen im Programm.

Nach dem Weltraumklassiker Das fünfte Element hat sich der schreibwütige Kultregisseur Luc Besson den Comics von Valerian & Laureline (auf Deutsch: Valerian & Veronique) angenommen. Lange zögernd, ob diese Geschichten überhaupt verfilmbar wären, hat frühestens James Cameron´s Avatar den Startschuss für eine konkrete Realisierung gegeben. Wenn es gelingt, wie in dem Motion-Capture-Planetenepos komplette Welten entstehen zu lassen, dann dürfte Valerian eigentlich auch kein Problem mehr sein. Gesagt getan – rund 8 Jahre später beeindruckt der französische Weltraumzirkus mit überbordendem Einfallsreichtum, üppigen Welten und jeder Menge Kreaturen jenseits des zu Erwartenden. Wenn ein Film mit der Artenvielfalt eines Star Wars-Universums mithalten kann, dann Valerian. Hier treiben sich nicht weniger Wesen herum wie in den Cantinas zwischen Tatooine und Coruscant. Oder in der geheimen Basis der Men in Black. Wer die Qualität eines Filmes am Einfallsreichtum misst, der sich in den Figuren, Details und Settings widerspiegelt, kann sich auf ein verblüffendes, schwelgerisches Meisterwerk gefasst machen, dass von Lebensräumen und Lebensweisen erzählt, die jede für sich ein eigener Film wert wären. Da gibt es riesige, gepanzerte Seekühe, die in Symbiose mit telepathischen Quallen leben. Da gibt es Gürteltier-ähnliche Wesen, die alles, was sie zu fressen bekommen, multiplizieren können. Oder Tick, Trick und Track des Universums, die als gut bezahlte Informanten durch Alpha spazieren. Besson setzt in seinem neuen Film – womöglich der Anfang einer Filmreihe, je nach Kassenerfolg – die Latte noch höher als beim fünften Element.

Das Schicksal des Volkes der wachshäutigen, hochgewachsenen Pearls ist das Herzstück von Valerian. Mit viel Liebe zum Detail skizzieren Besson und sein Team eine intelligente Ethnie zwischen Massai und Na´vi, die ähnlich um ihre Existenz kämpfen muss wie die blauhäutigen Riesen auf der Dschungelwelt Pandora. Um diese humanoide Katastrophe herum entspinnt sich ein rasantes Agentenabenteuer, das zwar charmanter, barocker und verspielter, aber weniger chaotisch und zynisch daherkommt wie die Guardians of the Galaxy. Und da liegt vielleicht auch das einzige Handicap des seit dem ersten Kinotrailer gespannt erwarteten Filmes. Ein Handicap, dass Marvel´s unendliche Kinoweiten nicht hat. Valerian fasziniert aufgrund seiner fremdartigen Völker – aber weniger aufgrund seiner Hauptdarsteller. Cara Delevigne, extravagantes Model und IT-Girl, passt sowohl Raumanzug als auch sommerliche Touristenkluft. Sicher eine interessante Besetzung, und überzeugender als ihre Hexen-Performance in Suicide Squad. Aber bei weitem nicht so exaltiert und spielfreudig wie die blutjunge Milla Jovovich an der Seite von Blondschopf Bruce Willis. Womit wir schon bei seinem Erben wären – Dane DeHaan. Mag der Junge noch bei Chronicle denkwürdige Superkräfte entwickelt haben – in Valerian bleibt er als Vertreter seiner Gattung Homo sapiens ziemlich farblos. Delevigne und DeHaan zusammen erinnern an Jennifer Lawrence und Chris Pratt aus Passengers. Auch bei diesen beiden hätte es zwar laut Drehbuch knistern sollen. Im fertigen Film blieb davon aber wenig über. In Valerian gebärden sich die beiden Superagenten nicht anders als zwei Collegefreunde, die für ein Schulprojekt recherchieren müssen. Sich gegenseitig triezend, küssend und schmollend wirbeln sie durch die Straßenschluchten der schwebenden Stadt und bemühen sich, mit Starlord und Co Schritt zu halten. Sie bleiben doch einige Lichtminuten hinter den Erwartungen zurück, was Luc Besson mit seiner bestechenden Optik zu kompensieren versucht.

Auf der Habenseite bleibt Valerian also ein süchtig machender, wenn auch manchmal etwas zu synthetischer kreativer Genuss, von dem man immer mehr haben will. Auf der anderen Seite ist die Weltraum-Freakshow an fremden Physiognomien und Moden ein Abenteuer, dessen Figuren aus dem Rechner mehr Persönlichkeit haben als die realen Stars, was nicht unbedingt zum Vorteil gereicht. Mit Ausnahme des genialen Cameos von Ethan Hawke. 

Valerian – Die Stadt der tausend Planeten

Alice im Wunderland 2 – Hinter den Spiegeln

WUNDERLAND IST ABGEBRANNT

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Der britische Schriftsteller Lewis Carroll erschuf in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts eine phantastische Kindergeschichte, die er auf Bitten von Alice Liddell, einem ihm bekannten und verehrten Mädchen, zu Papier brachte. Wobei nur der erste Band, Alice im Wunderland, eine durchgehende Geschichte war. Alice hinter den Spiegeln, der rund zehn Jahre später erschienene Folgeband, war nur mehr eine Sammlung aus Kurzgeschichten und Gedichten aus einer surrealen Wunderwelt, wo alles möglich zu sein scheint und jedes noch so bizarre Lebewesen existieren kann. Neben Michael Endes unendlicher Geschichte und Alfred Kubins Anti-Fantasy Die andere Seite ist Carrols Phantasmagorie wohl eine der psychologisch-phantastischsten und kreativsten Geschichten überhaupt. Aber wie wagt man sich an einen solch überbordenden Stoff heran, wie wird man so einer Fülle an Ideen und Bildern überhaupt gerecht? Die Zeichentrickserie aus den Achtzigern, die meine Generation im Kinderprogramm sehen durfte, hat uns Kleinen etwas mit dieser Welt vertraut gemacht. Nie wieder werden wir vergessen, wer Humpty Dumpty, der Märzhase oder der Hutmacher sind. Vor einigen Jahren aber hat sich niemand geringerer als Visionär Tim Burton an den Stoff herangewagt – allerdings hat er die Story etwas adaptiert und erwachsener gemacht. Und hat eine üppig bebildertes Widersehen mit all den schrägen alten Bekannten organisiert – in mäßigem 3D wohlgemerkt.

Der nachgeschossene zweite Teil, der sich aus dem Motivfundus von Carrolls zweitem Buch bedient, ist allerdings ein bemitleidenswerter Fehlgriff geworden, der alles Kreative und Lebendige in klinischem CGI ertränkt. Ich weiß nicht, wie anders Tim Burton seinen ersten Teil angelegt hat – No Name-Regisseur James Bobin jedenfalls hat es nicht richtig gemacht. Womöglich war er mit dem Stoff überfordert. Womöglich wollten die Studios unbedingt an der Erfolgsgeschichte des Erstlings anschließen. Doch auf Biegen und Brechen lässt sich keine Fortsetzung machen, das wissen wir. Da sind schon viele baden gegangen. Und so auch Alice, die zweite. Was wir hier sehen ist ein albernes Familiendrama rund um den Hutmacher. Natürlich reicht das nicht, da müssen noch die weiße und die Herzkönigin her, und deren Familiengeschichte erzählt werden. Haben die denn alle Carrolls Geschichte nicht verstanden? Der Zauber der Figuren, das Surreale, das Mystische – das liegt im Geheimnis um jede einzelne Figur in diesem metaphysischen Universum. Sie sind einfach da. Sie müssen keine Familie haben. Sie sind von unserer gewohnten Welt vollends entkoppelt. Daher ist es ja ein Wunderland. Wieso nun diese Ahnenforschung? Dieses Vermenscheln traumartiger Gestalten? Das ist ja so, als würde man den zerronnenen Taschenuhren Dalis eine physikalische Ursache für ihren Zustand unterschieben. Will das wer? Ich denke nicht.

Doch abgesehen davon ist Alice im Wunderland 2 – Hinter den Spiegeln ein bestes Beispiel dafür, wie man CGI genau nicht einzusetzen hat. Es ist eine ungeschriebene Regel, dass das Verhältnis computeranimierter und realer Elemente zumindest halbe-halbe sein muss. Besser noch, die CGI ist so perfekt in die Bilderwelt integriert, dass man nicht genau trennen kann, was nach dem Dreh hinzugefügt wurde und von vornherein schon da war. Dieser Film zerstört sich aber selbst, indem er billige Welten auferstehen lässt, die so offensichtlich künstlich sind, dass jeder Charme und jeder Reiz verloren geht. Das Problem hatte bereits Star Wars – Angriff der Klonkrieger, das Problem hatte Gods of Egypt. CGI ist ein wunderbares Werkzeug, doch es sollte dem Zweck dienen, und nicht den Film dominieren. Vor allem, wenn es noch dazu schlecht gemacht ist.

Alice verliert im Sequel ihr Wunderland. Da kann nicht mal die Zeit in Gestalt von Sascha Baron Cohen alle Wunden heilen. Keine Ahnung wie Tim Burton zu diesem Film steht. Wäre zumindest der Plot gut gewesen, hätte ich noch ein Auge zugedrückt. Aber das, was hier hinter den Spiegeln verborgen liegt, lohnt sich nicht, erkundet zu werden.

 

 

 

Alice im Wunderland 2 – Hinter den Spiegeln