The Beekeeper (2024)

DIE AKTIVISTISCHE ADER EINER WUTBIENE

7/10


beekeeper© 2023 Constantin Filmverleih


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: DAVID AYER

DREHBUCH: KURT WIMMER

CAST: JASON STATHAM, EMMY RAVER-LAMPMAN, JOSH HUTCHERSON, JEREMY IRONS, BOBBY NADERI, MINNIE DRIVER, PHYLICIA RASHAD, DAVID WITTS, TAYLOR JAMES, JEMMA REDGRAVE, MICHAEL EPP U. A.

LÄNGE: 1 STD 45 MIN


Wenn die Königin eines Bienenstocks, so werden wir uns im Laufe des Films erklären lassen müssen, unzureichenden Nachwuchs erzeugt, könnte diese durch den Eifer eines einzelnen Individuums entthront werden, einzig und allein aus dem Grund – und es ist ein driftiger –, das ganze System zu retten. Die aufgebrachte Wutbiene würde die Matriarchin töten. Ob jemand anderes ihren Platz einnimmt, ist fraglich. Ob sich der Bienenstock dann demokratisch verwaltet? Wohl kaum. Zumindest faule Erben folgen keine nach. Nach diesem Prinzip schaltet und waltet in David Ayers Genugtuungs-Actionthriller eine allen Gesetzen, nicht aber allen Werten erhabene Geheimorganisation namens The Beekeeper, die dort ansetzen, wo das System versagt. Und das tut es. Sonst würde einer wie Jason Statham nicht notgedrungen aus dem Ruhestand zurückkehren und die Sache selbst in die Hand nehmen, um den Missstand auszumerzen. Wie würde man sich nicht so jemanden wie ihn gleich in mehrfacher Ausführung wünschen, um gefühlt überall auf dem Globus für eine Ordnung zu sorgen, die mit bewährten Mitteln derzeit nicht erreicht werden kann.

Im Laufe der Geschichte sind es oftmals die Guten, die über die Klinge springen müssen, denn das Böse findet seine Handlanger. Umgekehrt mag so ein Vorhaben zwar geplant gewesen sein – am Beispiel Adolf Hitler zeigt sich aber, wie gut sich Diabolisches wegducken, wie gut es sich schützen kann. Und wie sehr das Weltoffene, positiv Progressive durch seinen Idealismus mitten ins Fadenkreuz gerät. All diese Gedanken kommen hoch, wenn das Ausüben von Gewalt für eine bessere Welt in David Ayers gelungenem Actionfilm das effektivste Mittel bleibt, um Ungerechtigkeiten zu bekämpfen. Da der rechtschaffene Weg nicht funktioniert, kommt jener von Statham zum Zug. Zumindest im Kino lässt sich daran erfreuen, wie gierige, korrupte, arrogante Herrenmenschen, die ich weiß nicht wie auf die Butterseite des Lebens gefallen sind, die Leviten gelesen bekommen. Von einem, der längst schon das Erbe von Chuck Norris angetreten hat. Der Bienen isst, statt sich Honig aufs Brot zu schmieren. Unter dessen Füßen die Erde hinwegrollt, der nicht schläft, sondern wartet. Statham-Witze könnten bald in Mode kommen, so unkaputtbar pflügt sich der stoische Glatzenkrieger durch den Sündenpfuhl eines Machtgefüges, das an jenes von Donald Trump erinnert. Das das Volk für dumm verkauft und sich an dessen Reichtum labt. Das es sogar geschafft hat, ins Weiße Haus zu gelangen. Wie, weiß keiner so genau.

Einen Beekeeper aufzuscheuchen, ist das Schlimmste, was Verbrechern passieren kann. Es ist ungefähr so schlimm, wie John Wicks Hund zu erschießen und sein Auto zu klauen. Keanu Reeves‘ Schlipsträger-Nemesis treibt persönliche Rache um, er ist für sich und sonst niemanden bereits vier Teile lang unterwegs, um die Königin irgendwann am Schlafittchen zu fassen. Jason Statham hingegen tut das zwar wohl auch für persönliche Schmach, hat aber eine deutlich sozialere Agenda im Rücken: Das Allgemeinwohl. Das macht ihn, obwohl in kühler Akkuratesse unnahbar, sympathischer als manch andere Ein-Mann-Armee. Und noch etwas: Während bei anderen, ähnlichen Filmen kaum andere Instanzen mitmischen außer jene, die sich frontal ans Leder wollen, bringt David Ayer die Instanz der rechtlich abgesicherten Exekutive ins Spiel, die verzweifelt versucht, Gerechtigkeit ins vorherrschende System zu integrieren. Natürlich geht dieser Diskurs nicht sonderlich in die Tiefe. Natürlich ist The Beekeeper vorrangig ein glatter, aber nicht aalglatter Actionfilm, der den überirdisch widerstandsfähigen Tausendsassa auch mit bis an die Zähne bewaffneten Kleinarmeen umspringen lässt wie eine Katze mit ihrem Wollknäuel. Dass in der realen Welt einer wie Statham nicht weiterkommen würde als bis vor seine Haustür, ist eine Tatsache, die Kinogeher allerdings nicht wissen wollen. Zu sehen, was in einer Welt, in der Gerechtigkeit und Genugtuung Teil eines Evolutionsgedankens sind, alles passieren kann, ist wohltuend und beglückend wie ein Espresso am Morgen.

The Beekeeper (2024)

Final Cut of the Dead (2022)

DER FILMDREH ALS OLYMPISCHER GEDANKE

8,5/10


finalcutofthedead© 2022 Filmladen / Lisa Ritaine


LAND / JAHR: FRANKREICH 2022

REGIE: MICHEL HAZANAVICIUS

BUCH: SHIN’ICHIRÔ UEDA, MICHEL HAZANAVICIUS

CAST: ROMAIN DURIS, BÉRÉNICE BEJO, FINNEGAN OLDFIELD, MATILDA LUTZ, GRÉGORY GADEBOIS, SÉBASTIEN CHASSAGNE, RAPHAËL QUENARD, LYES SALEM, SIMONE HAZANAVICIUS, JEAN-PASCAL ZADI U. A.

LÄNGE: 1 STD 50 MIN


Eines gleich vorweg: One Cut of the Dead, das japanische Original aus dem Jahr 2017, kenne ich nicht – ein Low Budget-Zombiefilm, der bei genauerer Betrachtung eigentlich gar keiner ist, oder eben nur zum Teil. Schließlich handelt das unkonventionelle Machwerk ja eher darum, wie leicht oder schwer es fallen mag, einen Genrefilm wie diesen, und sei er auch nur eine halbe Stunde lang, im Kasten zu haben. Die besondere Erschwernis bei diesem Vorhaben ergibt die Anforderung, dass dieses online und gleichermaßen live zu erscheinende Horrorschmankerl eine einzige Plansequenz sein muss. Will heißen: Ein One oder Single Cut, was beinhaltet, dass kaschierte Schnitte wie bei Alejandro Gonzáles Iñárritus Birdman gar nicht mal in Frage kommen. Sollte möglich sein, oder? Theoretisch schon. Wie das beim Filmemachen eben so ist, gibt es dabei viel zu viele Variable, mit denen man rechnen kann oder auch nicht, die das Projekt versenken können – oder das leidenschaftliche Improvisationstalent aller Anwesenden herausfordert.

Die schier kongeniale Originalität des Drehbuchs darf sich Michel Hazanavicius nicht an die Fahnen heften. Das ist schließlich nicht sein Verdienst, sondern der von Shin’ichirô Ueda und Ryoichi Wada. Aus Japan winken schließlich so einige Ideen, auf die man im Westen womöglich nie gekommen wäre. Wer würde sich auch erlauben, einen Zeitreisefilm wie Beyond the Infinite Two Minutes zu erzählen? Wer würde es auch nur wagen, das Genre so dermaßen zu verbiegen, um etwas Neues entstehen zu lassen, auf die Gefahr hin, das zahlende Publikum zu irritieren? Generell ist da Ostasien der Vorreiter und bietet westlichen Filmemachern die Chance, in einer Neuinszenierung ihr eigenes Couleur darüberzutünchen. Hazanavicius, einstmals mit The Artist groß gefeiert und Wegbereiter für die Karriere von Jean Dujardin, hat genau das gemacht: Dasselbe nochmal inszeniert. Als Liebeserklärung fürs Filmemachen stellt Final Cut of The Dead Damien Chazelles Babylon – Rauch der Ekstase in den kinematographischen Museumswinkel, obwohl ich auch dort kaum etwas über die orgiastische Filmdrehsequenz inmitten der kalifornischen Wüste kommen lasse, die aus dem Chaos wahre Wunder des frühen Stummfilms entstehen lässt.

Final Cut of the Dead schlägt diese Liebeserklärungen scheinbar alle. Begeisterungen für den Film und für die Handhabung des künstlerischen Mediums gibt es genug, zuletzt ließ sich auch in Pan Nalins Das Licht, aus dem die Träume sind ganz gut nachvollziehen, was den eigentlichen Antrieb für die Leidenschaft zum bewegten Bild darstellen kann. Dieser Film hier geht aber noch einen Schritt weiter. Und offenbart seinem nicht weniger leidenschaftlichen Publikum mit schierem Aberwitz eine ganze Handvoll Wahrheiten hinter der Illusion, die wir alle niemals oder nur ansatzweise vermutet hätten.

Dabei erhalten wir, die im Auditorium des Kinos sitzen, zuallererst mal die Warnung, dass wir wohl dem schlechtesten Zombiefilm aller Zeiten beiwohnen, nach einer halben Stunde aber das ganze Unding besser verstehen und sowieso nicht ahnen werden, was da für Überraschungen auf uns zurollen. Und tatsächlich: Die erste halbe Stunde ist ein Film-im-Film-Trash mit ganz viel Kunstblut und obskuren Dialogen, die wohl The Room-Maestro Tommy Wiseau erfreut hätten. Es wird schlecht gekreischt, europäische Schauspieler tragen japanische Namen und das Timing ist zum Vergessen. Doch irgendwie hat das Ganze Charakter, als wäre es eine durchgetaktete parodistische Komposition auf das Genre schlechthin. Was dann folgt, ist die Entstehung des Ganzen, das Zusammenbringen der Crew und Einblicke ins Privatleben von Regie-As Rémi (Romain Duris als energischer Wirbelwind). Man ahnt schon: mit diesem Haufen unmotivierter, aber auch sich selbst überschätzender Fachidioten lässt sich schwer einen One Cut drehen, ohne nachher nicht aus dem Fenster springen zu wollen. Oder ist gerade diese Ansammlung unpässlicher Nerds der Garant für das Gelingen so einer Sache? Die Antwort liefert das letzte Drittel, wo wir die erste halbe Stunde als Making Of betrachten können. Und es fällt tatsächlich wie Schuppen von den Augen, wenn uns Filmkonsumenten gewahr wird, was eigentlich alles gar nicht mal im Drehbuch stand.

Hazanavicius (und natürlich auch Ueda) feiern nicht nur das Filmemachen, sondern vor allem auch den Teamgeist. Zu dieser Gruppe will man gehören, von dieser schrägen Begeisterung will man sich anstecken lassen. So ein Abenteuer will man unbedingt mal selbst erleben. Final Cut of the Dead ist zum Brüllen komisch und wohl einer der lustigsten Filme der letzten Zeit. Er bringt die spielerische Improvisation und die Not, aus der allerlei Tugenden entstehen, auf Augenhöhe zu unserem Alltag und lässt sie nicht als elitäre Blase unserer Wahrnehmung entfleuchen. Es lässt sich danach greifen, es lässt sich nachfühlen, wie so vieles eigentlich gar nicht (und auch im Wahrsten Sinne) in die Hose gehen kann, weil alle an einem Strang ziehen, um das künstlerische Ziel zu erreichen. Final Cut of the Dead ist wie der Blick hinter die Illusionskunst eines Zauberers, ohne aber dessen Magie zu entreißen. Er steht für Begeisterung, Hysterie, Träumerei und Enthusiasmus. Aber auch für alles, was nur schiefgehen kann. Gerade diese Fehler, das Unerwartete und Missglückte – kurzum: der Zufall und der sich daraus ergebende kollektive Willen, es hinzukriegen, machen Filme erst lebendig. Geahnt haben wir das immer schon – so offen wie hier wurde uns das aber noch nie demonstriert.

Final Cut of the Dead (2022)