Final Cut of the Dead (2022)

DER FILMDREH ALS OLYMPISCHER GEDANKE

8,5/10


finalcutofthedead© 2022 Filmladen / Lisa Ritaine


LAND / JAHR: FRANKREICH 2022

REGIE: MICHEL HAZANAVICIUS

BUCH: SHIN’ICHIRÔ UEDA, MICHEL HAZANAVICIUS

CAST: ROMAIN DURIS, BÉRÉNICE BEJO, FINNEGAN OLDFIELD, MATILDA LUTZ, GRÉGORY GADEBOIS, SÉBASTIEN CHASSAGNE, RAPHAËL QUENARD, LYES SALEM, SIMONE HAZANAVICIUS, JEAN-PASCAL ZADI U. A.

LÄNGE: 1 STD 50 MIN


Eines gleich vorweg: One Cut of the Dead, das japanische Original aus dem Jahr 2017, kenne ich nicht – ein Low Budget-Zombiefilm, der bei genauerer Betrachtung eigentlich gar keiner ist, oder eben nur zum Teil. Schließlich handelt das unkonventionelle Machwerk ja eher darum, wie leicht oder schwer es fallen mag, einen Genrefilm wie diesen, und sei er auch nur eine halbe Stunde lang, im Kasten zu haben. Die besondere Erschwernis bei diesem Vorhaben ergibt die Anforderung, dass dieses online und gleichermaßen live zu erscheinende Horrorschmankerl eine einzige Plansequenz sein muss. Will heißen: Ein One oder Single Cut, was beinhaltet, dass kaschierte Schnitte wie bei Alejandro Gonzáles Iñárritus Birdman gar nicht mal in Frage kommen. Sollte möglich sein, oder? Theoretisch schon. Wie das beim Filmemachen eben so ist, gibt es dabei viel zu viele Variable, mit denen man rechnen kann oder auch nicht, die das Projekt versenken können – oder das leidenschaftliche Improvisationstalent aller Anwesenden herausfordert.

Die schier kongeniale Originalität des Drehbuchs darf sich Michel Hazanavicius nicht an die Fahnen heften. Das ist schließlich nicht sein Verdienst, sondern der von Shin’ichirô Ueda und Ryoichi Wada. Aus Japan winken schließlich so einige Ideen, auf die man im Westen womöglich nie gekommen wäre. Wer würde sich auch erlauben, einen Zeitreisefilm wie Beyond the Infinite Two Minutes zu erzählen? Wer würde es auch nur wagen, das Genre so dermaßen zu verbiegen, um etwas Neues entstehen zu lassen, auf die Gefahr hin, das zahlende Publikum zu irritieren? Generell ist da Ostasien der Vorreiter und bietet westlichen Filmemachern die Chance, in einer Neuinszenierung ihr eigenes Couleur darüberzutünchen. Hazanavicius, einstmals mit The Artist groß gefeiert und Wegbereiter für die Karriere von Jean Dujardin, hat genau das gemacht: Dasselbe nochmal inszeniert. Als Liebeserklärung fürs Filmemachen stellt Final Cut of The Dead Damien Chazelles Babylon – Rauch der Ekstase in den kinematographischen Museumswinkel, obwohl ich auch dort kaum etwas über die orgiastische Filmdrehsequenz inmitten der kalifornischen Wüste kommen lasse, die aus dem Chaos wahre Wunder des frühen Stummfilms entstehen lässt.

Final Cut of the Dead schlägt diese Liebeserklärungen scheinbar alle. Begeisterungen für den Film und für die Handhabung des künstlerischen Mediums gibt es genug, zuletzt ließ sich auch in Pan Nalins Das Licht, aus dem die Träume sind ganz gut nachvollziehen, was den eigentlichen Antrieb für die Leidenschaft zum bewegten Bild darstellen kann. Dieser Film hier geht aber noch einen Schritt weiter. Und offenbart seinem nicht weniger leidenschaftlichen Publikum mit schierem Aberwitz eine ganze Handvoll Wahrheiten hinter der Illusion, die wir alle niemals oder nur ansatzweise vermutet hätten.

Dabei erhalten wir, die im Auditorium des Kinos sitzen, zuallererst mal die Warnung, dass wir wohl dem schlechtesten Zombiefilm aller Zeiten beiwohnen, nach einer halben Stunde aber das ganze Unding besser verstehen und sowieso nicht ahnen werden, was da für Überraschungen auf uns zurollen. Und tatsächlich: Die erste halbe Stunde ist ein Film-im-Film-Trash mit ganz viel Kunstblut und obskuren Dialogen, die wohl The Room-Maestro Tommy Wiseau erfreut hätten. Es wird schlecht gekreischt, europäische Schauspieler tragen japanische Namen und das Timing ist zum Vergessen. Doch irgendwie hat das Ganze Charakter, als wäre es eine durchgetaktete parodistische Komposition auf das Genre schlechthin. Was dann folgt, ist die Entstehung des Ganzen, das Zusammenbringen der Crew und Einblicke ins Privatleben von Regie-As Rémi (Romain Duris als energischer Wirbelwind). Man ahnt schon: mit diesem Haufen unmotivierter, aber auch sich selbst überschätzender Fachidioten lässt sich schwer einen One Cut drehen, ohne nachher nicht aus dem Fenster springen zu wollen. Oder ist gerade diese Ansammlung unpässlicher Nerds der Garant für das Gelingen so einer Sache? Die Antwort liefert das letzte Drittel, wo wir die erste halbe Stunde als Making Of betrachten können. Und es fällt tatsächlich wie Schuppen von den Augen, wenn uns Filmkonsumenten gewahr wird, was eigentlich alles gar nicht mal im Drehbuch stand.

Hazanavicius (und natürlich auch Ueda) feiern nicht nur das Filmemachen, sondern vor allem auch den Teamgeist. Zu dieser Gruppe will man gehören, von dieser schrägen Begeisterung will man sich anstecken lassen. So ein Abenteuer will man unbedingt mal selbst erleben. Final Cut of the Dead ist zum Brüllen komisch und wohl einer der lustigsten Filme der letzten Zeit. Er bringt die spielerische Improvisation und die Not, aus der allerlei Tugenden entstehen, auf Augenhöhe zu unserem Alltag und lässt sie nicht als elitäre Blase unserer Wahrnehmung entfleuchen. Es lässt sich danach greifen, es lässt sich nachfühlen, wie so vieles eigentlich gar nicht (und auch im Wahrsten Sinne) in die Hose gehen kann, weil alle an einem Strang ziehen, um das künstlerische Ziel zu erreichen. Final Cut of the Dead ist wie der Blick hinter die Illusionskunst eines Zauberers, ohne aber dessen Magie zu entreißen. Er steht für Begeisterung, Hysterie, Träumerei und Enthusiasmus. Aber auch für alles, was nur schiefgehen kann. Gerade diese Fehler, das Unerwartete und Missglückte – kurzum: der Zufall und der sich daraus ergebende kollektive Willen, es hinzukriegen, machen Filme erst lebendig. Geahnt haben wir das immer schon – so offen wie hier wurde uns das aber noch nie demonstriert.

Final Cut of the Dead (2022)

Der perfekte Chef

DAS WOHL DER UNTERGEBENEN

4,5/10


derperfektechef© 2022 Alamode Film


LAND / JAHR: SPANIEN 2021

BUCH / REGIE: FERNANDO LEÓN DE ARANOA

CAST: JAVIER BARDEM, MANOLO SOLO, ALMUNDENA AMOR, ÓSCAR DE LA FUENTE, SONIA ALMARCHA, FERNANDO ALBIZU, TARIK RMILI U. A.

LÄNGE: 2 STD


Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut. So heißt es doch, oder? Klar ist aber, dass in Wahrheit der eine Umstand den anderen bedingt. Ergänzend wäre also zu sagen: Geht’s uns gut, geht’s der Wirtschaft gut. Denn wer nicht um seine Existenz bangen muss, wer glücklich durchs Leben geht oder wenn daheim der Haussegen nicht schief hängt, der hat auch Freude daran, für das Große und Ganze genug Motivation an den Tag zu legen. Wenn das Management diese Dynamik überreißt, ist das schon die halbe Miete. Julio Blanco, Erbe des traditionellen Familienunternehmens Blanco, welches schon seit Generationen Präzisionswaagen aller Art produziert, ist so einer dieser vorausschauenden und nachhaltig agierenden Wunderknaben, der geschickt Ziele des Unternehmens mit den Bedürfnissen seiner Mitarbeiter kombinieren kann, sieht er diese doch längst als seine Familie an und schenkt den Problemen seiner Untergebenen stets ein offenes Ohr.

Was kann bei so einem angenehmen Arbeitsklima denn noch schiefgehen? Und worüber bitte sollte man bei so einer geschmeidigen Ausgangssituation noch eine Satire auf allzu joviale Betriebswirtschaft aus dem Hut zaubern? Gibt es das denn? Lässt sich ein Betrieb aufgrund menschelnder Parameter an den Rand des Abgrunds führen? Natürlich gibt es das. Wenn die Chefetage keinerlei Distanz mehr wahrt und trotz einer gewissen Betriebshierarchie so tut, als wäre sie auf Augenhöhe mit allen, die ihre Existenz diesem Betrieb verdanken, schrillen die Alarmglocken. Doch anfangs scheint es, als wäre Julio Blanco ganz und gar aufrichtig damit, wenn es heißt, sich den privaten Problemen seines Teams zu widmen. Überdies steht eine neue Auszeichnung fürs Unternehmen ins Haus, und dafür wird sich in den nächsten Tagen eine ausgewählte Jury selbst ein Bild machen wollen. Also: Unter 100% Engagement ist bis auf weiteres ein Ding der Unbill, und da wir längst wissen, dass, wenn es uns gut geht, es der Wirtschaft ebenfalls gut geht, muss Julio Blanco die eine oder andere private Misere selbst ausbügeln. Dass er dabei manchen näher tritt, als beiden Parteien lieb gewesen wäre, könnte sich nicht zwingend positiv auf die Zukunft der Fabrik auswirken.

Die gemächliche Groteske auf heuchlerische Führungseliten hielt letztes Jahr mit 20 Goya-Nominierungen den Rekord bei den spanischen Oscars. Gewonnen hat der Streifen dann fünf der begehrten Preise, unter anderem auch für Javier Bardem, der sein komödiantisches Potenzial nutzt, um den Geist zwischen sozialem Spürsinn und unternehmerischer Härte zerrissener Machtmenschen mit reichlich Understatement darzustellen. Der Film selbst weiß allerdings nicht so zu überzeugen. Da sind die satirischen Klingen in der französischen Industrie-Farce Der Querkopf mit Louis de Funès um einiges schärfer gewetzt als in Der perfekte Chef. Vielleicht liegt es daran, dass Regisseur Fernando León De Aranoa zu bedächtig durch seinen Film schlendert und mal hier, mal dort den Untergebenen mal erfolgreich, mal weniger erfolgreich aus der Patsche hilft. Wenn Bardem als apotheotischer Überboss bald gar nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht und ihm seine eigene Jovialität bis hin zu erotischen Stelldicheins den Überblick nimmt, geschieht das immer noch mit Handbremse. So richtig de Nerven verliert Bardem nie, so richtig aus dem Ruder läuft letzten Endes auch nichts, und in keinem Moment steht das Überleben der Firma auf der Kippe. Aranoa hätte das ganze Konvolut aus schmeichelnden Intrigen und herrischer Ordnung mehr an den Rand des Abgrunds schieben können, um die angedeuteten moralischen Diskrepanzen viel kontrastreicher ausfallen zu lassen.

Da Der perfekte Chef eigentlich niemanden so recht opfern will und wenn dann doch auf dem Schlachtfeld des guten wirtschaftlichen Ansehens der Bauer an die Front geschickt wird, so schlägt selbst das keine allzu großen Wellen. Der Arbeitsalltag unter besonderen Umständen fällt zwar nicht unbedingt zu versöhnlich, aber garantiert zu phlegmatisch aus. Die Arbeit geht weiter, wie sie es immer tut. Denn die Katze beißt sich schließlich in den Schwanz, wenn nicht.

Der perfekte Chef

Mayday

SCHIFFEVERSENKEN AUF #METO

4/10


mayday© 2022 Plaion Pictures


LAND / JAHR: USA 2021

BUCH / REGIE: KAREN CINORRE

CAST: GRACE VAN PATTEN, MIA GOTH, SOKO, HAVANA ROSE LIU, JULIETTE LEWIS U. A.

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


Junge Frauen, die sich in eine Alternativwelt flüchten – ein Szenario, das nicht erst seit Zac Snyders Sucker Punch vertraut vorkommt, einem Psycho-Action-Mix, der sich darum bemüht hat, die Genregrenzen zu sprengen, dabei aber beiden Komponenten, nämlich phantastischen Schauwerten und psychologischem Drama, nicht gerecht werden konnte. Wir drehen das Rad noch weiter zurück und landen bei Lewis Carrolls Alice im Wunderland, ein Fluchtort mit Hasen, Eierköpfen und einer Armee Rummykarten, die von einer Herzkönigin angeführt werden. Natürlich steckt da in diesen Abenteuern viel mehr als nur bis ins Surreale ausufernde Fantasie – es ist das symbolistische Psychogramm einer Mädchenseele, ein reichlich illustriertes Coming of Age mit allerlei heimtückischen oder bedrohlichen Hindernissen. Zwischendurch gibt’s weise Raupen oder grinsende Katzen. Sehr viel später gab‘s zum Sundance Filmfestival 2021 eine ganz andere filmische Herangehensweise zur Analyse weiblicher Befindlichkeiten: Mayday nennt sich dieser Film, und er lässt vier Mittzwanzigerinnen an einer mediterran anmutenden Meeresküste aufeinandertreffen, die sich als irgendwo in Kroatien erkennen lässt.

Pinienwälder und Felsküsten, klares Wasser noch dazu. Ein Ort, an dem Mann und Frau es durchaus lange aushalten könnten? Prinzipiell ja, doch der maskuline Part ist hier unerwünscht. Es lebe die vereinte #MeToo-Exekutive, verschanzt in einem alten, gestrandeten U-Boot, mit dem einzigen Lebensziel, toxischer Männlichkeit mit toxischer Weiblichkeit zu begegnen. Männer sind Schweine, und nichts anderes scheinen diese verdient zu haben. Überdies herrscht Krieg. Krieg zwischen den Geschlechtern, und während der militante Feminismus Land gewinnt, saufen die Männer regelrecht ab. Das passiert, indem das Viererteam nichts anderes tut, als falsche SOS-Funksprüche abzusetzen, um von Männern besetzte Panzerkreuzer in unwirtliche Gegenden zu steuern, aus denen es kein Zurück mehr gibt. Ein Krieg also wie Schiffe versenken.

Ana, die nach ihrem Suizid in einem Backofen (wie bitte, was?) als letzte zu den selbsternannten Amazonen stößt, wird im Laufe ihres neuen Lebens an dieser Küste den niemals enden wollenden Krieg langsam hinterfragen. Eine Konfrontation mit ihren Leidensgenossinnen ist nur noch eine Frage der Zeit. Genauso wie das Ende eines schleppend inszenierten Kunstfilms, der wohl im Dunstkreis der längst überfälligen und notwendigen #MeToo-Bewegung von Autorenfilmerin Karen Cinorre entworfen und umgesetzt wurde. Im frei fabulierbaren Independentkino (und zum Glück ist das so, sonst hätten wir nur generische Marktforschungsergebnisse auf der Leinwand) können Künstlerinnen und Künstler oft tun und lassen, was sie wollen, vorausgesetzt, dass das, was sie auszusagen haben, jene, die das Ganze subventionieren, überzeugen kann. Für einen Film über Stärke und Selbstbestimmung des weiblichen Geschlechts war Geld vorhanden, allerdings bei weitem nicht so viel wie für Sucker Punch. Mayday begnügt sich mit allerlei Kompromissen – visueller und narrativer Natur –, die das traumartige Wunderland-Szenario ausbremsen. Man erkennt das Bedauern in dem Film, Abstriche machen zu müssen. Dafür rücken Schauspielerinnen wie Mia Goth (X), die sich im Männerhass suhlt, dominant ins Bild eines leidlich spannenden Alltags aus redundanten Aktivitäten und unbeholfenen Scharmützeln.

Mayday verurteilt zwar den Mutwillen, alles Männliche als frauenfeindlich und sexistisch zu betrachten, kommt aber über ein Tanzen ums gemeinsame Lagerfeuer nicht hinaus. Mit anderen Worten: Das Drama wartet auf eine Flut, die niemals kommen wird.

Mayday

Top Gun: Maverick

BAYWATCH AM HIMMEL

7/10


topgunmaverick© 2022 Paramount Pictures


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: JOSEPH KOSINSKI

CAST: TOM CRUISE, MILES TELLER, JENNIFER CONNELLY, JON HAMM, GLEN POWELL, MONICA BARBARO, LEWIS PULLMAN, DANNY RAMIREZ, JAY ELLIS, ED HARRIS, VAL KILMER U. A.

LÄNGE: 2 STD 10 MIN


Da hat sich doch einer die Zeit genommen, noch schnell vor dem Film seinem Publikum in den teuer erkauften Sitzen für ihr Engagement zu bedanken, sich aus der Couch geschält zu haben und ins Kino gegangen zu sein. Gute Unterhaltung wünscht der gute Tom uns obendrein, weil das hier, unterm Strich, ist ein Film mit Handschlagqualität – alles echt, nichts gefaked. Nur für uns. Ehrlich, das ist nett. Und ich muss zugeben: Ich mag Tom Cruise, Scientology hin oder her. Mit seiner Glaubensrichtung bleibt der ewig junge Fast-Sechziger relativ inkognito, ich weiß gar nicht mal, ob er noch so aktiv dabei ist, vielleicht das Ambivalent zum U-Boot-Christen, was weiß ich. Es interessiert mich auch deutlich weniger als das nun am Start befindliche 80er-Revival rund um Kampfflugzeuge, die State of the Art sind und natürlich Pilotinnen und Piloten benötigen, die erstens Teamgeist haben, zweitens sich nicht vor jedem Looping in die Hosen machen und drittens auch in Kauf nehmen, eines Tages nicht mehr aus dem Cockpit zu steigen. Dieses Loblied rund um die Elite todesmutiger Piloten und risikofreudiger Kumpels hat 1986 Tony Scott besungen, nach dem Skript von Jim Cash und Jack Epps. Ein Kassenschlager, den das US-Militär nur begrüßen hat können und die US Navy auch unterstützt hat. Durch die Luft schossen damals die formschönen F-14 Tomcats – rund 36 Jahre (!) später sind’s bereits F18-Modelle. Da liegt ganz schön viel Zeit dazwischen. 1986 war ich noch in der Volksschule, Tom Cruise bereits so richtig am Start zum großen Filmstar, was er erstaunlicherweise bis heute geblieben ist. Was noch geblieben ist, sind die Fliegerbrillen, die goldenen Abendstunden, das Abfeiern in der gut besuchten Strandbar, der nonkonforme Idealismus. Im Grunde ist in Top Gun: Maverick alles beim Alten geblieben. Es ist, als hätte man nach Top Gun – Sie fürchten weder Tod noch Teufel eine Zeitkapsel mit allem möglichen filmverwandten Zeugs angelegt, die nun endlich vom Dachboden geholt und nach so langer Zeit geöffnet wurde. Tom Cruise selbst hat das getan – und sein Engagement, dass er gemeinsam mit Regisseur John Kosinski in das Sequel gelegt hat, muss man letztendlich zu schätzen wissen.

Erstaunlich ist, dass sich Top Gun: Maverick wirklich so anfühlt wie ein bisschen aus der Zeit gefallen. All das, was uns Weltbürger gerade so umtreibt, besorgt und bekümmert. All diese Gesamtsituationen, die ein neues Krisenzeitalter vermuten lassen, perlen an Top Gun: Maverick ab wie Regen auf Goretex. Die neue Fliegeraction – überhaupt ein Genre, das seltsam obsolet erscheint – erzählt sein zwischenmenschliches Drama um Erfolg, Ehrgeiz und Nostalgie in einer abgeschotteten Blase der ungestörten Unterhaltung– aalglatt, dosiert pathetisch und auf Hochglanz poliert. Die Fliegerasse sind gepflegt, schön und selbstbewusst. Auch Cruise ist schön, gepflegt und trägt seine Jacke von damals. Geschwindigkeit ist sein Ding, 10 Mach sind so leicht machbar wie ein Großeinkauf vor dem Wochenende. Und Jennifer Connelly, deren beziehungstechnische Vorgeschichte mit Maverick wir nicht kennen, lehnt mit einladendem Lächeln am von Mr. Bond geliehenen Aston Martin, wie in einer Zigarettenwerbung aus den Achtzigern.

Die Marlboro ist aber nirgendwo, das Einzige, das raucht, sind manchmal die Gemüter in einem generischen Generationenkonflikt oder aufgrund triezender Überheblichkeit so mancher Haudegen, die sich mitunter Hangman nennen. Alles sehr vertraut, sehr stilsicher, sehr akkurat. Und dennoch findet Cruise, der hier natürlich mitproduziert und nicht wenig zu sagen hat, die richtige Balance für perfektes Entertainment. Die Luftakrobatik kann sich sehen lassen, die ist wirklich atemberaubend und lässt einen durchaus mit dem Oberkörper mitgehen, wenn sich die F18 durch ein kurvenreiches Tal schlängelt oder 10 G dazu führen, beim Popcornnaschen leicht verkrampft innezuhalten. Joseph Kosinski (Oblivion, Tron: Legacy) gibt hier das Äquivalent zum Bleifuß aus der Fast & Furious-Reihe. Geflogen wird, was das Zeug hält, aber nicht so viel, um nur Nerds zu bedienen. Da sind Emotionen drin, ganz viel Teamwork und helfende Hände. Top Gun: Maverick feiert das Miteinander in einem aussterbenden Genre und skippt die drei Dekaden Lebenszeit einfach so, als wären sie nur eine weitere Schallmauer auf dem Weg zum Heile-Welt-Kino. Harold Faltermeyers Musik sorgt dabei für Gänsehaut.

Top Gun: Maverick

Rim of the World

INDEPENDENCE DAY FÜRS SOMMERCAMP

5,5/10


rimoftheworld© 2019 Netflix


LAND / JAHR: USA 2019

REGIE: MCG

CAST: JACK GORE, MIYA CECH, BENJAMIN FLORES JR., ALESSIO SCALZOTTO, ANDREW BACHELOR, ANNABETH GISH U. A.

LÄNGE: 1 STD 38 MIN


Die Achtziger ließen mit den Fünf Freunden, TKKG oder den 3 Fragezeichen eine Welle eingeschworener Cliquen aus Mut, akzeptiertem Anderssein und Zusammenhalt in die lernfreien Nachmittage von Volksschülern und Unterstuflern schwappen. Das Kino ist auf dieser Welle ebenfalls mitgeritten, zu sehen in Die Goonies oder Stand by Me. Das mit Hitchcock als Testimonial veredelte Detektivtrio hatte da am meisten den Drall zum Phantastischen, obwohl nach den immer gleichen, bewährten und zeitlosen Lösungsparadigmen für scheinbar paranormale Phänomene Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews am Ende des Tages stets feststellen mussten, dass alles in diesem Universum logisch erklärbar bleibt. Ein bisschen mehr über den Tellerrand des wissenschaftlich Erfassten zu blicken, hätte der Reihe nicht geschadet. Aber gut, dafür gibt’s eben Stranger Things – oder den auf Netflix erschienenen Independence Day für Halbwüchsige: Rim of the World.

Auch hier sind vorab drei, später dann vier Freunde fest davon überzeugt, die Welt retten zu können. Der Weg dorthin führt aber über eine sozialkompetente Ebene, die sich im Sommercamp des Stanislaus National Forest in Kalifornien nur schwer erarbeiten lässt. Keine bzw. keiner der späteren Junghelden ist schließlich wirklich freiwillig hier. Die einen zur Not, die anderen, weil es ihnen dann vielleicht besser geht, wenn sie unter Leute kommen. Da wähnt man sich als Zuseher noch in einer recht unmotivierten Teenieklamotte mit schräg aufgelegten Gruppenleitern, die sich bis zur Peinlichkeitsgrenze verstockten Präpubertären auf erniedrigende Weise anbiedern. Doch dieser Fremdschämfaktor vergeht recht rasch, denn es passiert, was bereits in Independence Day passiert ist: Die Welt sieht sich einer Alien-Invasion gegenüber, und ja, natürlich bevorzugen diese den nordamerikanischen Kontinent. Sie kommen mit Raumschiffen und ballern unsere Zivilisation in Grund und Boden – zum Glück können die nunmehr vier grundverschiedenen Charaktere, die sich logischerweise zusammenraufen müssen, untertauchen, aber nicht, ohne vorher eine Raumkapsel vor den Latz geknallt zu bekommen, die nicht nur eine Astronautin, sondern auch ein recht lästiges Alien mit sich führt. Erstere wird nicht überleben, übergibt den Kids aber einen Schlüssel, den sie unbedingt von A nach B bringen müssen. Wohl klar, was die Next Generation tun wird, auch wenn es immer wieder danach aussieht, als wäre das eine Mission Impossible.

Mit dieser Franchise hat Regisseur McG allerdings nichts zu tun, wohl eher mit den Charlies Angels, dem Team aus Lucy Liu, Drew Barrymore und Cameron Diaz. Filme, die genauso wenig prägnant in Erinnerung bleiben wie seine spätere Komödie Das gibt Ärger oder 3 Days to Kill. McG inszeniert Filme, die wie Fastfood schmecken – weder Fisch noch Fleisch, aber ganz ok. Nährwert gibt’s darin keinen. Den finden wir bei Rim of the World auch nicht. Wenn man aber will, dann immerhin den Willen zur Reminiszenz eines eingangs erwähnten Hypes, der schon Jahrzehnte zurückliegt und wieder in Mode kommt. Dabei bekommen die vier Kids natürlich ihr Portiönchen an biographischer Wegzehrung mit auf den Weg, aber gerade nur so viel, damit nicht der Eindruck entsteht, sich ernsthaft damit beschäftigen zu wollen. McGs Invasions-Abenteuer braucht zur Gestaltung seiner Filmfassade nur ein bisschen davon – bei der Ausgestaltung des Monsters hätte es jedoch ein bisschen mehr sein können. Darüber mal hinweggesehen: Rim of the World ist solide Teenie-Fantasy mit dem Know-how, den kindlichen Trotz aufmüpfiger Pennäler für sich zu nutzen. Damit, so scheint es, lässt sich jedes Alpha-Alien einschüchtern.

Rim of the World

The Outpost – Überleben ist alles

MIT DEM RÜCKEN ZUR WAND

6,5/10


outpost2© 2020 Telepool

LAND: USA 2019

REGIE: ROD LURIE

CAST: SCOTT EASTWOOD, CALEB LANDRY JONES, ORLANDO BLOOM, TAYLOR JOHN SMITH, JACOB SCIPIO, JACK KESY U. A. 

LÄNGE: 2 STD 4 MIN


Ich muss, wie ich finde, kein Stratege sein, um nicht bereits aus der Geschichte gelernt zu haben, dass Bastionen aller Art am besten erhöht errichtet werden. Hügelkuppen, Felsgrate, Hochebenen, irgendwie dort, wo all die Gerüsteten und sich Verteidigenden einen Überblick auf das haben, was Gefährliches auf sie zukommen mag. Die Army dürfte diesen Input zeitweilig ignoriert haben. Anscheinend aber ist dieses tiefe Tal inmitten des Hindukusch und nahe an der Grenze zu Pakistan der einzig wählbare Ort, um ein politisch recht instabiles Gebiet abzudecken. Camp Keating nennt sich dieses mehr schlecht als recht gesicherte Nest, umgeben von bedrohlichen Bergflanken. Hier auszuharren lässt sich salopp als Arschkarte bezeichnen. Denn es vergeht kein Tag, an dem es nicht zu Scharmützeln der Taliban kommt. Ein Alltag, während dem man auf Nadeln sitzt, ruhige Minuten hat man keine. Angesichts begrenzter Mittel zur Verteidigung ist eines ganz wichtig: Ein gutes Verhältnis zu den Menschen, meint Captain Keating, der es schafft, sich mit den Afghanen zu verbrüdern. Als er fällt, tut sich ein neues Machtvakuum auf – und der Frieden scheint zu kippen.

The Outpost von Rod Lurie war einer der Filme, die noch vor dem Herbst-Lockdown in den Kinos liefen – und eine Episode aus der jüngeren amerikanische Militärgeschichte erzählt, auf die der US-Verteidigungsminister wohl wirklich nicht stolz gewesen sein konnte. Die Vernichtung des Camp Keating hatte nämlich ungefähr genauso viel Mehrwert wie das Verheizen junger Männer in Oliver Stones Platoon, in Hamburger Hill oder Mel Gibsons Hacksaw Ridge

The Outpost fängt mehr oder weniger recht sachte an, er schildert den Alltag, kurze Feuergefechte, gezielte Artillerie, dann wieder Freizeit, zwischenmenschliche Auseinandersetzungen, was eben so dazugehört, wenn man als Soldat im Ausland Dienst schiebt. Fast ist es wie in Sam Mendes Jarhead – das immer gleiche Prozedere. Dann, in der zweiten Hälfte des Films oder gar im letzten Drittel, nachdem die vielen Namen nun auch ihre Gesichter gefunden haben, bricht die Hölle los. Rod Lurie inszeniert diese Schlacht um Fort Keating mit sicherer Hand und so intensiv, dass der Detonationsstaub zwischen den Zähnen knirscht. Hier fliegt alles um die Ohren, was nicht niet- und nagelfest ist, hier begeben sich Scott Eastwood und Co in einen distanzlos abgefilmten Dauerstress, der nicht ohne posttraumatische Belastungsstörung ausgehen kann. Doch wie geistesgegenwärtig und mit welcher Teamfähigkeit all die Männer agieren, ist faszinierend. Aus diesem ganzen Getöse sticht die Figur des Staff Sergeant Ty Carter am stärksten hervor. Schauspieler Caleb Landry Jones verkörpert diesen schwer einschätzbaren Charakter, der zwischen Panik und Pflichtgefühl Unglaubliches vollbringt, mitreißend und enorm glaubwürdig, ganz ohne Pathos, ganz ohne religiöse Motivation, sondern einfach nur in manischem Altruismus. Dieser gemeinsame Schulterschluss ums Überleben ist gleichsam berührend wie in seiner filmischen Umsetzung entsprechend hektisch, lärmend und blutig. 

Den stolzen Salut auf Kosten militärkritischer Untertöne konnte sich Rod Lurie letzten Endes dann doch nicht verkneifen.

The Outpost – Überleben ist alles

3 Engel für Charlie (2019)

SCHICKE MÄDELS AM TRAMPOLIN

5,5/10

 

engelcharlie© 2019 Sony Pictures

 

LAND: USA 2019

REGIE: ELIZABETH BANKS

CAST: KRISTEN STEWART, NAOMI SCOTT, ELLA BALANSKI, ELIZABETH BANKS, PATRICK STEWART, DJIMON HOUNSOU, SAM CLAFLIN U. A.

 

Wenn das A-Team gerade Urlaub macht, James Bond in Pension geht oder die Expendables gerade ihre Wunden lecken, dann gibt es noch ein ganz anderes, nicht minder erfahrenes Team, das schon seit den 70ern all den Schurken auf dieser Welt zeigt, wo der Barthel den Most holt. Dieses Team besteht prinzipiell aus drei jungen Damen, die Martial Arts genauso beherrschen wie den Umgang mit der Automatischen und sich verkleiden können als wäre das ganze Jahr über Fasching. Unter anderem waren da auf dem guten alten Röhrenbildschirm Kate Jackson und Farah Fawcett zu sehen, wobei Anfang der 80iger dann auch schon wieder Schluss war. Es folgten zwei Kinofilme, die, sagen wir mal so, nicht wirklich hinter dem Ofen hervorlocken konnten, weder Liebhaber des Actionkinos noch jene des Agentenkrimis. Drew Barrymore und Cameron Diaz (ja, was wurde eigentlich aus Cameron Diaz?) haben aus den Figuren herausgeholt, was herauszuholen war. Mehr steckt da allerdings leider nicht drin, eben ungefähr so viel wie bei den Haudegen aus dem A-Team. Das alles sind Figuren, die fürs Fernsehen konzipiert wurden, und Serien von damals hatten noch keinen durchgängig roten Faden, um einen Charakter einer dementsprechenden Entwicklung zu unterwerfen. Jede Folge war ein abgeschlossenes Abenteuer. Ab und an hatte ein Erzbösewicht wiederholte Auftritte (ich sage nur Goliath bei Knight Rider und Murdoch bei McGyver). Die 3 Engel für Charlie hatten so jemanden sicher auch. Also: keine Zeit, in die Tiefe zu gehen.

So ist auch Elizabeth Banks Damen-Actioner das, was wir zu sehen bekommen, und mehr aber auch nicht. Muss es das sein, das bisschen mehr? So wie bei Daniel Craigs James Bond, der sich, trotz jahrelanger Filmpausen, deutlich um- und weiterentwickelt hat? Nein, natürlich nicht. Man braucht nicht immer pschologische Metaebenen, die gab’s beim neuen Harley Quinn-Spin-Of Birds of Prey auch nicht wirklich, obwohl das Teamwork durchwegs gepasst hat. Zwischen Ella Balinska, Aladdin-Prinzessin Naomi Scott und einer sehr ausgeschlafenen Kristen Stewart stimmt die Chemie ebenfalls. Alle drei können sich gut riechen, womöglich auch außerhalb des Sets. Stewart, die hat ihre Bella Swann-Phlegmatik glücklicherweise zur Gänze abgelegt. Das sieht man auch an der schicken Kurzhaarfrisur, die ihr wirklich ausnehmend gut steht und die irgendwie den ganzen Film hindurch Stylistenherzen immer wieder höherschlagen lässt. Outfits sind hier überhaupt sehr wichtig, der Hosenanzug sitzt, die legere Lederjacke ebenso.

3 Engel für Charlie lockt sogar mit noch einem ganz anderen Altstar aus der Fernsehwelt: Patrick Stewart. Der Star Trek-Charakterkopf adelt die Fast-Food-Agentenkomödie mit bedächtigen Schritten und dezenten Gesten. Alles zusammen wirkt durchaus vergnüglich und aufrichtig harmlos. Elizabeth Banks hat zwar ihre A-Kapella-Combo Pitch Perfect hinter sich gelassen, am liebsten hätte sie´s aber gehabt, wenn ihre durchtrainierten, toughen Girlies vielleicht auch hier nochmal mit dem Becher klopfen. Ungefähr so fühlt sich 3 Engel für Charlie an – wie ein gut gelaunter Stageburner, wie eine abendfüllende Spezialfolge aus einer der Fernsehstaffeln mit einem Inhalt, der schnell vergessen ist, weil er nicht bemüht sein will, Erwartungshaltungen ernsthaft zu unterwandern. Ein bisschen Täuschung gibt’s dennoch, aber von der Sorte, mit der man gerechnet hat, denn zu offensichtlich sind die Ankerpunkte für den Plot gesetzt. Malen nach Zahlen im familienfreundlichen Actionkino also, mit schönen Gesichtern, ganz viel Glamour und – Danke, Kristen! – aparten Frisuren.

3 Engel für Charlie (2019)

Cops

MIT KANONEN AUF SPATZEN

6/10

 

cops© 2018 Filmladen

 

LAND: ÖSTERREICH 2018

REGIE: STEFAN A. LUKACS

CAST: LAURENCE RUPP, ANTON NOORI, ANNA SUK, MIRIAM FUSSENEGGER, ROLAND DÜRINGER, MARIA HOFSTÄDTER, MICHAEL FUITH U. A.

 

Es herrscht Krieg im Grätzel. Gewalt in den eigenen vier Wänden, und da sind Parteien, die den Hausfrieden stören. Schießt mal jemand scharf aus dem Fenster oder raubt die laute Musik des Nachbarn den Schlaf der anderen, ist die WEGA zur Stelle. Wiens Spezialeinheit für besonders hartnäckige Fälle, und die decken das ganze Spektrum an ungebührlichem Verhalten ab, bis hin zu den wohlgekannten Ausschreitungen beim Fußball. Vor allem da zählt die Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung, von welcher sich die Abkürzung auch ableitet, mehrere Mann hoch, bewaffnet mit Schild und Automatik, mit Schlagstock und Helm. Fast wie Ritter, wie die Wächter einer Festung. Das hat was Martialisches, starkes, mächtiges. So ausgebildet, gestählt und durchtrainiert, könnte Mann es mit Drachen oder Horden Untoter aufnehmen, wie zurzeit in Westeros. Da braucht es Männer mit Ehrenkodex, und mit der Gewissheit, für gefährliche Unterfangen auserwählt worden zu sein. Da braucht es belastbare Ideale und nicht totzukriegende Loyalität einem gerechten Zorn gegenüber. Das Dumme nur – manchmal fühlen sich jene bestimmt, hier mitzumischen, die mit ihrem Ego so ihre Probleme haben. Und die trotz Muckis und Schrankgröße vom Scheitel bis zur Sohle innen drin ganz klein sind, wie eine Kirchenmaus. Die gekränkt wurden, und das moderne Wächtertum dafür nutzen, um wieder größer zu werden.

Im österreichischen Copdrama von Stefan A. Lukacs tritt Burschi in die Fußstapfen seines Altvorderen Roland Düringer, der selbst bei der Polizei Dienst verrichtet und schon längst Schild und Helm gegen Diplomatie und psychologischer Kriegsführung eingetauscht hat. Gegengewalt durch physische Stärke oder gar präventives Gerangel mit verdächtigen Subjekten geht gar nicht mehr. Das sieht Bursche etwas anders. Und er trainiert, beweist sich und anderen, dass es zum harten Kerl reicht, und schafft die Prüfung zur exekutiven Elite, nur um im ersten Einsatz seiner Karriere an die Grenzen von Leben, Tod und Verantwortung zu stoßen. Burschi greift zur Waffe, um seinen Vorgesetzten zu retten – und tötet einen Menschen. Natürlich ist der Frischling erstmal ein Held, ein Beschützer. Doch war der fatale Eingriff wirklich notwendig? Das Leben eines anderen zu nehmen ist nichts, was sich zu einem Heldenmythos romantisieren lässt. Nichts dass sich durch entsprechende Rechtfertigung mildern lässt. Nach dieser unerwarteten Wendung wird alles anders für den Muskelprotz und aufgeräumten Krieger, für den geschäftigen Verteidiger der Freiheit und des Friedens. Vor allem ändert sich die Sicht der Dinge.

Cops ist bei weitem kein Actionfilm, nicht mal wirklich ein Thriller, obwohl er Anleihen hat. Cops ist ein hemdsärmeliges Psychodrama, welches das stereotype Soll eines harten Kerls hinterfragt. Und dabei herauszufinden versucht, was die Rambos, Bishops und Triple X´s im echten Leben zu dem macht, was sie sind. Und wie es hinter ihren meist tätowierten Muskeln eigentlich aussieht, ganz tief drin. Und wer dieses Männerbild eigentlich verlangt. Lukacs legt in manchen Momenten wirklich dort den Finger drauf, wo es wehtut. Lässt Laurence Rupp zwischen Panik und Absolution in den Spiegel blicken und ziemlich straucheln. Allerdings fehlt der Story etwas der Mut, wirklich zu differenzieren. Denn die Männer der WEGA, die sind hier, sofern sie nicht namenlos bleiben, Mitläufer, Vorspieler und von Minderwertigkeit zerfressene Gestalten, die sich entweder in einer Obsession verlieren oder so tun, als wären sie halbstarke Burschen, die den fiktiven Action-Unsinn aus dem Fernsehen leben wollen, wie schulpflichtige Buben an freien Nachmittagen. Mit Sicherheit lassen sich diese Psychogramme nicht über einen Kamm scheren. Hätte die WEGA Leute rekrutiert, die psychisch labil sind, würde das Konzept dahinter gar nicht funktionieren. Ich denke auch nicht, dass Cops Rekruten besagter Einheit, sofern sie den Film gesehen haben, überhaupt kompromittiert hat. Profis, die sich den urbanen Gefahren einer Großstadt stellen, wären fehl am Platz, würde sie das Bild, das Lukacs hier gezeichnet hat, in irgendeiner Weise stören. Die Männer der WEGA, die stehen da drüber, anders kann das gar nicht sein. Dann sonst hätten wir es mit Ego-Problemen zu tun, wie Burschi sie hat.

Cops

Early Man

AM ANFANG WAR DER FUSSBALL

7/10

 

EARLY MAN© 2018 Studiocanal

 

LAND: GROSSBRITANNIEN 2018

REGIE: NICK PARK

MIT DEN STIMMEN (OV) VON EDDIE REDMAYNE, MAISIE WILLIAMS, TOM HIDDLESTON U. A.

 

Mit Wallace und Gromit hat Nick Park und sein Aardman-Studio den Stop Motion-Trickfilm neu definiert. Der grobmotorische Käseliebhaber und sein Köter haben vom Mondflug bis zum Riesenkaninchen schon so allerlei Abenteuer erlebt. Das brandaktuelle Ergebnis mühsamster Kleinarbeit und engelsgeduldigem Fingerspitzengefühl ist erneut eine Liebeserklärung an das unverwüstliche und von Kindern aller Altersklassen hochgeschätzte Plastilin und diesmal auch eine Hommage an das Massenphänomen des Sports schlechthin – an den Fussball. Bei Early Man dachte ich anfangs jedoch nicht unbedingt an einen Film über Fussball. Early Man verspricht zuallererst mal so etwas wie eine Parodie auf Ötzi und Konsorten zu werden. Eine Verballhornung von Annaud´s Am Anfang was das Feuer. Ein Urzeitabenteuer frei nach naturgeschichtlichen Eckpfeilern von Terra, in welchem ungefähr genauso viel gesprochen wird wie in Aardman´s Shaun das Schaf.

Die grossmäuligen Frühmenschen mit den exorbitant grossen Beisserchens können sprechen, so wie ihnen der zumodellierte Schnabel gewachsen ist. Und sie werden eines Nachts von Invasoren heimgesucht, die die Leiter der Zivilisation schon einige Sprossen weiter sind. Und nicht nur das. Die bronzezeitlichen Krieger haben eine ähnliche Schwäche für Ballspiele wie seinerzeit das Volk der Mayas aus Mittelamerika. Anstelle von Steinkugeln und abgetrennten Köpfen tritt aber glücklicherweise das klassische Rund aus Leder. Also schliesst der kleine Frühmensch Dug mit den frankophonen Übermenschen einen Pakt. Gewinnen die Höhlenbewöhner das Match gegen Real Bronze, die schnöselige Mannschaft der evolutionär Begünstigten, dürfen die Vertriebenen wieder in ihr Tal zurück. Siegessicher stimmt der linkische Grosswesir der Forderung zu – und intrigiert fortan, wo es nur geht, um das Glück der einfachen Menschen zu vereiteln.

Das ist natütrlich keine hochkomplexe Story. Und nichts, was nicht vorhersehbar wäre. Doch Early Man hat ganz andere Stärken – und das weiss man, wenn man in einen Aardman-Film geht. Das Kunstwerk landet nicht auf der Watchlist, weil die Handlung so ausgefeilt konstruiert ist. Das Figurentheater landet dort, weil der Effekt des liebevollen Stop Motion gerade bei Aardman so schadstofffrei zu bewundern ist. Alleine das Design des ums Mammut gelegten Harnisch gefällt dem Betrachter, die Outfits und schmuckvollen Details an den einzelnen Figuren sind von ausgesucht gedulderprobter Machart. Dieses entschleunigte Kino der Puppen hat etwas zeitlos Nostalgisches. Eine Direktheit, die schon seit dem Sandmännchen das Staunen weckt. Blickt man ganz genau hin, lassen sich hauchzarte Fingerabdrücke auf den Gesichtern der Modelle erkennen. Immer wieder müssen die Visagen nachgeformt werden. Und immer wieder freuen, bangen und schwärmen die etwas über eine Handbreit großen Helden aufs Neue, immer wieder ein neues Gesicht, in der Laterna Magica von Nick Park vollendet zu einer geschmeidigen Animation.

Obendrein ist Early Man natürlich ein Pflichttermin für junge Kicker, aber nicht nur für die. Verstehen muss man die Geheimnisse des Fußballs nicht, und ein sonderlich großer Fan von Freistoß, Elfmeter und Co muss man ebenso wenig sein. Viel mehr ist der kunterbunte Sportfilm aus einem Land vor unserer Zeit eine schrullige Ode auf den Teamgeist und die Fairness im Spiel. Knuffig, exaltiert und mit ganz viel versponnener Obsession geknetet.

Early Man

Justice League

DIE WÜRFEL SIND GEFALLEN

6,5/10

 

HAR_DM_FIRST LOOK RND F04© 2017 WARNER BROS. AND RATPAC-DUNE ENTERTAINMENT LLC / Courtesy of Warner Bros. Pictures/ TM & © DC Comics

 

LAND: USA 2017

REGIE: ZACK SNYDER, JOSS WHEDON

MIT BEN AFFLECK, GAL GADOT, JEREMY IRONS, EZRA MILLER, JASON MOMOA U. A.

 

Steppenwolf, Steppenwolf… irgendwas sagt mir das. Ja, genau, und zwar drei Dinge. Erstens ist das der Name einer Rockband, die mit Born to be Wild das Titellied zu Easy Rider komponiert hat. Zweitens ist das auch ein Roman von Hermann Hesse. Drittens – der Vollständigkeit halber – bezeichnet die Astronomie als Steppenwolf vagabundierende Planeten ohne fixer Umlaufbahn. Und viertens? Viertens ist der Steppenwolf ein Superschurke aus dem DC-Universum, kreiert von Jack Kirby und erstmals erschienen in einem Comic aus dem Jahre 1972. Dieser gehörnte Psychopath und machtgierige Bosnigl treibt nun auch in der neuesten Verfilmung der sprechenden Bilder rund um Batman sein Unwesen – und erinnert an eine etwas einfallslose Mischung aus dem gehörnten König aus Ridley Scott´s Legende, dem Feuerdämon Surtur aus Thor – Tag der Entscheidung (schon alleine wegen des Helmes) und Apocalypse aus dem letzten, leider misslungenen X-Men-Abenteuer. Betrachtet man aber die Comics von damals, so ist gegen die Darstellung des größenwahnsinnigen Berserkers nichts einzuwenden – Zack Snyder hat, wenn auch nicht ohne Hilfe von außen, alles richtig gemacht. Und das meine ich tatsächlich so, wie ich es sage, ohne Sarkasmus. Snyder ist womöglich der wirklich einzige Filmemacher unter der Blockbuster-Riege, der das Wort Comic-Verfilmung wörtlich nimmt. Dem Visionär, welcher mit Watchmen tatsächlich einen Meilenstein der laufen lernenden Panels erschaffen hat, merkt man seine Liebe zu dem meist belächelten Nischenmedium an. Comics sind für Snyder nicht nur lose Vorlage – seine Interpretationen sind aufrichtige Huldigungen an Text, Tinte und Papier. 

Dementsprechend ikonisch wirken seine Bilder. Nahezu jede Einstellung eignet sich für ein attraktives Cover lang erwarteter Heftausgaben für Fans, wie Jack Snyder einer ist. Im Grunde ist Justice League also ein Fanfilm – von Fans für Fans. In kaum einer anderen Produktion aus dem wohl am meisten gemobbten Subgenre des Fantasyfilms ist das hochstilisierte Fabulieren mit den Kultfiguren stärker zu spüren – und zu erfahren. Wenn Batman ganz weit oben am Dach eines Altbaus in Gotham City kauert und über den Moloch blickt, wähne ich mich im Comic-Zweiteiler Batman: Hush zu blättern. Ganz großes Bilderkino, das muss man dem Burschen lassen. Obwohl, naja, manch Weltherrschaftsfantastereien meistens nur lächerlich sind. Aber das sind sie in den Comics auch. Das ist ihnen eigen. Übertrieben aufzutreten, nicht nur die eine Katze, sondern auch gleich mehrere von der Sorte aus dem Sack zu lassen. Und endlich ist es auch soweit – DC antwortet den Avengers aus Marvel mit der Liga der Gerechtigkeit. Die kann sich sehen lassen – allen voran natürlich Gal Gadot als die leibhaftige Amazone. Apart, faszinierend und mit ganz viel sinnlich-kokettem Understatement. Ihr zur Seite ein quirliger, heillos konfuser Flash, der zwar etwas bemüht, aber immer mal wieder für Schmunzeln sorgt. Ein Raubein von einem Wassermann, mit Inbrunst verkörpert von „Khal Drogo“ Jason Momoa. Seine Grunge-Attitüde und seine zynische Sicht auf die Welt ist ihm auf den schuppig gepanzerten Leib geschrieben. Sogar Cyborg, mit dem ich im Vorfeld so meine Zweifel hatte, macht eine gute, wenn auch enorm kybernetische Figur. Allen höchst unterschiedlichen Charakteren gelingt die Entwicklung von leicht identifizierbaren Persönlichkeiten. Gut, Wonder Woman hatt da schon einen gewissen Heimvorteil. Und Batman auch. Batman – viele Fans des dunklen Ritters haben schlaflose Nächte, wenn sie daran denken, dass einer wie Ben Affleck maskiert durch die Nacht hirscht. Nun, obwohl ich mich hier nun der Gefahr eines Shitstorms aussetze – tatsächlich halte ich den besten Freund von Matt Damon als die bislang idealste Verkörperung von Bruce Wayne seit Michael Keaton. Der Wayne aus den Comics ist längst nicht so ein Dandy wie Christian Bale. Aber auch nicht so ein naiver Schönling wie Val Kilmer und George Clooney welche waren. Der Milliardär ist ein bulliger, verkorkster Materialist, ein Bandleader, der nur durch Vermögen und sagenhafter Technik als Superheld gilt. Nicht unbedingt ein sympathischer Zeitgenosse, aber ein persönlich motivierter, pflichtbewusster Moralist, der wie ein Bill Gates mit Muskelmasse Verantwortung für die Welt übernehmen muss – einfach weil er es kann.  

Spaß an der Sache hat Batman keinen – das Publikum aber schon. Justice League ist deutlich klarer strukturiert als der Vorgänger Batman vs. Superman. Um nicht zu sagen – der Plot ist straioght, aber sehr dünn. Stattdessen haben die Figuren zwischen all dem Getöse. bröckelnden Mauern und Gefechten mit Schwert, Kanone und Dreizack mehr zu sagen als sonst. Wie gesagt – Zack Syder hat da schon alles richtig gemacht. Zwar ein bisschen von Marvels humoristischer Leichtigkeit abgeguckt, aber immer noch den eigenen Stil beibehalten, der so anders ist als der aus dem Marvel Cinematic Universe. Dieser dramaturgische Sinneswandel verdankt Warner Bros. der Aushilfe von Buffy-Erfinder Joss Whedon bei Regie und Drehbuch. Inoffiziell hat der Avengers-Experte sogar tatsächlich vollends die Regie übernommen, da Snyder aus familiären Gründen aus dem Projekt aussteigen musste. Dass die bierernste Erzählweise des neuen Bat- und Superman die eigentliche Achillesferse der bisherigen Filmreihe war, ließ sich leicht diagnostizieren. Mit Vitamin W für Whedon ist der Klotz am Bein beseitigt worden. Dennoch – es ist immer noch Snyders Film daraus geworden, soviel Respekt unter den Kollegen muss sein. Dementsprechend geklotzt und blickdicht aufgetragen sind seine martialischen Visionen daher immer noch. Und sehr wahrscheinlich wird Snyder auch wieder in weiteren Batman-Abenteuern, sofern Affleck dabei bleibt, das Zepter führen. Was ich nicht bedaure, denn aus Fehlern kann man nur lernen. Diese zweite Chance sollte man gewähren. Und im Kino nicht daran vorbeisehen. Genausowenig wie die Post Credit Szene nach dem Abspann – Sitzenbleiben, denn es zahlt sich diesmal wirklich aus!

Justice League