Broker – Familie gesucht (2022)

MENSCHENLEBEN ZU VERGEBEN

6/10


broker© 2023 Filmladen Filmverleih


LAND / JAHR: SÜDKOREA 2022

BUCH / REGIE: HIROKAZU KORE-EDA

CAST: SONG KANG-HO, GANG DONG-WON, BAE DOONA, JI-EUN LEE, LEE JOO-YOUNG, SEUNG-SOO IM, JI-YONG PARK U. A.

LÄNGE: 2 STD 9 MIN


Das macht schon was mit jemandem, der draufkommt, nicht gewollt auf die Welt gesetzt worden zu sein. Der rein zufällig lebt und atmet, obwohl er nicht geplant war. Eine Existenz, entstanden aus einem Unfall. Gut, es gibt Eltern, die nehmen dieses Ereignis dankend an, denn es wird ihr Leben verändern und um unersetzbare Aspekte bereichern. Es gibt aber auch welche, die niemals Mutter oder Vater sein wollen. Oder können. Wie fühlt man sich, als ein Kind, das keiner haben will? Eine neue Familie, ja klar. Aber dass die leiblichen Eltern einen nicht wollen, lässt sich, wie es scheint, nicht verwinden. Da kann es passieren, dass man im Erwachsenenalter aus der Not der anderen, die noch nicht wissen, wie ihnen geschieht, weil zu klein, Profit herausschlägt. Zwecks Rache. Als Genugtuung. Als Eigentherapie, wie auch immer.

Dong-soo zum Beispiel, selbst einmal Waisenkind gewesen und in entsprechender Einrichtung aufgewachsen, hat sich darauf spezialisiert, gemeinsam mit seinem älteren Freund Sang-Hyun „weggeworfene“ Babys, wie sie es nennen, an kinderlose Eltern zu verhökern, die das offizielle und oft recht mühsame Prozedere zur Adoption umgehen wollen. Klar ist das ein Verbrechen, nämlich astreiner Menschenhandel. Auf Nachhaltigkeit und Gewissenhaftigkeit, wie das die Behörden tun, kann dabei nur schwer gesetzt werden. Da passiert es eines Nachts, dass das Schicksal des Babys von So-young, abgegeben an der Babyklappe einer Kirche, für die Dong-soo arbeitet, von Polizei und Sozialbehörde genauestens beobachtet wird. Und auch So-young hat es sich tags darauf anders überlegt und will ihr Kind wieder zurück – allerdings ist dieses bereits in den Händen der beiden Gauner, die aber im Grunde ihres Wesens herzensgut sind und von da an die Mutter des Kindes mit auf ihre Tour durchs Land nehmen, um die richtigen Eltern zu finden, die auch bereit sind, einen stolzen Preis zu zahlen. Warum da So-young mitmacht, erscheint anfangs nicht klar. Doch irgendwie fühlt sie sich zu den beiden Außenseitern, die selbst keine Familien haben und verstoßen wurden, hingezogen. Wen wundert es, wenn die Biographie der jungen Mutter ein ähnliches Trauma beinhaltet wie das der beiden Gefährten, die fortan so etwas wie eine notgedrungen zusammengewürfelte Familie bilden.

Song Kang-ho, wohl der berühmteste südkoreanische Schauspieler, und das schon seit Jahrzehnten, war Haus- und Hofakteur Park Chan-wooks und wurde durch Bong Joon-hos Parasite weltbekannt. Jetzt hat er letztes Jahr glatt noch die Goldene Palme für sein Schauspiel im vorliegenden Film namens Broker – Familie gesucht erhalten. Er spielt nicht schlecht, was anderes würde mich auch wundern, doch eine herausragende Leistung ist das keine. Dafür spielen ihn seine Kolleginnen und Kollegen fast schon an die Wand, allen voran Im Seung-soo als der kleine Hua-Jin, der sich in den Wagen der Broker schleicht, weil diese für ihn eine Familie sein könnten.

Die Idee des Films, inszeniert und geschrieben von Palme-Gewinner Hirokazu Kore-Eda, der mit dem thematisch recht ähnlichen Shoplifters auf sich aufmerksam machte, hat alles, was ein Seelenwärmer fürs Kino so braucht: Wehmut, Hoffnung, die inspirierende Eigendynamik einer kleinen Gemeinschaft und das erstrebenswerte Gefühl, gebraucht zu werden. Alle, die hier durch Südkorea tuckern, sind Verstoßene, denen das Glück in ihrem Unglück widerfährt, einander plötzlich wichtig zu sein. Dafür findet der Filmemacher vielsagende Momente voller Wahrhaftigkeit, die aber dennoch recht spärlich gesät sind. Denn so richtig mitnehmen will Broker sein Publikum manchmal doch nicht. Es ist, als wären sich die fünf Individuen selbst genug, und wir als Zuseher müssen gar nicht so genau nachvollziehen können, was nun als nächstes passiert.

Zu sprunghaft erscheint mir der Film, nachdem er sich anfangs recht viel Zeit gelassen hat, um überhaupt in Fahrt zu kommen. Kaum sind die Reisenden in Busan, sind sie plötzlich in Uljin oder Seoul. Dann sind da plötzlich Eltern, dort plötzlich Eltern. Es reißt Kore-Eda herum in seinem Skript, und zumindest mich selbst irritiert der plötzliche Orts- und Szenenwechsel manchmal doch so sehr, dass es mich fast bis zum Ende auf Distanz hält. Broker – Familie gesucht ist ein Film, der manche Details verschluckt, während er manchen wiederum zu viel Aufmerksamkeit schenkt. Dazwischen finden sich einige szenische Highlights, die aber dennoch keinen perfekten Film daraus machen.

Broker – Familie gesucht (2022)

Wie im echten Leben (2021)

WISCH UPON A STAR

7,5/10


wieimechtenleben© 2022 Filmladen


LAND / JAHR: FRANKREICH 2022

REGIE: EMMANUEL CARRÈRE

BUCH: EMMANUEL CARRÈRE, HÉLÈNE DEVYNCK

CAST: JULIETTE BINOCHE, HÉLÈNE LAMBERT, LÉA CARNE, ÉMILY MADELEINE, PATRICIA PRIEUR, ÉVELYNE PORÉE, DIDIER DUPIN, LOUISE POCIECKA U. A.

LÄNGE: 1 STD 47 MIN


Was zeichnet eigentlich den westlichen Wohlstand aus? Nein, nicht in erster Linie das Geld, denn das haben mittlerweile nur mehr die Privilegierten und Mächtigen. Es ist die Hygiene. So ein Standard will was heißen. Einmal nicht geputzt, versiffen öffentliche Sanitäranlagen im Eiltempo, in Großraumbüros mobilisiert sich der Lurch zwischen den Kabeln und Steckerleisten zur großen Revolte. Im Restaurant kommt man nicht mehr vom Boden weg, denn da klebt das verschüttete Cola von vorgestern. Die großen Schritte Richtung Zukunft können nicht begangen werden, wenn der Dreck die Behaglichkeit außen vorlässt, die das Image des Westens etabliert. Und die, die dafür verantwortlich sind – ein großer Teil der kritischen Infrastruktur nämlich, denn ohne Hygiene geht gar nichts – müssen ein berufliches Leben im Verborgenen fristen, wie Vampire, die man tunlichst nicht dem Sonnenlicht aussetzt. Sie kommen, wenn alle gegangen sind oder kurz, bevor das Tagesgeschäft wo auch immer wieder losgeht. Dabei ist der Begriff Putzfrau oder Putzmann ohnehin obsolet und abwertend. Wie wäre es mit Raumpflegerinnen und Raumpfleger? Schon besser.

Eine zeitgemäßere Bezeichnung des Berufes bedeutet aber nicht, dass die Arbeitsumstände auf adäquate Weise ebenfalls optimiert wurden – ganz und gar nicht. Um diesen Umständen auf den Grund zu gehen und einen Blick hinter die Kulissen frisch gemachter Betten, duftender Toiletten und glänzender Böden zu wagen, gibt sich Bestseller-Autorin und Investigativ-Journalistin Marianne (sehr authentisch: Juliette Binoche) als Jobsuchende aus, die mit Handkuss jene freie Stelle annimmt, für die sie zwar heillos überqualifiziert scheint, die aber Zähigkeit erfordert. Sie wird Teil einer Gruppe von gerade mal über die Runden kommenden Arbeiterinnen, die für einen Hungerlohn tagtäglich bis an ihre Grenzen gehen. Klar – mit dem Schmutz muss man mal auf du und du sein, sonst wird das nichts. Doch die gemeinsame Anstrengung schweißt zusammen. Aus dem Team werden Freundinnen, aus der entbehrungsreichen Schufterei mitunter die Challenge, in Rekordzeit alles fertigzubekommen. Letztendlich bleibt es aber nur eine Frage der Zeit, bis Mariannes wahre Identität ans Licht kommt – und das für eigene Zwecke erlangte Vertrauen auf dem Prüfstand steht.

Will man dem Alltag von RaumpflegerInnen folgen, tun’s meistens Journaldokus wie Am Schauplatz. Für einen Spielfilm, der genauso wenig schönt, der keine Lust hat, irgendwem zu schmeicheln und keine Scheu davor hat, sich bereitwillig dem Leben und Leiden einer um ihre Anerkennung gebrachten Branche zu nähern, ist die Dokumentation durchgetakteter Arbeitstage nur das Fundament für ein explizites Drama um unerbrachte Wertschätzung für sogenannte niedere Arbeiten, die allerdings getan werden müssen, um das System am Laufen zu halten. Autor und Filmemacher Emmanuel Carrère ist wohl der Romancier unter den Sozialfilmern – Ken Loach oder die Brüder Dardenne sind zwar auf ihre ernüchternde und nüchterne Art unnachahmlich und präzise, für das große zwischenmenschliche Drama findet Carrère noch das bisschen mehr an Emotionalität und Eleganz, ohne dabei die Realität aus den Augen zu verlieren. Diesen unsichtbaren Engeln setzt dieser ein kleines, rechtschaffenes und unpathetisches Denkmal jenseits vom Sozialporno eines Ulrich Seidl. Am Ende aber ist die Diskrepanz zwischen den Gesellschaftsschichten unüberbrückbar, so sehr man sich auch eine alles verbindende Harmonie erhofft, welche die Protagonistinnen auf Augenhöhe wieder zueinander führt.

Wie im echten Leben (2021)

Final Cut of the Dead (2022)

DER FILMDREH ALS OLYMPISCHER GEDANKE

8,5/10


finalcutofthedead© 2022 Filmladen / Lisa Ritaine


LAND / JAHR: FRANKREICH 2022

REGIE: MICHEL HAZANAVICIUS

BUCH: SHIN’ICHIRÔ UEDA, MICHEL HAZANAVICIUS

CAST: ROMAIN DURIS, BÉRÉNICE BEJO, FINNEGAN OLDFIELD, MATILDA LUTZ, GRÉGORY GADEBOIS, SÉBASTIEN CHASSAGNE, RAPHAËL QUENARD, LYES SALEM, SIMONE HAZANAVICIUS, JEAN-PASCAL ZADI U. A.

LÄNGE: 1 STD 50 MIN


Eines gleich vorweg: One Cut of the Dead, das japanische Original aus dem Jahr 2017, kenne ich nicht – ein Low Budget-Zombiefilm, der bei genauerer Betrachtung eigentlich gar keiner ist, oder eben nur zum Teil. Schließlich handelt das unkonventionelle Machwerk ja eher darum, wie leicht oder schwer es fallen mag, einen Genrefilm wie diesen, und sei er auch nur eine halbe Stunde lang, im Kasten zu haben. Die besondere Erschwernis bei diesem Vorhaben ergibt die Anforderung, dass dieses online und gleichermaßen live zu erscheinende Horrorschmankerl eine einzige Plansequenz sein muss. Will heißen: Ein One oder Single Cut, was beinhaltet, dass kaschierte Schnitte wie bei Alejandro Gonzáles Iñárritus Birdman gar nicht mal in Frage kommen. Sollte möglich sein, oder? Theoretisch schon. Wie das beim Filmemachen eben so ist, gibt es dabei viel zu viele Variable, mit denen man rechnen kann oder auch nicht, die das Projekt versenken können – oder das leidenschaftliche Improvisationstalent aller Anwesenden herausfordert.

Die schier kongeniale Originalität des Drehbuchs darf sich Michel Hazanavicius nicht an die Fahnen heften. Das ist schließlich nicht sein Verdienst, sondern der von Shin’ichirô Ueda und Ryoichi Wada. Aus Japan winken schließlich so einige Ideen, auf die man im Westen womöglich nie gekommen wäre. Wer würde sich auch erlauben, einen Zeitreisefilm wie Beyond the Infinite Two Minutes zu erzählen? Wer würde es auch nur wagen, das Genre so dermaßen zu verbiegen, um etwas Neues entstehen zu lassen, auf die Gefahr hin, das zahlende Publikum zu irritieren? Generell ist da Ostasien der Vorreiter und bietet westlichen Filmemachern die Chance, in einer Neuinszenierung ihr eigenes Couleur darüberzutünchen. Hazanavicius, einstmals mit The Artist groß gefeiert und Wegbereiter für die Karriere von Jean Dujardin, hat genau das gemacht: Dasselbe nochmal inszeniert. Als Liebeserklärung fürs Filmemachen stellt Final Cut of The Dead Damien Chazelles Babylon – Rauch der Ekstase in den kinematographischen Museumswinkel, obwohl ich auch dort kaum etwas über die orgiastische Filmdrehsequenz inmitten der kalifornischen Wüste kommen lasse, die aus dem Chaos wahre Wunder des frühen Stummfilms entstehen lässt.

Final Cut of the Dead schlägt diese Liebeserklärungen scheinbar alle. Begeisterungen für den Film und für die Handhabung des künstlerischen Mediums gibt es genug, zuletzt ließ sich auch in Pan Nalins Das Licht, aus dem die Träume sind ganz gut nachvollziehen, was den eigentlichen Antrieb für die Leidenschaft zum bewegten Bild darstellen kann. Dieser Film hier geht aber noch einen Schritt weiter. Und offenbart seinem nicht weniger leidenschaftlichen Publikum mit schierem Aberwitz eine ganze Handvoll Wahrheiten hinter der Illusion, die wir alle niemals oder nur ansatzweise vermutet hätten.

Dabei erhalten wir, die im Auditorium des Kinos sitzen, zuallererst mal die Warnung, dass wir wohl dem schlechtesten Zombiefilm aller Zeiten beiwohnen, nach einer halben Stunde aber das ganze Unding besser verstehen und sowieso nicht ahnen werden, was da für Überraschungen auf uns zurollen. Und tatsächlich: Die erste halbe Stunde ist ein Film-im-Film-Trash mit ganz viel Kunstblut und obskuren Dialogen, die wohl The Room-Maestro Tommy Wiseau erfreut hätten. Es wird schlecht gekreischt, europäische Schauspieler tragen japanische Namen und das Timing ist zum Vergessen. Doch irgendwie hat das Ganze Charakter, als wäre es eine durchgetaktete parodistische Komposition auf das Genre schlechthin. Was dann folgt, ist die Entstehung des Ganzen, das Zusammenbringen der Crew und Einblicke ins Privatleben von Regie-As Rémi (Romain Duris als energischer Wirbelwind). Man ahnt schon: mit diesem Haufen unmotivierter, aber auch sich selbst überschätzender Fachidioten lässt sich schwer einen One Cut drehen, ohne nachher nicht aus dem Fenster springen zu wollen. Oder ist gerade diese Ansammlung unpässlicher Nerds der Garant für das Gelingen so einer Sache? Die Antwort liefert das letzte Drittel, wo wir die erste halbe Stunde als Making Of betrachten können. Und es fällt tatsächlich wie Schuppen von den Augen, wenn uns Filmkonsumenten gewahr wird, was eigentlich alles gar nicht mal im Drehbuch stand.

Hazanavicius (und natürlich auch Ueda) feiern nicht nur das Filmemachen, sondern vor allem auch den Teamgeist. Zu dieser Gruppe will man gehören, von dieser schrägen Begeisterung will man sich anstecken lassen. So ein Abenteuer will man unbedingt mal selbst erleben. Final Cut of the Dead ist zum Brüllen komisch und wohl einer der lustigsten Filme der letzten Zeit. Er bringt die spielerische Improvisation und die Not, aus der allerlei Tugenden entstehen, auf Augenhöhe zu unserem Alltag und lässt sie nicht als elitäre Blase unserer Wahrnehmung entfleuchen. Es lässt sich danach greifen, es lässt sich nachfühlen, wie so vieles eigentlich gar nicht (und auch im Wahrsten Sinne) in die Hose gehen kann, weil alle an einem Strang ziehen, um das künstlerische Ziel zu erreichen. Final Cut of the Dead ist wie der Blick hinter die Illusionskunst eines Zauberers, ohne aber dessen Magie zu entreißen. Er steht für Begeisterung, Hysterie, Träumerei und Enthusiasmus. Aber auch für alles, was nur schiefgehen kann. Gerade diese Fehler, das Unerwartete und Missglückte – kurzum: der Zufall und der sich daraus ergebende kollektive Willen, es hinzukriegen, machen Filme erst lebendig. Geahnt haben wir das immer schon – so offen wie hier wurde uns das aber noch nie demonstriert.

Final Cut of the Dead (2022)

An einem schönen Morgen (2022)

IM UMGANG MIT DENEN, DIE MAN LIEBT

7,5/10


aneinemschoenenmorgen© 2022 Les Films Pelléas


LAND / JAHR: FRANKREICH, DEUTSCHLAND 2022

BUCH / REGIE: MIA HANSEN-LØVE

CAST: LÉA SEYDOUX, PASCAL GREGGORY, MELVIL POUPAUD, NICOLE GARCIA, CAMILLE LEBAN MARTINS U. A.

LÄNGE: 1 STD 54 MIN


Dank Mia Hansen-Løve weiß ich nun, wo der große Ingmar Bergman gelebt und gearbeitet hat – dank eines kleinen, feinen, völlig unaufgeregten Autorenfilms, der sich 2021 als Bergman Island auf der Viennale eingeschlichen und vor allem damit beeindruckt hat, eine fast schon klassisch-romantische Liebesgeschichte mit der Kreativbeziehung eines Künstlerpaares zusammenzubringen. Dabei gelingen ihr zwei Ebenen, die fast schon metaphysisch miteinander verschmelzen. Ein Jahr später schickt Hanson-Løve statt Vicky Krieps und Tim Roth diesmal Lea Seydoux in ein fiktives Leben voller greifbarer, gelebter und wehmütiger Ereignisse, in welche abermals zwei Erzählebenen verflochten sind, die aber beide in ein Universum gehören, eng beieinander liegen und nur manchmal überlappen. Hinter An einem schönen Morgen steht ein klares Gespür für Timing; scheint es auf jede Minute, jede Sekunde anzukommen. All die Szenen scheinen klar definiert, Improvisation manchmal die doppelte Arbeit und daher vielleicht auch unerwünscht, denn Hanson-Løve kann der langen Rede kurzen Sinns nichts abgewinnen. Sie weiß genau, was sie erzählen muss und wie viel Kontext und wie viele Worte es maximal braucht, um niemals Gefahr zu laufen, ins Melodramatische zu kippen.

Dabei wären für das Genre des französischen Problem- und Liebesfilms alle Grundlagen gegeben, um sich in intellektuellen Streitgesprächen, philosophischen Off-Kommentaren oder einer verregneten Pariser Tristesse zu verlieren. Nichts dergleichen scheint die Filmemacherin auf irgendeine Weise zu beglücken. Daher nimmt sie ihre Affinität für kurze, knappe, doch niemals fragmentarisch wirkende Szenen zum Anlass, die Stationen einer späten Verliebtheit mit einem leisen Requiem auf das Alter, der Erinnerung und dem Vergessen zu verbinden.

Im Mittelpunkt steht die Tochter eines Philosophen, Sandra Kinsler, die ihrem Vater dabei zusehen muss, wie er einer neurodegenerativen Krankheit erliegt und immer tiefer in die Symptomatik des sogenannten Benson-Syndroms versinkt. Ähnlich wie Demenz, ist für den Erkrankten das Verarbeiten des Gesehenen gestört, und auch klar artikulieren, wie man gerne wollen würde, lässt sich längst nicht mehr. Daheim kann der Vater nicht mehr bleiben, er muss ins Pflegeheim. Das gestaltet sich als mühselige Odyssee, gleichzeitig muss Sandra damit klarkommen, das Vergangene als vergangen zu akzeptieren und lernen, von ihrem Vater langsam Lebewohl zu sagen. Obwohl Abschiede und Schlussstriche wie diese an Sandras Gemüt nagen, gibt es gleichermaßen auch einen erfrischenden Neuanfang: Ein alter Freund ist wieder in der Stadt, und was lange Jahre nie funktioniert hat, scheint diesmal von Amors Pfeilen getroffen: Beide verlieben sich ineinander. Das Problem nur: Liebhaber Clément ist verheiratet und hat einen Sohn. Wer muss also hier den Schlussstrich ziehen? Einer der beiden muss es tun.

An einem schönen Morgen erinnert in den Szenen mit Pascal Greggory als verwirrtem Vater an Florian Zellers Alters-Opus The Father. Wie unterschiedlich sowohl Hopkins als auch Greggory die Defizite des Altwerdens im Geiste darstellen können, ist verblüffend. Während Hopkins erst spät erkennt, wie hilflos er eigentlich ist, scheint Greggory diese Erkenntnis gar nie kommen zu müssen. Das Vergessen und das Entfernen aus der Realität verlaufen in ruhiger, murmelnder, schlurfender Ziellosigkeit – grandios und völlig unprätentiös gespielt. Die Qual, die man als Außenstehender dabei hat, vermittelt Lea Seydoux ebenfalls auf den Punkt genau. Und trotz dieser Schwere des Schicksals ist der Film auch dank Seydoux‘ völlig unverkrampftem Spiel und Hanson-Løves gelassener Inszenierung impressionistisches Erzählkino ohne plakative Schwere geworden, mit elegant eingeflochtenen, klassischen Versatzstücken des Kinos, die mit dem Rest harmonisieren. Viel passieren muss in Hanson-Løves Filmes eigentlich nie, doch dieses Dahinschweben zwischen den Wendepunkten eines Lebens, das sonst ein Außenstehender gar nicht bemerken muss, weil diese sich selbst genügen, ist schon eine große Eigenheit ihres Stils, und macht sie auch geradezu unverwechselbar in ihrer Art, Anspruch und Tagtraum bewusst ent- und dahingleiten zu lassen.

An einem schönen Morgen (2022)

Meine Stunden mit Leo (2022)

SEX IST, WORÜBER MAN SPRICHT

7/10


meinestundenmitleo© 2022 Filmladen Filmverleih


LAND / JAHR: GROSSBRITANNIEN 2022

REGIE: SOPHIE HYDE

BUCH: KATY BRAND

CAST: EMMA THOMPSON, DARYL MCCORMACK, ISABELLA LAUGHLAND

LÄNGE: 1 STD 37 MIN


Emma Thompson war schon immer zum Hinknien. In diesem so klugen wie temperamentvollen Kammerspiel tut sie das sogar selbst. Wie sonst soll Fellatio auch anders gehen? Meine Stunden mit Leo ist nichts, was ein prüdes Publikum gerne hören oder sehen will. Oder vielleicht doch? Vielleicht gibt ein Film wie dieser Anlass genug, um endlich mal ganz ehrlich zum jeweils eigenen Status Quo sexueller Erfüllung zu stehen. Im Hinblick auf die natürlichste Sache der Welt hat dieses Bedürfnis dank eines biochemischen Belohnungseffekts eine jede und ein jeder. Und das Beste: egal in welchem Alter. Somit sondiert hier, in diesem generischen, aber noblen Hotelzimmer, unser längst aus vielen Filmen lieb gewonnener Star anfangs noch recht zögerlich die neue Umgebung. Ähnlich skeptisch, kam ich nicht umhin, mir die Frage zu stellen, was ein Zwei-Personen-Film wie dieser denn wirklich Bereicherndes verspräche, außer eben Emma Thompson, die laut Trailer mit ein bisschen Alkohol und simplen Tanzschritten aus sich herauszugehen vermag. Im Nachhinein muss ich feststellen: Ich hätte den Film falsch eingeschätzt. Und ich hätte mir Meine Stunden mit Leo womöglich auch nicht auf meine Watchlist gesetzt, wäre mir dieser nicht von mehreren Seiten empfohlen worden. Da ich den Empfehlungen meiner Leser und natürlich auch die meiner Freunde gerne nachgehe, konnte diese kleine filmische Begegnung aus Geben und Nehmen dann doch nicht an mir vorbei. Und gut war’s.

Denn es ist nicht so, als wären diese Stunden, die Emma Thompson alias Nancy Stokes mit dem attraktiven Callboy Leo Grande verbringt, nur gefüllt mit Small Talk und hemdsärmeligen, erotischen Stellungsversuchen, bis beide endlich ihre Hüllen fallen lassen. In Wahrheit ist es so, dass Nancy Stokes sich nicht nur der Textilien entledigen will, sondern auch einer lange herumgetragenen Wahrnehmung von sich selbst und der Welt, deren Entwicklung scheinbar spurlos an ihr vorübergegangen sein muss. Um den Blickwinkel mal zu wechseln, muss Frau neues ausprobieren. Also bucht sie Leo (charmant und attraktiv: Daryl McCormack, u. a. aus Pixie bekannt), einen Mann für gewisse Stunden, der aber nicht nur zwingend für Sex zu haben sein muss, sondern auch für bereichernde Partnerschaften auf Zeit. Ganz billig dürfte dessen Service nicht sein, doch immerhin scheint Nancy zu bekommen, was sie erwartet hat. Nur weiß sie anfangs selbst nicht, was das ist. Ob es die Erwartungen anderer sind, Leos Erwartungen oder die ihrer Freunde und Familie – jedenfalls nicht die ihren. Und so wird aus anfänglichem Zögern und dem üblichen Kennenlernen in solchen Situationen ein auf beiden Seiten ausgetragener, niemals peinlich für den oder die andere werdender Seelenstriptease, der zutage fördert, was beide in ihren Bedürfnissen hemmt. Geben und Nehmen drehen sich um, und die Frage nach dem Sex löst sich dadurch ganz von allein.

Ja, Emma Thompson ist auch hier zum Hinknien. Uneitel, natürlich und ganz und gar selbstbewusst steht sie irgendwann vor dem Spiegel, nackt wie Gott sie schuf. Um dieses „Ja, so bin ich – und das ist gut so“ überhaupt zu erreichen, dafür bedarf es das Hinterfragen umständlicher Tabus und gesellschaftlicher Enge, aus der man sich befreien sollte, will man sich im Alter nicht mehr über alles den Kopf zerbrechen müssen. Der Weg in die Natürlichkeit ist gepflastert mit knackigen Dialogen und einer zielsicheren Dramaturgie, die sich nicht zu lange mit Monologen aus den Erinnerungen der beiden Schauspieler aufhält. Viel wichtiger ist das Aufbrechen alter Strukturen gerade beim Thema Sexualität. Regisseurin Sophie Hyde und die englische Comedian Katy Brand, die das griffige, gerne auch mal erotische Drehbuch verfasst hat, fallen zum Glück nicht mit der Tür ins Haus. Sie wissen beide sehr wohl, dass das Thema eines von jener Sorte bleiben darf, die man nicht in alle Welt hinausposaunt, sondern dass einer eigenen, lockeren Handhabung bedarf. Nämlich einer aus Respekt und gesunder Selbstliebe.

Meine Stunden mit Leo (2022)

Emily

KUNST, DIE AUS KUMMER ENTSTEHT

6,5/10


emily© 2022 Filmladen / Michael Wharley


LAND / JAHR: GROSSBRITANNIEN 2022

BUCH / REGIE: FRANCES O’CONNOR

CAST: EMMA MACKEY, OLIVER JACKSON-COHEN, FIONN WHITEHEAD, ALEXANDRA DOWLING, ADRIAN DUNBAR, GEMMA JONES, AMELIA GETHING U. A.

LÄNGE: 2 STD 10 MIN


Hört man den Namen Brontë, so sind es meist zwei Künstlerinnen, die man damit in Verbindung bringt: Emily und Charlotte, beide natürlich Geschwister. Und beide Schriftstellerinnen. Charlotte hatte da Zeit ihres Lebens mehr zu Papier gebracht als Emily, doch letztere war jene, die den in der Literaturgeschichte fest verankerten Generationenroman Wuthering Heights, auf Deutsch Sturmhöhe, verfasst hat. Es sollte auch ihr einziger bleiben, starb die junge Frau doch mit nur 30 Jahren vermutlich an einer Lungenentzündung. Posthum betrachtet macht so ein literarischer Monolith wie Sturmhöhe schon auch etwas Besonderes aus einem Menschen, der Zeit seines Lebens aufgrund seines Verhaltens vielen ein Rätsel blieb. Da wird das Lesen des Buches selbst zu einer ganz individuell gestalteten Annäherung an die Gedankenwelt einer schwer zu fassenden Persönlichkeit. Emily Brontë war so jemand: ein nonkonformer Freigeist, andererseits aber auch ein durch den gesellschaftlichen Druck in die eigenen Gemächer zurückgedrängtes, verschrecktes Problemkind, welches in der sozialen Interaktion nur schwer seine Erfüllung fand. Mit diesem wechselwirkenden Zustand aus Einzelgängertum und Individualismus setzt sich die britisch-australische Schauspielerin Frances O’Connor in ihrer Regiearbeit auseinander, die Sex-Education-Star Emma Mackey dazu brachte, einer über Wiesen laufenden, mit sich selbst plaudernden und unglücklich verliebten Emily Brontë zumindest für etwas mehr als zwei Stunden neues Leben einzuhauchen.

Diese Emily also, als seltsames Mädchen längst verschrien und in den Augen ihres Vaters ein hoffnungsloser Fall, mit welchem dieser wirklich nichts Sinnvolles anzufangen weiß, bleibt hin und hergerissen zwischen dem Willen, es ihrer älteren Schwester Charlotte gleichzutun und Lehrerin zu werden und der Verlockung, komplett gegen alle Erwartungen zu agieren und in den Tag hineinzuleben, wohl behütet im Landsitz der Familie, um den Gedanken nachzuspinnen und mit Bruder Branwell gegen die Norm zu rebellieren. Der schmeißt schließlich alles hin und will Schriftsteller werden, doch der Durchbruch wird ihm niemals gelingen. Als sich ein attraktiver junger Vikar in der Gemeinde niederlässt und später unter anderem auch Emily in Französisch unterrichtet, bahnt sich schön langsam auch so etwas wie eine romantische Beziehung an, die immer intensiver wird und im Unglück endet, was Emily des Weiteren dazu bringen wird, ihren zeitlosen viktorianischen Roman Sturmhöhe zu schreiben.

Und da haben wir es wieder: Kunst entsteht sehr oft aus dem Leid und dem Kummer, den man verspürt. Aus Sehnsucht und unerfüllter Liebe. Da ist Schreiben wohl das beste Ventil, vermengt mit reichlich Talent entsteht rasch etwas Großes. Bis es so weit kommt, nimmt sich O’Connor in ihrem Film viel, sehr viel Zeit. Und macht, bevor sich all die historischen Figuren aneinander aufreiben, lieber einen auf viktorianisch-romantisches Sittenbild, das eine Querdenkerin inkludiert, die wohl eher unserem gegenwärtigen Zeitgeist entspricht und so das Publikum einlädt, sich in einer vornehmen Welt voller Damenhauben, Spitzen und Anstand zurechtzufinden. So richtig straff hält O’Connor ihre inszenatorischen Zügel dabei nicht. Mit der Vorstellungsrunde aller Protagonisten verliert Emily mitunter die Aufmerksamkeit des Zusehers, die Gedanken schweifen ab, während Emma Mackey zaghaft, aber doch, ihre Bestimmung evaluiert. Das sind biographische Elemente, die finden sich in den Verfilmungen von Jane Austen immer mal wieder. Und man ist zwar fasziniert davon, wie sehr Mackey ihrer Schauspielkollegin Margot Robbie ähnelt, doch so richtig involviert ist man lange Zeit nicht.

Das ändert sich ab der Halbzeit. Da wissen wir mittlerweile ganz gut, wer nun wer ist, und als dann noch die glücklich- unglückliche Liebe mitmischt, die für romantische Historienfilme so essenziell ist, glaubt man fast gar nicht mehr, einem biographischen Drama beizuwohnen, so sehr nach Literaturverfilmung fühlt sich das an. Doch es ist immer noch diese seltsame Nonkonformistin, die sich ganz plötzlich ganz klassischen Gefühlen hingeben muss und gar nicht anders kann, als sich selbst dabei zuzusehen, wie ihr geschieht. O’Connor kommt dabei so richtig in Fahrt, und bleibt dabei nicht nur auf Emily fixiert, sondern auch auf ihr aus Geschwistern, Familie und besagtem Geistlichen bestehendes Umfeld, das letztendlich jene Persönlichkeit mitkreiert, die Emily Brontë in der Literaturgeschichte darstellt. Dabei greift die Regie auf willkommene, dem Konventionellen zuwiderlaufende Stilmittel zurück wie unhörbare, von Musik überlagerte Dialoge, absoluter Stille und sich wiederholender Sequenzen, welche die Verbundenheit der Geschwister Emily und Charlotte unterstreichen sollen. Unterm Strich ist dabei eine sehenswerte und alles andere als verstaubt anmutende Biografie gelungen, die zwar seine Anfangsschwierigkeiten hat, am Ende aber alles richtig macht.

Emily

Der Sommer mit Anaïs

GELEGENHEIT MACHT LIEBE

7,5/10


sommermitanais© 2022 Filmladen


LAND / JAHR: FRANKREICH 2021

BUCH / REGIE: CHARLINE BOURGEOIS-TACQUET

CAST: ANAÏS DEMOUSTIER, VALERIA BRUNI TEDESCHI, DENIS PODALYDÈS, JEAN-CHARLES CLICHET, ANNIE MERCIER, ANNE CANOVAS, CHRISTOPHE MONTENEZ U. A. 

LÄNGE: 1 STD 39 MIN


Kann es nicht sein, dass wir den Schlimmsten Menschen der Welt bereits in der norwegischen Tragikomödie selben Titels gesehen haben? Möglich, doch vielleicht irren wir uns. Es ist zu vermuten, dass die von Renate Reinsve dargestellte Julie Aus Joachim Triers filmischem Gefühlschaos mit Anaïs Demoustier den Rang abgelaufen bekommt. Zumindest aber sind beide ungefähr gleich auf in ihrem Streben, sich nirgendwo festlegen und alles auskosten zu müssen, was das Leben eben so hergibt, dabei aber jedwede Bodenhaftung verlieren, die für innere Gelassenheit wohl wichtig wäre. Sowohl Julie als auch Anaïs sind Freigeister mit Körper und Seele, und Anaïs hat zum Beispiel gar kein Problem damit, eine ungeplante Schwangerschaft einfach abzubrechen, denn das würde ihr Leben unweigerlich in eine Richtung lotsen – für welche die experimentierfreudige Mittdreißigerin längst noch nicht bereit ist. Da gibt’s noch ganz andere Erfahrungen, die Frau machen muss. Zum Beispiel die einer Beziehung zu einem deutlich älteren Buchverleger (Denis Podalydès), der Anaïs gleich ganz für sich beanspruchen will, was diese natürlich wieder in eine Ecke drängt. Anaïs nimmt abermals Reißaus, es treibt sie hierhin, es treibt sie dorthin, und dann weckt die Ehefrau dieses älteren Ex, eine bekannte Schriftstellerin, ihr Interesse. Im Rahmen eines Literatursymposiums in einem Landhotel vergisst Anaïs ihre studentischen Pflichten und quartiert sich genau dort ein, wo die reifere Emilie (Valeria Bruni Tedeschi) ihre Vorträge hält. Langsam entsteht so etwas wie ein sommerlich leichter Flirt zwischen den beiden, die einerseits in ihrer Mentalität unterschiedlicher nicht sein können, andererseits aber vieles gemeinsam haben. Vielleicht auch die Lust am Abenteuer und am Unberechenbaren; an verspielten, ungebundenen Affären und vielsagenden, koketten Blicken.

So einen Augenaufschlag, verbunden mit gewinnendem Lächeln, weiß Anaïs Demoustier famos zu beherrschen. Die eindrucksvolle Schauspielerin wurde seinerzeit, nämlich 2003, von niemand anderem als Michael Haneke entdeckt, der sie 2003 für sein Endzeitdrama Wolfzeit besetzt hat. Jetzt, so viele Jahre und unzählige Filme später, darunter auch Werke von Quentin Dupieux, beeindruckt sie genauso Liebhaber der frankophonen Romantik wie Virginie Efira oder Juliette Binoche es tun. Mit klugem Wortwitz und kreativer Starrköpfigkeit, aber auch mit einer fast schon kindlichen Sehnsucht nach Nähe und dem Mysterium sich anbahnender Liebschaften in genau diesem Stadium verdreht sie selbst ihrem Publikum den Kopf.

Charline Bourgeois-Tacquet lässt sich von dieser Ausstrahlung nur so weit vereinnahmen, dass sie sich nicht mit der Kamera ausschließlich auf Anaïs Demoustier stürzt und alles andere drumherum vergisst, sondern immer noch mit einer zurückgelehnten Entspanntheit eine charmante zwischenmenschliche Konstellationen beobachten kann, die sich nicht auf Druck in irgendeiner aufgeräumten Message kanalisieren müssen. Es ist, als hätten die beiden Schauspielerinnen viel freie Hand gehabt, um manches zu improvisieren oder für anderes wiederum eigene Worte zu finden. Dieses leise und immer stilvolle Abenteuer unter französischer Sommersonne spart nicht mal Tragik ganz aus, weiß aber so gut damit umzugehen wie eben Joachim Trier. Es ist ein Genuss, den Sommer mit Anaïs zu verbringen, zumindest die paar strandwarmen Momente voller Understatements, deren dahingleitende Figuren sich nicht nur einander, sondern auch selbst überraschen. Das Genre des französischen Liebesfilms: stets darauf bedacht, Wirbelwinden wie Anaïs niemals die Chance zu nehmen, irgendwo und irgendwann alle Prinzipien über Bord zu werfen und jeden Moment neu anzufangen.

Der Sommer mit Anaïs

Der Nachtmahr

KOMM AUF MEINE DUNKLE SEITE

7,5/10


nachtmahr© 2015 Filmladen


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND 2015

BUCH / REGIE: ACHIM „AKIZ“ BORNHAK

CAST: CAROLYN GENZKOW, SINA TKOTSCH, WILSON GONZALEZ OCHSENKNECHT, ARND KLAWITTER, JULIKA JENKINS, LYNN FEMME, LUCIA LUCIANO, KIM GORDON U. A.

LÄNGE: 1 STD 32 MIN


Dieser Film kann lichtempfindliche Zuseher nachhaltig in Mitleidenschaft ziehen. Stroboskopeffekte können zur Epilepsie führen. Und dennoch wird empfohlen – um die Qualität des Werks nicht zu mindern – ganz laut aufzudrehen. Die Musik, die hier während diverser Rave-Partys zu hören ist, muss hämmern, dass einem die Ohren klingeln. Will ich das? Nein, das ist es mir nicht wert. Ich drehe Der Nachtmahr auf handelsübliche Lautstärke. Schraube das Volume sogar noch ein bisschen runter, denn das quälende Geräusch, einem Presslufthammer gleich, ist schon lange nicht mehr als Musik zu bezeichnen, nur weil man ab und an noch so etwas wie Rhythmus raushören kann. Aber gut, soll’s geben, stört mich nicht, wenn ich mir trotz Empfehlung der Filmemacher nicht unbedingt einen Tinnitus einfangen will. Und siehe da: Der Nachtmahr funktioniert genauso gut. Auch ohne Selbstquälerei. Die Coming of Age-Allegorie des vielseitigen Künstler AKIZ (mit bürgerlichem Namen Achim Bornhak) sucht sich für die im Kino schon sehr oft bemühte und derzeit etwas inflationär gewordene Phase des Erwachsenwerdens vom Mädchen zur Frau einen allerdings reizvollen und ungewohnten Zugang aus, der mit dem Genre des phantastischen Films kokettiert und die Metaebene des Irrealen auch in die Realität holt, um eine Zwischenwelt zu besiedeln, die durch ihre Erdung allerdings so greifbar bleibt, dass man das Gefühl hat, ein Monster wie dieser graue, kleine Humunculus könnte bei einem selbst mal den Kühlschrank plündern.

Tatsächlich widerfährt diese Begegnung, die an das erste Aufeinandertreffen von Elliott mit dem extraterrestrischen Trapezkopf aus E.T. erinnert, einem fast volljährigen Mädchen namens Tina. Die junge Dame lebt ihre Pubertät, wie Mädels des Handyzeitalters eben ihre Pubertät leben. Mit Tanzen, Partys und mediensozialer Dauerpräsenz. Mit schickem Kommerz, Intrigen und Romanzen. Manchmal kippt das Ganze auch ins Bizarre, wenn Videos von Verkehrsunfällen geteilt werden oder wenn sich Tinas Konterfei durch Morphing in einen missgestalteten Fötus verwandelt. Es dauert nicht lang, da geistert dieser Fötus in Tinas Wahrnehmung herum. Anfangs noch als Schrecken aus der Küche, den die Eltern nicht sehen können, wird der Nachtmahr langsam zu einem Teil von Tinas Psyche. Was der kleine glupschäugige Knirps fühlt und empfindet, fühlt und empfindet auch Tina. Die Eltern sind zusehends besorgt, eben auch sie selbst. Eine Einweisung in die Psychiatrie steht im Raum, nachdem der Besuch beim Therapeuten nicht den gewünschten Erfolg bringt. Auch Tinas Freundinnen distanzieren sich, in der Schule wird das Mädchen gemobbt – bis es dazu kommt, dass der Nachtmahr nicht nur Tina, sondern auch allen anderen erscheint. Und wir wissen: Absonderliches kommt in unserer Gesellschaft nie gut an. Entweder wir Menschen verstehen es sofort, oder es muss weg.

Das Absonderliche ruht in der Psyche eines jeden jungen Menschen, dessen Hormonhaushalt verrückt spielt und dessen Identität, Charakter und Bedürfnisse sich erst mal herausbilden müssen, um mit beiden Beinen im Leben stehen zu können. Dieses Absonderliche sind Ängste, Albträume, emotionale Defizite, Unsicherheiten angesichts einer Welt, die man als Erwachsener immer noch nur sehr schwer begreifen kann. Dazu kommt die Abnabelung vom Elternhaus, das Flüggewerden und das Nicht-Entsprechen elterlicher Erwartungen. Zuletzt bediente sich das finnische Horrordrama Hatching eines sehr ähnlichen Symbolismus. Hier findet die junge Alli ein Ei im Wald, das immer größer wird, um dann ein Monster schlüpfen zu lassen, dass allerdings andere Ambitionen an den Tag legt wie das Wesen in Aziz‘ Film. Beide allerdings fordern durch visualisierte Ausgeburten den werdenden Erwachsenen dazu auf, zu sich selbst zu stehen. Sie sind die Manifestation einer dunklen, missgestalteten, unidealen Seite. Sie fordern auf, akzeptiert zu werden als das, was sie sind. Als Teil vom Ganzen, ohne dessen eine Persönlichkeit nicht reifen und funktionieren kann. Ziel ist es, diesen Teil anzunehmen, ohne sich von ihm beherrschen zu lassen. Deutlicher lässt sich Psychologie kaum illustrieren. Akiz tut dies behutsam, ohne den Horror zweckzuentfremden oder aus dem Kontext zu reißen. Das Unnatürliche gerät zum Ruhepol einer unruhigen Welt im Umbruch. Carolyn Genzgow geht dabei schauspielerisch durchaus an verantwortungsbewusst gesteckte Grenzen, scheint unter Akiz‘ Regie eine Odyssee zu meistern, die sich viel mehr vom Sarkasmus in Hatching entfernt, dafür aber gerne die Rolle des Elliott in E.T. übernehmen würde, der durch die Skills des Außerirdischen per Fahrrad allen entkommt, die dieser Einheit schaden wollen. Letzten Endes wird Der Nachtmahr zum komplexen Märchen eines befreienden Statements, welches jede und jeder irgendwann in seinem Leben in die Welt schreien sollte.

Der Nachtmahr

Sundown – Geheimnisse in Acapulco

IRGENDWANN BLEIB I DANN DORT

8/10


sundown© 2022 Filmladen


LAND / JAHR: MEXIKO, FRANKREICH, SCHWEDEN 2021

BUCH / REGIE: MICHEL FRANCO

CAST: TIM ROTH, CHARLOTTE GAINSBOURG, IAZUA LARIOS, HENRY GOODMAN, ALBERTINE KOTTING MCMILLAN U. A. 

LÄNGE: 1 STD 23 MIN


… lass‘ alles liegen und stehen, geh von daheim für immer fort. So singt es die österreichische Kultband STS in einem ihrer besten und zeitlosesten Lieder. Die Ballade von einem, der auszog, auszusteigen, findet sich in der mit nostalgischem Zeitkolorit überzogenen Fernsehserie Der Sonne entgegen wieder. Und aus diesem Blickwinkel betrachtet, lässt sich sogar Tim Roths eigentümliches Verhalten im mexikanischen Psychodrama Sundown – Geheimnisse in Acapulco nachvollziehen. Denn für einen Koffer, wie Hildegard Knef ihn in Berlin gelassen hat, muss der wortkarge Charakterdarsteller (zuletzt sogar gesehen in She-Hulk als Figur des Emil Blonsky) zwar nicht nochmal zurück zum Hotel, sondern wegen seines Reisepasses, den er liegen hat lassen. Natürlich, sowas passiert. Ist sogar mir schon widerfahren. Da kommt man gerne in Stress, wenn der Flieger seine fixen Abflugzeiten hat. Doch Neil Bennett – so nennt sich Roths Figur – denkt gar nicht daran, sich um ein Auffinden seiner Dokumente zu bemühen. Die Familie ist ohnehin schon unterwegs nach Hause und hat den Urlaub an Mexikos Küste aufgrund eines Todesfalls vorzeitig abbrechen müssen. Neil jedoch zögert, fährt mit dem Taxi ganz wo anders hin, nur nicht ins Hotel. Sucht sich eine günstigere Absteige mitten im Strandtrubel Acapulcos, lässt sich bald auf eine Liebschaft ein und steckt sonst die Füße in den weißen Sand, um das Dutzend an Bieren voll zu machen, das er, dem Müßiggang frönend, in sich hineinkippt. So lässt sich‘s leben. Und die Familie? Ja, die Familie… Die quält alle Nase lang Neils Smartphone, um zu wissen, was denn nun eigentlich los sei.

Alle Zelte abzubrechen, sich komplett neu orientieren: Irgend etwas muss hier passiert sein, fragt sich das Publikum. Michel Franco schweigt. Genauso wie Tim Roth. Der erzählt nicht viel. Blickt nur in die Ferne, hat Sex mit einer Mexikanerin, badet im Meer. Und selbst ein Schussattentat auf dem öffentlichen Strand tangiert ihn nicht. Tim Roth lebt den reinen Phlegmatismus. Oder ist das schon Resignation? Warum lässt er die Familie im Stich? So drängend die Fragen auch sein mögen – als Zuseher selbst gerät man schon bald in den Bann eines entschleunigten Rhythmus, und will gar nicht so unbedingt wissen, was nicht stimmt. Es ist ja nicht so, dass Franco hier überhaupt kein Licht in die Sache bringt. Aber langsam, behutsam, ab und an fallen narrative Brocken, die Klarheit schaffen. Doch das verschwommene, trübe Bild einer Psyche, die sich erst nach einem Lebenswandel von 180 Grad verstanden fühlt, und die das Unmögliche, nämlich mit allem abzubrechen und neu anzufangen, als etwas darstellt, das sich unendlich leicht anfühlt, fasziniert. Wie Tim Roth eben auch. In seiner Ruhe liegt eine Wucht, ein Wille zum Unwillen. Charlotte Gainsbourg, die es nicht fassen kann, wirbt allerdings ebenfalls um Verständnis für ihre Sache. Und ja, das bekommt sie. Natürlich. Jemanden im Stich zu lassen ist egoistisch, grausam, ignorant. Wir werden sehen, dass dieser Neil Bennett gute Gründe hat, eben zu tun, was er anscheinend tun muss. Man will es zwar wissen, aber wie gesagt – das Treibenlassen ist in Sundown ein begehrlicher Zustand.

Michel Franco übrigens ist mir seit seinem dystopischen Revolutionsdrama New Order ein Begriff. Der Mexikaner scheint ein Virtuose darin zu sein, Zustände auf paraverbaler Ebene – einfach in kurze, wortlose Szenen gefasst – besser transportieren zu können als durch ausschweifende Dialoge. Die Art der Lakonie hat gleichermaßen etwas Besänftigendes und Aufbrausendes. Es irritiert und setzt auf eine Weise die zeitliche Wahrnehmung außer Kraft. Trotz seiner nur 83 Minuten kurzen Spielzeit lässt sich die Dauer von Sundown gefühlsmäßig kaum einschätzen. Mit diesem Aushebeln gewisser Zwänge – sind sie nun der Story geschuldet oder der Art des Inszenierens – verwundert Franco mit seinem Sundown auf eine elektrisierende, zutiefst empathische Art und Weise.

Sundown – Geheimnisse in Acapulco

Märzengrund

IN DIE BERG‘ BIN I GERN

7/10


maerzengrund© 2022 Metafilm 


LAND / JAHR: ÖSTERREICH, DEUTSCHLAND 2022

REGIE: ADRIAN GOIGINGER

BUCH: ADRIAN GOIGINGER & FELIX MITTERER, NACH SEINEM THEATERSTÜCK

CAST: JAKOB MADER, JOHANNES KRISCH, GERTI DRASSL, HARALD WINDISCH, VERENA ALTENBERGER, IRIS UNTERBERGER, CARMEN GRATL, PETER MITTERRUTZNER U. A. 

LÄNGE: 1 STD 50 MIN


Felix Mitterer ist als Bühnen- und Drehbuchautor längst nicht mehr wegzudenken. Dabei war ihm nie genug, nur in der österreichische Seele zu wühlen oder die Blut- und Boden-Heimat eines Karl Schönherr zu zelebrieren. Mitterer geht es in seinen Stücken um elementarere Themen. Um Freiheit, Alter, Tod und Identität. Als Drehbuchautor wird er komödiantisch – Die Piefke-Saga war Anfang der Neunziger eine durchaus aufreibende TV-Sensation, die unsere deutschen Nachbarn wohl etwas vergrämt hat, wobei Mitterer eigentlich auf beiden Seiten seine Ohrfeigen hat fliegen lassen. Mit dem vierten Teil des Fernseherfolges war es dann nicht mehr weit bis zum surrealen Albtraum eines längst ausverkauften und zugrunde gerichteten Urlaubslandes Tirol. Sein düsterstes Werk: Sibirien – der Monolog eines dahinsiechenden, alten Mannes in einem entmenschlichten Altersheim, als Fernsehspiel verfilmt mit Fritz Muliar.

Die Zeit, die an Geist und Körper nagt, ist in Mitterers Aussteigerdrama Märzengrund ebenfalls kein unwesentlicher Motor. Auf der Bühne gut vorstellbar – aber als Film? Die Zahl an Leinwandadaptionen halten sich bei des Künstlers Werken auf einstelligem Niveau – lieber ist das Fernsehen für die mediale Umsetzung seiner Dramen verantwortlich, weniger das Kino. Adrian Goiginger, der mit seinem Erstling Die beste aller Welten eine außergewöhnliche Empathie für sein Ensemble an den Drehtag legte und Skript sowie dessen Umsetzung perfekt in Einklang brachte, scheint mit Märzengrund das als ausgetreten und altmodisch betrachtete Genre des klassischen Heimatfilms wieder aufleben zu lassen. Schicksalskitsch 2.0? Der Förster vom Silberwald oder Geierwally waren gestern, Adrian Hoven oder Rudolf Lenz Lederhosenhelden mit Hirschknöpfen am Revers, die Wilderern das Handwerk legten oder todesmutig das Edelweiß pflückten. Doch was wären Filme wie diese, würden sie in der dritten Dekade des 21. Jahrhunderts plötzlich wieder glückselig auf ihre erfolgreiche Subvention blicken? Prinzipiell nicht viel anders. Vielleicht aber desperater. Peter Brunners Luzifer oder Ronny Trockers Die Einsiedler mit Ingrid Burckhardt. Heimatfilme werden hierzulande zu einer Art Spätwestern. Zum Abgesang von  verstaubten Idealen oder einer nostalgischen Verklärtheit. Das bittere Ende scheint vor allem bei Mitterer stets garantiert, der Kompromiss eine Sache für Luschen.

Genauso wenig zu Zugeständnissen bereit scheint Elias, ein Jungbauer und zukünftiger Erbe eines stattlichen Hofes im Zillertal mit sehr viel Hektar und noch größerem Viehbestand. Wir schreiben Ende der Sechzigerjahre, der Sohn hat gefälligst das, was der Vater bereits aufgebaut hat, weiterzuführen. Und muss auch bis dahin ordentlich Hand anlegen, nebst vorbildlicher Schulleistung. Als Elias kurz davorsteht, den Hof zu übernehmen, lernt er die deutlich ältere, geschiedene Moid (Verena Altengerger) kennen, die sich genauso wie er fremd in der Welt fühlt und für den jungen Mann durchaus auch Zuneigung empfindet – was der herrischen Bäuerin Mutter (großartig: Gerti Drassl) überhaupt nicht in den Kram passt. Das Verbot dieser unorthodoxen Beziehung stürzt Elias in Depressionen, die er erst wieder überwinden kann, als er einen Sommer lang auf der farmeigenen Alm die Kühe hütet. Von diesem Moment an sieht sich Elias für ein Leben fernab jeglichen gesellschaftlichen Treibens bestimmt, fernab aller Menschen und nur im Einklang mit der Natur. Man kann sich denken, wie die Eltern das finden werden. Doch all die Enttäuschung, Verbitterung und der Gram des verratenen Vaters reichen maximal bis zur Baumgrenze – darüber hinaus macht Elias einen auf Robinson Crusoe, ohne Freitag und ganze vierzig Jahre lang. Bis der Körper nicht mehr so kann, wie er will.

Märzengrund ist längst nicht so dicht und packend erzählt wie Die beste aller Welten. Kein Wunder: Mitterer hat in seinen Stücken längst nicht so eine Wortgewalt wie zum Beispiel ein Thomas Bernhard. Aber gerade die Lakonie seiner Arbeiten entwickelt auf der Bühne eine Sogwirkung. Im Kino kompensiert Goiginger die Tragödie eines Aussteigers mit der wuchtigen Berglandschaft Tirols, die vor lauter greifbarem Naturalismus fast schon die Leinwand sprengt. Dabei orientiert sich Kameramann Clemens Hufnagl an die Bilderstürme eines Terrence Malick. Weitwinkel, unmittelbare Closeups, weg von der Statik eines Stativs. In Ein verborgenes Leben, Malicks Rekonstruktion des Falles Jägerstätter, rückt dieser nah an das Dorfleben des vergangenen Jahrhunderts heran, wirkt gemäldegleich und mit Licht, Bewegung und wanderndem Blickwinkel enorm vital.

Märzengrund bietet ein ähnliches Erlebnis, noch dazu mit Schauspielern, die wohl dank eines von Goiginger geschaffenen vertrauten Umfelds tief in ihre Rollen tauchen. Natürlich ist Johannes Krisch – ein Chamäleon des österreichischen Films ­­– ganz vorne mit dabei. Bruno Ganz hätte diese Rolle wohl nicht besser gelebt, mit all der Verbissenheit, der Verzweiflung und dem gefundenen Frieden in der Einsamkeit. Das alles im Tiroler Dialekt, der das Szenario noch stimmiger werden lässt. 

Das Heimatdrama ist also zurück. In einer Form, wie unsere Eltern es bereits gewohnt waren und das für nostalgischem Realismus, wuchtigem Gipfeldrama und nun auch dank Mitterer’scher Gesellschaftskritik für das fatale Dilemma existenzieller Neu- und Unordnung steht.

Märzengrund